Am Schluss ging’s dann schneller als erwartet: heute hat die schwarz-rot-blaue Koalition den Entwurf ihres Koalitionsvertrags vorgestellt. Auf 144 Seiten wird – immer unter Finanzierungsvorbehalt – skizziert, was Merz und Co. in den nächsten vier Jahren vor haben – jedenfalls dann, wenn die Gremien von CDU und CSU zustimmen und die SPD-Mitglieder ihren Daumen heben.
Beantwortet ist jetzt auch die Frage nach der Aufteilung der Ressorts auf die koalierenden Parteien. Es kursierten zwar heute früh schon Listen mit Namen (u.a. wurde Andreas Jung aus Baden-Württemberg da schon zum CDU-Umweltminister ausgerufen). Die Aufteilung der Ressorts im Vertrag selbst sieht jetzt aber doch noch einmal anders aus. Und Namen gab es in der Pressekonferenz nicht – mal sehen, wann diese nachgereicht werden.
Demnach wird die CDU neben Bundeskanzler und Minister im Bundeskanzleramt die Ressorts für Wirtschaft und Energie (aber ohne Klimaschutz), das Auswärtige Amt, das neu zusammengestellte Ministerium für Bildung, Familie, Senioren und Frauen, das Gesundheitsministerium, das Verkehrsministerium – das heute früh noch ein umfassenderes Infrastrukturministerium war – und das neue Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung besetzen. Letzteres klingt ein wenig nach DOGE; ich hoffe, dass die Ankündigung, das Personal der Bundesbehörden zu reduzieren, nicht zu ähnlichen Kahlschlägen führt wie in den USA.
Die SPD benennt sieben Minister*innen: den Finanzminister (vermutlich Lars Klingbeil) und die Minister*innen für Justiz und Verbraucherschutz, für Arbeit und Soziales, für Verteidigung (ich tippe drauf, dass das weiter Pistorius machen wird), für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit, für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (das also nicht im AA landet) und für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.
Bei der CSU wird’s klassisch mit Innen auf der einen und Ernährung, Landwirtschaft und Heimat auf der anderen Seite. Dazu kommt dann ein „Superhightechministerium“ für Forschung, Technologie und Raumfahrt, bei dem Star-Trek-Fan Söder ins große Schwärmen kam. Der Minister oder die Ministerin (ich tippe auf Doro Bär) darf dann Quanten, KI, Fusionskraftwerke, Hyperloops, Flugtaxis und was noch alles schönes in Bayern gibt, finanzieren. Ob die Hochschulen hier oder zwischen Bildung, Jugend und Senioren gelandet sind, scheint mir noch nicht ganz klar zu sein.
Und inhaltlich? Bisher habe ich die 144 Seiten nur überflogen. An einiges Stellen gibt es positive Auffälligkeiten (etwa bei der Zusage für das Deutschlandticket), die eine oder andere Grausamkeit wurde zurückgestellt – Selbstbestimmungsgesetz und Cannabisgesetz sollen „ergebnisoffen evaluiert“ werden, eine Abschaffung steht nicht mehr im Vertrag; das Gebäudeenergiegesetz soll durch ein neues Gesetz ersetzt werden, das sich strikt an den CO2-Emissionen orientiert (da bin ich gespannt). Düster sieht es im Bereich Migration aus, da stehen in nur leicht abgeschwächter Form alle Forderungen aus dem Unions-Gruselkabinett im Text. Ähnlich beim Bürgergeld. Die Klimaziele für 2045 werden bestätigt, der Weg dahin sieht allerdings reichlich schwammig aus und dürfte auch die eine oder andere Hürde für den weiteren Ausbau der Elektrifizierung enthalten. Und insgesamt bleibt offen, wie die schönen Dinge (Superlaserhightechquanteneinhörner! Absenkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie! Senkung der Strompreise!) überhaupt finanziert werden sollen. Ach ja: das Ganze steht unter Finanzierungsvorbehalt. Prognose: Das wird noch lustig.
In der B‑Note: Söder charmierte kabarettistisch, Merz war stolz wie bolle, Klingbeil hörte sich teils wie ein Finanzminister und teils wie ein kommender Kanzler an, und Esken wurde von den drei Herren weitgehend ignoriert, als sie die Programmteile Soziales und Klima vorstellte. Mit den ganzen Durchstechereien im Vorfeld und dem medial sehr laut hörbaren Gegrummel in den Parteien – insbesondere in der CDU – bin ich mal gespannt, wie schnell aus „keine Liebesheirat, aber Hektar“ eine offene Feldschlacht werden wird. Soviel zur „Verantwortung für Deutschland“.