„Die Universität ist noch nicht reif für eine Frau“ (Update 2: der Fall erreicht „nature“)

Dass die Uni­ver­si­tät Frei­burg noch nicht reif für eine Frau ist, sage nicht ich, son­dern das hat gera­de – bedau­ernd – der Uni­ver­si­täts­rats­vor­sit­zen­de Weit­zmann mit­ge­teilt. Und zwar im öffent­li­chen Teil der Senats­sit­zung, in der soeben der Rek­tor gewählt wur­de. Damit war er nicht der ein­zi­ge, bei dem zwi­schen den Zei­len eine gro­ße Sym­pa­thie für Prof. Eli­sa­beth Che­au­ré her­aus­zu­hö­ren war. Auch Prof. Schwen­gel hat in sei­nem gewun­den-grund­sätz­li­chen Bericht aus der Senats­fin­dungs­kom­mis­si­on ziem­lich deut­lich anklin­gen las­sen, dass die drei Bewer­bun­gen, die zuletzt noch im Ren­nen waren, min­des­tens gleich­wer­tig waren. Und eben­so war aus fast allen Wort­mel­dun­gen der Senats­mit­glie­der her­aus­zu­hö­ren, dass die Chan­ce, auch auf höchs­ter Füh­rungs­ebe­ne deut­lich zu machen, dass die Uni­ver­si­tät es ernst mit Gleich­stel­lung meint, eigent­lich bes­ser genutzt wor­den wäre.

Abge­stimmt wur­de dann trotz­dem – zumin­dest öffent­lich bekun­det und an einen ent­spre­chen­den Fach­schaf­ten­be­schluss gebun­den – selbst von den vier Stu­die­ren­den im Senat im Sin­ne der Staats­rai­son: das Ergeb­nis des for­mal kor­rek­ten Ver­fah­rens wird akzep­tiert, die Uni­ver­si­tät steht geschlos­sen zu ihrer Führung. 

In Zah­len waren es dann aller­dings doch 11 Nein-Stim­men und 4 Ent­hal­tun­gen; mit 18 Ja-Stim­men war die Mehr­heit für Prof. Hans-Jochen Schie­wer damit zwar ein­deu­tig, aber nicht über­wäl­ti­gend (Kon­stan­tin weist dar­auf hin, dass ein ja irgend­wie erwart­ba­res stu­den­ti­sches Nein zu einem Ergeb­nis von 13 14:15:4 geführt hät­te; einer der weni­gen Momen­te, wo die stu­den­ti­schen Senats­mit­glie­der mal ech­ten Ein­fluss hat­ten – und damit auch die FSK, die die gewähl­te Linie vor­ge­ge­ben hatte). 

Ob mit die­sem Ergeb­nis der nach dem Abgang des „Hoff­nungs­trä­gers“ Voss­kuh­le ver­miss­te Schwung wie­der zurück­kommt, bleibt abzu­war­ten. Sub­stan­ti­ell bedeu­tet das Ergeb­nis, dass sich nicht viel ändern wird. Aus dem kom­mis­sa­ri­schen Rek­tor wird der tat­säch­lich amtie­ren­de Rek­tor, das Rek­to­rat bleibt, inter­es­sant ist nun, wer als Vizerektor/in bestellt wird.

Viel­leicht aber ist selbst die­ses Wahl­er­geb­nis ein Schritt für mehr Gleich­be­rech­ti­gung an der Uni­ver­si­tät Frei­burg. Nicht nur hat fast jede/r das Wort im Mund geführt – auch der frisch­ge­wähl­te Rek­tor leg­te viel Empha­se dar­auf, in Zukunft ganz viel für die För­de­rung jun­ger Wis­sen­schaft­le­rin­nen (hof­fent­lich dann auch jun­ger Wis­sen­schaft­ler in ähn­li­chen Lebens­si­tua­tio­nen) und für die Chan­cen­gleich­heit an der Uni­ver­si­tät tun zu wol­len. Ob das vor ein paar Wochen auch schon so gewe­sen wäre, kann nicht gesagt wer­den. Ich glau­be es aller­dings nicht. Der Ein­wand eines Dekans, mit dem Ver­zicht auf eine Frau als Rek­to­rin auch die Gleich­stel­lungs­vor­ga­ben bei Beru­fun­gen ins Absur­de zu füh­ren, muss damit nicht unbe­dingt zutreffen.

