Wie angekündigt, hier nun noch der Blick auf die Bücher, die ich im November und Dezember gelesen habe.
„Science Fiction und Fantasy im November und Dezember 2024, Teil II“ weiterlesen
Das Blog von Till Westermayer * 2002
Wie angekündigt, hier nun noch der Blick auf die Bücher, die ich im November und Dezember gelesen habe.
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Bisher überzeugen die ganzen Konzepte für kleine modulare Atomkraftwerke nicht so richtig. Ich habe jedenfalls nur Meldungen wahrgenommen, dass diese teurer werden, doch nicht gebaut werden, konzeptionell zwar überzeugen, aber …
Jetzt kommen neue Player ins Spiel. Nachdem Microsoft angekündigt hat, einen der Three-Miles-Island-Reaktoren wieder anzufahren, um den steigenden Strombedarf zu decken, gab es in den letzten Tagen Meldungen, dass Google und Amazon jeweils in Klein-AKW investieren wollen. Der Microsoft-Plan klang recht konkret, die Vorhaben der anderen beiden Tech-Konzerne wirkte noch etwas wolkiger. Ich würde nicht drauf wetten, dass diese AKW tatsächlich gebaut werden.
All das weißt allerdings auf etwas hin, das sich schon angedeutet hatte. Der AI-Hype hat ganz reale Folgen. Während OpenAI und Co. noch um tragfähige Geschäftsmodelle ringen, wagt kaum jemand, kein Large-Language-Model einzusetzen, keine kleinen GPTs irgendwo einzubauen. Google, Windows, Adobe, der Acrobat-Reader, WordPress, Chatfenster und so weiter … Obwohl die Textverarbeitung eindrucksvoll ist, und der künstliche Schimmer KI-generierter Bilderwelten sich wohl genauso in den Zeitgeist der 2020er Jahre einbrennen wird wie die Tatsache, dass Suchergebnisse und Websites mehr und mehr unglaubwürdige, „halluzinierte“ Fakes darstellen – ich bin immer noch nicht überzeugt davon, dass die schöne neue Welt stochastischer Intelligenzen nachhaltig ist. Nicht im Sinne von „dauerhaft stabil“, und erst recht nicht mit Blick auf die ökologischen Folgen. Blockchain lässt grüßen.
Mit Blick auf den Klimawandel können wir uns das Ausrollen einer weiteren energiehungrigen Technologie nicht leisten. Bisher bekommen wir als Endverbraucher:innen von der Energieseite des Ganzen wenig mit – das betrifft ja OpenAI, Google, Meta usw. Das ändert sich zum einen dann, wenn die Kosten dafür in zukünftige AI-Geschäftsmodelle eingepreist werden (nach der Anfix-Phase), und dürfte zum anderen da spürbar werden, wo neue Hardware gefordert ist. Win 11 mit Co-Pilot, die neusten mobilen Flaggschiffe – all die wollen Rechenleistung, um auch lokal AI-Rätsel lösen zu können. Den Preis zahlen wir.
Im Rückblick ist 2023 definitiv kein besonders gelungenes Jahr, „meh“ trifft es ganz gut.
Also, privat war soweit alles ok, ich habe mich nach mehr als einem Jahrzehnt Arbeit in der Fraktion endlich mal drum gekümmert, eine Wohnung in der Nähe von Stuttgart – in Esslingen – zu finden (und bin jetzt auch mit dem ganzen Umziehen, Entrümpeln, Streichen, Wohnungsübergeben fertig). Gleichzeitig bringe ich mich intensiver in die Ortspolitik hier in Gundelfingen ein. Die Kinder gedeihen und werden groß, den Katzen geht’s gut. Das Science-Fiction-Jahr war interessant und unterhaltsam. Corona (nach drei Jahren ohne) hätte mich jetzt nicht erwischen müssen.
