Kurz: Hamburg hat gewählt

Nach­dem ich schon 2008 und 2011 etwas zu den Ham­bur­ger Wahl­er­geb­nis­sen geschrie­ben habe, muss ich das die­ses Jahr ja eigent­lich auch machen. Wobei – so viel gibt’s da nicht zu sagen. Die wahl­rechts­be­ding­te Pau­se zwi­schen vor­läu­fi­ger Aus­zäh­lung am Wahl­abend und vor­läu­fi­gen End­ergeb­nis am Mon­tag­abend führt dazu, dass die eine oder ande­re Ablen­kung von Jour­na­lis­tIn­nen ger­ne auf­ge­grif­fen wird – ande­res gibt es ja nicht zu berich­ten. Im Ergeb­nis sieht’s aber wei­ter­hin so aus, dass Olaf Scholz sei­ne abso­lu­te SPD-Mehr­heit nicht wie­der erlan­gen konn­te, son­dern mit 45,7 Pro­zent auf Koali­ti­ons­part­ner ange­wie­sen ist. Die CDU ist auf einem his­to­ri­schen Tief­stand (15,9 %) , wobei die Ole-von-Beust-Pha­se (2004, 2008) mit einer sehr star­ken CDU eher eine Anoma­lie war. Abge­se­hen davon ist die Ham­bur­ger Bür­ger­schaft bunt: Grü­ne (12,3 %), Lin­ke (8,5 %), FDP (7,4 %), AfD (6,1 %) – aber selbst das ist nicht ganz so unge­wöhn­lich, wie es viel­leicht schei­nen mag. REPs, Schill-Par­tei und Statt-Par­tei waren auch schon mal Teil der Ham­bur­ger Bür­ger­schaft. Pira­ten sind mit 1,5 Pro­zent end­gül­tig im Nie­mands­land ange­kom­men; auch die „Neu­en Libe­ra­len“ haben es nicht über die 0,5 Pro­zent hin­aus geschafft. 

Bei den „Alten Libe­ra­len“ von der FDP scheint sich dage­gen der knal­lig-bun­te Relaunch aus­ge­zeich­net zu haben – ich bezweif­le, dass deren Poli­tik ähn­lich jung und fröh­lich frei aus­fal­len wird. (Und stel­le mir den wahr­schein­li­chen Spit­zen­kan­di­da­ten der FDP für Baden-Würt­tem­berg 2016, Rül­ke, schon mal in zitro­nen­gelb, him­mel­blau und pink vor – dass das so rich­tig gut passt, sehe ich noch nicht. Anders als in Ham­burg, wo Kam­pa­gne und Spit­zen­kan­di­da­tin wer­be­tech­nisch gut zusammenspielten).

Inter­es­sant der Blick auf ein­zel­ne Stadt­be­zir­ke – bis hin zur sozia­lis­ti­schen Enkla­ve St. Pau­li. Grü­ne Ergeb­nis­se rei­chen auf die­ser Ebe­ne von 25 Pro­zent in Tei­len von Alto­na und 27 Pro­zent in der Stern­schan­ze bis zum deut­lich ein­stel­li­gen Bereich (z.B. 4,2 % in Neu­land). Auch Groß­städ­te haben ihre länd­li­chen Räu­me. Bei der Zusam­men­set­zung der Frak­ti­on hat das Wahl­recht eini­ges durch­ein­an­der­ge­wir­belt. Gespannt bin ich dar­auf, wie die grü­ne Frak­ti­on mit Neba­hat Güçlü umge­hen wird, die aus der Par­tei aus­ge­schlos­sen wer­den soll­te und dann über Per­so­nen­stim­men („the­re is no such thing as bad news“) den Ein­zug in die Bür­ger­schaft geschafft hat. Aber selbst, wenn es am Schluss nur einer 14-köp­fi­ge Frak­ti­on (statt der 15 Sit­ze, die der­zeit aus­ge­zählt sind) wird, und eine Ein­zel­kämp­fe­rin, wür­de das locker für Rot-Grün rei­chen. Bis­her sieht es so aus, als wäre das auch die Wunsch­ko­ali­ti­on der SPD – auch hier bin ich gespannt, wie die Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen lau­fen wer­den. Ins­ge­samt ist’s für die grü­nen Kol­le­gIn­nen doch ganz gut gelau­fen – also herz­li­chen Glück­wunsch und ein gutes Händ­chen für die nächs­ten Tage!

P.S.: Umfang­rei­che Wahl­ana­ly­se des Sta­tis­ti­schen Amtes und der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung.