Gab es Über­ra­schun­gen? Das Wahl­er­geb­nis war sicher kei­ne, ich hat­te es jeden­falls unge­fähr so erwar­tet. Was mich über­rascht hat, war der Ver­trau­ens­vor­schuss der stu­den­ti­schen Senats­mit­glie­der, die sich öffent­lich dazu bekannt haben, das Ver­fah­ren zu akzep­tie­ren und Schie­wer mit­zu­wäh­len. Wenig über­ra­schend viel Unmut zwi­schen den Zei­len – auch bei eini­gen Pro­fes­so­rIn­nen – über das Wahl­ver­fah­ren selbst und das star­ke Gewicht des Uni­ver­si­täts­rats. Tat­säch­lich über­ra­schend für mich das Gewicht, dass Exzel­lenz­in­itia­ti­ve, Ran­kings und Manage­ments­rhe­to­rik inzwi­schen gewon­nen haben. Die Saat des Wett­be­werbs ist hier sicht­lich auf­ge­gan­gen. Die jeden­falls nicht glän­zend zu nen­nen­de Vor­stel­lungs­re­de des neu­en Rek­tors wim­mel­te nur von Qua­li­täts­ma­nage­ment, Refe­ren­zen auf Leis­tung und Exzel­lenz (auch in der Leh­re), Manage­ment­me­tho­den und Wett­be­wer­ben (zwi­schen den vie­len Unver­bind­lich­kei­ten waren auch ein paar posi­ti­ven Häpp­chen für jede/n versteckt).

Es wur­de klar, dass die Uni­ver­si­tät Frei­burg ver­su­chen wird, sich als euro­päi­sche Spit­zen­uni­ver­si­tät zu posi­tio­nie­ren. Ob dies tat­säch­lich über den Werk­zeug­kas­ten der BWL gelin­gen kann, muss dahin­ge­stellt blei­ben. Sowohl Prof. Schwen­gel als auch der neue Rek­tor fan­den sich jeden­falls als Uni­ver­si­tät in der Zei­ten­wen­de, in einer Pha­se der Unsi­cher­heit, in einer his­to­ri­schen Situa­ti­on. Auch die Eli­te­uni­ver­si­tät Frei­burg schaut gebannt auf die Schlan­ge Exzel­lenz­in­itia­ti­ve II. Als Reak­ti­on auf Unsi­cher­heit und Her­aus­for­de­run­gen wur­de – und da war mir dann eher unbe­hag­lich zumu­te – von allen Sei­ten nicht nur Zusam­men­halt, son­dern vor allem auch eine star­ke Füh­rung gewünscht; die Sehn­sucht nach „dem star­ken Mann“ scheint es in der wahr­ge­nom­me­nen Kri­se auch im pro­fes­so­ra­len Kor­pus zu geben. Weder der jetzt Gewähl­te noch Prof. Che­au­ré ent­spre­chen, so wirkt es jeden­falls momen­tan, die­sem Phä­no­typ. Das kann nur gut sein für das Bin­nen­ver­hält­nis der Universität.

War­um blog­ge ich das? Weil ich es span­nend fand, die Debat­te mit­zu­er­le­ben. Nicht als ein­zi­ger übri­gens: der Senats­saal 1199 war gut gefüllt. Vom Ver­fah­ren her bot die Uni dabei aller­dings kein gutes Bild. Das Mikro war sehr lei­se, der Bea­mer warb mun­ter für Win­dows, und statt um 15:15 zu begin­nen, wur­de die Öffent­lich­keit, kaum hat­te sie sich gesetzt, erst ein­mal für eine hal­be Stun­de aus dem Saal gewor­fen. Was in die­ser hal­ben Stun­de unter den gewähl­ten Senats­mit­glie­dern pas­sier­te, wird wohl eben­so Geheim­nis blei­ben wie die Fra­ge, wel­ches Uni­ver­si­täts­rats­mit­glied für die lega­le, aber doch äußerst uner­war­te­te Nach­no­mi­nie­rung in der Kan­di­da­ten­fra­ge ver­ant­wort­lich war. Mein Tipp: den Senats­mit­glie­dern wur­de die Lega­li­tät des gewähl­ten Pro­zes­ses ver­deut­licht. Aber das ist nur Spekulation.

