Hamburger Wahlrecht

People waiting II

Span­nend an der Wahl in Ham­burg fin­de ich ja das Wahl­recht. Das ist ziem­lich demo­kra­tisch (inso­fern dar­un­ter ver­stan­den wird, dass der Ein­fluss der Wäh­le­rIn­nen auf die par­tei­li­che wie per­sön­li­che Zusam­men­stel­lung des Par­la­ments sehr groß ist), aber auch ein biss­chen unüber­sicht­lich, weil es sehr vie­le Schalt­he­bel gibt. Eine aus­führ­li­che Dar­stel­lung gibt es z.B. bei wahlrecht.de.

Wenn ich es rich­tig ver­ste­he, dann gibt es – erst­mal ver­ein­facht – eine Lan­des­stim­me und eine Wahl­kreis­stim­me. Die Lan­des­stim­me legt (abge­se­hen von Über­hang- und Aus­gleichs­man­da­ten) fest, wel­che Par­tei­en in wel­chem Ver­hält­nis in die Bür­ger­schaft kom­men. Des­we­gen konn­te Sonn­tag Nacht auch nach dem vor­läu­fi­gen Aus­zäh­len der Lan­des­stim­men ein „Teil­ergeb­nis“ mit Frak­ti­ons­stär­ken ver­kün­dert wer­den. Die Wahl­kreis­stim­me legt fest, wel­che Per­son im Wahl­kreis gewählt wird. Es gibt 71 Sit­ze, die in Wahl­krei­sen ver­ge­ben wer­den, und wei­te­re im Regel­fall 40 Sit­ze im Par­la­ment, die ander­wei­tig ver­ge­ben wer­den. Wich­tig für die Zusam­men­set­zung der Bür­ger­schaft ist aber erst­mal die Lan­des­stim­me (was scha­de ist, weil die GAL bei der Wahl­kreis­stim­me deut­lich bes­ser abschneidet …).

Kom­pli­zier­ter wird das gan­ze dadurch, dass es nicht eine Lan­des- und eine Wahl­kreis­stim­me gibt, son­dern jeweils fünf, die wohl auch noch kumu­liert und pana­schiert wer­den kön­nen. Im Wahl­kreis leuch­tet mir das auch unmit­tel­bar ein, weil es Mehr­per­so­nen­wahl­krei­se sind (in denen 3 bis 5 Per­so­nen gewählt wer­den) – von den 14 GAL-Man­da­ten wur­den wohl 12 direkt in Wahl­krei­sen errun­gen, wobei die GAL jeweils auf Platz 3 oder 4 in den Wahl­krei­sen liegt. 

War­um es fünf Lan­des­stim­men gibt, und war­um die­se auch noch auf ver­schie­de­ne Lis­ten ver­teilt wer­den kön­nen, ist mir noch nicht so ganz klar. Letzt­lich geht es hier wohl dar­um, die Rei­hung auf der Lan­des­lis­te zu beein­flus­sen. Mög­lich ist es aber auch, meh­re­re Par­tei­en in unter­schied­li­chen Antei­len zu wäh­len – eine Opti­on, von der wohl vor allem Wäh­le­rIn­nen der GAL Gebrauch gemacht haben.

Der aktu­el­le Aus­zäh­lungs­stand und die Lis­te der über die Wahl­krei­se gewähl­ten Per­so­nen ist übri­gens hier zu fin­den. Heu­te nach­mit­tag soll das End­ergeb­nis fest­ste­hen – zu den vor­läu­fi­gen Frak­ti­ons­stär­ken kom­men dann gege­be­nen­falls noch Über­hangs- und Aus­gleichs­man­da­te. Aus Ham­bur­ger Krei­sen ;-) heißt es aber, dass es unwahr­schein­lich sei, dass es dazu kommt.