Kurz: Ein Jahr Ländle-Wahlkampf steht bevor

Pro­gram­me gibt es noch kei­ne (unse­res ent­steht in einem mehr­stu­fi­gen Pro­zess bis Herbst 2015), so ste­hen doch die Per­so­nen fest, die im Früh­jahr 2016 Minis­ter­prä­si­dent von Baden-Würt­tem­berg wer­den wol­len: Win­fried Kret­sch­mann hat ange­kün­digt, wie­der anzu­tre­ten (und ist ja auch recht beliebt). Die SPD wird wohl Finanz­mi­nis­ter und Lan­des­vor­sit­zen­den Nils Schmid ins Feld füh­ren. Und die CDU-Basis hat unlängst, ein biss­chen über­ra­schend, den Noch-Land­tags­prä­si­den­ten Gui­do Wolf, dem­nächst Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der der CDU, dem­nächst evtl. auch Par­tei­vor­sit­zen­der der CDU, zum desi­gnier­ten Kan­di­da­ten gekürt. Im Janu­ar wird ein CDU-Par­tei­tag das Basis­vo­tum dann aller Wahr­schein­lich­keit nach bestätigen. 

Einer die­ser drei Män­ner – grü­ner Lan­des­va­ter, küh­ler Finan­zer oder Maxi-Land­rat – wird also im Früh­jahr 2016 Minis­ter­prä­si­dent von Baden-Würt­tem­berg wer­den. Bis dahin ist es noch etwas hin, die Wahl wird wohl im März 2016 statt­fin­den. Und obwohl Win­fried Kret­sch­mann dafür gewor­ben hat, nicht jetzt schon in den Wahl­kampf zu star­ten, wird es wohl dar­auf hin­aus­lau­fen. Die CDU wird sich noch weni­ger als in den letz­ten drei­ein­halb Jah­ren auf kon­struk­ti­ve Oppo­si­ti­ons­po­li­tik ein­las­sen, son­dern noch einen Zahn Fun­da­men­tal­kri­tik zule­gen (und sei es auch in Gedich­te ver­packt). Bis­her sind’s die Neben­sät­ze, die ver­rä­te­risch sind – so hat Gui­do Wolf ange­kün­digt, dass die jet­zi­gen Gemein­schafts­schü­le­rIn­nen noch ihren Abschluss machen dür­fen. Klingt erst mal nett, heißt im Klar­text, dass die CDU die über 200 neu­en Gemein­schafts­schu­len im Land aus­lau­fen las­sen möch­te, wenn sie denn die Chan­ce dazu bekommt. Gleich­zei­tig wird – auch das war in den Haus­halts­re­den der CDU schon zu hören – das Blau­en vom Him­mel ver­spro­chen, bei­spiels­wei­se die Rück­nah­me von Kür­zun­gen und Ver­schie­bun­gen bei den Beam­ten­ge­häl­tern bei gleich­zei­tig strik­tem Spar­kurs. Passt irgend­wie nicht zusam­men, inter­es­siert aber kei­ne Wahl­kämp­fe­rIn am Landtagsredepult.

Aber auch in der Koali­ti­on wird das Kli­ma 2015 ver­mut­lich rau­er wer­den. Bis­her lie­gen wir in den Wahl­um­fra­gen vor der SPD und das soll auch so blei­ben. Selbst­ver­ständ­lich sieht der klei­ne­re Koali­ti­ons­part­ner das anders und wird noch stär­ker ver­su­chen, sich zu pro­fi­lie­ren. Auch hier dürf­te die Bil­dungs­po­li­tik ein The­men­feld wer­den, in dem 2015 inter­es­sant wird – und dass in der Innen­po­li­tik grü­ne Pro­jek­te aus dem Koali­ti­ons­ver­trag nicht mit Prio­ri­tät 1 bear­bei­tet wor­den sind, ist auch kein Geheim­nis. Ich ver­mu­te, dass 2015 kei­ne neu­en gro­ßen Vor­ha­ben mehr aufs Lan­des­gleis gesetzt wer­den, dass aber bei allem Pro­fi­lie­rungs­wil­len bei­den Par­tei­en auch klar ist, dass Streit in der Koali­ti­on bei­den scha­det. Auch inso­fern wird 2015 ein lan­des­po­li­tisch inter­es­san­tes Jahr werden.

Die SPD-Wahlwoche würde das Problem nicht lösen

Testbild am Abend

WELT und Spie­gel online ist zu ent­neh­men, dass SPD-Gene­ral­se­kre­tä­rin Yas­min Fahi­mi sich eini­ge Gedan­ken dazu gemacht hat, wie die Wahl­be­tei­li­gung gestei­gert wer­den kann. Mit Blick auf den Kern von Demo­kra­tie ist eine hohe Wahl­be­tei­li­gung ein sinn­vol­les Ziel, auch wenn z.B. die PEGI­DA-Mär­sche Men­schen anlo­cken, bei denen ich mir gar nicht so sicher bin, ob ich mich über deren Wahl­recht freu­en soll – und obwohl tak­tisch gese­hen eine gerin­ge­re Wahl­be­tei­li­gung durch­aus auch gut für klei­ne­re Par­tei­en (wie Bünd­nis 90/Die Grü­nen) sein kann. 

