Smarte Parteien? Um welches Problem geht es eigentlich?

Convention tools

In den Reve­la­ti­on-Space-Büchern des Sci­ence-Fic­tion-Autors Alas­ta­ir Rey­nolds tau­chen am Ran­de die „Demar­chists“ auf – eine Grup­pe von Men­schen, die das Ide­al direk­ter Demo­kra­tie ver­wirk­licht haben: Ein Implan­tat im Kopf legt jedem und jeder stän­dig Ent­schei­dun­gen zur Abstim­mung vor. Demo­gra­phie und Demo­kra­tie gehen inein­an­der über, der Wil­le des Vol­kes ist die stän­dig aktua­li­sier­te Sum­me des Wil­lens der Ein­zel­nen. Deli­be­ra­ti­on fin­det dage­gen, soweit das die­ser Fik­ti­on zu ent­neh­men ist, eher nicht statt. Aber, einem Sci­ence-Fic­tion-Buch ist das ange­mes­sen, eigent­lich erfah­ren wir auch nur etwas über das „Tool“ und wenig dar­über, wie die Prak­ti­ken, Pro­zes­se und Ver­fah­ren aus­se­hen, die die­se auf die Spit­ze getrie­be­ne Form direk­ter Demo­kra­tie so mit sich bringt.

Viel­leicht ist es die­ser Fokus auf die „Tools“, der mich bei eini­gen aktu­el­len Debat­ten an die­se Bücher den­ken ließ. Auch nach dem weit­ge­hen­den Schei­tern der – soweit das aus Außen­per­spek­ti­ve fest­zu­stel­len ist – sehr stark „tool“-zentrierten Liquid-Demo­cra­cy-Debat­ten der Pira­ten­par­tei bleibt der Ruf nach der „Smart Par­ty“ (Scho­ber et al. 2015) viru­lent. Fast drängt sich der Ein­druck auf, dass ver­zwei­felt am Glau­ben dar­an fest­ge­hal­ten wird, dass die­ser Netz­werk­tech­nik doch ein demo­kra­ti­sches Heils­ver­spre­chen zu ent­lo­cken sein muss. Jeden­falls wird nach wie vor dar­über gespro­chen, dass Par­tei­en bes­ser, schö­ner, effi­zi­en­ter und betei­li­gungs­ori­en­tier­ter wer­den könn­ten, wenn sie denn nur die rich­ti­ge Tech­nik ein­setz­ten. Bis­her haben die­se Ansät­ze den Rea­li­täts­test nicht bestan­den. Das liegt – behaup­te ich – nicht am feh­len­den Wil­len der Par­tei­en, son­dern schlicht dar­an, dass die glit­zern­den „Tools“ und die zu lösen­den Pro­ble­me nicht zuein­an­der passen.
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Blended Participation: Grüner Mitgliederentscheid gestartet

Wäh­rend es bei der SPD „Das Wir ent­schei­det“ heißt, lau­tet das Leit­mo­tiv des am 2. Mai 2013 gestar­te­ten Mit­glie­der­ent­scheids von Bünd­nis 90/Die Grü­nen „Hier bist Du ent­schei­dend!“. Nach der Urwahl ihrer Spit­zen­kan­di­da­tIn­nen set­zen die Grü­nen damit zum zwei­ten Mal einen Betei­li­gungs­ak­zent im Vor­feld der Bun­des­tags­wahl 2013. 

In Anleh­nung an „blen­ded lear­ning“, also die Mischung von Online- und Off­line-Antei­len in Kur­sen und Semi­na­ren, kann dabei von „blen­ded par­ti­ci­pa­ti­on“ gespro­chen wer­den. Statt wie beim „Vir­tu­el­len Par­tei­tag“ allei­ne auf „online“ zu set­zen, inte­griert der Mit­glie­der­ent­scheid „klas­si­sche“ For­men der par­tei­in­ter­nen Mei­nungs­bil­dung mit Online-Aspek­ten. In den ein­zel­nen Pha­sen gibt es dabei unter­schied­li­che Akzentuierungen.

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In eigener Sache: E‑Demokratie-Panel

Ich hat­te ja berich­tet, dass ich beim Kon­gress „Netz für alle“ von Rosa-Luxem­burg-Stif­tung und LINKE auf einem Panel zu „E‑Democracy: Betei­li­gung für alle oder Spiel­zeug für neue Eli­ten?“ war. Inzwi­schen wur­de das Video des Panels ver­öf­fent­licht. Wer also wis­sen will, wor­über sich Tere­sa Bücker, Hali­na Waw­zy­ni­ak und ich unter der Mode­ra­ti­on von Wen­ke Chris­toph – Ste­phan Urbach war lei­der krank­heits­be­dingt nicht dabei – unter­hal­ten haben, kann das jetzt anschauen.