Im Ver­gleich zum baden-würt­tem­ber­gi­schen Wahl­recht, bei dem eine ein­zi­ge Stim­me abge­ge­ben wird (die sowohl dar­über ent­schei­det, wel­che Par­tei wie vie­le Sit­ze erhält, als auch per­so­nen­ge­bun­den über die Direkt­man­da­te in den Wahl­krei­sen) ist das Ham­bur­ger Wahl­recht kom­pli­zier­ter, bie­tet aber auch deut­lich mehr Mög­lich­kei­ten für die Wäh­le­rIn­nen zur Ein­fluss­nah­me. Auch die GAL-Frak­ti­on wird nur in Tei­len der von der Par­tei auf­ge­stell­ten Lis­te ent­spre­chen (ins­be­son­de­re der „Platz-31-Effekt“ – neue Sei­te, vie­le Stim­men – ist inter­es­sant). Trotz­dem hat­te die GAL die Mög­lich­keit, den Wäh­le­rIn­nen die prä­fe­rier­te Lis­te zu prä­sen­tie­ren. Das ist in Baden-Würt­tem­berg bekannt­lich anders: hier sind es die rela­ti­ven Stär­ken der Par­tei­en in den ein­zel­nen Wahl­krei­sen, die letzt­lich dar­über ent­schei­den, wel­che Per­so­nen in den Land­tag ein­zie­hen, ohne dass – über die eher sym­bo­li­sche Benen­nung von Spit­zen­kan­di­da­tIn­nen hin­weg­ge­se­hen – kaum ein Ein­fluss der Lan­des­par­tei auf die poten­zi­el­le Frak­ti­ons­zu­sam­men­set­zung besteht. 

In Ham­burg (neu) wie in Baden-Würt­tem­berg (klas­sisch) ist eine star­ke Per­so­na­li­sie­rung des Wahl­kampfs mög­lich. Die­se tauch­te im Wahl­kampf in Ham­burg aller­dings kaum auf – mög­li­cher­wei­se auch des­we­gen, weil es zumin­dest bei CDU, SPD und LINKEN „Fair­ness­ab­kom­men“ gab, die es den Kan­di­da­tIn­nen auf den hin­te­ren Plät­zen qua­si ver­bo­ten haben, Wer­bung in eige­ner Sache zu machen. 

Bleibt letzt­lich die Fra­ge, was bes­ser ist – ein per­so­na­li­sier­tes Wahl­recht mit einer Kopp­lung aus Par­tei­vor­schlä­gen und star­ken Ein­fluss­mög­lich­kei­ten der Wäh­le­rIn­nen (Ham­burg), ein per­so­na­li­sier­tes Wahl­recht alter Form (Baden-Würt­tem­berg) – oder das klas­si­sche Lis­ten­wahl­recht mit einem deut­lich gerin­ge­ren Anteil an Per­so­na­li­sie­rung über Wahl­kreis­man­da­te, wie es bei­spiels­wei­se in NRW oder bei der Bun­des­tags­wahl zur Anwen­dung kommt. Ich fin­de es jeden­falls span­nend, dass es – durch Volks­ent­schei­de durch­ge­setzt – in eini­gen Bun­des­län­dern Expe­ri­men­te mit inno­va­ti­ve­ren Wahl­rechts­for­men gibt. Einen Ide­al­ty­pus, der einen hohen demo­kra­ti­schen Ein­fluss, eine rela­tiv simp­le Stimm­ab­ga­be ohne die Gefahr vie­ler ungül­ti­ger Stim­men und eine gewis­se Mög­lich­keit von Par­tei­en, ihre Prä­fe­ren­zen zumin­dest zu ver­mit­teln, zusam­men­bringt, sehe ich aller­dings noch nicht.

War­um blog­ge ich das? Was bleibt einem bei einem SPD-Abso­lut­sieg auch übrig …? Und falls mich jemand bei der Dar­stel­lung des Ham­bur­ger Wahl­rechts kor­ri­gie­ren möch­te: gerne.

Demokratische Kultur und bürgerliche Negativkampagnen

Ohne jetzt noch­mal wirk­lich über­all nach­ge­le­sen zu haben – die Medi­en­be­rich­te zu gelb statt grün (FDP), die-dagegen-partei.de (CDU) und „niveau­los“ (CSU) sind, so mein Ein­druck, in einem einig. Näm­lich dar­in, dass es inter­es­sant ist, dass die Uni­on und die FDP sich jetzt die Grü­nen als Haupt­geg­ner aus­er­ko­ren haben – und dar­in, dass die Mach­art und Wir­kungs­wei­se nur auf sehr begrenz­te Zustim­mung stößt. 