Je weiter rausgezoomt wird, desto nerviger erscheint mir 2023. Bürgerentscheid zur Straßenbahn verloren. Meine Partei wird im Land und Bund von allen Seiten angefeindet. Die Ampel-Regierung schlittert mehr so dahin, überzeugt jedenfalls nicht. Die AfD glaubt, sie sei die Wiedergeburt einer nationalen Volkspartei, die Bauern und Bäuerinnen greifen zu Protestformen aus den 1920er Jahren (und imaginieren sich in den Bauernkrieg zurück). Die Bundes-CDU zerschmettert mal eben die Grundlage für Investitionen und will von einer Reform der Schuldenbremse nichts wissen. Und die Landes-CDU wäre eigentlich lieber kraftvolle Opposition statt Regierungspartner (naja, noch lieber würde sie den Ministerpräsidenten stellen …). Alles eher Gegenwind, alles nichts, was Freude bereitet. Und von der Ukraine oder Israel, von der Diktatur in Russland oder der gefährdeten Demokratie in den USA oder von den diesjährigen Klimaextremen rede ich erst gar nicht.
Über diese allgemein schwierige Lage lassen sich dann leicht die Pflanzen der Hoffnung übersehen, die kräftig wachsen. Der Atomausstieg hat nicht zum Kohlerevival geführt, sondern den Weg für Windstrom freigemacht. Die Ausbauziele bei Photovoltaik werden 2023 übererfüllt. Da bewegt sich viel, im Moment wirkt es jedenfalls so, als wäre allein aufgrund der Wirtschaftlichkeit die Weiche gestellt für eine rapide grüner werdende Energie aus erneuerbaren Quellen und mit Batteriespeichern. Und auch das Deutschlandticket ist ein richtig großer Reformschritt (über die Bahn und deren Infrastruktur reden wir jetzt lieber nicht). Oder, international betrachtet: der Sieg der demokratischen Kräfte in Polen – auch das gibt Hoffnung.
Wir haben 2023 gelernt, dass Musk ein fieser Typ ist, dass die Haltung zu Israel und Palästina zwischen der internationalen und der deutschen Linken (inkl. Klimabewegung) sehr unterschiedlich ist, dass Merz zurück in die 1990er, 1980er oder 1950er möchte und dass lineares Fernsehen weitgehend tot ist. Cory Doctorow hat den Begriff „enshitification“ geprägt, um zu erklären, warum Internetplattformen dazu neigen, nach einiger Zeit unbenutzbar zu werden. Wie wir mit sozialen Medien umgehen wollen, wissen wir auch 2023 noch nicht wirklich. Mastodon hat sich als nette, ruhige Ecke und technische Grundlageninfrastruktur entpuppt, die aber genau deswegen nicht hype-tauglich ist. Ach ja: und 2023 war das Jahr, in der die diskursive Leittechnologie „KI“ hieß. Einerseits, weil ChatGPT & Co. tatsächlich eindrucksvoll gezeigt haben, dass sie plausibel wirkende Texte und Bilder generieren können (als ob …), andererseits, weil überall, wo letztes Jahr „Blockchain“ drangeschrieben wurde, jetzt „KI“ dransteht. Und damit ist dann nicht immer ein LLM oder ähnliches gemeint, sondern manchmal ein ganz schlichter Algorithmus.
Prognose für 2024: der KI-Hype wird abflauen, weil das mit dem Geldverdienen nicht so richtig klappt. Vorher aber wird er weiter dazu beitragen, Suchergebnisse unbrauchbar zu machen und die Welt mit den typischen superpositiven Fünfsatzabsätzen zu überfluten. Auch 2024 wird nicht das Jahr, in dem Virtuelle Realität oder autonom fahrende Autos ihren Durchbruch feiern werden (siehe auch: Musk als fieser Typ, siehe auch: schummeln). Die Kommunal- und Europawahl im Juni 2024 wird nicht großartig, aber ok. Die Ampel wird trotz FDP-Mitgliederbefragung weitermachen. Die Landtagswahlen im Osten werden katastrophal ausgehen, wenn nicht vorher noch was passiert. Eine Prognose dazu, wie es in den USA weitergeht, wage ich nicht. Und Viren, der Klimawandel und ähnliche Dinge machen das, was sie auch in den letzten Jahren getan haben: sie folgen Naturgesetzen und nicht diskursiven Hochs und Tiefs. Was leider keine gute Nachricht ist.
Sina Trinkwalder spricht von den Geburtswehen eines neuen Zeitalters. Hoffen wir, dass das eine zutreffende Beschreibung unserer Zeit ist.