Update: (30.7.2008) Die Badi­sche Zei­tung berich­tet heu­te groß dar­über, dass Prof. Che­au­ré das Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um auf­ge­for­dert hat, zu prü­fen, ob die Rek­to­ren­wahl in Frei­burg recht­mä­ßig war. Sie begrün­det dies einer­seits mit dem Ver­fah­ren der nach­träg­li­chen Zulas­sung eines wei­te­ren Bewer­bers, zum ande­ren aber auch damit, dass die Wahl nicht dem Gleich­stel­lungs­kon­zept der Uni ent­spro­chen hat (u.a., weil in der Stel­len­aus­schrei­bung expli­zit Frau­en zur Bewer­bung auf­ge­for­dert waren). 

Inter­es­sant dabei fin­de ich, wel­cher Stel­len­wert dabei dem auch hier als Über­schrift gewähl­ten Satz zukommt, dass die Uni­ver­si­tät noch nicht reif für eine Frau sei. Ich hat­te Herrn Weit­zmann in der Sit­zung des Senats so ver­stan­den, dass er mit die­sem Satz aus­drü­cken woll­te, dass er die Bewer­bung von Prof. Che­au­ré inhalt­lich sehr gut fand, dass es aber nicht mög­lich war, dafür eine Mehr­heit im Uni­ver­si­täts­rat zu fin­den. In der BZ wird dage­gen Adel­heid Hepp von der Unter­stüt­ze­rIn­nen-Grup­pe für Prof. Che­au­ré mit der Aus­sa­ge zitiert, dass sie die­sen Satz dis­kri­mi­nie­rend fin­de. Hier scheint es also sehr unter­schied­li­che Inter­pre­ta­ti­on zu geben. 

Ich kann ver­ste­hen, dass der Satz als dis­kri­mi­nie­rend emp­fun­den wer­den kann (ins­be­son­de­re, wenn der Kon­text nicht klar ist). Genau betrach­tet wird hier jedoch nicht gesagt, dass die Frau nicht geeig­net sei, son­dern dass die Uni­ver­si­tät – über die der Satz ja eine Aus­sa­ge macht – ein Pro­blem hat. Dann ist jedoch nicht der Satz dis­kri­mi­nie­rend, son­dern die Tat­sa­che, dass er als zutref­fen­de Beschrei­bung der Umstän­de und Zustän­de ver­stan­den wer­den muss. Wenn die Uni­ver­si­tät Frei­burg ein Ort wäre, an dem es kei­ne geschlechts­spe­zi­fi­sche Dis­kri­mi­nie­rung gibt, wäre es falsch, einen sol­chen Satz zu äußern. Wenn es jedoch stimmt, dass die Uni­ver­si­tät damit ein Pro­blem hat, dann ist er nicht dis­kri­mi­nie­rend, son­dern letzt­lich eine schal­len­de Ohr­fei­ge für alle Uni­ver­si­täts­rats­mit­glie­der (egal wel­chen Geschlechts), die Prof. Che­au­ré ver­hin­dern wollten.

Der zwei­te mög­li­che Vor­wurf in der Kri­tik an besag­tem Satz, näm­lich der, dass Prof. Che­au­ré so auf ihr Geschlecht redu­ziert wird, ist m.E. schon eher rich­tig. Dass hat aller­dings auch viel damit zu tun, dass vor der Wahl genau mit dem Argu­ment, dass es gut wäre, wenn die Uni mal eine Frau an die Spit­ze set­zen wür­de, haus­sie­ren gegan­gen wur­de (auch von mir). 

