I. Deutungshoheit und die Wirkung von Texten
Das eine ist die unglaubliche Naivität, mit der manche Menschen an Positionspapiere, Satzungen und Gesetze herantreten. Vielleicht schlägt da bei mir der Soziologe durch, aber wer glaubt, dass ein Text, nur weil in diesem Text etwas steht, alleine Wirkung entfaltet, leidet aus meiner Sicht an einer Wahrnehmungsstörung. Eine Wahrnehmungsstörung, die sich vielleicht am treffendsten als „Machtblindheit“ bezeichnen lässt.
Machtblindheit meint hier nicht, blind vor Macht zu sein, sondern nicht zu sehen, dass jeder Text deutungs- und interpretationsoffen ist. Dass jeder zu einem Werkzeug in einem Akteursnetzwerk gemacht werden kann, um bestimmte Ziele zu erreichen und andere Ziele zu verhindern.
Die Deutungsmöglichkeiten sind dabei nicht beliebig, aber sie sind sehr viel größer, als viele sich das vorstellen. Wer sich letztlich mit seiner Deutung durchsetzt, hat etwas mit diskursiver Hegemonie zu tun, aber eben auch damit, wer am sprichwörtlichen längeren Hebel sitzt.