Grüne Kampagne: Dagegen/dafür braucht

Der Voll­stän­dig­keit hal­ber sei auch auf die grü­ne Auf­lis­tung hin­ge­wie­sen, die das gan­ze Gere­de von der Dage­gen­par­tei auf­nimmt: Dage­gen braucht’s grün bzw. Dafür braucht’s grün. Eine gute Zusam­men­stel­lung zen­tra­ler grü­ner Posi­tio­nen (mal den ein­zel­nen Links fol­gen, da steckt rich­tig Inhalt dahin­ter), die klar macht, dass es wenig bringt, kon­text­los das Dage­gen­sein zum Haupt­mo­tiv einer Anti-Grün-Kam­pa­gne zu machen.

Auch zum The­ma „Fort­schritt“ bzw. „Fort­schritts­feind­lich­keit“ (letzt­lich ja der gern der Nega­tiv­kam­pa­gnen) lie­ße sich eini­ges sagen, samt eini­ger Sei­ten­hie­be auf die SPD und deren stolz und grund­los mit dem Begriff „neu­er Fort­schritt“ beti­tel­tem Pro­gramm­ent­wurf. Aber das las­se ich jetzt mal. Grund mei­nes Pos­tings ist viel­mehr die simp­le Fra­ge nach der Bür­ger­lich­keit. Wiki­pe­dia ver­weist bei der Suche nach „bür­ger­lich“ auf das Bür­ger­tum und refe­riert dann eini­ge der sozio­lo­gi­schen und sozi­al­ge­schicht­li­chen Theo­rien dazu. Letzt­lich wird deut­lich, dass „Bür­ger“ hier ein Begriff der Abgren­zung ist – his­to­risch gegen Bau­ern­schaft, Adel und Arbei­te­rIn­nen, heu­te gegen – ja, gegen wen eigent­lich? Was kenn­zeich­net die­ses angeb­lich exis­tie­ren­de „bür­ger­li­che Lager“, das jetzt mit Klau­en und Zäh­nen davon über­zeugt wer­den soll, dass es auf gar kei­nen Fall vom Groß‑, Mit­tel- oder Klein­bür­ger zum „Wut­bür­ger“ (oder zur „Wut­bür­ge­rin“) wer­den darf, um dann die schlim­me Tat des Grün-Wäh­lens zu bege­hen? Gemein­hin als bür­ger­lich ver­stan­de­ne Tugen­den kön­nen es jeden­falls schon ein­mal nicht sein. Jeden­falls dann nicht, wenn das Niveau der Nega­tiv­kam­pa­gnen, der Wes­ter­wel­le-Reden oder die poli­ti­sche Hal­tung der Sar­ra­zin-Gut­fin­de­rIn­nen hier typisch sein sollten.

Oder noch ein­mal anders gefragt: Gibt es tat­säch­lich sowas wie eine sta­bi­le sozia­le Kon­fi­gu­ra­ti­on eines „bür­ger­li­chen Milieus“, das ein­deu­tig von ande­ren sozia­len Milieus abgrenz­bar ist? Und was war dann noch ein­mal die „neue Mit­te“, wie­so wählt die kon­sum-hedo­nis­ti­sche „Unter­schicht“ auch ger­ne mal CDU, und wie konn­te es pas­sie­ren, dass schon seit lan­gem bei SINUS eines der (bür­ger­li­chen?) Leit­mi­lieus als „post­ma­te­ria­lis­tisch“ beschrie­ben wird? Zwi­schen Lebens­stil und poli­ti­schen Wahl­ent­schei­dun­gen gibt es schon seit län­ge­rem Diver­gen­zen, eine kla­re Zuord­nung eines poli­ti­schen Lagers zu einem Milieu wird kom­pli­zier­ter. Angeb­lich woll­te sich ja selbst die CDU schon mal für jun­ge urba­ne Krea­ti­ve öff­nen, oder so … auch wenn sie davon inzwi­schen wohl wie­der abge­kom­men ist. (Und neben­bei bemerkt, wider­spricht die Idee einer Volks­par­tei ja eigent­lich auch der Idee einer engen Milieu­bin­dung – you can’t have both).

