Kurz: Innerparteiliche Demokratie da und dort

Yellow handle

Auf Face­book bin ich über eine Notiz der FDP gestol­pert, dass es da – also in der FDP – einen ganz tol­len Demo­kra­ti­sie­rungs­schub gege­ben habe. Was wohl, mit Blick auf die Aus­gangs­ba­sis, auch nicht ganz falsch ist. Unter der Über­schrift „Mehr Mit­spra­che für Mit­glie­der“ wird erläu­tert, dass auch Mit­glie­der nun Antrags­rech­te bekom­men – 250 geprüf­te Unter­schrif­ten rei­chen aus, um einen Antrag ein­zu­brin­gen. So unter­schied­lich sind die Par­tei­tra­di­tio­nen – bei uns sind auf Lan­des­ebe­ne 10, auf Bun­des­ebe­ne 20 form­lo­se Unter­stüt­zungs­er­klä­run­gen von Mit­glie­dern not­wen­dig, um einen Antrag ein­zu­rei­chen. Das führt dann zum Teil zu einer Antrags­flut, gera­de auch, weil in Zei­ten von Mai­ling­lis­ten und Face­book Unter­stüt­zungs­er­klä­run­gen sehr schnell zusam­men kom­men. Mög­li­cher­wei­se wäre des­we­gen sogar eine leich­te Anhe­bung sinn­voll. Aber dass die Betei­li­gungs­hür­den in ähn­lich gro­ßen Par­tei­en so unter­schied­lich sind, und das grü­ne Basis­de­mo­kra­tie-Kon­zept immer noch so fort­schritt­lich ist – das war mir bis­her ent­gan­gen. (Auch Rede­recht haben bei der FDP nur Delegierte …)

Bei der FDP scheint es die­ser Notiz zu Fol­ge wohl auch so zu sein, dass Kan­di­da­tu­ren für Ämter eben­falls nicht ein­fach aus frei­em Wil­len erfol­gen kön­nen, son­dern wie­der­um mit Unter­stüt­zungs­un­ter­schrif­ten ver­bun­den sein müs­sen – auch hier 250 Stück. 

Der Fair­ness hal­ber sei noch dazu gesagt: Wenn bei der FDP nicht Mit­glie­der, son­dern Dele­gier­te einen Antrag ein­brin­gen, dann rei­chen 25 Delegierte. 

Und was ler­nen wir dar­aus? Ers­tens, dass grü­ne Basis­de­mo­kra­tie tat­säch­lich eine Beson­der­heit ist – die aber erst auf­fällt, wenn mal ande­re Par­tei­ver­fah­ren dage­gen gehal­ten wer­den. Und zwei­tens, dass es viel­leicht durch­aus über­le­gens­wert wäre, auch für Bewer­bun­gen ein Quo­rum ähn­lich wie bei Anträ­gen vor­zu­se­hen. Nicht als Abschre­ckungs­in­stru­ment, son­dern um z.B. Bewer­bun­gen von Per­so­nen zu ver­hin­dern, wie dies beim Euro­pa­vo­tum auf der LDK der Fall war, die gar nicht anwe­send sind, auch nicht vor­ha­ben, sich vor­zu­stel­len, aber mal – spa­ßes­hal­ber? – eine schrift­li­che Bewer­bung ein­ge­reicht haben. Ein KV oder 10 Mit­glie­der als Bewer­bungs­hür­de – war­um nicht?

Ein paar Notizen zum Delegiertenprinzip

Ein Kri­tik­punkt der Pira­ten­par­tei an ande­ren Par­tei­en ist das Dele­ga­ti­ons­prin­zip. Zum Teil kann ich die­se Kri­tik tei­len (etwa wenn ich mir mehr­stu­fi­ge Dele­ga­tio­nen in der SPD anschaue, wo auf Kreis­ebe­ne bereits Dele­gier­te ent­schei­den, und wo Länder/Bezirke die Dele­gier­ten für den Bun­des­par­tei­tag wäh­len). Letzt­lich aber schei­nen mir Dele­ga­tio­nen – unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen – einen guten Kom­pro­miss zwi­schen Betei­li­gung und Effi­zi­enz darzustellen.

Wie machen wir Grü­ne das? Vor­weg sei gesagt: unter­schied­lich, weil unse­re Lan­des- und Kreis­ver­bän­de einen hohen Grad an Auto­no­mie auf­wei­sen. Bei­spiels­wei­se gibt es Kreis­ver­bän­de, die ihre Dele­gier­ten auf ein oder zwei Jah­re wäh­len, das also als eine Art Par­tei­amt ver­ste­hen. Ande­re ent­schei­den für jeden Par­tei­tag neu. Oder auf Lan­des­ebe­ne: Da gibt es durch­aus grü­ne Lan­des­ver­bän­de, die neben oder statt der Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz eine Lan­des­mit­glie­der­ver­samm­lung kennen.

Ich kann mal kurz dar­stel­len, wie der Kreis­ver­band Breis­gau-Hoch­schwarz­wald, in dem ich Mit­glied bin, die Dele­ga­ti­on hand­habt. Aktu­ell hat der Kreis­ver­band (KV) drei Dele­gier­ten­plät­ze für die Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (BDK) und fünf Dele­gier­ten­plät­ze für die Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (LDK).

Die­se Zah­len hän­gen von der rela­ti­ven Grö­ße des KV ab, bezo­gen auf den 31.12. des Vor­jahrs. Jeder KV hat ein Grund­man­dat, der Rest wird – in Baden-Würt­tem­berg – nach Hare-Nie­mey­er ver­teilt. Ins­ge­samt sind das für die baden-würt­tem­ber­gi­sche LDK etwa 200 Delegierte.