Rele­vant fin­de ich übri­gens auch, dass eine ande­re Aus­sa­ge nicht viel stär­ker betrach­tet wird, näm­lich die von Prof. Schwen­gel (ich mei­ne jeden­falls, dass u.a. er dies gesagt hat; auch in der Rede von Herrn Weit­zmann waren mög­li­cher­wei­se ähn­li­che Aus­sa­gen ent­hal­ten), dass ja „eigent­lich“ alle Bewer­be­rIn­nen gleich gut gewe­sen sein. An der lässt sich mei­nes Erach­tens näm­lich viel stär­ker deut­lich machen, dass bei glei­cher­ma­ßen geeig­ne­ten Bewer­be­rIn­nen Geschlecht als dis­kri­mi­nie­ren­der Fak­tor ver­wen­det wurde.

Update 2: (8.8.2008) Inzwi­schen wird auch in natu­re news über die Frei­bur­ger Rek­tor­wahl berichtet. 

Die unerklärliche Anziehungskraft der Coffee-to-go-Becher

Nach­dem ich rela­tiv oft die Cafe­te­ri­en des Stu­den­ten­werks fre­quen­tie­re, ist mir auf­ge­fal­len, dass dort seit eini­ger Zeit nicht nur Kaf­fee­ma­schi­nen ein­ge­setzt wer­den, die ganz pas­sa­bel dar­in sind, die soge­nann­ten „Kaf­fee­spe­zia­li­tä­ten“ her­zu­stel­len, son­dern dass es dort seit eini­gen Mona­ten auch „Cof­fee-to-go-Becher“ gibt. Damit mei­ne ich die­se beschich­te­ten Papier­be­cher, die von Bäcke­rei­en, der Bahn oder Bis­tros aus­ge­ge­ben wer­den, wenn jemand sei­nen Kaf­fee mit­neh­men möch­te. Die­se Becher nun wie­der­um sind von einem Geheim­nis umge­ben: einer uner­klär­li­chen Anziehungskraft.

Early cafeteria breakfast

Betrach­ten wir das „EC“, da hier das Phä­no­men am deut­lichs­ten sicht­bar wird. Inzwi­schen ste­hen dort drei (oder sogar vier?) Selbst­be­die­nungs­kaf­fee­ma­schi­nen, aus denen Kaf­fee, Cap­puc­ci­no, Milch­kaf­fee, Lat­te Mac­chia­to etc. abge­ru­fen wer­den kann. Die Auto­ma­ten ste­hen im kas­sen­na­hen Bereich der Selbst­be­die­nungs­the­ke. Die räum­li­che Anord­nung ist hier chro­no­lo­gisch medi­iert (soll hei­ßen: nor­ma­ler­wei­se bewe­gen sich die Leu­te von links nach rechts an der The­ke vor­bei). Rechts von den Auto­ma­ten sind noch ein paar Süßig­kei­ten und die Tas­se, links ist das unter­schied­li­che Geschirr dafür zu fin­den. Es gibt dort: Scha­len für Milch­kaf­fee, Becher für Kaf­fee, Cap­puc­ci­no etc., Lat­te-Glä­ser und Espres­so-Tas­sen. Und die bereits erwähn­ten To-go-Becher. 

Was ich nun selt­sam fin­de, ist die Tat­sa­che, dass ich immer wie­der Men­schen beob­ach­te, die ganz selbst­ver­ständ­lich einen der roten Papier­be­cher mit einem Kaf­fee­ge­tränk befül­len, sich damit dann aber nicht auf den Weg machen, son­dern sich in der Cafe­te­ria nie­der­las­sen – auf der Ter­ras­se, oder sogar im Innen­be­reich. Die­ses Ver­hal­ten ist mir in zwei­er­lei Hin­sicht uner­gründ­lich. Zum einen fin­de ich es ästhe­tisch und geschmack­vol­ler, wenn schon Auto­ma­ten­kaf­fee, die­sen dann wenigs­tens in einer rich­ti­gen (in dem Fall so eine Art Pseu­do­por­zel­lan mit gla­si­ger Ober­flä­che) Tas­se bzw. in einem rich­ti­gen Becher zu trin­ken. Und zum ande­ren ist es natür­lich doch ein biß­chen ver­schwen­de­risch, einen Mit­nah­me­be­cher mit­zu­neh­men, wenn es gar kei­nen Ort gibt, an den gegan­gen wird.