Aber gehen wir mal davon aus, dass eine höhe­re Wahl­be­tei­li­gung für eine Demo­kra­tie grund­sätz­lich etwas Gutes ist. Heu­te liegt sie bei Bun­des­tags­wah­len bei rund 70 Pro­zent, bei Land­tags- und Kom­mu­nal­wah­len oft noch ein­mal deut­lich dar­un­ter. Wiki­pe­dia visua­li­siert schön, wie die Wahl­be­tei­li­gung bei Bun­des­tags­wah­len in den ers­ten Jah­ren der jun­gen Bun­des­re­pu­blik ange­klet­tert auf ein Niveau von 86–87 Pro­zent ange­stie­gen ist, dann 1972 einen Spit­zen­wert von über 90 Pro­zent erreicht hat und sich seit­dem – mit eini­gen Schwan­kun­gen – im Rück­gang auf das heu­ti­ge Niveau von rund 70 Pro­zent befin­det. Der ers­te deut­li­che Ein­bruch erfolg­te dabei von 1987 auf 1990 – die ers­te Wahl, in der auch in der ehe­ma­li­gen DDR (die bei der „Volks­kam­mer­wahl“ von 93 Pro­zent Wahl­be­tei­li­gung erreich­te) der Bun­des­tag gewählt wurde.

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Digitalisierung als Baustein einer grünen Innovationspolitik

Stadtteilfest 2014 - 53

„Unterm Strich wür­de ich ger­ne in dem Baden-Würt­tem­berg leben, das Kret­sch­mann da gra­de ent­wirft.“, schrieb ich bei Twit­ter als Fazit zur „Hei­mat, High­tech, High­speed“-Regie­rungs­er­klä­rung, und das ist viel­leicht erklärungsbedürftig. 

Um ganz vor­ne anzu­fan­gen: eine Regie­rungs­er­klä­rung im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tag funk­tio­niert so, dass der Minis­ter­prä­si­dent (oder eine ande­re Ver­tre­te­rIn der Lan­des­re­gie­rung) sich aus­führ­lich, grund­sätz­lich und über­grei­fend äußert, und – übli­cher­wei­se – die Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den dar­auf reagie­ren. Und zwar in „Debat­te mit frei­er Rede­zeit“, was ganz schön lang sein kann. In die­ser Regie­rungs­er­klä­rung ging es um „Digi­ta­li­sie­rung“, und um die (ins­be­son­de­re auch wirt­schaft­li­chen) Chan­cen von Din­gen, die mit so schö­nen Buz­zwords wie „Indusch­drie 4.0«, „digi­ta­ler Wan­del“, „Cloud“ oder „Cyber­se­cu­ri­ty“ umrei­ßen lassen. 

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Degrowth muss wachsen, oder: Selbstbegrenzung statt Verzicht?

Degrowth 2014, Leipzig

Heu­te ist in Leip­zig die Degrowth-Kon­fe­renz zu Ende gegan­gen. Da waren rich­tig vie­le Leu­te – so um die 3000. Was dann zu Beginn auch halb­wegs stolz ver­kün­det wur­de – in Bar­ce­lo­na 150 Leu­te, in Paris 450, jetzt noch­mal ein erheb­li­ches Wachs­tum. Super, wir sind vie­le! Degrowth wächst. Oder steckt da ein Wider­spruch drin?

Vier Tage lang ging es in Leip­zig vor allem um eines: um Wachs­tum. Dass Degrowth ein hip­pes The­ma ist, zeig­te sich nicht nur an der gro­ßen Teil­neh­men­den­zahl, son­dern auch an der Viel­falt. Die Kon­fe­renz war halb­wegs inter­na­tio­nal. Sie wur­de von den übli­chen Ver­bän­den aus der Umwelt- und der Eine-Welt-Bewe­gung eben­so unter­stützt wie von den Par­tei­stif­tun­gen der SPD, der Grü­nen und der LINKEN. Der Fokus schwank­te zwi­schen radi­ka­ler Kri­tik am Wachstum=Kapitalismus und Geschäfts­mo­del­len, zwi­schen Per­ma­kul­tur­bas­te­lei­en und sozi­al- und geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Theo­rie­schlach­ten. Es war genug für alle da. 

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