Kurz: Vereinbarkeit heißt Verzicht auf Perfektion

In der ZEIT ist aktu­ell ein Text zu lesen, in dem zwei Väter sich bekla­gen. Weil … das wird nicht so ganz klar. Irgend­wie klappt es nicht so rich­tig mit der Ver­ein­bar­keit von Beruf und Fami­lie, Kin­dern und Kar­rie­re. Sie füh­len sich schlecht, weil sie, wenn sie denn schon mal Zeit für das Kind haben, doch beruf­li­che SMS schrei­ben, und über­haupt: Über­for­de­rung. Und dann: Ratlosigkeit.

Ich kann das zum Teil nach­voll­zie­hen. Ich bin die hal­be Woche allei­ne für mei­ne bei­den Kin­der zustän­dig, und trotz guter Betreu­ungs­in­fra­struk­tur und sozia­lem Netz­werk kann das ganz schön stres­sig sein. Aber gehört das nicht dazu? Die Ent­schei­dung für Kin­der war bei mir eine ziem­lich bewuss­te. Und für mich war sie auch eine bewuss­te Ent­schei­dung gegen Kar­rie­re um jeden Preis. Kei­ne Ahnung, ob ich ohne Kin­der an der Uni geblie­ben und dort die Wüs­te der Pre­ka­ri­tät erfolg­reich durch­schrit­ten hät­te. Aber ich bin da, wo ich bin, mit einer bewusst auf 70 Pro­zent der „Nor­mal­ar­beits­zeit“ ange­leg­ten Stel­le im Poli­tik­be­trieb, die ich span­nend fin­de, und die so eini­ger­ma­ßen gut genug bezahlt ist, um auch mit 70 Pro­zent finan­zi­ell über die Run­den zu kom­men. Da sind dann kei­ne gro­ßen Sprün­ge mög­lich, ist halt so. Dass das arbeits­mä­ßig klappt, hat im übri­gen auch was damit zu tun, dass ich zum Teil im Home Office arbei­ten kann, dass mei­ne Arbeit­ge­be­rin mir viel Fle­xi­bi­li­tät erlaubt – und dass mei­ne Fami­li­en­ver­pflich­tun­gen eben auch ein guter Grund sind, um nicht an jedem Mee­ting teil­zu­neh­men und an man­chen Tagen sehr pünkt­lich zu gehen.

Ver­zicht auf Per­fek­ti­on aber nicht nur auf der Kar­rie­re­sei­te, son­dern auch auf der Kin­der­sei­te: Kin­der groß­zu­zie­hen, ist, soll­te, fin­de ich, All­tag sein. Fami­li­en­ar­beit heißt eben auch Kochen, Waschen, Put­zen, Kin­der ins Bett brin­gen, … und nicht nur: „Qua­li­täts­zeit“. Und gemein­sam anwe­send zu sein heißt eben – mei­ne ich – nicht, als Eltern­teil die Kin­der stän­dig betü­deln zu müs­sen. Die sol­len doch groß und selbst­stän­dig wer­den, nicht klein­ge­hal­ten im Amü­sier­be­trieb. Sehe ich jeden­falls so, und das klappt auch halb­wegs gut. Ob’s den Stan­dards von ZEIT-Autoren ent­spricht, weiß ich nicht. 

P.S.: Lesens­wert zu dem Gan­zen auch Wolf­gang Lünen­bür­ger-Rei­den­bach, der zum Teil noch­mal ein biss­chen anders an die Sache her­an­geht, und gera­de wegen Kar­rie­re – und den ent­spre­chen­den finan­zi­el­len Spiel­räu­men – einen Weg gefun­den hat, bei­des zu vereinbaren.

Nervende Kinder, nervende Eltern

Zora drawing herself (in color)

Kin­der kön­nen ganz schön ner­ven. Oder eine gute Übung dar­in dar­stel­len, (rela­tiv) gelas­sen zu blei­ben. Den eige­nen Ärger deut­lich zu machen, ohne unge­recht zu werden. 

Um das etwas plas­ti­scher zu machen, drei Bei­spie­le (alle von die­sem Wochenende):

1. Die Kin­der haben einen Maul­wurf-Film gese­hen, in dem ein Hai vor­kommt. Als wir am nächs­ten Mor­gen ein­kau­fen gehen wol­len (genau­er: als ich am nächs­ten Mor­gen ein­kau­fen gehen will, und mei­ne bei­den Kin­der­gar­ten­kin­der nicht allei­ne zu Hau­se las­sen will), kommt R. (fast drei) auf die Idee, dass der Hai aus dem Film ja sein Freund sei. Und des­we­gen mit zum Ein­kau­fen muss. R. muss des­we­gen Hai­fut­ter ein­pa­cken. Der Hai – manch­mal ver­wan­delt er sich auch in einen Del­phin – war­tet im Trep­pen­haus auf uns. Auf dem nas­sen, kal­ten, reg­ne­ri­schen Fuß­weg zum Laden muss er in die Mit­te genom­men wer­den. Die Kin­der strei­ten sich dar­über, wer dem Hai die Flos­sen hal­ten darf. Z. (fast sechs) will den Hai im Bach an der Lei­ne füh­ren, was bei R. zu einem hal­ben Ner­ven­zu­sam­men­bruch führt. Beim Ein­kau­fen war­tet der Hai brav drau­ßen vor dem Laden – auf dem Rück­weg rennt er uns davon.

