Wer kandidiert 2014 in Freiburg? (Teil I)

Am 25. Mai ist ja Kom­mu­nal­wahl. Im Frei­bur­ger Amts­blatt und auch – rela­tiv ein­fach in ein wei­ter­ver­ar­beit­ba­res For­mat kon­ver­tier­bar – auf freiburg.de sind die 591 Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten für die 48 Plät­ze im Gemein­de­rat auf­ge­führt. Ins­ge­samt tre­ten die­ses Jahr 13 Lis­ten an – Grü­ne, CDU, SPD, FDP, Lin­ke Lis­te, Freie Wäh­ler , aber auch Frei­bur­ger Beson­der­hei­ten wie die Kul­tur­lis­te, die Grü­ne Alter­na­ti­ve Frei­burg oder die Unab­hän­gi­gen Frau­en. Neu ist „Frei­burg Lebens­wert“ (ganz böse gesagt: Leu­te, die nicht wol­len, dass die Nach­ver­dich­tung in ihrem Stadt­teil statt­fin­det) und die PARTEI (tritt aller­dings nur mit einer hal­ben Lis­te an). Jun­ges Frei­burg hat sich auf­ge­löst, wur­de neu gegrün­det und tritt an, eben­so gibt es wie­der „Für Frei­burg – Poli­tik aus christ­li­cher Verantwortung“.

Im Amts­blatt sind die Lis­ten mit Name, Beru­fe, Jahr­gang und Adres­se der Kan­di­da­tIn­nen auf­ge­führt. In einem ers­ten Schritt las­sen sich dar­aus sehr schnell Infor­ma­tio­nen zur Alters­ver­tei­lung aus­rech­nen – die sind aller­dings wenig überraschend:

tw 2014-04 altersverteilung kommunalwahl 2014 freiburg

Die Kul­tur­lis­te ist älter, die GAF jün­ger – und ansons­ten fal­len nur Jun­ges Frei­burg (ach was …) und die stu­den­tisch gepräg­te PARTEI aus dem Alters­spek­trum her­aus. Ende 40 scheint das typi­sche Poli­ti­ke­rIn­nen-Alter in Frei­burg zu sein.

Und über­ra­schen­der­wei­se gibt es auch bei der Geschlech­ter­ver­tei­lung kei­ne gro­ßen Überraschungen:

tw 2014-04 frauenanteil kommunalwahl 2014 freiburg

Hier schei­nen die Soll-Vor­schrif­ten im neu­en grün-roten Kom­mu­nal­wahl­recht doch etwas bewirkt zu haben. Nicht abge­bil­det ist die Ver­tei­lung von Frau­en und Män­nern über die Lis­ten. Die ist bei Grü­nen, SPD und Lin­ker Lis­te aus­ge­gli­chen, wäh­rend ande­re Lis­ten eher „klum­pig“ aus­se­hen. Die Unab­hän­gi­gen Frau­en sind eine rei­ne Frau­en­lis­te. Bei den Für-Frei­burg-Chris­ten fällt die hohe Zahl an Ehe­paa­ren bzw. Fami­li­en auf, die gemein­sam kan­di­die­ren. Erstaun­lich ist die über­aus hohe Män­ner­quo­te bei „Jun­ges Frei­burg“ und der PARTEI. 

Aus den vor­han­de­nen Daten las­sen sich prin­zi­pi­ell noch wei­te­re Infor­ma­tio­nen zie­hen. Das betrifft zum einen die geo­gra­phi­sche Ver­tei­lung über die Stadt. Hier fehlt mir aller­dings noch ein Tool, das Adress­da­ten auto­ma­tisch in Punk­te auf einer Kar­te umwan­delt, und mit 591 Ein­trä­gen klar­kommt. Ein Tool, das in der frei­en Ver­si­on auf 250 Daten­sät­ze begrenzt ist, spukt schon ein­mal ganz inter­es­san­te Ver­tei­lun­gen aus. Mehr dazu, wenn ich so ein Tool gefun­den habe (Tipps gerne).

Das zwei­te, was sehr span­nend wäre, aber etwas mehr Zeit­auf­wand erfor­dern wür­de, wäre eine Kodie­rung der Berufs­an­ga­ben. Da gibt es, so mein sub­jek­ti­ver Ein­druck, doch erheb­li­che Unter­schie­de zwi­schen den Listen.

