Platznutzungen und Utopien (Update)
Derzeit findet (noch bis zum 22. Juni) in Freiburg der Aktionsmonat „Zusammen die Utopie leben …“ statt, an dem ein breites Spektrum von Gruppen beteiligt ist – von der autonomen Szene und der KTS über WagenburglerInnen bis hin zu Flüchtlingsinitiativen und Greenpeace Freiburg. Entsprechend gemischt fällt das Programm aus; einige Veranstaltungen finde ich eher abschreckend, andere erscheinen mir ganz spannend. Mal schauen, ob ich die Zeit finde, zu der einen oder anderen hinzugehen.
Zum Auftakt dieses Aktionsmonats findet heute ein „Utopischer Stadtspaziergang“ statt, der wiederum mit einem ausführlichen Frühstück auf dem Platz der Alten Synagoge angefangen hat. Ich bin da eher zufällig vorbeigekommen, habe aber trotzdem gerne die Möglichkeit wahrgenommen, noch einen Kaffee und ein Stück Kuchen als zweites Frühstück zu mir zu nehmen. Abgesehen davon, dass mir aufgefallen ist, dass es in der Szene in Freiburg relativ viele neue Gesichter gibt, hat mir diese „utopische“ Platznutzung noch einmal deutlich vor Augen geführt, dass der Platz der Alten Synagoge mit seiner Wiesenfläche letztlich auch eine kommunikative Funktion hat: genau hier ist einer der wenigen Orte in Freiburg, wo autonom-alternative Szene und „Normalos“ miteinander in Berührung kommen, weil der Platz in der Innenstadt gelegen ist, sich aber trotzdem für Veranstaltungen wie das heutige Frühstück eignet. Ich kann mir sehr schlecht vorstellen, wie das auf einer Steinplatte samt Gastronomie funktionieren soll.
Ich will der Stadtverwaltung jetzt gar nicht unterstellen, dass die Umbaupläne für den Platz der Alten Synagoge unbedingt mit der Intention erfolgen, diese und ähnliche unangemeldeten Platznutzungen zu unterbinden; aber ein Stück weit ist es doch auch eine Privatisierung eines vielfach nutzbaren öffentlichen Raumes.
Warum blogge ich das? Weil ich es schön fände, wenn die Stadt Freiburg zu dieser Raumqualität stehen würde. Als ganz realpolitische Utopie.
Update: (18.5.2008) Bei fudder findet sich ein sympathischer Bericht und eine etwas konfuse Bildergalerie zu Brunch und den folgenden Aktionen.
Nach dem Gemeinderatsbeschluss: wie weiter mit dem Platz der alten Synagoge? (Update 3)
Laut der Badischen Zeitung stimmte gestern eine deutliche Mehrheit des Gemeinderats für den ersten Preis im Wettbewerb um die Neugestaltung des Platzes zwischen Uni und Theater. Nur etwa die Hälfte der grünen Fraktion votierte für den – aus meiner Sicht deutlich erträglicheren – dritten Preis, und die FDP war aus Kostengründen ganz gegen eine Umgestaltung. Allerdings soll wohl deutlich mehr Baumbestand erhalten werden, als bisher vorgesehen ist.
Ich habe ja bereits mehrfach deutlich gemacht, dass ich es bei so einer Sache eigentlich richtig fände, wenn die BürgerInnen der Stadt Freiburg entscheiden. Da scheint die Stimmung ja doch etwas anders auszusehen als im möglicherweise vom großstädtischen Glanz geblendeten Rat.
Auf der Website der Initiative Mehr Demokratie e.V. finden sich Informationen über Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Baden-Württemberg (Merkblatt, pdf; §21 GemO Baden-Württemberg). Wenn ich dieses Merkblatt richtig verstehe, wäre es durchaus möglich, jetzt zu versuchen, ein Bürgerbegehren mit dem Ziel zu starten, den Gemeinderatsbeschluss zu kippen. Dazu müssten allerdings in den nächsten sechs Wochen Unterschriften von 10 % der Freiburger BürgerInnen* gesammelt werden. Bei der letzten Kommunalwahl hatte Freiburg 146.976 Wahlberechtigte, d.h. das Quorum müsste bei etwa 15.000 Unterschriften liegen – das ist eine ganze Menge, vor allem, wenn diese Zahl tatsächlich innerhalb von sechs Wochen zusammenkommen muss.
Ohne institutionelle Unterstützung – etwa durch eine Partei oder einen Bürgerverein – scheint mir eine solche Zahl an Unterschriften kaum erreichbar. Leider habe ich von den „üblichen Verdächtigen“ bisher wenig gehört. Wenn doch, wäre jetzt der Zeitpunkt, ganz schnell eine Unterschriftensammlung in die Wege zu leiten.