Spon­tan fal­len mir für die­se Pra­xis drei Hypo­the­sen ein:

1. Die To-go-Becher ste­hen direkt neben den Kaf­fee­ma­schi­nen; zusam­men mit der aus ande­ren Situa­tio­nen (Bäcke­rei usw.) bekann­ten ein­ge­spiel­ten Erwar­tung, schnell mit­zu­neh­men­den Kaf­fee in einem Papier­be­cher ser­viert zu bekom­men, sind sie damit ers­te Wahl; es wird gar nicht erst wei­ter nach ande­ren Behält­nis­sen gesucht. Hier könn­te eine Umsor­tie­rung der Becher­sta­pel hel­fen (oder der belieb­te Agent „Hin­weis­schild“).

2. Die To-go-Becher wer­den von den­je­ni­gen bevor­zugt, die sich nicht sicher sind, ob sie ihren Kaf­fee tat­säch­lich in der Cafe­te­ria trin­ken wol­len, oder nicht doch viel­leicht in die Ver­le­gen­heit kom­men, ihn mit­neh­men zu müs­sen. Mit dem Papier­be­cher gibt es dann kei­ne Not­wen­dig­keit, den Kaf­fee in Eile aus­zu­trin­ken, und sich der Gefahr von Ver­brü­hun­gen aus­zu­set­zen. (Ver­wandt hier­mit: der Weg zur Geschirr­rück­ga­be soll ver­mie­den wer­den, um wert­vol­le Minu­ten in der knap­pen Pau­sen­zeit zwi­schen zwei Ver­an­stal­tun­gen zu spa­ren). Die­se Hypo­the­se wäre inso­fern über­prüf­bar, als dann die­je­ni­gen auch auf Tabletts, Tel­ler und Besteck ver­zich­ten müss­ten: also Kaf­fee pur und Gebäck auf der Hand.

3. Am gra­vie­rends­ten der drit­te mög­li­che Grund: sich vor­zu­stel­len, dass es Leu­te gibt, in deren per­sön­li­cher All­tags­äs­the­tik Papier­be­cher ange­mes­se­ner erschei­nen – als Hom­mage an eine Weg­werf­kul­tur, zur Repe­ti­ti­on des Gefühls, sich bei Star­bucks zu befin­den, oder aus ima­gi­nier­ten hygie­ni­schen Gründen. 

Soweit die Hypo­the­sen zur ohne wei­te­re Prü­fung wei­ter­hin uner­klär­li­chen Anzie­hungs­kraft der Coffee-to-go-Becher. 

Han­delt es sich dabei um ein auf Frei­burgs Stu­die­ren­de beschränk­tes Phä­no­men? Oder gibt es wei­te­re Fall­bei­spie­le, wo die Ein­füh­rung von Papier­be­chern die Nut­zung von mehr­fach ver­wend­ba­rem Geschirr sinn­los redu­ziert hat?

War­um blog­ge ich das? Weil ich mich schon mehr­fach drü­ber geär­gert bzw. gewun­dert habe, und das jetzt mal los­wer­den wollte.

Vor der Entscheidung: Drei-Rektoren-Jahr oder erste Frau im Amt?

550 years I
Dar­um geht es: wer wird
zukünf­tig im Rek­to­rat sitzen?