Kurz: M, F, X – Geschlechterscrabble

Vor ein paar Tagen schrieb Heri­bert Prantl in der Süd­deut­schen über ein Gesetz aus dem Mai 2013, das es bei inter­se­xu­ell gebo­re­nen Kin­dern erlaubt, auf eine Geschlechts­zu­wei­sung im Per­so­nal­aus­weis etc. zu ver­zich­ten. Mit Ver­weis auf die Zeit­schrift für das gesam­te Fami­li­en­recht deu­tet Prantl die­se Neu­re­ge­lung als ers­ten Schritt hin zu einer drit­ten, recht­lich aner­kann­ten Geschlechts­be­stim­mung: neben „männ­lich“ und „weib­lich“ eben auch „unbe­stimmt“ – und fragt sich, was für Aus­wir­kun­gen das dann auf vie­le exis­tie­ren­de, gezielt „Män­ner“ oder „Frau­en“ benen­nen­de gesetz­li­che Rege­lun­gen hat.

Ich fin­de das aus ver­schie­de­nen Grün­den span­nend. So zieht der Gesetz­ge­ber hier zunächst ein­mal den bio­so­zia­len Rea­li­tä­ten nach, wenn ich etwa an die sozi­al­wis­sen­schaft­li­che Debat­te um ein Drit­tes Geschlecht den­ke, ange­legt etwa in der Kri­tik der Zwei­ge­schlecht­lich­keit. Da wird dann aller­dings eher der Ver­zicht auf fes­te Geschlechts­ka­te­go­rien gefor­dert als eine drit­tes Geschlech­ter­ka­te­go­rie. Aber auch anthro­po­lo­gi­sche Ver­wei­se auf Gesell­schaf­ten, die ein drit­tes Geschlecht ken­nen, sind häu­fig, bei­spiels­wei­se die Hijra Süd­asi­ens. Und natür­lich wird in der Sci­ence-Fic­tion-Lite­ra­tur wie­der­holt mit zukünf­ti­gen Gesell­schaf­ten expe­ri­men­tiert, in denen es drei oder mehr Geschlechts­iden­ti­tä­ten gibt (etwa in Greg Egans Roman Distress von 1995). 

Rich­tig inter­es­sant wür­de es aller­dings, wenn mit der Ein­füh­rung einer drit­ten, „unbe­stimm­ten“ Geschlechts­ka­te­go­rie im deut­schen Per­so­nen­stands­recht eine Ent­kopp­lung zwi­schen Bio­lo­gie und sozia­lem Geschlecht ver­bun­den wäre. Eine unbe­stimm­te Geschlechts­ka­te­go­rie für inter­se­xu­el­le Men­schen – also Men­schen mit unein­deu­ti­gen oder dop­pel­ten Geschlechts­merk­ma­len – ein­zu­füh­ren, ist sicher­lich ein sinn­vol­ler Schritt. Aber war­um nicht gleich noch einen Schritt wei­ter­ge­hen, und allen, die kei­ne Lust dazu haben, sich dem einen oder dem ande­ren bio­so­zia­len Geschlecht zuord­nen zu las­sen, die­se Wahl­mög­lich­keit que(e)r zur Zwei­ge­schlecht­lich­keit eben­falls eröffnen?

Kurz: Carta, mal durchgezählt (mit langen Updates)

Ich schät­ze Car­ta sehr. Laut Selbst­be­schrei­bung ist Car­ta ein „Autoren­blog für digi­ta­le Öffent­lich­keit, Poli­tik und Öko­no­mie“. Ich neh­me es eher als kura­tier­te, neue Form digi­ta­ler Öffent­lich­keit wahr denn als Blog, fast schon mehr ein Maga­zin neu­en Typs. Umso mehr freut es mich, dass eini­ge mei­ner Tex­te auch bei Car­ta erschie­nen sind. Und ich lese Car­ta eben­falls sehr gerne.

Heu­te aller­dings wun­der­te ich mich – nicht zum ers­ten Mal – über das Gefühl, in einem rei­nen Män­ner­me­di­um zu lesen. Jeder Arti­kel ist mit einem klei­nen, schwarz-wei­ßen Autoren­bild ver­se­hen, und es sind eben ganz über­wie­gend Män­ner, die einen da anbli­cken. So jeden­falls mein Gefühl. Und weil so ein Gefühl trü­gen kann, habe ich halb­wegs empi­risch ein­fach mal die letz­ten 100 Bei­trä­ge genom­men – ein Zeit­raum, der von Mit­te Febru­ar bis heu­te reicht – und durch­ge­zählt. Mei­nem sub­jek­ti­ven Emp­fin­den nach ist das kein Zeit­raum, der durch beson­de­re Män­ner­the­men gekenn­zeich­net gewe­sen wäre, Fuß­ball oder so; ich ken­ne mich da aller­dings zuge­ge­be­ner­ma­ßen nicht so beson­ders aus, was Män­ner­the­men wären. 