* Bürger der Gemeinde ist, wer Deutscher im Sinne von Artikel 116 des Grundgesetzes ist oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt (Unionsbürger), das 18. Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde wohnt. (§12 GemO Baden-Württemberg).
Warum blogge ich das? Weil ich mich nicht einfach mit der Umgestaltung des Univorplatzes abfinden möchte …
Update: (8.5.2008) fudder berichtet inzwischen auch – schön aus einem Kommentar der „Wohlfühlfaktor eines ukrainischen Exzerzierfeldes“. Da sind einige dabei, die jetzt gerne einen Bürgerentscheid hätten. Eine institutionalisierteinstitutionell unterstützte Bewegung sehe ich allerdings leider immer noch nicht.
Und noch ein interessantes Faktoid: Die Kosten werden auf 12 Millionen Euro allein für den Platzumbau geschätzt.
Update 2: (9.5.2008) Ich habe mal die Fraktion JF/Grüne gefragt, ob es irgendwo eine offizielle Position zum weiteren Vorgehen gibt. Bisher wohl nicht – in der Antwort wurde nochmal drauf hingewiesen, dass etwa die Hälfte der grünen Fraktion für (den deutlich besseren) Entwurf Nr. 3 gestimmt hat. Auf der Website der Fraktion ist lediglich ein offener Brief zu finden, im dem eine Bürger-Informationsveranstaltung gefordert wird, die es ja zwischenzeitlich gab. Mal schauen, ob hier noch mehr kommt.
Update 3: (15.5.2008) Stadtrat Sebastian Müller versteht – weiterhin im Kommentar-Thread des Fudder-Artikels – die Aufregung nicht und „mag keine zugestellten Plätze“.
Kurzes Update: Platz der alten Synagoge
Der heutige Sonntag hat meinen Leserbrief zu den Umgestaltungsplänen für den Platz der alten Synagoge (leicht gekürzt) veröffentlicht. Hier der Originaltext:
Bürgerbewegung gefragt
Der sehr informative Artikel von Jens Kitzler bestärkt mich in meinem „Bauchgefühl“, dass die ach so großstädtische Planung für den Platz der alten Synagoge keineswegs das Lebensgefühl der Freiburgerinnen und Freiburger trifft. Was Freiburg gegenüber anderen Großstädten auszeichnet, ist nicht die x‑te Wiederholung des großen leeren Platzes, sondern die urbane Kleinräumigkeit, die vielfältige Begegnungen und Nutzungen ermöglicht. Darüber hinaus würde es der „green city“ gut zu Gesicht stehen, innerstädtische Grünflächen zu erhalten und Straßenbahnlinien nicht als platzquerendes Risiko für Leib und Leben zu gestalten. Kurz gesagt: eine Gemeinderätin oder ein Bürgermeister mit einem Blick für das Interesse der Bürgerinnen und Bürger, müsste eigentlich von sich aus sagen: „Bevor wir da jetzt eine der größten Umgestaltungen der letzten Jahrzehnte anfangen, machen wir doch einen Bürgerentscheid und schauen, ob das auch gewollt ist.“ Wahrscheinlich ist es nicht, dass es auf diesem Weg dazu kommt, wäre aber souveräner als der möglicherweise entsprechend kanalisierte Protest hinterher. Die Motivation dazu sehe ich vielerorts.
Kurzeintrag: Links-alternatives Maifest
Auch dieses Jahr war ich wieder beim traditionellen 1.-Mai-Fest der links-alternativen Szene in Freiburg. Eine nette Sache, und auch das Wetter hat mitgespielt. Beim nächsten Mal wären ein paar mehr vegetarische Essensstände gut (wo war die VoKü?), aber Musik und Kinderbelustigung waren klasse. Leute habe ich auch getroffen, und ein paar Fotos vom Fest gibt es hier.
Schade, dass von diesem netten Alternativprogramm zum offiziellen (Stadt) und solide-sozialdemokratischen (DGB) Maiprogramm kaum was in der Zeitung stand – erwähnenswert schien nur das irgendwann in der Nacht entfachte illegale Feuer. Thorsten von „GrünesFreiburg“ schreibt ein bißchen was dazu. Ich war zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr in der Wilhelmstraße oder in der Spechtpassage, kann deswegen nicht beurteilen, wie schlimm oder wenig schlimm der „Krawall“ war, finde es aber wichtig, einfach deutlich zu machen, dass dieses Jahr das Szenenfamilienfest massiv im Vordergrund stand (vgl. auch 2007). Die politische Botschaft davon ist subtiler: die hat was damit zu tun, deutlich zu machen, wem in Freiburg die Straßen auch gehören, und vielleicht auch damit, Identität zu produzieren.