Die Badi­sche Zei­tung (Hin­weis via Grü­nes­Frei­burg) berich­tet, dass das Feld der drei­zehn Bewer­be­rIn­nen um die Rek­to­rats­nach­fol­ge für die Uni­ver­si­tät Frei­burg nach der Ent­schei­dung der Fin­dungs­kom­mis­si­on auf eine Zwei­er­lis­te geschrumpft ist. Auf der ste­hen jetzt noch die Deka­nin der Phi­lo­lo­gi­schen Fakul­tät und lang­jäh­ri­ge Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­te der Uni, Prof. Dr. Eli­sa­beth Che­au­ré (Sla­wis­tik) und der Dekan der Medi­zi­ni­schen Fakul­tät, Prof. Dr. Chris­toph Peters (Mole­ku­lar­me­di­zin).

Wenn das so stimmt, han­delt es sich hier tat­säch­lich um eine sehr span­nen­de Kon­stel­la­ti­on: lang­jäh­ri­ges poli­ti­sches Enga­ge­ment in der Uni vs. Pro­fi­lie­rung in der Exzel­lenz­in­itia­ti­ve, Geis­tes­wis­sen­schaft vs. tech­ni­sche Natur­wis­sen­schaft, und nicht zuletzt natür­lich auch die ers­te Frau vs. ein wei­te­rer Mann in der lan­gen Rei­he der Frei­bur­ger Rektoren. 

Die Ent­schei­dung über die­se Fra­gen trifft am Mon­tag der Uni­ver­si­täts­rat, der aus sechs exter­nen und fünf inter­nen Mit­glie­dern besteht. Je nach­dem, wer gefragt wird, wird hier eine – die Tei­lung nach intern/extern über­grei­fen­de – Pro­gno­se von 5:6 für den Kan­di­da­ten oder für die Kan­di­da­tin abge­ge­ben; jeden­falls sieht nie­mand mehr als eine knap­pe Mehr­heit. Die Ent­schei­dung des Uni­ver­si­täts­rats wird dann am Mitt­woch dem Senat zur Annah­me oder Ableh­nung vorgelegt. 

Ich bin gespannt, ob die Uni­ver­si­tät den Schritt wagt, nach der Ent­schei­dung der Fin­dungs­kom­mis­si­on noch ein­mal zu über­ra­schen und tat­säch­lich Frau Che­au­ré zu wäh­len – und damit ein deut­li­ches Signal auch für eine inter­ne Moder­ni­sie­rung und ein Kli­ma der Zusam­men­ar­beit zu set­zen. Wenn, wie z.B. von der grü­nen Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten The­re­sia Bau­er (anläss­lich der letzt­ma­li­gen Wahl von Alt­rek­tor Jäger) gefor­dert, alle Hoch­schul­mit­glie­der wäh­len dürf­ten, statt die eigent­li­che Ent­schei­dung einem klei­nen auf­sichts­rat­ähn­li­chen Gre­mi­en zu über­las­sen, hät­te Frau Che­au­ré auf jeden Fall mei­ne Stimme.

War­um blog­ge ich das? Weil in der baden-würt­tem­ber­gi­schen Hoch­schul­ge­setz­ge­bung der Ein­fluss der Rek­to­rIn­nen doch ziem­lich groß ist – und es des­we­gen für die wei­te­re Ent­wick­lung der Uni­ver­si­tät Frei­burg ziem­lich wich­tig ist, wer am Mon­tag vor­ge­schla­gen wird.

Gedankenexperiment: zwei grüne Listen

Kurz hat­te ich ja schon dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es hier in Frei­burg durch den Aus­tritt von Coin­neach McCa­be und Moni­ka Stein aus der grü­nen Frak­ti­on gera­de tur­bu­lent her­geht. Etwas schief ange­guckt wur­de ich, weil ich die­sen Aus­tritt u.a. damit kom­men­tiert habe, dass das bes­te Ergeb­nis wohl zwei grü­ne Lis­ten wären. Was mei­ne ich damit?

After Work Party "Innovation und Arbeit" I
Einen Haken für jeden poli­ti­schen Mantel?

