Auf dem Weg zur Kommunalwahl

Buschwindröschen II

Am 9. Juni 2024 fin­det in Baden-Würt­tem­berg nicht nur die Euro­pa­wahl statt, son­dern auch die Kom­mu­nal­wahl in den Gemein­den, Stadt- und Land­krei­sen. Und wie jede Wahl, so hat auch die­se einen Vor­lauf. Bereits im Som­mer letz­ten Jah­res haben wir in Gun­del­fin­gen begon­nen, uns zwi­schen Orts­vor­stand und aktu­el­ler Frak­ti­on Gedan­ken dar­über zu machen, wer für die Lis­te ange­fragt wer­den kann. 

Als Gemein­de mit 12.000 Einwohner*innen besteht der Gun­del­fin­ger Gemein­de­rat aus 22 Plät­zen, eine Teil­orts­wahl gibt es glück­li­cher­wei­se nicht mehr. Das heißt auch: 22 Leu­te zu fin­den, die bereit sind, mit ihrer Per­son für die grü­ne Sache in die Öffent­lich­keit zu gehen. Die Lis­te haben wir dann am 30. Novem­ber 2023 gewählt, zudem zwei Ersatzkandidat*innen. Wie bei jeder grü­nen Lis­te gilt das Frau­en­sta­tut, d.h. jeder zwei­te Platz (1, 3, 5, …) ist für eine Frau reser­viert. Her­aus­ge­kom­men ist eine bun­te Mischung aus Men­schen, die lan­ge für die grü­ne Sache aktiv sind und einer gan­zen Rei­he neu­er Gesich­ter, aus Par­tei­mit­glie­dern und Sympathisant*innen, die – zum Teil in ande­ren Grup­pen wie etwa Foodsha­ring oder Flücht­lings­hel­fer­kreis aktiv – bereit waren, auf unse­re Lis­te zu gehen. Die Lis­te umfasst ein Alters­spek­trum von 18 bis 80 Jah­re (und ganz schön vie­le Akademiker*innen …).

Ein paar Tage spä­ter, am 7. Dezem­ber 2023 haben wir dann noch unse­re sechs Kandidat*innen für den Wahl­kreis Gun­del­fin­gen (mit Glot­ter­tal, St. Peter und Heu­wei­ler) für die Kreis­tags­wahl nomi­niert. Der Kreis­tag hat ins­ge­samt 60 Kreisrät*innen, die in zwölf Wahl­krei­sen gewählt wer­den – Gun­del­fin­gen ist mit vier Man­da­ten einer der kleins­ten Wahlkreise. 

Par­al­lel zur Suche nach Kandidat*innen haben wir uns über­legt, was The­men für unser Wahl­pro­gramm sein könn­ten. Dazu fand im Okto­ber 2023 ein ers­ter Work­shop statt, auf dem Ideen gesam­melt wur­den. In meh­re­ren Ite­ra­tio­nen ent­stand dar­aus ein Wahl­pro­gramm, das in sei­ner fina­len Form am 14. März 2024 beschlos­sen wur­de. Natür­lich gibt es ein paar Dau­er­bren­ner­the­men, die in jedem grü­nen Wahl­pro­gramm für Gun­del­fin­gen auf­tau­chen – etwa die Ver­kehrs­si­tua­ti­on. Ver­stärkt in den Blick rücken mit dem dies­jäh­ri­gen Pro­gramm sozia­le Fra­gen und – auch moti­viert durch die Demons­tra­tio­nen in den ers­ten Mona­ten des Jah­res – das The­ma Demo­kra­tie und Betei­li­gung. Gleich­zei­tig wur­de in der Debat­te um das Pro­gramm deut­lich, dass es vie­le The­men gibt, die nur bedingt oder gar nicht in kom­mu­na­ler Zustän­dig­keit lie­gen. Gemein­den haben in Baden-Würt­tem­berg eine star­ke Stel­lung, aber vie­les wird doch auf ande­ren Ebe­nen entschieden.

