Prima Klima für Europa?

Ges­tern abend war ich bei einer ganz inter­es­san­ten Ver­an­stal­tung von Carl-Schurz-Haus und Hein­rich-Böll-Stif­tung BaWü: die zeig­ten im Hör­saal 2004 vor lei­der ver­hält­nis­mä­ßig zur Hör­saal­grö­ße rela­tiv weni­gen Leu­ten zuerst den Al-Gore-Film „An Incon­ve­ni­ent Truth“ (Wiki­pe­dia), und baten danach noch Mar­tin Rocholl (BUND/Friends of the Earth Euro­pe) zu einem Impuls­vor­trag bzw. einer Podiumsdiskussion. 

Kurz ein paar Stich­wor­te: der Film war – obwohl er von DVD gezeigt wur­de – durch­aus ein­drucks­voll (eine genaue Ana­ly­se der Dra­ma­tur­gie wür­de sich loh­nen!), was inso­fern erstaun­lich ist, als es sich dabei tat­säch­lich in wei­ten Stre­cken um eine Power­Point(das Mac-Äquivalent)-Präsentation han­del­te. Al Gore vor Bildschirm/groß. Gore vor Lein­wand. Lein­wand ohne Gore. Lein­wand mit Publi­kum usw. Dazwi­schen geschnit­ten waren bio­gra­phi­sche Ein­schü­be (die Farm, auf der Gore als Jun­ge auf­wuchs – sein Pro­fes­sor, der als einer der ers­ten CO2-Mes­sun­gen vor­ge­nom­men hat – sei­ne an Lun­gen­krebs gestor­be­ne, rau­chen­de Schwes­ter – Video­se­quen­zen von der Flo­ri­da-Hängt-Wahl­nacht usw.) und Gore im Trans­port­mit­tel A bis F am Lap­top (der Apfel immer schön im Bild). Inhalt­lich steht vie­les aus dem Film schon in sei­nem 1992 erschie­nen Buch „Wege zum Gleich­ge­wicht“. Haupt­aus­sa­ge ist: das Kli­ma ändert sich, es wird schnel­ler wär­mer, als dies jemals in der Geschich­te der Fall war, der Kli­ma­wan­del hängt am CO2-Aus­stoss, und wenn das ant­ark­ti­sche oder grön­län­di­sche Eis schmilzt, dann wird es nicht nur wär­mer, son­dern es gibt auch einen mas­si­ven Anstieg des Mee­res­spie­gels mit ent­spre­chen­den Fol­gen für die dicht­be­sie­del­ten Küs­ten­zo­nen der Welt. Erst ganz am Schluss kom­men dann ein paar Punk­te dar­über, was dage­gen getan wer­den kann – neben ein biß­chen viel typisch ame­ri­ka­ni­schem Dick-Auf­tra­gen der durch­aus rich­ti­gen Bot­schaft wäre das Ver­hält­nis von „es gibt wirk­lich einen Kli­ma­wan­del“ (70–80%) und „was getan wer­den kann“ (20–30%) einer der Kri­tik­punk­te für mich. 

Noch ein letz­tes Wort zum Film: ein inter­es­san­ter Sub­text war das Ver­hält­nis von Poli­tik und Wis­sen­schaft, das ab und zu mal ange­spro­chen wur­de. Erin­ner­te mich an Kim Stan­ley Robin­sons Roma­ne – der neus­te, der dem­nächst mal als Taschen­buch erschei­nen muss, han­delt von einem Öko-Prä­si­dent im Wei­ßen Haus in den Zei­ten des Kli­ma­wan­dels, der davor auch schon mal die Ant­ark­tis besucht hat. Gores fik­ti­ve Biographie?

Kurz noch zur „Podi­ums­dis­kus­si­on“ nach dem Film. Die gefiel mir von ihrer Dra­ma­tur­gie her nicht so gut. Der Mode­ra­tor, Wolf­gang Kai­ser von den Grü­nen, sah sei­ne Auf­ga­be vor allem dar­in, Publi­kums­fra­gen ein­zu­sam­meln, sie zuzu­spit­zen und zu beant­wor­ten. Viel­leicht lag es aber auch am Publi­kum, dass mir die­ser Teil der Ver­an­stal­tung nicht so gelun­gen erschien. Da gab es näm­lich eini­ge, die sehr pene­trant nach dem Bevöl­ke­rungs­wachs­tum frag­ten – und auf mich den Ein­druck einer der klei­nen Frei­bur­ger Sek­ten machten.

