Operation Druckabbau

Landtag II

Ges­tern mor­gen titel­te ich noch „Erst wenn die CDU das ers­te AKW vom Netz nimmt, glau­be ich Mer­kel und Map­pus“.

Dann kam erst das Mer­kel-Mora­to­ri­um (das nicht nur aus der Sicht von Lob­by-Con­trol kei­nes ist) mit der Abschal­tung der Alt-AKWs für den Wahl­kampf – und gera­de eben schließ­lich die Ankün­di­gung von Map­pus im Stutt­gar­ter Land­tag, dass EnBW das AKW Neckarwestheim‑I dau­er­haft vom Netz neh­men wird. Im Live­ti­cker von SpOn heißt es dazu:

[15.11 Uhr] Das AKW Neckar­west­heim I wird für immer abge­schal­tet. Minis­ter­prä­si­dent Map­pus sag­te im Land­tag: „Neckar­west­heim I wird abge­schal­tet, dau­er­haft, und still­ge­legt“. Zuvor hat­te der Betrei­ber EnBW mit­ge­teilt, dass ein wirt­schaft­li­cher Wei­ter­be­trieb des Reak­tors vor­aus­sicht­lich nicht dar­stell­bar sei. 

So schnell kann’s gehen. Wo es eine Stun­de davor noch die Rede davon war, dass die EnBW Neckarwestheim‑I nur „frei­wil­lig und vor­rü­ber­ge­hend“ vom Netz neh­men wol­le, und der SWR heu­te mor­gen noch berich­te­te, dass die EnBW nicht dar­über infor­miert sei, dass Neckar­west­heim I abge­schal­tet wer­den soll, und von der Kanz­le­rin per­sön­lich gefragt wer­den wol­le, ist es jetzt kein Pro­blem, das über Jahr­zehn­te immer wie­der im Mit­tel­punkt poli­ti­scher Pro­tes­te ste­hen­de AKW abzuschalten. 

Poli­tisch bewer­te ich das gan­ze wei­ter­hin als Ver­such, Druck im Wahl­kampf durch ein Not­ven­til abzulassen. 

Inhalt­lich ist es rich­tig, dass Neckar­west­heim I abge­schal­tet wird. Das wäre nach dem Atom­kom­pro­miss ohne Lauf­zeit­ver­län­ge­rung ja auch bereits gesche­hen. Aber es gibt ja noch mehr Atom­kraft­wer­ke in Baden-Würt­tem­berg. Was ist mit denen? Steht die CDU wei­ter­hin zur Aus­sa­ge „Viel­mehr brau­chen wir die Kern­ener­gie als ver­läss­li­che, kos­ten­güns­ti­ge und kli­ma­freund­li­che Brü­cken­tech­no­lo­gie.“ (S. 54, Wahl­pro­gramm)? Und was hat Neckar­west­heim, was die ande­ren Lan­des-AKW nicht haben?

Nach­for­schens­wert wäre nicht zuletzt hier die Fra­ge, was hin­ter dem „finan­zi­ell nicht dar­stell­bar“ der EnBW steckt. Heißt das letzt­lich: Neckar­west­heim run­ter­zu­fah­ren, über­prü­fen zu las­sen, evtl. auf­zu­rüs­ten und wie­der anzu­fah­ren wäre teu­rer gewor­den als die Rest­ren­di­te, die durch den dort noch pro­du­zier­ten Strom zu gewin­nen gewe­sen wäre? Oder geht’s da auch um Gesichts­wah­rung? Und was macht der Garan­tie­ak­ti­en­kurs jetzt? Dar­über hin­aus steckt da auch die Fra­ge dahin­ter, wie eigent­lich die Ent­schä­di­gung der Atom­kon­zer­ne dafür aus­sieht, dass sie beim „Mer­kel-Mora­to­ri­um“ mitmachen. 

Psy­cho­lo­gisch inter­es­sant wäre es schließ­lich, einen Ein­blick in das Den­ken von Mer­kel und Map­pus zu erhal­ten. Steckt hin­ter dem Wahl­kampf­ma­nö­ver viel­leicht doch so etwas wie die plötz­li­che Erkennt­nis, dass an den Hor­ror­sze­na­rie­ren der Anti-AKW-Bewe­gung trotz aller gegen­tei­li­gen Exper­ten-Beschwö­run­gen etwas Wah­res dran sein könn­te? Eine Ver­un­si­che­rung? Und las­sen sich ande­re star­re und fak­ten­re­sis­ten­te Welt­bil­der der Poli­ti­ke­rIn­nen von Uni­on und FDP auf eine harm­lo­se­re Wei­se erschüt­tern als durch eine kata­stro­pha­le Tra­gö­die in Japan? Viel­leicht mit einer Denk­pau­se in der Opposition?

War­um blog­ge ich das? Weil sich auch hier die Ereig­nis­se über­schla­gen – glück­li­cher­wei­se in weit­aus weni­ger gefähr­li­chen Art und Wei­se als in Fuku­shi­ma gerade.