Mit Lis­te und Pro­gramm steht jetzt der Wahl­kampf bevor. Ab Mit­te April darf in Gun­del­fin­gen pla­ka­tiert wer­den und sind Info­stän­de mög­lich. Bei­des wer­den wir natür­lich nut­zen. Hin­zu kommt die Öffent­lich­keit in sozia­len Medi­en als wei­te­res Feld. Für den Wahl­kampf lau­fen aktu­ell die letz­ten Vor­be­rei­tun­gen – der Kreis­ver­band hat beim Lan­des­ver­band Pla­ka­te und Mate­ria­li­en für Info­stän­de bestellt, es gibt Fotos der Kandidat*innen, und ich bin gera­de dabei, unser Pro­gramm und unse­re Lis­te in eine Form zu brin­gen, die dann ver­teilt und bewor­ben wer­den kann. Hilf­reich dafür sind Lay­out­vor­ga­ben und ‑ele­men­te, die der Lan­des­ver­band im Rah­men der Kam­pa­gne „Dafür sind wir hier.“ bereit stellt, und die dann an loka­le Gege­ben­hei­ten ange­passt wer­den kön­nen. Nicht zuletzt heißt Wahl­kampf auch, zu orga­ni­sie­ren, wer was in die Hand nimmt, wer wann am Stand steht und wel­che wei­te­ren Aktio­nen sinn­voll sind, um für unser Pro­gramm und unse­re Lis­te zu werben.

Span­nend bleibt jetzt, wie eigent­lich das Umfeld aus­sieht, in dem wir um Stim­men wer­ben. Mit sechs Plät­zen stel­len wir der­zeit die zweit­größ­te Frak­ti­on nach den Frei­en Wäh­lern; außer­dem sind SPD und CDU im Gemein­de­rat ver­tre­ten. All die­se Grup­pie­run­gen tre­ten wie­der an – über wei­te­re Lis­ten etwa aus dem ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen Milieu gibt es bis­her nur Gerüch­te. Ges­tern war die Dead­line für die Ein­rei­chung von Lis­ten­vor­schlä­gen, es dürf­te also in Kür­ze klar sein, auf wen die Bürger*innen Gun­del­fin­gens am 9. Juni ihre Stim­men ver­tei­len kön­nen. Bis dahin haben wir als Orts­ver­band noch eini­ges zu tun – auch das gehört zu geleb­ter Demo­kra­tie dazu. 

Proteste und Proteste

Die Pro­tes­te für Demo­kra­tie und gegen Rechts gehen wei­ter – ges­tern gin­gen bei­spiels­wei­se in mei­nem Hei­mat­ort Gun­del­fin­gen rund 2000 Leu­te auf die Stra­ße, um gemein­sam für Viel­falt, für die Men­schen­rech­te und die Men­schen­wür­de und gegen Rechts­extre­mis­mus zu demons­trie­ren. Es hat mich gefreut, dass das in unse­rer manch­mal doch beschau­li­chen Gemein­de Kon­sens ist. Und auch wenn die Demo und Kund­ge­bung bür­ger­li­cher geprägt war als die gro­ßen Demons­tra­tio­nen in Frei­burg, und der eine oder ande­re es nicht las­sen konn­te, auch ein Abgren­zung von „Stra­ßen­blo­ckie­rern“ mit unter zu brin­gen: unterm Strich stimmt die Botschaft.

Auch ganz ande­re Pro­tes­te fan­den in den letz­ten Tagen statt. Egal, wo Grü­ne eine Ver­an­stal­tung machen – Trak­to­ren sind auch schon da. War­um das so ist, ist mir nicht ganz klar, vor allem: war­um das nur bei uns so ist, und ande­re Par­tei­en „ver­schont“ wer­den, etwa die Uni­on, die über Jahr­zehn­te die Land­wirt­schafts­po­li­tik gestal­tet hat, oder SPD und FDP, die ja maß­geb­lich die Haus­halts­kür­zun­gen mit zu ver­ant­wor­ten haben, Stich­wort „kei­ne Abkehr von der Schul­den­brem­se“. Mir ist ehr­lich gesagt auch nicht so ganz klar, was die Landwirt*innen eigent­lich errei­chen wol­len. Die schwie­ri­ge Lage der Bran­che ist bekannt. Um den Agrar­die­sel scheint es längst nicht mehr zu gehen. Wenn kon­kre­tes genannt wer­den soll, kommt dann oft ein Pot­pour­ri von „Ampel muss weg“ bis „Bür­ger­geld abschaf­fen“. Und da wird dann auch deut­lich, wie groß der Ein­fluss rech­ter bis ver­schwö­rungs­theo­re­ti­scher Kanä­le auf die Bau­ern­pro­tes­te inzwi­schen ist. 