Mei­ne Ver­mu­tung: Die Behaup­tung, dass es bei die­sen Kam­pa­gnen dar­um geht, eine bestimm­te sozia­le For­ma­ti­on an sich zu bin­den (vul­go: „das bür­ger­li­che Lager“), ist nicht son­der­lich stich­hal­tig. Viel­mehr fin­det das, was wir gera­de sehen, auf zwei ande­ren Ebe­nen statt. Zum einen geht es um den Kon­kur­renz­kampf zwi­schen Par­tei­en und dabei um den Ver­such, Grü­ne klein zu hal­ten – egal, was dafür gera­de als Argu­ment her­hal­ten muss, und wie es begrün­det wird. Das hat etwas damit zu tun, dass sich die Uni­on bis­her als mit Abstand meist­ge­wähl­te Par­tei mit dem Nie­der­gang der SPD sicher fühl­te, und jetzt fest­stel­len muss, dass es zu einer Ver­schie­bung im Par­tei­en­sys­tem kommt, die lang­fris­tig den Macht­er­halt extrem erschwert. 

Zum ande­ren zie­len die­se Kam­pa­gnen dar­auf, Leit­ideen im gesell­schaft­li­chen Dis­kurs zu beset­zen, also die Leit­kul­tur­de­bat­te durch die Hin­ter­tür. Wahr­schein­lich erin­nert vie­les auch des­we­gen so an die geis­tig-mora­li­sche Wen­de der 1980er Jah­re Hel­mut Kohls. Hier aber erscheint mir – um an den Anfang zurück­zu­keh­ren – das media­le Echo nicht gera­de dafür zu spre­chen, dass die­se leit­kul­tu­rel­le Bot­schaft dis­kur­siv ankommt. Wenn die Ver­mu­tung stimmt, dass die Schlich­tung bei Stutt­gart-21 etwas gebracht hat, und Men­schen, die das bis­her nicht im Traum zu den­ken gewagt haben, jetzt bei Mei­nungs­um­fra­gen ange­ben, grün wäh­len zu wol­len (ganz egal, ob sie es dann wirk­lich tun oder nicht) – dann hat die CDU mit­tel­fris­tig ver­lo­ren. Denn dann ist bis weit ins „bür­ger­li­che Lager“, in die „neue Mit­te“ oder ande­re Ecken der Gesell­schaft hin­ein die Bot­schaft ange­kom­men, dass Poli­tik von oben nicht mehr ankommt. Und dann funk­tio­niert das Poli­tik­spiel aus Macht­er­halt, Seil­schaf­ten und „fort­schritt­li­chen“ Groß­pro­jek­ten schlicht­weg nicht mehr, ohne immer aufs Neue Wider­stand zu ent­zün­den. Die Kam­pa­gnen der CDU, der CSU und der FDP zie­len mei­nes Erach­tens genau hier­auf: zu ver­hin­dern, dass sich auf Dau­er ein demo­kra­ti­sches Ver­ständ­nis von Bür­ger­ge­sell­schaft festsetzt. 

Dar­um, und nicht um 18, 20 oder 25% bei den nächs­ten Wah­len geht es.

War­um blog­ge ich das? Eigent­lich woll­te ich nur kurz was dazu sagen, dass ich den Begriff des Bür­ger­li­chen als Abgren­zungs­be­griff im poli­ti­schen Raum vor­de­mo­kra­tisch fin­de. Und dann ist es län­ger gewor­den. Jetzt fra­ge ich mich, ob mei­ne Schluss­fol­ge­rung stimmt – und was das für evtl. grü­ne und „bür­ger­ge­sell­schaft­li­che“ Reak­tio­nen auf die­se Nega­tiv­kam­pa­gnen bedeu­tet. Und ob ich nicht doch noch was über den Fort­schritts­be­griff der SPD blog­gen sollte.

Wer finanziert die Politik?

Euro

Wer nicht bei der Tages­schau ste­hen bleibt, son­dern bis zur Quel­le bei Abgeordnetenwatch.de vor­dringt, stellt fest: so unge­fähr zehn Per­so­nen und Orga­ni­sa­tio­nen finan­zie­ren einen gro­ßen Teil der deut­schen Par­tei­en­land­schaft. Jeden­falls, was die Spen­den über 50.000 Euro betrifft. 