Für bestimm­te Par­tei­ta­ge (Lis­ten­auf­stel­lun­gen) müs­sen Dele­gier­te zur Bun­des­tags­wahl wahl­be­rech­tigt sein. Sonst ist nur die Mit­glied­schaft in der Par­tei relevant.

In mei­nem KV wer­den die Dele­gier­ten für jeden Par­tei­tag neu gewählt. Das führt zu lus­ti­gen Zei­tungs­ar­ti­keln, weil die Pres­se das irgend­wie als News ansieht, ist aber prak­tisch, weil damit Dele­gier­te nach The­men und z.T. nach Posi­tio­nie­run­gen aus­ge­wählt wer­den kön­nen. Wenn es ent­spre­chend vie­le Kan­di­da­tu­ren gibt, doch dazu gleich noch.

Für die Wahl der Dele­gier­ten gel­ten neben den all­ge­mei­nen Grund­sät­zen demo­kra­ti­scher Wah­len zwei Prinzipien.

Ers­tens das grü­ne Frau­en­sta­tut, das eine Min­dest­quo­tie­rung vor­sieht. Fak­tisch bedeu­tet dies, dass min­des­tens die Hälf­te der Dele­gier­ten­plät­ze an Frau­en ver­ge­ben wer­den soll. Dazu wird der Wahl­gang in einen Frau­en­wahl­gang (z.B. 3/5 Plät­zen) und einen offe­nen Wahl­gang (2/5 Plät­zen) auf­ge­teilt. Es gibt Mit­glie­der, die die­se Pra­xis kri­ti­sie­ren, aber letzt­lich führt sie tat­säch­lich zu quo­tier­ten Delegationen. 

Das zwei­te Prin­zip ist der Min­der­hei­ten­schutz. Damit ist hier nicht der SSW gemeint, son­dern die Tat­sa­che, dass es, wenn mehr Per­so­nen kan­di­die­ren, als es Plät­ze gibt, eine Begren­zung der Stim­men auf zwei Drit­tel gibt. Bei drei Plät­zen, die zu wäh­len sind, hat jedes Mit­glied auf der Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung nur zwei Stimmen. 

Damit soll ver­hin­dert wer­den, dass ein Block, der auf der Mit­glie­der­ver­samm­lung eine (leich­te) Mehr­heit hat, sei­ne Kan­di­da­tIn­nen durch­zieht. Letzt­lich ein Relikt aus den Zei­ten der Flü­gel­kämp­fe, aber doch auch heu­te noch ein Garant für eine gewis­se Meinungsvielfalt.

Ein ande­res altes Prin­zip, das impe­ra­ti­ve Man­dat, gilt so nicht mehr. Impe­ra­ti­ves Man­dat wür­de bedeu­ten, dass alle Ent­schei­dun­gen der LDK oder BDK in der Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung abge­stimmt wer­den und Dele­gier­te an die­se Ent­schei­dun­gen gebun­den sind. 

Was viel­mehr – bei wich­ti­gen und kon­tro­ver­sen The­men – geschieht, ist eine Dis­kus­si­on die­ser The­men auf der Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung, viel­leicht auch ein Mei­nungs­bild. Kan­di­da­tIn­nen für die Dele­ga­ti­on soll­ten sich ent­spre­chend äußern, so dass vor der Wahl klar ist, wer für wel­che Posi­ti­on steht.

Gewählt wer­den Dele­gier­te und Ersatz­de­le­gier­te. Dabei ist gewählt, wer die meis­ten Stim­men erhält, z.T. mit einem 20%-Quorum verbunden.

Die gewähl­ten Dele­gier­ten wer­den ange­mel­det und bekom­men dann die Par­tei­tags­un­ter­la­gen zuge­schickt. Sie neh­men am Par­tei­tag – meist an einem Wochen­en­de – teil. Fahrt- und z.T. Hotel­kos­ten stre­cken sie vor, der KV erstat­tet die­se bei Bedarf. Zum Teil bucht auch der KV gleich die Hotelzimmer.

Nicht uner­wähnt blei­ben soll die Tat­sa­che, dass es in der Pra­xis häu­fi­ger vor­kommt, dass das Inter­es­se, dele­giert zu wer­den, begrenzt ist. Wenn nur drei Per­so­nen für drei Plät­ze kan­di­die­ren, wer­den die­se dann meist im Block gewählt.

Bei „wich­ti­ge­ren“ Par­tei­ta­gen kommt es dage­gen durch­aus zu „Kampf­kan­di­da­tu­ren“ – denen sich bspw. auch die loka­len Abge­ord­ne­ten stel­len müssen.

Par­tei­ta­ge sind übri­gens gene­rell öffent­lich. Auch Mit­glie­der, die nicht dele­giert sind, haben Rede­recht und kön­nen Anträ­ge mit­ein­brin­gen (nötig sind 20 Mit­glie­der, um einen Antrag auf eine BDK ein­zu­brin­gen, in Baden-Würt­tem­berg 10 Mit­glie­der, um einen Antrag auf eine LDK einzubringen).

So machen wir das, mit dem Delegieren. 

Sicher­lich ein Sys­tem, das sei­ne eige­nen Nach­tei­le mit sich bringt – aber doch funk­ti­ons­fä­hig und aus mei­ner Sicht ein guter Kom­pro­miss zwi­schen dem Wunsch, alle zu betei­li­gen, und Par­tei­ta­ge hand­hab­bar zu gestalten.

War­um blog­ge ich das? Als Bei­trag zur Debat­te über Dele­ga­tio­nen – und weil dich das Wort Dele­gier­te so schreibt.