Am Ascher­mitt­woch wur­de das dann noch ein­mal deut­li­cher. Ich war selbst nicht dabei, aber die Lage beim grü­nen poli­ti­schen Ascher­mitt­woch in Biber­ach muss wohl schlimm gewe­sen sein. Neben einer lau­ten, inhalt­lich grenz­wer­ti­gen, aber noch im Rah­men befind­li­chen Bau­ern­de­mo gab es dort Pro­tes­te vor der Hal­le, die auf Auf­ru­fe in Whats­App- und Tele­gram-Grup­pen zurück­gin­gen, und zu denen sich nie­mand so rich­tig beken­nen woll­te. Berich­tet wur­de mir von bren­nen­den Stroh­bal­len, von Men­schen mit Motor­sä­gen her­um­fuch­tel­ten, von Pla­ka­ten, die Grü­ne mit Unkraut gleich­setz­ten, und von einer Stim­mung, in der ein demo­kra­ti­scher Dia­log nicht mehr mög­lich war. In Abstim­mung mit der Poli­zei wur­de der poli­ti­sche Ascher­mitt­woch dann abge­sagt, weil die Sicher­heit der Teil­neh­men­den nicht zu gewähr­leis­ten war.

Soweit, so schlecht. Was mich aber noch mehr scho­ckiert hat als eine Poli­zei, die wohl kur­sie­ren­de Tele­gram-Auf­ru­fe nicht rich­tig ein­schät­zen konn­te, war die Hal­tung ins­be­son­de­re der Uni­on danach – zusam­men­ge­fasst war das, bis hin zum für die Poli­zei in Baden-Würt­tem­berg zustän­di­gen Innen­mi­nis­ter, oft ein „die Grü­nen sind selbst schuld, wenn die Ampel …“. Bei allem Ver­ständ­nis für har­te poli­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen, und um den Bogen zu den gro­ßen Kund­ge­bun­gen für die Demo­kra­tie zu schla­gen: eine sol­che Hal­tung mag kurz­fris­tig zu Gelän­de­ge­win­nen bei­tra­gen. Lang­fris­tig macht die­se feh­len­de Empa­thie und feh­len­de Soli­da­ri­tät unter Demokrat*innen unse­re Demo­kra­tie kaputt. Wenn alles nur noch Skan­dal ist, wenn jeder Feh­ler gleich aus­ge­nutzt wird, wenn Spra­che tag­ein tag­aus in har­te Ban­da­gen gepackt wird – dann hat die AfD ein leich­tes Spiel, weil das ihr Spiel ist. Und dar­auf soll­te sich nie­mand ein­las­sen. Weder pro­tes­tie­ren­de Berufs­grup­pen noch Par­tei­en, die mit­ein­an­der koali­ti­ons­fä­hig blei­ben wollen. 

Mehr so meh

Freiburg before Christmas

Im Rück­blick ist 2023 defi­ni­tiv kein beson­ders gelun­ge­nes Jahr, „meh“ trifft es ganz gut. 

Also, pri­vat war soweit alles ok, ich habe mich nach mehr als einem Jahr­zehnt Arbeit in der Frak­ti­on end­lich mal drum geküm­mert, eine Woh­nung in der Nähe von Stutt­gart – in Ess­lin­gen – zu fin­den (und bin jetzt auch mit dem gan­zen Umzie­hen, Ent­rüm­peln, Strei­chen, Woh­nungs­über­ge­ben fer­tig). Gleich­zei­tig brin­ge ich mich inten­si­ver in die Orts­po­li­tik hier in Gun­del­fin­gen ein. Die Kin­der gedei­hen und wer­den groß, den Kat­zen geht’s gut. Das Sci­ence-Fic­tion-Jahr war inter­es­sant und unter­halt­sam. Coro­na (nach drei Jah­ren ohne) hät­te mich jetzt nicht erwi­schen müssen. 