CDU, CSU, FDP und SPD erhiel­ten von BMW zusam­men Fahr­zeu­ge im Wert von 0,5 Mio Euro. Die Deut­sche Ver­mö­gens­be­ra­tung hat an CDU und FDP im letz­ten Jahr zusam­men 0,4 Mio Euro gezahlt. Etwas unter 0,4 Mio Euro gin­gen an CSU und FDP – vom Ver­band der Bay­ri­schen Metall- und Elek­tro­in­dus­trie. Daim­ler zahl­te SPD und CDU je 150.000 Euro. Die Alli­anz zahl­te an alle Par­tei­en im Bun­des­tag (außer an die LINKE) je 60.001 Euro (an die FDP nur 50.001 Euro).

Die Metall- und Elek­tro­in­dus­trie in NRW zahl­te an FDP und CDU zusam­men 220.000 Euro. In Baden-Würt­tem­berg zahl­te der Ver­band der Metall- und Elek­tro­in­dus­trie nur an die CDU (200.000 Euro). An die CDU gin­gen auch je 100.000 Euro der Beren­berg Bank und der Adolf Würth AG.

1,1 Mio Euro gin­gen an DVU und NPD (Frey) – und an die LINKE wur­den 175.000 Euro (pri­vat aus einer Erb­schaft) gespendet.

Ins­ge­samt brach­te das Groß­spen­den­auf­kom­men den Regie­rungs­par­tei­en etwa 2 Mio Euro, und SPD, Grü­nen und LINKE zusam­men etwa 0,5 Mio Euro. Dazu kom­men Spen­den unter 50.000 Euro, die erst mit Ver­zö­ge­rung in den jewei­li­gen Rechen­schafts­be­rich­ten der Par­tei­en ver­öf­fent­licht werden. 

Auch für vor­her­ge­hen­de Jah­re (z.B. hier in der Wiki­pe­dia für die CDU 2006) ergibt sich ein ähn­li­ches, ja sogar noch wei­ter­ge­hen­des Bild. Zu beach­ten ist aller­dings, dass das Groß­spen­den­auf­kom­men selbst bei den kon­ser­va­tiv-neo­li­be­ra­len Par­tei­en nur einen rela­tiv klei­nen Teil der gesam­ten Par­tei­fi­nan­zie­rung aus­macht. Eine deut­lich grö­ße­re Rol­le spie­len die staat­li­che Par­tei­en­fi­nan­zie­rung und die Ein­nah­men aus Mit­glieds­bei­trä­gen und Son­der­bei­trä­gen der Abgeordneten. 

Bei der LINKEN sind – soweit mir bekannt ist – Spen­den aus der Wirt­schaft nicht ger­ne gese­hen. Wir Grü­ne leh­nen die­se nicht gene­rell ab, auch wenn Groß­spen­den bis­her kaum eine Rol­le spie­len (so waren es 2010 eben nur die 60.001 Euro der Alli­anz). In der grü­nen Haus­halts­pla­nung (pdf) der Bun­des­ebe­ne sind bei­spiels­wei­se etwa 100.000 Euro an Unter­neh­mens­spen­den pro Jahr ein­ge­plant – bei Ein­nah­men der Bun­des­par­tei ins­ge­samt zwi­schen 5,0 und 5,5 Mio Euro. Für die Gesamt­par­tei (inkl. aller Lan­des- und Kreis­ver­bän­de) gab es im Wahl­jahr 2009 bei Ein­nah­men in Höhe von insg. 30,5 Mio Euro etwa 0,9 Mio Euro Unter­neh­mens­spen­den (aus­ge­ge­ben wur­den in die­sem Wahl­jahr etwa 37 Mio Euro). Kurz gesagt: etwa 2–3% der Par­tei­fi­nan­zen stam­men bei den Grü­nen aus Unternehmensspenden. 

Gleich­zei­tig gibt es immer wie­der hef­ti­ge par­tei­in­ter­ne Debat­ten dar­um, ob und wenn ja wel­che Spen­den akzep­tier­bar sind, und wie es mit dem Spon­so­ring von Par­tei­ta­gen und der Schal­tung von Anzei­gen im Mit­glie­der­ma­ga­zin Schräg­strich aus­sieht. Es gibt einen rela­tiv stren­gen Spen­den­co­dex, und eine bei vie­len doch eher kri­ti­sche Hal­tung zu Unter­neh­mens­spen­den und Spon­so­ring. Auf der ande­ren Sei­te gibt es dann oft die Posi­ti­on „sol­len sie doch zah­len – inhalt­lich beein­flus­sen las­sen wir uns davon nicht“. 