Der langsame Pendelschlag des Zeitgeists

Was haben digi­ta­le Demo­kra­tie, fahr­schein­lo­ser Nah­ver­kehr, das bedin­gungs­lo­se Grund­ein­kom­men und Umsonst­lä­den gemein­sam? All das sind Ideen, die schon ein­mal popu­lär waren. Und die­se vier sozia­len Erfin­dun­gen, um einen Begriff von Robert Jungk zu gebrau­chen, sind sicher­lich nicht die ein­zi­gen radi­ka­len For­de­run­gen, die in den letz­ten Jah­ren wie­der­ent­deckt oder neu erfun­den wer­den. Und zwar nicht im Span­nungs­feld von Far­ce und Tragödie.

Vor eini­ger Zeit habe ich die Pira­ten­par­tei – als Bewe­gung ver­stan­den – mit den dama­li­gen neu­en sozia­len Bewe­gun­gen der 1970er Jah­re ver­gli­chen und eine gan­ze Rei­he – ober­fläch­li­cher? – Ähn­lich­kei­ten gefun­den. Die Wie­der­gän­ger der radi­ka­len Ideen, aber auch der Cha­rak­ter der Pira­ten als einer gesell­schaft­li­chen Par­ti­zi­pa­ti­ons­be­we­gung wirft für mich die Fra­ge auf, was hin­ter die­sem peri­odi­schen Wie­der­auf­le­ben steckt, für das sich ver­mut­lich noch vie­le wei­te­re Bei­spie­le fin­den las­sen wür­den. Sei es Occu­py und die sozia­le Revol­te der 1960er, viel­leicht auch der Natur­schutz- und Öko­ge­dan­ke, der eben­falls in Wel­len­be­we­gun­gen immer wie­der auftaucht. 

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Kurz: Atomvertragspetition

Netbook, mit Ökostrom gefüttert

Die Peti­ti­on 13587 befin­det sich noch bis heu­te abend in der Pha­se der Mit­zeich­nungs­su­che. Bei die­ser Peti­ti­on geht es darum,

… dafür Sor­ge zu tra­gen, dass die mit den Strom­ver­sor­gern abge­schlos­se­nen Ver­trä­ge zur Abschal­tung der Atom­kraft­wer­ke bis zum Jahr 2023 ein­ge­hal­ten werden 

Initi­iert wur­de sie wohl von einem ehe­ma­li­gen CDU-Bür­ger­meis­ter. Und bis­her von etwa 30.500 Men­schen unter­zeich­net – 50.000 sind für eine öffent­li­che Anhö­rung not­wen­dig. Ich habe das gera­de auch gemacht, obwohl ich den Sinn der Peti­ti­on nur halb sehe und eine gan­ze Wei­le gezö­gert habe. Denn ers­tens erschei­nen mir öffent­li­che Pro­tes­te auf der Stra­ße und im Netz beim The­ma Atom wir­kungs­vol­ler als das doch recht zahn­lo­se Instru­ment der Peti­ti­on – und zwei­tens fin­de ich die For­mu­lie­rung ein wenig zu sanft. Denn klar: der Atom­ver­trag soll ein­ge­hal­ten wer­den, min­des­tens! Aber ein schnel­ler Aus­stieg wäre immer noch bes­ser. Und der ist mit die­ser Peti­ti­on ja auch nicht gegeben/gefordert.

Wie dem auch sei – es wäre gut, wenn noch ein paar tau­sen­de mehr mit­zeich­nen, und die Gren­ze von 50.000 erreicht wird. Aber selbst wenn nicht: im Ver­gleich zu vie­len ande­ren Peti­tio­nen sind 30.000 auch schon recht beachtlich.

Nach­trag: die 50.000 wur­den wohl deut­lich über­schrit­ten – mit der rich­ti­gen Mobi­li­sie­rung kön­nen also inner­halb von 24 Stun­den durch­aus 20.000 Unter­zeich­ne­rIn­nen für eine Peti­ti­on gefun­den wer­den. Und bis auf klei­ne­re Aus­fall­zei­ten hat der Bun­des­tags­ser­ver dem sogar standgehalten.