Vorneweg: Ich habe mir den Koalitionsvertrag der möglichen IV. Regierung Merkel noch nicht angeschaut, und es mag auch die eine oder andere positive Botschaft auf den 170 Seiten enthalten sein. Trotzdem war es heute nicht zu ignorieren, dass die Verhandlungsgruppen aus CDU, CSU und SPD zu einem Ergebnis gekommen sind. Jetzt steht noch die Hürde SPD-Mitgliederabstimmung im Raum, aber bis Mitte März sollte die auch durch sein – ich tippe auf 55 bis 60 Prozent Zustimmung. Und dann ist, rund ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl, eine neue Bundesregierung im Amt, der dann noch gut drei Jahre bleiben, um zu regieren. Bis dahin regieren Phantome.
Was mich etwas gewundert hat, ist das Durchsickern von Informationen. Eine erste Rohfassung des Vertrags mit letzten kritischen Stellen kursierte schon gestern, heute dann der finale Vertragsentwurf samt Liste der Ressorts und ihrer Zuschnitte. Und nach und nach fielen neben einzelnen Projekten und Textausschnitten dann auch Namen. Welche Minister*innen gehen, welche bleiben, wer vermutlich was wird. Aber irgendwie passt das zu der Lustlosigkeit, die dieses ganze Unternehmen ausstrahlt. Die möglicherweise letzte große Koalition ist keine Wunschkoalition.
Merkel bleibt Kanzlerin. Seehofer wird Innen‑, Heimat- und Bauminister, wobei „Heimat“ zwar für den meisten Trubel sorgte, ein CSU-Hardliner für „Innen“ mir aber die größeren Bauchschmerzen bereitet. Die SPD wechselt mal wieder ihren Parteivorsitz aus – Nahles scheint mir da gut für geeignet zu sein, und Schulz als Außenminister – naja. Im Bildungsbereich verdichten sich die Zeichen, dass Gröhe, bisher Gesundheit, jetzt für Bildung, Wissenschaft und Forschung zuständig sein wird. Ob das ohne Fachkompetenz in diesem doch etwas komplizierten Feld, mit divergierenden Länderinteressen und starken institutionellen Playern mit jeweils nochmals eigenen Eigenheiten gut gehen wird, werden wir sehen. Naheliegend ist diese Lösung nicht. Klöckner macht jetzt in Landwirtschaft, Weinbau und Wolfsjagd. Bär wird nicht Digitalministerin, nein, Digitales bleibt verstreut und Annex von Verkehr (also: Geld für Breitband und Straßen vorrangig nach Bayern?), sondern vielleicht für Entwicklungshilfe zuständig. Auch das passen Person und Portfolio nicht so wirklich zusammen. Auf SPD-Seite wenig überraschendes; ein Wechsel von Scholz hatte sich angedeutet, und dass er Finanzen übernehmen könnte, hat eine gewisse Logik. Insgesamt: wenig Charisma, kein Innovationsgeist, oder, etwas böser: auch hier eher eine Regierung von Geistern aus der Vergangenheit. So richtig wichtig erscheint das alles nicht. Phantomregierung, auch hier.