Das ehemalige Twitter („Ex-Twitter“, oder kurz „X“) macht weiter Sorgen. Derzeit kursiert die Ankündigung Musks, die Block-Funktion abzuschaffen. Bisher ist es für jeden Account möglich, andere Accounts zu blockieren – d.h., diese können, zumindest, solange sie eingeloggt sind, die eigenen Inhalte nicht sehen, und, wichtiger noch, diese nicht kommentieren. Das mag umständlich klingen, ist in der Praxis aber wichtig, weil es furchtbar anstrengend und unproduktiv ist, von jedem und jeder zur Kommunikation quasi gezwungen werden zu können. Um die eigene Timeline zu „kuratieren“, oder, schöner gesagt: für ein angenehmes Diskussionsklima zu sorgen, ist es nicht nur wichtig, welchen anderen Accounts und Personen man folgt, sondern eben auch, wen man rauswirft.
Genau dieses „Blocken“ soll es, wenn Musk umsetzt, was er ankündigt, in Zukunft nicht mehr geben. Ein weiterer Grund, sich von Twitter zu verabschieden. Zumindest alles persönlichere läuft bei mir eh längst auf Mastodon – das Ex-Twitter nutzte ich noch für politische Debatten, weil die leider weiter eher dort stattfinden.
In dem Zusammenhang noch ein Wort zur Verwunderung über den Drang, zu „Bluesky“ zu wechseln. Ich kann das einerseits „kulturell“ verstehen – alles wie Twitter 2018, nicht so unangenehm technisch wie Mastodon, die Hürden sind kleiner, und die Invite-Only-Politik sorgt dafür, dass interessante Menschen dorthin wollen. Andererseits ist der Bluesky-Gründer jetzt nicht unbedingt ein Garant für freundliches Zusammensein, trotz angeblich dezentralisierbarer Architektur bleibt das Problem, dass die Plattform in einer Hand bleibt und jederzeit enden oder sich verändern kann – und letztlich will irgendwer mit Bluesky Geld verdienen. Da will ich nicht hin. Und wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke, in denen ich ohne Instagram-Account ausgekommen bin – auch das wird sich nicht ändern – und nie bei „Clubhouse“ war, sehe ich auch keine Notwendigkeit, mich um einen Bluesky-Account zu kümmern. Das gleiche gilt noch viel mehr für Post und wie die anderen Twitter-Klone alle heißen. There is no need to be hip.
Möglicherweise endet die Zeit unitärer Kommunikationsplattformen. Muss auch nicht unbedingt etwas schlechtes sein. Wie überhaupt, glaube ich, eine Internet-Ära gerade zu Ende geht, weil die Transaktionskosten, um Websites und Plattformen „kommerziell“ mit Inhalten zu füllen, gerade ins Negative sinken, ChatGPT etc. sei Dank. Soll heißen: das Netz wird zunehmend zu einer Müllhalde aus maschinell produzierten und gerne inhaltlich falschen Texten, die eigentlichen Informationen verbergen sich gut und Suchmaschinen verlieren massiv an Nutzwert. Das ist anders als 2020.
Das Jahr 2022 lässt mich unzufrieden zurück. Nicht so sehr auf das Privatleben bezogen – Kinder und Katzen gedeihen, im Garten wuchs es im Sommer, ich habe weiterhin eine spannende Arbeit in der grünen Landtagsfraktion – sondern im Großen und Ganzen. Und dieses Gefühl der Unzufriedenheit zieht sich auch durch mein Blog.
Natürlich gibt es offensichtliche Gründe dafür. Der 24. Februar mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist der sichtbarste dieser Gründe. Wir erleben Weltgeschichte, die Zeitenwende ist immer präsent. Dieser Krieg führt zu vielfach multipliziertem Leid in der Ukraine. Daneben wirkt vernachlässigbar, dass er auch bedeutet, dass lange gehegte Überzeugungen über den Haufen geworfen werden müssen. Und ja: das müssen sie. Schön ist das trotzdem nicht.
„Meine generelle Unzufriedenheit mit dem Jahr 2022“ weiterlesen