Der­zeit ist das Ver­ständ­nis der Situa­ti­on ja fol­gen­des: zwei „Abtrün­ni­ge“ tre­ten aus der Frak­ti­on aus, die letzt­lich auf die Wahl­ver­samm­lung der grü­nen Par­tei­mit­glie­der zurück­geht, und machen eine eige­ne Grup­pe im Gemein­de­rat auf, mit der Ankün­di­gung, viel­leicht auch bei den Wah­len 2009 anzu­tre­ten. Der ers­te Gedan­ke eines guten Par­tei­mit­glieds muss jetzt natür­lich sein: das geht nicht, jeden­falls nicht, solan­ge die Mit­glied bei Bünd­nis 90/Die Grü­nen blei­ben, denn dann gäbe es eine kon­kur­rie­ren­de Lis­te und damit ein par­tei­schä­di­gen­des Ver­hal­ten. Das gan­ze wäre auch inso­fern para­dox, als ja bei­spiels­wei­se alle in Frei­burg woh­nen­den grü­nen Par­tei­mit­glie­der (so sie gene­rell wahl­be­rech­tigt sind) die Kom­mu­nal­wahl­lis­te auf­stel­len. Dann könn­ten auch auf kon­kur­rie­ren­den Lis­ten antre­ten­de Par­tei­mit­glie­der mit­ent­schei­den, wer denn da gegen sie auf­ge­stellt wird. Ist schräg und zurecht durch Sat­zun­gen gedeckelt.

Das gan­ze lie­ße sich aber auch noch aus einem ganz ande­ren Blick­win­kel anschau­en. Bei der letz­ten Kom­mu­nal­wahl haben die Frei­bur­ger Grü­nen – als Volks­par­tei, die sie hier sind – 25,8 Pro­zent und damit 13 Sit­ze erhal­ten (Quel­le). Mög­li­cher­wei­se liegt das kom­mu­na­le Wäh­le­rIn­nen-Poten­zi­al für grü­ne Poli­tik im wei­te­ren Sin­ne jedoch noch deut­lich höher. Eine Volks­par­tei hat immer das Pro­blem, rela­tiv kom­pro­miss­hal­ti­ge Pro­gram­me schrei­ben und umset­zen zu müs­sen. Je stär­ker die Aus­rich­tung in eine Rich­tung (das muss jetzt nicht mal unbe­dingt das klas­si­sche Sche­ma links-rechts sein, son­dern kann auch z.B. hei­ßen Kul­tur­po­li­tik vs. Umwelt­schutz) geht, und je eher das über die tat­säch­li­che Wäh­le­rIn­nen­schaft hin­aus­ge­hen­de Poten­zi­al in die­ser Rich­tung „abge­schöpft“ wird, des­to grö­ßer ist das Risi­ko von Ver­lus­ten am ent­ge­gen­ge­setz­ten Rand des Spek­trums der Par­tei. Ent­spre­chend kommt es zu Wan­de­run­gen zu ande­ren Lis­ten oder ins Lager der NichtwählerInnen. 

Die der­zei­ti­ge Frak­ti­on in Frei­burg besteht aus den Grü­nen und aus der Lis­te Jun­ges Frei­burg, die eigen­stän­dig ange­tre­ten ist. Auch die­se Kon­stel­la­ti­on ist nicht ohne Schwie­rig­kei­ten, zuletzt gab es ja auch hier Aus­schlüs­se, Über­trit­te, und so wei­ter. Trotz­dem ist zu ver­mu­ten, dass die von zwei getrenn­ten Lis­ten „Jun­ges Frei­burg“ einer­seits und „Die Grü­nen“ ande­rer­seits erreich­te Pro­zent- und Sitz­zahl höher ist als die einer gemein­sa­men Lis­te, die sich von vor­ne­her­ein auf Kom­pro­mis­se eini­gen hät­te müs­sen. Das Wahl­sys­tem setzt dem Prin­zip „getrennt antre­ten, ver­eint schla­gen“ enge Gren­zen; auch das Aus­zäh­lungs­ver­fah­ren nach d’Hondt begüns­tigt ten­den­zi­ell grö­ße­re Listen.