Auf dem Podi­um saßen jeden­falls Mar­tin Rocholl und Lio­ba Gram­mel­s­pa­cher, grü­ne Gemein­de­rä­tin aus Frei­burg. Wäh­rend Rocholl einen durch­aus inter­es­san­ten Impuls­vor­trag hal­ten durf­te (Stand der Kli­ma­po­li­tik in Euro­pa, was kann getan wer­den), war mir die Funk­ti­on von Gram­mel­s­pa­cher nicht so ganz klar – sie durf­te sich zwei­mal kurz zu Wort mel­den und etwas dar­über erzäh­len, was in Frei­burg für die Kli­ma­po­li­tik getan wird, und dass das ehr­gei­zi­ge Kli­ma­ziel der Stadt wohl nicht erreicht wird. Nach dem Vor­trag gab es dann noch eini­ge Fra­gen vor­wie­gend an Rocholl, etwa zur Bio­mas­se­nut­zung oder zur Toprun­ner-Stra­te­gie bei Haus­halts­ge­rä­ten. Das war für jemand, der in der Dis­kus­si­on drin­ne ist, nur mäßig span­nend. Gut gefal­len hat mir dage­gen ein Punkt, den Rocholl in sei­nem Kurz­vor­trag und in sei­nen Ant­wor­ten wie­der­holt auf­mach­te: Effi­zi­enz reicht nicht aus, es muss auch zu einem Wan­del der Lebens­sti­le kom­men (erreich­bar etwa durch die Öko­steu­er) – der Wan­del wird aber gra­vie­ren­de sozia­le Kon­se­quen­zen haben, eben­so ist eine vom Wachs­tum abhän­gi­ge Sozi­al­po­li­tik in Zukunft kaum noch mög­lich. Rocholl stell­te dann fest, dass es für die­se sich aus der öko­lo­gi­schen Fra­ge erge­ben­den loka­len und glo­ba­len sozia­len Fra­gen eigent­lich noch kei­ne Ant­wor­ten gibt, auch nicht bei den Grü­nen; dass es aber höchs­te Zeit wäre, sich damit zu beschäf­ti­gen. Hier war es schön, mal jemand zu erle­ben, der als Umwelt­lob­by­ist (mit Wur­zeln in der Jugend­um­welt­be­we­gung der 1990er, wenn ich das rich­tig ein­schät­ze) an die­se Fra­gen etwas radi­ka­ler ran­ge­hen konn­te als die DurchschnittspolitikerIn.

War­um blog­ge ich das? Den Film und eini­ge der The­sen Rocholls fand ich ein­drucks­voll; ansons­ten vor allem des­halb, weil mir das The­ma 1. all­ge­mein wich­tig ist, 2. wir am Mon­tag eine Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung zum Regio­na­len Kli­ma­schutz haben, die ich noch vor­be­rei­ten muss, und 3. mei­ne Diss. durch­aus auch was mit eini­gen die­ser Fra­gen zu tun hat.

Kienzle und Hauser oder so

Es gibt mal wie­der ein neu­es Blog. Die­ses könn­te aber tat­säch­lich ganz span­nend wer­den: Thors­ten Depp­ner, Juli­an Kar­wath und Johan­nes Wald­schütz schrei­ben unter dem Titel Grue­nes­Frei­burg aus grü­ner Frei­bur­ger Per­spek­ti­ve über The­men, die die Welt bewe­gen. Und anders­her­um. Und wer die drei kennt, kann anneh­men, dass es in Zukunft ein paar span­nen­de Debat­ten geben wird. Die ers­ten bei­den inhalt­li­chen Arti­kel ste­hen bereits im Blog – einer zum SC und Vol­ker Fin­ke, mir reich­lich egal, und einer, den ich deut­lich inter­es­san­ter fin­de: Juli­an Kar­wath schreibt über den Staats­akt für den kürz­lich ver­stor­be­nen Ex-Minis­ter­prä­si­dent Hans Fil­bin­ger, ins­be­son­de­re auch über die Hal­tung des grü­nen OB Salo­mon und die stren­ge Bewa­chung des Staats­ak­tes. Die war im übri­gen selbst hier in Gün­ter­s­tal sicht­bar (ver­mu­te ich jeden­falls) – Fil­bin­ger hat ja in Gün­ter­s­tal gewohnt und ist auch hier gestor­ben. Der Gün­ter­s­tä­ler Fried­hof, der nur weni­ge hun­dert Meter von unse­rer Woh­nung ent­fernt liegt, war die letz­ten paar Tage stark bewacht:

Police at the graveyard III

War­um blog­ge ich das? Weil ich mich über das Poli­zei­auf­ge­bot gewun­dert habe.

