Nostalgische Gefühle angesichts des Unistreiks

Stu­di-Streiks kom­men so unge­fähr alle drei bis fünf Jah­re vor. Gra­de bran­det es wie­der auf. Aktiv invol­viert war ich in den Streik 1997/98 „Lucky Streik“. Dazu viel­leicht ein ande­res Mal mehr. Der Streikt 97/98 hat­te eine Beson­der­heit, wo heu­te längst Nor­ma­li­tät vor­zu­fin­den ist – erst­mals wur­de das Inter­net als Medi­um der Kom­mu­ni­ka­ti­on und Ver­net­zung ver­wen­det. Heu­te ist bildungsstreik.org kla­res Web 2.0, jede besetz­te Uni hat ihr eig­nes Blog und Twit­ter-Account (z.B. Frei­burg Bildungsstreik2009 und @freiburgbrennt). Sind ja auch die „digi­tal nati­ves“. Oder?

Zurück in die Ver­gan­gen­heit. Vor elf Jah­ren war die Tat­sa­che, dass im Netz ver­netzt und kom­mu­ni­ziert wur­de, inter­es­sant genug, um das als Bei­spiel in einer Haus­ar­beit zur digi­ta­len Demo­kra­tie anzu­füh­ren. Die ver­link­ten Akti­ons-Sei­ten sind lei­der längst tot oder bei Domain­grab­bern gelan­det. Der Text der aus Frei­burg gepfleg­ten Sei­te streik.de von damals liegt im Inter­net­ar­chiv. Noch auf­ruf­bar ist die wis­sen­schaft­li­che und z.T. media­le Aus­ein­an­der­set­zung mit den Hoch­schul­streiks. Ins­be­son­de­re Chris­toph Bie­ber hat sich damals her­vor­ge­tan – etwa mit einem Arti­kel in der taz, einem Essay in der Tele­po­lis und ande­rem mehr.

Trotz­dem bleibt eines: Rele­vanz erreicht der Streik nicht durch Ver­net­zung und Web­sites. Spür­bar wird er dort, wo tat­säch­lich Hör­sä­le und Uni­ge­bäu­de besetzt sind und blei­ben. Die haben längst WLAN – aber Web­sites, Mai­ling­lis­ten oder Face­book-Groups blei­ben letzt­lich Werk­zeu­ge des Protests. 

War­um blog­ge ich das? Ver­mut­lich vor allem des­halb, weil ich eigent­lich lie­bend ger­ne mit­pro­tes­tie­ren wür­de – aber gra­de vor har­ten Dead­lines stehe.

P.S.: Wie Bie­ber die aktu­el­len Bil­dungs­pro­tes­te aus netz­po­li­ti­scher Sicht sieht, steht bei futurezone.orf.at. Und auch das ZDF berich­tet über die digi­ta­len Vernetzungswege.

Einige Überlegungen anlässlich des Workshops „Nachhaltige Hochschulen“

Ges­ternVor einem Jahr fand in Ber­lin eine gemein­sa­me Tagung von Hein­rich-Böll-Stif­tung und Cam­pus­Grün zur Zukunft der Hoch­schu­len statt. Die­ser Fra­ge wur­de in unter­schied­li­chen Work­shops nach­ge­gan­gen; ich war damals gebe­ten wor­den, einen Work­shop „Nach­hal­ti­ge Hoch­schu­len“ vor­zu­be­rei­ten und zu lei­ten. Mit dem kon­kre­ten Work­sh­op­er­geb­nis bin ich ganz zufrie­den. Weil das The­ma aber ja viel­leicht auch Men­schen außer­halb der grü­nen Hoch­schul­grup­pen­sze­ne inter­es­siert, hier die Foli­en mei­nes Inputs (bei Slidesha­re) sowie ein paar Wor­te dazu.
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Wie war’s auf dem Länderrat?