Jahresendzeitspolitik

New yearGegen Ende des Jah­res drängt sich alles zusam­men. Kein Wun­der also, dass sich auch poli­tisch die Ereig­nis­se in die­ser noch nicht abge­lau­fe­nen Woche vor dem vier­ten Advent zusam­men­ge­drängt haben – wer sei­nen poli­ti­schen Jah­res­rück­blick für 2010 schon geschrie­ben hat, hat jetzt ein Pro­blem. Wiki­leaks-Grün­der Assan­ge kam hin­ter Git­ter, soll­te aus­ge­lie­fert wer­den, dann doch nicht, dann gegen Kau­ti­on wie­der frei. Über­haupt: Wiki­leaks. Mal sehen, was das noch wird.

Und: BaWü-Minis­ter­prä­si­dent hat mal eben für ein paar Mil­li­ar­den und ohne vor­he­ri­ge Ein­be­zie­hung des Par­la­ments den EnBW-Anteil der EDF zurückgekauft. 

Und: Es gab ein Schnee­cha­os (auch wenn in Frei­burg davon, ganz am Rand der roten Zone, kaum etwas zu spü­ren war).

Und: Der Jugend­schutz­me­di­en­staats­ver­trag* JMSTV wur­de in einem höchst unwahr­schein­li­chen Plot in Nord­rhein-West­fa­len doch noch gekippt. Das Mus­ter „Regie­rung dafür, Oppo­si­ti­on manch­mal dage­gen“ wur­de im Land mit der Min­der­heits­re­gie­rung gebro­chen. Rela­tiv durch­sich­ti­ge par­tei­tak­ti­sche Spie­le der CDU und der FDP – bei­de hat­ten, als sie noch in der Lan­des­re­gie­rung waren, den Ver­trag ja mit­aus­ge­han­delt, und Rütt­gers hat­te ihn noch nach der Wahl unter­zeich­net – führ­ten dazu, dass die­se ihre Ableh­nung ver­kün­de­ten. So staats­tra­gend, dann doch – gegen eine Koali­ti­on aus CDU, FDP und LINKE – dem Ver­trag zuzu­stim­men, woll­te die SPD auch nicht sein, und hat, als gespal­te­ne Par­tei, die Kar­ten an die Grü­nen wei­ter­ge­ge­ben. Die sich auch in der Frak­ti­on schließ­lich zur Ableh­nung ent­schie­den haben – und damit die Bahn geöff­net haben für die ein­stim­mi­ge Ableh­nung und eine Neu­ver­hand­lung eines hof­fent­lich sinn­vol­le­ren JMSTV.

Und noch was? Die Grü­nen im Saar­land ver­hin­der­ten heu­te das Inkraft­tre­ten der schwarz-gel­ben Hartz-IV-Refor­men. Gut dar­an, dass jetzt neu ver­han­delt wer­den muss, schlecht, dass die Minier­hö­hung für die Hartz-IV-Haus­hal­te erst­mals aus­bleibt. (Übri­gens: auf mei­ne Infor­ma­ti­ons­frei­heits­mail an das Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­ri­um mit der Bit­te, die Berech­nun­gen her­aus­zu­rü­cken, habe ich bis heu­te kei­ne Ant­wort. Wäre viel­leicht mal was für Leu­te, die für inves­ti­ga­ti­ve Recher­chen bezahlt wer­den, dem hinterherzugehen). 

Und: Bei der Gele­gen­heit war dann auch zu erfah­ren, dass Minis­ter­prä­si­dent Mül­ler aus dem Saar­land im nächs­ten Jahr an das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt wech­seln wird. Noch einer der Mer­kel-Minis­ter­prä­si­den­ten, der geht. Ob das ähn­li­che Fol­gen für die Koali­ti­on haben wird wie in Ham­burg? Wenn, dann wäre es gut, das gleich zu sagen, lie­be Saargrüne.

Und: Gut­ten­berg an der Front. Ach so, die his­to­ri­sche Abschaf­fung der Wehr­pflicht, die gab’s auch noch, in die­sen Tagen. 

Und: die wich­ti­gen Din­ge, die es ange­sichts von Schnee­trei­ben und mehr oder weni­ger gro­ßen Poli­tik­skan­da­len kaum in den Medi­en­fo­kus schaf­fen. Ein Bei­spiel dafür die fast nicht vor­han­de­ne Bericht­erstat­tung zum Cas­tor-Trans­port nach Lub­min ges­tern, der trotz Win­ter­wet­ter in Meck­len­burg-Vor­pom­mern lan­ge, lan­ge auf­ge­hal­ten wur­de. Aus­nah­me: der taz-Ticker und die dar­aus resul­tie­ren­de Bericht­erstat­tung der taz.

* oder doch Jugendmedienschutzstaatsvertrag?

War­um blog­ge ich das? Um das Blog mal wie­der inhalt­lich zu fül­len. Auch wenn’s ein biß­chen eng wird, bei all dem, was da gera­de geschieht. 2010 – das Jahr, in dem Poli­tik für drei Jah­re sich ereignete?