Wer finan­ziert die Poli­tik? Trotz der zunächst ein­mal spek­ta­ku­lär aus­se­hen­den Spen­den­sum­men bei CDU, CSU, FDP und SPD, und der deut­lich gerin­ge­ren Finan­zie­rung durch Unter­neh­mens­spen­den bei den Grü­nen lässt sich fest­hal­ten, dass die­se Mit­tel letzt­lich nur einen gerin­gen Anteil aus­ma­chen. Trotz­dem fin­de ich Trans­pa­renz hier wich­tig – noch wich­ti­ger wäre sie dort, wo Geld­flüs­se eben nicht über offi­zi­el­le Kanä­le flie­ßen, oder wo pri­vat­wirt­schaft­li­che Mit­tel nicht an Par­tei­en gehen, son­dern in wel­cher Form auch immer dazu die­nen, die Regie­rungs­ar­beit direkt zu beein­flus­sen. Den Löwen­an­teil der Par­tei­fi­nan­zen macht jedoch die öffent­li­che Unter­stüt­zung aus – durch die staat­li­che Par­tei­en­fi­nan­zie­rung, und durch die Son­der­bei­trä­ge der Abge­ord­ne­ten, die ja letzt­lich als Diä­ten eben­falls aus dem öffent­li­chen Haus­halt stammen. 

Bleibt die Fra­ge, was sich BMW und Daim­ler, die Alli­anz und die Ver­mö­gens­be­ra­tung sowie die Ver­bän­de der Metall- und Elek­tro­in­dus­trie davon erhof­fen, dass sie so aus­gie­big spen­den. Wenn es dar­um gin­ge, Vor­tei­le des Wirt­schafts­stand­orts zu „sozia­li­sie­ren“, wären ent­spre­chen­de Steu­er­leis­tun­gen eigent­lich sinn­vol­ler als die För­de­rung der einen oder ande­ren Par­tei. Bei der Alli­anz, die ja an alle im Bun­des­tag ver­tre­te­nen Par­tei außer der LINKEN zahlt, könn­te noch mit einer all­ge­mei­nen För­de­rung der poli­ti­schen Wil­lens­bil­dung argu­men­tiert wer­den. Die Spen­den der Indus­trie sind dage­gen weit­aus ziel­ge­rich­te­ter. Bewir­ken sie was?

War­um blog­ge ich das? Weil ich die nack­ten Zah­len allei­ne wenig aus­sa­ge­kräf­tig finde.

Jahresendzeitspolitik

New yearGegen Ende des Jah­res drängt sich alles zusam­men. Kein Wun­der also, dass sich auch poli­tisch die Ereig­nis­se in die­ser noch nicht abge­lau­fe­nen Woche vor dem vier­ten Advent zusam­men­ge­drängt haben – wer sei­nen poli­ti­schen Jah­res­rück­blick für 2010 schon geschrie­ben hat, hat jetzt ein Pro­blem. Wiki­leaks-Grün­der Assan­ge kam hin­ter Git­ter, soll­te aus­ge­lie­fert wer­den, dann doch nicht, dann gegen Kau­ti­on wie­der frei. Über­haupt: Wiki­leaks. Mal sehen, was das noch wird.

Und: BaWü-Minis­ter­prä­si­dent hat mal eben für ein paar Mil­li­ar­den und ohne vor­he­ri­ge Ein­be­zie­hung des Par­la­ments den EnBW-Anteil der EDF zurückgekauft. 

Und: Es gab ein Schnee­cha­os (auch wenn in Frei­burg davon, ganz am Rand der roten Zone, kaum etwas zu spü­ren war).