Ges­tern war ich ja auf dem grü­nen Län­der­rat in Ber­lin. War sowohl bau­lich (Umwelt­fo­rum Auf­er­ste­hungs­kir­che in Ber­lin-Fried­rich­hain) wie atmo­sphä­risch eine sehr schö­ne Ver­an­stal­tung. Scha­de, dass die FDP uns mit ihrem Nibe­lun­gen­ge­löb­nis ein wenig die Show gestoh­len hat. Der Spie­gel hat die resul­tie­ren­de Stim­mung als „trot­zig“ beschrie­ben – fin­de ich nicht ganz pas­send: aus den Rede­bei­trä­gen wur­de jeden­falls klar, dass wir alle um jede grü­ne Stim­me kämp­fen, Koali­ti­ons­op­tio­nen hin oder her, und dass am 27.9. nicht nur die Bun­des­tags­wahl, son­dern auch die Land­tags­wah­len in Schles­wig-Hol­stein (schwarz-gelb rutscht in den Umfra­gen ab) und Bran­den­burg (wenn alles gut läuft, zie­hen Grü­ne in den Land­tag ein) Span­nung versprechen.

Einen Über­blick über den Ver­lauf des Län­der­rats geben Twit­ter­such­er­geb­nis­se nach dem Tag „#län­der­rat“ von mir und ande­ren. Die Höhe­punk­te der Reden des Spit­zen­teams und die Beschlüs­se sind inzwi­schen online.

Ich selbst habe eine klei­ne, mehr oder weni­ger impro­vi­sie­re Rede zu Hoch­schul- und Wis­sen­schafts­po­li­tik und zur netz­po­li­ti­schen Kon­kur­renz gehal­ten (ande­re sag­ten dazu spä­ter auch noch was). Kam glau­be ich ganz gut an.

Anek­do­te am Ran­de: die star­ke Ver­brei­tung von Face­book unter grü­nen Abge­ord­ne­ten und Spit­zen­leu­ten wur­de deut­lich, als Bär­bel Höhn MdB sich mit der neben mir sit­zen­den Bärbl Mie­lich MdL über Face­book unter­hielt. Vor ihr: Vol­ker Beck, bekann­ter­ma­ßen sehr aktiv in den neu­en Medi­en, neben ihr Syl­via Kot­ting-Uhl MdB, die stolz auf ihren Face­book-Account ver­wies, dane­ben Dani­el Mou­rat­i­dis (LaVo BaWü, eben­falls bei Twit­ter aktiv) und dann in der nächs­ten Rei­he Rhein­land-Pfalz mit Dani­el Köb­ler (LaVo RLP). Kurz gesagt: die Anzahl der akti­ven Web2.0‑NutzerInnen über­stieg auf die­sem Par­tei­tag die Nicht­nut­ze­rIn­nen deut­lich. Ein Glück, dass wir nicht Go gespielt haben.

Zurück zu den Inhal­ten: ich hat­te kurz­ent­schlos­sen dann doch noch ein paar Anträ­ge zum „Sofort­pro­gramm“ gestellt (es gab auch noch ein paar wei­te­re). Dabei ging es mir um zwei Punk­te: Hoch­schu­le und Wis­sen­schaft einer­seits und Afgha­ni­stan ande­rer­seits. Das Ergeb­nis war letzt­lich ein „Ver­hand­lungs­sieg“ – mei­enn Afgha­ni­stan-Antrag habe ich zurück­ge­zo­gen (u.a. weil es von Arvid Bell u.a. einen bes­se­ren gab), mein Ver­such, das Pro­gramm kom­plett umzu­struk­tu­rie­ren, um einen eigen­stän­di­gen Punkt „Bil­dung“ unter­zu­brin­gen, klapp­te nicht. Erfolg­reich war ich aber doch: jetzt steht in der Über­sicht über die grü­nen Zie­le (pdf, Zei­le 74) doch ein deut­li­cher Ver­weis auf Hoch­schu­le und Wis­sen­schaft als Beruf:

Wir bau­en sozia­le Hür­den in der Stu­di­en­fi­nan­zie­rung ab. Wir schaf­fen Arbeits­plät­ze in Bil­dung, Erzie­hung und Wis­sen­schaft. Mit uns wird der Beruf Wis­sen­schaft wie­der attrak­tiv – für Frau­en und Männer. 