2. Auch wenn’s jetzt ein grö­ße­res Kin­der­zim­mer gibt: Das ist den Kin­dern oft zu unor­dent­lich („Papa, kannst du mal das Cha-os weg­ma­chen?“), wes­we­gen sie dann doch lie­ber im Wohn­zim­mer spie­len. Und natür­lich dort alles lie­gen­las­sen. Oder schau­en, ob sich in Küchen­schrän­ken Spiel­zeug ver­steckt. Oder, wie R. heu­te mor­gen, aus­pro­bie­ren, ob ihre Wachs­mal­krei­de auch auf frisch gestri­che­nen Wän­den hält. (Ja, tut sie – und beim Ver­such, die Krei­de weg­zu­put­zen, ist dann – sehr zu mei­nem dann auch sehr deut­lich geäu­ßer­tem Ärger – auch die hal­be fri­sche Far­be wie­der abgegangen …). 

3. Und Essen mögen die­se Kin­der auch nicht. Jeden­falls dann nicht, wenn Gemü­se dabei ist. Oder wenn es zum Advents­früh­stück frisch geba­cke­ne Sco­nes gibt. War­um? Weil es beim Bäcker immer Bon­bons dazu gibt, auf die die­sen Sonn­tag ver­zich­tet wer­den muss. Letzt­lich haben die Kin­der sich dann her­ab­ge­las­sen, zumin­dest mal zu pro­bie­ren. (Mir ist auch immer noch ein Rät­sel, wie Kin­der­mä­gen funk­tio­nie­ren: Es gibt so Tage, da passt gar nichts da rein, und die Kin­der sind nach einem Bis­sen schon mit Essen fer­tig, und es gibt Tage, wo gro­ße Men­gen Essen auf ein­mal ver­schlun­gen wer­den. Macht die Pla­nung nicht einfacher.)

Um das nicht falsch zu ver­ste­hen: Mir geht’s hier nicht um Tipps, wie ich mit sol­chen Situa­tio­nen bes­ser klar­kom­me, jeden­falls nicht im Sin­ne einer bes­se­ren „Dis­zi­pli­nie­rung“. Nicht, dass es mich nicht inter­es­siert, was ande­re Eltern bei ent­spre­chen­den Gele­gen­hei­ten machen, oder ob es tat­säch­lich Kin­der gibt, die sich nie so ver­hal­ten. Aber ich glau­be, dass sol­che Situa­tio­nen zu einem Zusam­men­le­ben mit Kin­dern irgend­wie dazu­ge­hö­ren. Was nicht heißt, das gut fin­den zu müs­sen, was auch nicht heißt, Kin­der im Sin­ne eines nai­ven Anti­au­to­ri­ta­nis­mus ein­fach alles machen zu las­sen. Letzt­lich geht’s, glau­be ich, wie immer, dar­um, eine Balan­ce zu fin­den zwi­schen Ertra­gen und Erziehen. 

War­um blog­ge ich das? Als selbst­re­fle­xi­ves Dampf­ab­las­sen. Und um Licht hin­ter „hier geht’s ja zu wie im Kin­der­gar­ten“ zu bringen.

Kurz: Die Zora und das Mikromanagement

Laufradfah'n IIMit dem Auf­ste­hen und dem in den Kin­der­gar­ten Gehen ist das so eine Sache. Erst trö­del ich rum, dann trö­delt Zora rum, und manch­mal sind wir dann bei­de genervt, wenn wir das Haus ver­las­sen. Heu­te zum Bei­spiel. Das ging dann so wei­ter: Zora war mit dem Lauf­rad unter­wegs, ich für den Sound­track zustän­dig: „Stopp! Fahr mal auf die ande­re Sei­te! War­um bleibst du den stän­dig ste­hen? Lass doch die Blu­me da in Ruhe! Nicht auf die Sei­te, die ande­re! Pass doch mal auf! Fahr wei­ter! Etc.“.

Bis mir dann auf hal­bem Weg ein ande­res Eltern­teil begeg­ne­te und eine orga­ni­sa­to­ri­sche Fra­ge hat­te. Bis die geklärt war, war Zora ein gutes Stück vor­ge­saust – bis zum Wald­rand, um genau zu sein. Und soweit ich das sehen konn­te, auf der rich­ti­gen Sei­te, und zügig ohne Sto­cken. Erst auf dem Wald­weg hat­te ich sie ein­ge­holt. Ziem­lich sau­er erklär­te sie mir, dass ich gefäl­ligst hier war­ten sol­le. Dann habe ich also gewar­tet, bis sie zum Kin­der­gar­ten gefah­ren ist – unsi­cher auf den jog­gen­den Gegen­ver­kehr, die zwei Hun­de, die drei ande­ren Kin­der auf Lauf­rä­dern und Fahr­rä­dern und den sper­ri­gen Anhän­ger schau­end. Erst als Zora nicht mehr zu sehen war, bin ich hinterher. 

Beim Kin­der­gar­ten ange­kom­men erklär­te Zora mir dann – statt der übli­chen lan­gen Abschieds­ze­re­mo­nien – schlicht: „Papa, du kannst jetzt gehen!“. Was ich dann auch mach­te, eini­ger­ma­ßen stolz auf mei­ne selb­stän­di­ge Tochter.

Die Moral von der Geschich­te: zuviel Beglei­tung kann ganz schön ner­vig sein – für bei­de. Mal schau­en, ob das Allei­ne-Fah­ren eines Teils der Kin­der­gar­ten­wegs sich durchsetzt.