Und: Der Jugend­schutz­me­di­en­staats­ver­trag* JMSTV wur­de in einem höchst unwahr­schein­li­chen Plot in Nord­rhein-West­fa­len doch noch gekippt. Das Mus­ter „Regie­rung dafür, Oppo­si­ti­on manch­mal dage­gen“ wur­de im Land mit der Min­der­heits­re­gie­rung gebro­chen. Rela­tiv durch­sich­ti­ge par­tei­tak­ti­sche Spie­le der CDU und der FDP – bei­de hat­ten, als sie noch in der Lan­des­re­gie­rung waren, den Ver­trag ja mit­aus­ge­han­delt, und Rütt­gers hat­te ihn noch nach der Wahl unter­zeich­net – führ­ten dazu, dass die­se ihre Ableh­nung ver­kün­de­ten. So staats­tra­gend, dann doch – gegen eine Koali­ti­on aus CDU, FDP und LINKE – dem Ver­trag zuzu­stim­men, woll­te die SPD auch nicht sein, und hat, als gespal­te­ne Par­tei, die Kar­ten an die Grü­nen wei­ter­ge­ge­ben. Die sich auch in der Frak­ti­on schließ­lich zur Ableh­nung ent­schie­den haben – und damit die Bahn geöff­net haben für die ein­stim­mi­ge Ableh­nung und eine Neu­ver­hand­lung eines hof­fent­lich sinn­vol­le­ren JMSTV.

Und noch was? Die Grü­nen im Saar­land ver­hin­der­ten heu­te das Inkraft­tre­ten der schwarz-gel­ben Hartz-IV-Refor­men. Gut dar­an, dass jetzt neu ver­han­delt wer­den muss, schlecht, dass die Minier­hö­hung für die Hartz-IV-Haus­hal­te erst­mals aus­bleibt. (Übri­gens: auf mei­ne Infor­ma­ti­ons­frei­heits­mail an das Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­ri­um mit der Bit­te, die Berech­nun­gen her­aus­zu­rü­cken, habe ich bis heu­te kei­ne Ant­wort. Wäre viel­leicht mal was für Leu­te, die für inves­ti­ga­ti­ve Recher­chen bezahlt wer­den, dem hinterherzugehen). 

Und: Bei der Gele­gen­heit war dann auch zu erfah­ren, dass Minis­ter­prä­si­dent Mül­ler aus dem Saar­land im nächs­ten Jahr an das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt wech­seln wird. Noch einer der Mer­kel-Minis­ter­prä­si­den­ten, der geht. Ob das ähn­li­che Fol­gen für die Koali­ti­on haben wird wie in Ham­burg? Wenn, dann wäre es gut, das gleich zu sagen, lie­be Saargrüne.

Und: Gut­ten­berg an der Front. Ach so, die his­to­ri­sche Abschaf­fung der Wehr­pflicht, die gab’s auch noch, in die­sen Tagen. 

Und: die wich­ti­gen Din­ge, die es ange­sichts von Schnee­trei­ben und mehr oder weni­ger gro­ßen Poli­tik­skan­da­len kaum in den Medi­en­fo­kus schaf­fen. Ein Bei­spiel dafür die fast nicht vor­han­de­ne Bericht­erstat­tung zum Cas­tor-Trans­port nach Lub­min ges­tern, der trotz Win­ter­wet­ter in Meck­len­burg-Vor­pom­mern lan­ge, lan­ge auf­ge­hal­ten wur­de. Aus­nah­me: der taz-Ticker und die dar­aus resul­tie­ren­de Bericht­erstat­tung der taz.

* oder doch Jugendmedienschutzstaatsvertrag?

War­um blog­ge ich das? Um das Blog mal wie­der inhalt­lich zu fül­len. Auch wenn’s ein biß­chen eng wird, bei all dem, was da gera­de geschieht. 2010 – das Jahr, in dem Poli­tik für drei Jah­re sich ereignete?

Merkel dagegen beißt

Police in the sky I

Para­do­xer­wei­se: gera­de die bis­si­gen Angrif­fe der ande­ren Par­tei­en – vor­ne­weg der CDU und der sich anti-grün geben­den ehe­ma­li­gen Umwelt­mi­nis­te­rin und jet­zi­gen Kanz­le­rin – auf die Grü­nen, die dar­auf hin­deu­ten, dass die aktu­el­len Wahl­um­fra­ge mehr Aus­sa­ge­kraft haben, als genau die­sen Par­tei­en lieb ist. Jeden­falls dann, wenn die sym­pto­ma­ti­schen Ähn­lich­kei­ten der poli­ti­schen „Hack­ord­nung“ mit Hüh­ner­stäl­len und Wolfs­ru­deln trag­fä­hig sind. 