AutorIn­nen der zwi­schen Mit­te Febru­ar und heu­te erschie­ne­nen 100 Arti­kel in Car­ta, geord­net nach Anzahl der Arti­kel pro Autor/pro Autorin. Lese­bei­spiel: Der Autor mit den meis­ten Arti­keln hat im Unter­su­chungs­zeit­raum elf Arti­kel ver­öf­fent­licht, die Autorin mit den meis­ten Arti­keln zwei. Klei­nes Bild: Geschlech­ter­ver­tei­lung der AutorIn­nen bezo­gen auf die 100 zuletzt erschie­nen Artikel.

Jeden­falls bestä­ti­gen die Daten mein Gefühl doch recht deut­lich. 89 Pro­zent der Bei­trä­ge stamm­ten von Män­nern. Von den 53 Per­so­nen, die in die­sem Zeit­raum auf Car­ta ver­öf­fent­lich haben oder ver­öf­fent­licht wur­den, waren gera­de ein­mal sie­ben Frau­en (13% der Per­so­nen, 8/100 Bei­trä­gen). Fast alle davon sind nur mit einem ein­zi­gen Bei­trag in die­sem Zeit­raum ver­tre­ten, eine ein­zi­ge Frau mit zwei Bei­trä­gen. Das wun­dert mich dann doch, weil es natür­lich sehr viel mehr Frau­en gibt, die zu „digitale[r] Öffent­lich­keit, Poli­tik und Öko­no­mie“ lesens­wer­te Din­ge im Netz schrei­ben. War­um tau­chen die auf Car­ta kaum auf? Ich las­se das jetzt ein­fach mal so ste­hen. Viel­leicht löst es ja eine Debat­te aus.

* * *

P.S.: Vera Bun­se von Car­ta mach­te mich dar­auf auf­merk­sam, dass die­se Debat­te nicht ganz neu ist (und sie kei­ne Lust dar­auf hat, sich aktu­ell dar­an zu betei­li­gen). Was ich ein Stück weit nach­voll­zieh­bar finde.

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Kompetenz und Quote: Grellorange hüpft nicht besser

Playing pieces III

Anläss­lich des Equal Pay Day und der damit logi­scher­wei­se ver­bun­de­nen For­de­rung nach einer Quo­te auch in der Wirt­schaft (und der Poli­tik natür­lich erst recht) taucht ver­mehrt das Quote?-Aber-die-Kompetenz!-Argument auf. Wer die­ses Argu­ment ver­wen­det, geht davon aus, dass Frau­en min­der­be­mit­telt sind, wie ein klei­nes Gedan­ken­ex­pe­ri­ment zeigt.

Es sol­len die bezüg­lich ihrer Sprung­wir­kungs­kom­pe­tenz bes­ten Flum­mi­bäl­le gefun­den wer­den. Es gibt blau­grü­ne und oran­ge­ne Flum­mi­bäl­le. Das tes­ten­de Kind bevor­zugt – unab­hän­gig von der Sprung­wir­kung – oran­ge­ne Flum­mi­bäl­le, weil die halt grel­ler aus­se­hen. Eine Sor­tie­rung der Flum­mi­bäl­le durch das Kind wür­de also oran­ge­ne, gut sprin­gen­de Bäl­le ganz an die Spit­ze legen. Auch wirk­lich super­gut hüp­fen­de blau­grü­ne Flum­mis haben kei­ne Chan­ce, ganz vor­ne zu landen.

Jetzt ist es aber so, dass die Sprung­wir­kung­gü­te bei Flum­mis unab­hän­gig von der Far­be ist. Eine Maschi­ne, die die Sprung­wir­kung tes­tet, sor­tiert mit glei­cher Wahr­schein­lich­keit oran­ge­ne und blau­grü­ne Flum­mis nach vorne.

Was pas­siert jetzt, wenn immer abwech­selnd ein blau­grü­ner und ein oran­ge­ner Flum­mi an die Spit­ze gelegt wer­den müs­sen, also eine Farb­quo­te ein­ge­führt wird? Am bes­ten kom­men dann alle blau­grü­nen Flum­mis in einen Topf, alle oran­ge­nen Flum­mis in einen zwei­ten. Unter die­sen wird jeweils der Flum­mi mit der bes­ten Sprung­wir­kung als ers­tes in die Rei­he mit den Flum­mis gelegt. Der bes­te oran­ge­ne. Der bes­te blau­grü­ne. Der zweit­bes­te oran­ge­ne. Der zweit­bes­te blau­grü­ne. Und so weiter.

