Meistens sind auf meinen Eichhörnchenfotos nur irgendwelche seltsam verwaschenen Streifen zu sehen. Diesmal hielt das Hörnchen still, jedenfalls lange genug, um ein Foto zu machen. Nestbau, scheint mir.
Adieu, Wildnis vor der Haustür
Zwischen unserem Haus (also dem Haus, das meine Eltern 1990 gekauft haben, und in dem wir jetzt wieder wohnen, und das in einer Stichstraßen neben vielen identischen Reihenhäusern liegt) und dem Gundelfinger Schulzentrum liegt ein Privatgrundstück, das nicht bebaut ist.
Auf Fotos aus den 1990er Jahren ist das Grundstück eine Wiese, auf der ein paar Bäume stehen. Da sah das ungefähr so aus.
Das war, wie gesagt, 1990 – also jetzt etwa ein Dritteljahrhundert her. Wobei es das Wort Dritteljahrhundert vielleicht gar nicht gibt, passt hier aber gut. Eine Generation. Jedenfalls: beim Einzug lag eine Wiese vor dem Haus, ein paar wenige Bäume, das damals noch etwas kleinere Schulzentrum war zu sehen, und ebenso die Bahnlinie.
Im Lauf der Zeit sind aus den damaligen kleinen Bäumen große Bäume geworden. Weitere sind dazu gekommen. Und: Gestrüpp, Brombeerhecken, Schilf (warum auch immer), all sowas. Das Grundstück ist nach und nach zugewuchert.
Leider finde ich jetzt kein Foto, das diesen Zustand der Wildnis zeigt, fast schon ein kleiner Wald. Das liegt daran, dass auf allen Fotos spielende Kinder zu sehen sind. Denn ein kleiner Wald vor der Haustür eignet sich natürlich hervorragend, um sich zu verstecken – das fanden immer wieder auch Teenager von den Schulen gegenüber -, um Piratenschiffe und Baumhäuser zu imaginieren und so weiter.
Und neben Kindern und Katzen waren da beim Blick aus dem Küchenfenster auch Eichhörnchen und Elstern zu sehen. Einen Igel habe ich da schon getroffen, und natürlich die üblichen Stadtvögel – Meisen, Amseln, Krähen.
Das Grundstück blieb ein Privatgrundstück, das irgendwem gehörte. Warum es nicht bebaut wurde, weiß ich nicht. So lag es über Jahrzehnte brach. Ab und zu wurde der Randstreifen von der Gemeinde gemäht. Vor ein paar Jahren gab es eine Baustelle, ein Teil des Grundstücks wurde genutzt, um Baumaterial zu lagern. Im Großen und Ganzen blieb aber alles so, und wucherte weiter.
Ein kleiner Trampelpfad führte durch das Wäldchen. Wild ausgesät hatten sich nicht nur Haselnüsse, sondern auch Mirabellen, Pflaumen, Birnen, und – ich sagte es schon – Brombeeren. Alles gut gedüngt durch Grünschnitt der Anwohner*innen. Aus einem ausgesetzten Weihnachtsbaum (nicht von uns) wurde eine stattliche Tanne. Und Sicht- und Lärmschutz zur Schule, zur Bahnlinie, zur Straße bot dieses Grundstück auch.
Letzte Woche dann eine kleine Notiz in den Gundelfinger Nachrichten – das Landratsamt wird Bäume fällen, um Container für die Schulsanierung aufzustellen.
Ich hatte damit gerechnet, dass das ähnlich sein wird wie vor ein paar Jahren, beim Baum eines der vielen Anbauten für das Schulzentrum. Damals – auf dem Google-Satellitenfoto gut zu sehen – wurde etwa ein Drittel dafür genutzt. Aber nein: erst wurde gemäht, dann fuhr ein Roboterschaf durchs Unterholz, und gestern früh Motorsägengeräusche. In nicht mal einem Tag wurden unzählige Bäume gefällt, manche davon mit 30, 40 oder mehr cm Durchmesser. Ein Traktor mit Greifarm, ein Mann mit Kettensäge – und aus dem wilden Grundstück wurde ein leere Fläche, am Rand ein riesiger Haufen Stämme und Äste. Ein einziger Nussbaum ganz in der Ecke des Grundstücks durfte stehenbleiben.
Ich verstehe, dass eine Sanierung Platz für Container braucht, und abstrakt betrachtet eignet sich die Fläche dafür sicherlich. Trotzdem bin ich traurig darüber, dass dieser über Jahrzehnte gewachsene kleine Wald jetzt Geschichte ist. Gundelfingen hat leider keine Baumschutzsatzung. Ob die in dem Fall etwas geholfen hätte, weiß ich nicht. Vielleicht wäre es bei einer anderen Planung möglich gewesen, einzelne Bäume zu erhalten. Containerklassen zwischen Bäumen statt Schachtelstapel. Aber: zu spät.
Die Schule ist ein Kreisgymnasium, insofern war das Landratsamt und nicht die Gemeinde zuständig. Formal haben wir mit dem Grundstück direkt vor unserer Haustür nichts zu tun. Trotzdem hätte ich mich gefreut, wenn wir Anwohner*innen vorab informiert worden wären, was da passiert, statt machtlos mit anzusehen, wie nach und nach Baum um Baum und Hecke um Hecke abgeholzt werden.