Dass die FDP schon vor Wochen mit „dage­gen“ auf die Grü­nen ziel­te – das ist busi­ness as usu­al; der Streit der Klein­par­tei­en um den drit­ten Platz. Wenn aber der Haupt­geg­ner in der Rede der Kanz­le­rin auf dem CDU-Par­tei­tag nicht mehr die ande­re gro­ße Par­tei ist, son­dern die Grü­nen – und wenn Grü­ne dadurch eine ganz ande­re Posi­ti­on in die­sem Dis­kurs ein­neh­men, dann hat sich da in der Tat etwas ver­scho­ben. Klar sind das auch Ver­su­che, Geschlos­sen­heit her­zu­stel­len und Lager­gren­zen neu zu fes­ti­gen – aber bis­her war das „ande­re“ Lager eben eines, bei dem auch die­se klei­ne Öko­par­tei dabei war. Und kei­nes, in dem die Haupt­an­griffs­li­nie auf grün zielt. 

Neben­bei: ich glau­be übri­gens nicht, dass das – so wün­schens­wert das man­chen erschei­nen mag – das Ende jeg­li­cher Debat­te über schwarz-grün ist. Viel­leicht ein Mora­to­ri­um – mehr nicht.

Inso­fern kön­nen wir uns dar­über freu­en, ange­grif­fen zu wer­den. Die Reden und die dahin­ter ste­hen­de Ängst­lich­keit der alten Gro­ßen, die sich in die Ecke gedrängt füh­len, machen klar, dass hin­ter den guten Zah­len mehr steckt als ein ein­ma­li­ger Zufall. Zwar heißt das auch, dass die begin­nen­den Wahl­kämp­fe kein Zucker­schle­cken wer­den; ich ver­mu­te, dass schon die Bericht­erstat­tung über den Bun­des­par­tei­tag jetzt am Wochen­en­de noch viel schär­fer als sonst auch davon gekenn­zeich­net sein wird, dass CDU (und SPD) ganz genau hin­schau­en und ver­su­chen wer­den, jeden noch so unsin­ni­gen „Feh­ler“ sofort aus­zu­schlach­ten. In die sel­be Rich­tung geht der Ver­such, uns Fort­schritts­feind­lich­keit zu unter­stel­len – nichts anders meint die­ses „Dage­gen“.

Aber davon soll­ten wir uns nicht ins Bocks­horn jagen las­sen – son­dern dar­auf ver­trau­en, dass auch die neu dazu­kom­men­den poten­zi­el­len Grün-Wäh­le­rIn­nen schät­zen, dass wir eine Par­tei sind, die ein Pro­jekt hat. Dass wir mehr als ande­re Par­tei­en Ver­nunft­be­reit­schaft ver­kör­pern. Ich glau­be, dass es geschätzt wird, wenn wir enga­giert in der Sache blei­ben, aber dabei immer sach­lich blei­ben. Und wie­der und wie­der gedul­dig erklä­ren, dass es nicht ums Dage­gen­sein geht, son­dern um ein Für – für den „nach­hal­ti­gen Umbau unse­rer Gesell­schaft“.

Die­ses Für müs­sen wir rüber­brin­gen – und dabei eben immer auch erklä­ren (und nicht ver­su­chen, weg­zu­wi­schen), dass die­ses gro­ße grü­ne Pro­jekt sei­ne eige­nen Ziel­kon­flik­te mit sich bringt, zum Bei­spiel hin­sicht­lich der Fra­ge, wie 100% Erneu­er­ba­re und Netz­aus­bau sinn­voll zusam­men­kom­men.

Und mit etwas Glück steht am Ende eines lan­gen und durch Schlamm­wür­fe und Aggres­si­on gekenn­zeich­ne­ten Wahl­jahrs dann nicht nur die eine oder ande­re Gestal­tungs­op­ti­on (den auch dar­um geht es), son­dern auch die Erkennt­nis, dass ein Poli­tik­stil, der sich durch Schlecht­re­den und Durch­prü­geln aus­zeich­net, in Wolfs­ru­deln (oder Hüh­ner­stäl­len) viel­leicht sei­ne Berech­ti­gung hat, aber nicht in einer Gesell­schaft des 21. Jahr­hun­derts. Schön wär’s jedenfalls.

War­um blog­ge ich das? Weil ich auch in der Hin­sicht gespannt bin, wie die BDK in Frei­burg wer­den wird. Und glau­be, dass das The­ma „Poli­tik­stil“ völ­lig unter­schätzt wird in der gan­zen Parteienverdrossenheitsdebatte.