Ich hät­te natür­lich ger­ne noch deut­lich mehr drin­ne gehabt – aber letzt­lich ist das bei so einem Pro­gramm immer ein Kampf um jeden ein­zel­nen Satz. Bin also im End­ef­fekt ganz zufrieden.

Ob das Sofort­pro­gramm im Wahl­kampf bzw. in unwahr­schein­li­chen, aber nicht unmög­li­chen Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen eine Rele­vanz hat – wer­den wir sehen. 

P.S.: Felix Neu­mann hat mich drauf auf­merk­sam gemacht, dass ich kurz in der Tages­schau zu sehen war. Hier das Beweisfoto:
Screenshot "Tagesschau"
Screen­shot aus der Tages­schau vom Sonn­tag, hin­ter Vol­ker Beck und Rebec­ca Harms bin ich zu sehen.

War­um blog­ge ich das? Als Ein­blick in das Innen­le­ben von Parteien.

Kurz aus der grünen Hochschulpolitik

Un(i)gerecht IIISams­tag, Sonn­tag und Mon­tag habe ich mit grü­ner Hoch­schul­po­li­tik zuge­bracht. In Ber­lin. Sams­tag und Sonn­tag war die Sit­zung der BAG WHT, der Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le, Tech­no­lo­gie­po­li­tik. Am Mon­tag gab es eine Tagung der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on unter dem Mot­to „Un(i)gerecht – grü­ne Impul­se für zukunfts­fä­hi­ge Hoch­schu­len“. Eine Art Gene­ral­ab­rech­nung zum Stand der Hoch­schul­po­li­tik in Deutsch­land. War gut besucht, ganz inter­es­sant (v.a. der Vor­trag von Prof. Baer), aber wenig auf Par­ti­zi­pa­ti­on hin aus­ge­legt. Und ob die Tagung inhalt­lich wirk­lich etwas neu­es gebracht hat, ist mir auch nicht so ganz klar. Ein etwas pro­vo­kan­tes Resü­mee habe ich zum aktu­el­len Grün­zeug am Mitt­woch verarbeitet.

Hier nun noch ein paar Wor­te zur Sit­zung der BAG. Wir waren ziem­lich pro­duk­tiv und haben gleich 24 Ände­rungs­an­trä­ge zum Ent­wurf für das Bun­des­tags­wahl­pro­gramm aus­ge­ar­bei­tet und beschlos­sen. Dank Bea­mer ging das sogar eini­ger­ma­ßen sinn­voll in einer Run­de von knapp 20 Leu­ten. Hier sind alle Ände­rungs­an­trä­ge zum Wahl­pro­gramm zu fin­den; unse­re ste­hen v.a. unter dem Punkt „BTW‑B“, das ist die Bildungspolitik.

Beschlos­sen haben wir außer­dem – end­lich, nach meh­re­ren Sit­zun­gen, auf denen wir uns damit beschäf­tigt haben – das Posi­ti­ons­pa­pier zum Bei­trag der Hoch­schul- und For­schungs­po­li­tik für eine nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung. Es war mir ein ziem­lich wich­ti­ges Anlie­gen, die BAG hier zu posi­tio­nie­ren, und ich glau­be, dass das Ergeb­nis sich sehen las­sen kann. Gefreut hat es mich auch, dass Anja Schillhan­eck und ich jeweils ein­stim­mig für wei­te­re zwei Jah­re erneut als Spre­che­rIn­nen der BAG gewählt wurden. 