Tote Klassiker und Papierpersonen

Wäh­rend des Stu­di­ums waren sie eher durch ihre Wer­ke prä­sent und stan­den in einer Rei­he mit den Emi­nen­zen des letz­ten Jahr­hun­derts. Und erst nach und nach wur­de einem bewusst, dass vie­le der „Klas­si­ker“ durch­aus noch am Leben waren – schmerz­haft dann, wenn erst die media­le Todes­nach­richt dar­über auf­klär­te, dass es noch eine Chan­ce gege­ben hät­te, sie „live“ zu erle­ben, die es jetzt nicht mehr gab: Luh­mann und Bour­dieu etwa, oder in neus­ter Zeit Bau­dril­lard oder, gera­de gele­sen, Watz­la­wick. Und bei ande­ren – etwa bei Popitz, bei dem ich noch ein Semi­nar zum The­ma Uto­pien besuch­te, als er längst eme­ri­tiert war – wur­de mir erst nach eini­ger Zeit klar, dass es sich eben durch­aus eben­falls um einen Klas­si­ker gehan­delt hat­te, des­sen Tex­te heu­te noch ihre Bedeu­tung haben. Irgend­wie schon eine selt­sa­me Wis­sen­schaft, bei der die tat­säch­li­chen Per­so­nen so hin­ter den papie­re­nern The­sen und Argu­men­ten verschwinden. 

War­um blog­ge ich das? Weil das die Gedan­ken waren, die mir beim Lesen der Mel­dung zum Tode Watz­la­wicks kamen.

Freiburg steigt um

Wie das Frei­bur­ger Inter­net­ma­ga­zin fud­der berich­tet, will die Stadt Frei­burg zwei­tau­send Arbeits­plät­ze in der Ver­wal­tung von MS Office auf Open Office – einem oder viel­mehr: dem Open-Source-Office-Paket – umstel­len. Das Betriebs­sys­tem wird wohl wei­ter­hin Win­dows blei­ben, jeden­falls steht in der Notiz nichts von einem kom­plet­ten Umstieg auf Linux. Auch wenn als Grund recht pro­fan Spar­sam­keit und Haus­halts­lö­cher genannt wer­den, ist das sicher­lich ein guter Schritt. Ich selbst bin noch nicht so weit, vor allem, weil ich mit der Inter­ope­ra­bi­li­tät zwi­schen MS- und Open-Doku­men­ten bis­her nicht wirk­lich zufrie­den bin, und z.B. an mei­nem Uni­ar­beits­platz und bei allen Kol­le­gIn­nen Micro­soft Word instal­liert ist.

War­um blog­ge ich das? All­mäh­lich scheint sich Open-Source-Soft­ware zu einer ech­ten Alter­na­ti­ve zu ent­wi­ckeln – das ist gut so, und wenn mal was posi­ti­ves aus Frei­burg in mei­nem Blog steht, freut mich das auch.

Werbung total

Toyo­ta bringt ein neu­es Auto­mo­dell her­aus, und kauft für 30 Mio. Euro sämt­li­che Pla­kat- und Leucht­flä­chen in diver­sen Groß­städ­ten auf. In Frei­burg auch – dabei fällt aller­dings auf, dass das gar nicht so auf­fällt, d.h. trotz der WALL-Flä­chen gibt’s hier gar nicht so viel Wer­be­flä­che. Anders­wo ist mehr zu sehen (sie­he z.B. den Bericht im Font­blog bzw. sei­ne Fort­set­zung). Wer­bung total – oder tota­li­tä­re Wer­bung? Ich hof­fe jeden­falls, dass das nicht ein­reißt. Von der Gestal­tung her geht die Toyo­ta-Kam­pa­gne ja noch, und hat auf Pla­kat­wech­sel­flä­chen sogar ganz wit­zi­ge Moti­ve – aber wenn ich mir jetzt einen Elek­tro­nik­dis­coun­ter o.ä. in dem Umfang vor­stel­le, wird es mir eher schlecht. Oder eine Image-Kam­pa­gne der Bun­des­re­gie­rung. Oder Spruch­bän­der, die die Werk­tä­ti­gen zum Kampf auffordern.

Dabei fällt mir, neben­bei bemerkt, die­se 1999 ent­stan­de­ne Haus­ar­beit von mir ein: Wer­bung & Mas­sen­me­di­en – ein para­si­tä­res Ver­hält­nis? Eini­ges aus die­ser Arbeit passt ganz gut zur Toyota-Kampagne.

War­um blog­ge ich das? Weil’s was doch eher außer­ge­wöhn­li­ches ist. Und inso­fern fast so eine Art Realexperiment.