Jetzt ganz hypo­the­tisch gespro­chen: was wür­de pas­sie­ren, wenn die Frei­bur­ger Grü­nen fest­stel­len, dass ein best­mög­li­ches Ange­bot für rele­van­te und poli­tisch nahe­ste­hen­de Wäh­le­rIn­nen-Ziel­grup­pen dar­in bestehen wür­de, nicht mit einer Lis­te anzu­tre­ten, son­dern mit zwei Lis­ten, die bei­de von der Par­tei Bünd­nis 90/Die Grü­nen unter­stützt und – viel­leicht pro­por­tio­nal zu einem Abstim­mungs­er­geb­nis – mit Gel­dern für den Wahl­kampf ver­se­hen wer­den? Ein­mal abge­se­hen davon, dass das ein sol­ches Vor­ge­hen mög­li­cher­wei­se recht­lich pro­ble­ma­tisch ist (Darf eine Par­tei über­haupt zwei Lis­ten ins Ren­nen schi­cken? Wer stellt dann wen auf?) könn­te ich mir vor­stel­len, dass unter der Rah­men­be­din­gung „Volks­par­tei mit gro­ßem Wäh­le­rIn­nen-Poten­zi­al“ ein Antre­ten mit zwei Lis­ten zu einem bes­se­ren Gesamt­ergeb­nis führt als eine Lis­te. Bei­de Lis­ten müss­ten dann natür­lich pro­gram­ma­tisch klar von ein­an­der abge­grenzt sein und jeweils ein eige­nes Pro­fil haben – viel­leicht einen Kern von gemein­sa­men For­de­run­gen, und dann jeweils eine dif­fe­ren­zie­ren­de Akzent­set­zung. Damit wür­den ziel­grup­pen­spe­zi­fi­sche Pro­duk­te auf den Wahl­markt gewor­fen, die – so die jewei­li­gen Ver­spre­chen dann auch gehal­ten wer­den – ins­ge­samt zu einer grö­ße­ren Akzep­tanz füh­ren könn­ten als eine gemein­sa­me Liste. 

Um es klar zu sagen: bei einem Poten­zi­al im ein­stel­li­gen Bereich bie­tet sich so ein Vor­ge­hen genau­so wenig an wie z.B. bei Bür­ger­meis­ter­wah­len, wo ja letzt­lich nur eine Per­son gewählt wer­den kann. Aber wenn es dar­um geht, mehr als ein Vier­tel der Bevöl­ke­rung mit ange­mes­se­ner Poli­tik zu ver­sor­gen, könn­ten zwei pro­fi­lier­te Lis­ten eine inter­es­san­te Lösung sein.

Soweit das Gedan­ken­ex­pe­ri­ment – die recht­li­chen Mög­lich­kei­ten und die poli­ti­schen Rea­li­tä­ten sehen ver­mut­lich anders aus. Und auch die klei­ne Lösung, also eine gemein­sa­me Lis­te, aber eine kla­re Iden­ti­fi­ka­ti­on von ein­zel­nen Grup­pen auf die­ser Lis­te, um die in Baden-Würt­tem­berg vor­ge­se­he­ne Mög­lich­keit des Kumu­lie­rens mit Leben zu fül­len, erscheint mir lei­der recht unwahrscheinlich. 

Trotz­dem ist es viel­leicht gar nicht so falsch, eben gera­de auch ange­sichts der rela­tiv ver­fah­re­nen aktu­el­len Situa­ti­on dar­über nach­zu­den­ken, ob mit inno­va­ti­ven Stra­te­gien nicht doch letzt­lich mehr dar­aus wer­den kann als eine gro­ße Schlamm­schlacht kurz vor der Wahl. Quer­zu­den­ken (belieb­te grü­ne Fähig­keit, außer, sie wird ein­ge­setzt) kann hier viel­leicht mehr gewin­nen als der Rück­griff auf schein­bar bewähr­te Handlungsrollen.

War­um blog­ge ich das? Weil kur­ze schnip­pi­sche Kom­men­ta­re leicht miss­ver­stan­den werden.