Da die Sprung­wir­kungs­kom­pe­tenz bei Flum­mis sta­tis­tisch gleich ver­teilt ist, und die Vor­lie­be für Grell­oran­ge durch das Quo­ten­ver­fah­ren aus­ge­schal­tet wird, soll­te sich jetzt eine zur blin­den, maschi­nel­len Rei­hung sehr ähn­li­che Rei­hung erge­ben. Viel­leicht lie­gen da mal zwei oran­ge­ne oder zwei blau­grü­ne Flum­mis neben­ein­an­der, im Durch­schnitt sind die­se Unter­schie­de aber zu vernachlässigen. 

Fazit: Sofern Kom­pe­tenz unab­hän­gig von ande­ren Merk­ma­len gleich ver­teilt ist, hilft eine Quo­te, bei der Sor­tie­rung nach Kom­pe­tenz die­se ande­ren Merk­ma­le aus­zu­blen­den. Also zum Bei­spiel die Fixie­rung auf das schö­ne, grel­le Oran­ge, die daher rührt, dass das sor­tie­ren­de Kind dem Irr­glau­ben anhängt, was grell aus­sieht, muss bes­ser hüp­fen können.

Und wer anders­her­um meint, dass eine Quo­te nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Sor­tie­rung nach Kom­pe­tenz hat, wird ers­tens immer Ein­zel­fäl­le fin­den, in denen das stimmt, irrt sich aber im sta­tis­ti­schen Durch­schnitt – oder er oder sie geht davon aus, dass die Merk­ma­le Kom­pe­tenz und Geschlecht nicht unab­hän­gig von­ein­an­der sind. Oder anders gesagt: Wer mit dem Ver­weis auf Kom­pe­tenz Quo­ten ablehnt, glaubt, dass Frau­en per se weni­ger kom­pe­tent sind als Männer.

War­um blog­ge ich das? In der vagen Hoff­nung, mit dem Bei­spiel Flum­mis in die­ser Sache kin­di­sche Men­schen über­zeu­gen zu können.

Kurz: Keine Blumen zum Frauentag

Heu­te ist der 101. Inter­na­tio­na­le Frau­en­tag. Als sym­bo­li­scher Anlass dafür, auf die wei­ter­hin feh­len­de Gleich­stel­lung von Frau­en und Män­nern hin­zu­wei­sen, ist das ein wich­ti­ges poli­ti­sches Datum. An dem dann alle poli­ti­schen Sei­ten für Gleich­stel­lung sind, authen­tisch aber nur die in Erschei­nung tre­ten, die sich auch an den übri­gen Tagen des Jah­res dafür ver­kämp­fen. In die­sem Sin­ne fin­de ich den Frau­en­tag rich­tig und wichtig.

Es gibt nun eine Ten­denz – wohl ein DDR-Import im Ver­ein mit dem Blu­men­han­del – den Tag auch als per­sön­li­chen Dan­ke­s­tags an „die Frau“ oder „die Frau­en“ zu gestal­ten. Da habe ich Bauch­weh bei. Und zwar, weil hin­ter dem ein­mal pro Jahr her­aus­ge­ho­be­nem Dank ein ver­steck­ter Undank steht, eine dis­kri­mi­nie­ren­de Nor­ma­li­täts­er­war­tung. Die wird sicht­bar, wenn gefragt wird, wofür „den Frau­en“ den gedankt wird. Ihr So-sein als gesell­schaft­li­che Tat­sa­che kann es eigent­lich nicht sein. 

Denk­bar wäre dann, dass der sozia­lis­tisch inspi­rier­te Dank sich auf Leis­tun­gen in weib­lich kon­no­tier­ten Hand­lungs­fel­dern bezieht – Fami­li­en­ar­beit, Haus­ar­beit, Bezie­hungs­ar­beit. Dafür zu dan­ken, legi­ti­miert hier die Asym­me­trie – für eine eman­zi­pier­te Gesell­schaft hilf­rei­cher erscheint es mir, hier (als Mann) all­täg­lich selbst zu Putz­lap­pen und Win­deln zu grei­fen, statt ein­mal im Jahr „der Frau“ dafür zu danken.

P.S.: Aus Grün­den der Zuspit­zung ver­zich­te ich auf einen Schlen­ker zur femi­nis­ti­schen Anerkennungsdebatte.