Kurz: Koalitionskrach zu Studiengebührenstudie (Update 3: HIS-Studie liegt vor)

Laut Medi­en­be­rich­ten hat das HIS – ein renom­mier­tes Hoch­schul­for­schungs­in­sti­tut – für das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung empi­risch unter­sucht, ob Stu­di­en­ge­büh­ren eine abschre­cken­de Wir­kung haben. Nach den Gerüch­ten über die bis­her nicht vor­lie­gen­de Stu­die scheint die­se Abschre­ckungs­wir­kung bestä­tigt wor­den zu sein (also sin­ken­de Stu­dier­nei­gung; dass es die­ses Jahr trotz­dem vol­le Ersti-„Klassen“ gibt, ist dann eher mit Jahr­gangs­stär­ken und der Abschaf­fung von Jahr­gang 13 in eini­gen Bun­des­län­dern zu erklä­ren). Bis­her wur­de die Stu­die nicht veröffentlicht. 

Das ist tat­säch­lich ziem­lich dane­ben, da stim­me ich sowohl der SPD zu – die das The­ma gera­de in der Koali­ti­on zum Kon­flikt­herd #123 erklärt – als auch der grü­nen For­de­rung, nicht nur die Ergeb­nis­se schnell zu ver­öf­fent­li­chen, son­dern auch regel­mä­ßig ein Stu­di­en­ge­büh­ren­mo­ni­to­ring zu betrei­ben, nur anschließen.

Update: (21.10.2008) Wie pas­sen die Ergeb­nis­se der Stu­die eigent­lich zum BVerfG-Urteil gegen das Stu­di­en­ge­büh­ren­ver­bot? Vor allem im Hin­sicht auf die Begrün­dung, dass eine bun­des­wei­te Rege­lung nicht not­wen­dig sei, weil 

[…] anzu­neh­men [ist], dass die Län­der bei Ein­füh­rung von Stu­di­en­ge­büh­ren in eigen­ver­ant­wort­li­cher Wahr­neh­mung der ver­fas­sungs­recht­lich begrün­de­ten Auf­ga­be zu sozi­al­staat­li­cher, auf die Wah­rung glei­cher Bil­dungs­chan­cen bedach­ter Rege­lung den Belan­gen ein­kom­mens­schwa­cher Bevöl­ke­rungs­krei­se ange­mes­sen Rech­nung tra­gen wer­den. (Pres­se­mit­tei­lung zum Urteil) 

Update 2: Das HIS rela­ti­viert laut Spie­gel Online die Effek­te von Studiengebühren:

Die umstrit­te­ne Stu­die soll dazu Daten lie­fern. Die Autoren aller­dings haben die Abschre­ckungs­wir­kung von Stu­di­en­ge­büh­ren inzwi­schen rela­ti­viert. Nega­ti­ve Effek­te sei­en nach­weis­bar, aber nur in gerin­gem Maße, sag­te HIS-Geschäfts­füh­rer Mar­tin Leit­ner am Diens­tag. Von den jun­gen Leu­ten, die 2006 in Deutsch­land stu­di­en­be­rech­tigt waren, woll­ten 6000 bis 18.000 wegen der Gebüh­ren kein Stu­di­um begin­nen, sag­te Leit­ner. Dies sei­en jedoch nur 1,5 bis 3,8 Pro­zent aller Stu­di­en­be­rech­tig­ten gewe­sen. Im Gegen­zug hät­ten zwei Pro­zent gezielt zu einer Hoch­schu­le mit Stu­di­en­ge­büh­ren gehen wol­len, weil sie sich dort eine bes­se­re Aus­stat­tung und Betreu­ung erhofft hätten. 

Update 3: (31.10.2008) Inzwi­schen liegt laut Pres­se­mit­tei­lung der HIS die Stu­die vor. Dort ist auch ein Link zum Down­load zu finden.