Je wei­ter raus­ge­zoomt wird, des­to ner­vi­ger erscheint mir 2023. Bür­ger­ent­scheid zur Stra­ßen­bahn ver­lo­ren. Mei­ne Par­tei wird im Land und Bund von allen Sei­ten ange­fein­det. Die Ampel-Regie­rung schlit­tert mehr so dahin, über­zeugt jeden­falls nicht. Die AfD glaubt, sie sei die Wie­der­ge­burt einer natio­na­len Volks­par­tei, die Bau­ern und Bäue­rin­nen grei­fen zu Pro­test­for­men aus den 1920er Jah­ren (und ima­gi­nie­ren sich in den Bau­ern­krieg zurück). Die Bun­des-CDU zer­schmet­tert mal eben die Grund­la­ge für Inves­ti­tio­nen und will von einer Reform der Schul­den­brem­se nichts wis­sen. Und die Lan­des-CDU wäre eigent­lich lie­ber kraft­vol­le Oppo­si­ti­on statt Regie­rungs­part­ner (naja, noch lie­ber wür­de sie den Minis­ter­prä­si­den­ten stel­len …). Alles eher Gegen­wind, alles nichts, was Freu­de berei­tet. Und von der Ukrai­ne oder Isra­el, von der Dik­ta­tur in Russ­land oder der gefähr­de­ten Demo­kra­tie in den USA oder von den dies­jäh­ri­gen Kli­ma­ex­tre­men rede ich erst gar nicht.

Über die­se all­ge­mein schwie­ri­ge Lage las­sen sich dann leicht die Pflan­zen der Hoff­nung über­se­hen, die kräf­tig wach­sen. Der Atom­aus­stieg hat nicht zum Koh­le­re­vi­val geführt, son­dern den Weg für Wind­strom frei­ge­macht. Die Aus­bau­zie­le bei Pho­to­vol­ta­ik wer­den 2023 über­erfüllt. Da bewegt sich viel, im Moment wirkt es jeden­falls so, als wäre allein auf­grund der Wirt­schaft­lich­keit die Wei­che gestellt für eine rapi­de grü­ner wer­den­de Ener­gie aus erneu­er­ba­ren Quel­len und mit Bat­te­rie­spei­chern. Und auch das Deutsch­land­ti­cket ist ein rich­tig gro­ßer Reform­schritt (über die Bahn und deren Infra­struk­tur reden wir jetzt lie­ber nicht). Oder, inter­na­tio­nal betrach­tet: der Sieg der demo­kra­ti­schen Kräf­te in Polen – auch das gibt Hoffnung. 

Wir haben 2023 gelernt, dass Musk ein fie­ser Typ ist, dass die Hal­tung zu Isra­el und Paläs­ti­na zwi­schen der inter­na­tio­na­len und der deut­schen Lin­ken (inkl. Kli­ma­be­we­gung) sehr unter­schied­lich ist, dass Merz zurück in die 1990er, 1980er oder 1950er möch­te und dass linea­res Fern­se­hen weit­ge­hend tot ist. Cory Doc­to­row hat den Begriff „ens­hi­ti­fi­ca­ti­on“ geprägt, um zu erklä­ren, war­um Inter­net­platt­for­men dazu nei­gen, nach eini­ger Zeit unbe­nutz­bar zu wer­den. Wie wir mit sozia­len Medi­en umge­hen wol­len, wis­sen wir auch 2023 noch nicht wirk­lich. Mast­o­don hat sich als net­te, ruhi­ge Ecke und tech­ni­sche Grund­la­gen­in­fra­struk­tur ent­puppt, die aber genau des­we­gen nicht hype-taug­lich ist. Ach ja: und 2023 war das Jahr, in der die dis­kur­si­ve Leit­tech­no­lo­gie „KI“ hieß. Einer­seits, weil ChatGPT & Co. tat­säch­lich ein­drucks­voll gezeigt haben, dass sie plau­si­bel wir­ken­de Tex­te und Bil­der gene­rie­ren kön­nen (als ob …), ande­rer­seits, weil über­all, wo letz­tes Jahr „Block­chain“ dran­ge­schrie­ben wur­de, jetzt „KI“ dran­steht. Und damit ist dann nicht immer ein LLM oder ähn­li­ches gemeint, son­dern manch­mal ein ganz schlich­ter Algorithmus. 

Pro­gno­se für 2024: der KI-Hype wird abflau­en, weil das mit dem Geld­ver­die­nen nicht so rich­tig klappt. Vor­her aber wird er wei­ter dazu bei­tra­gen, Such­ergeb­nis­se unbrauch­bar zu machen und die Welt mit den typi­schen super­po­si­ti­ven Fünf­satz­ab­sät­zen zu über­flu­ten. Auch 2024 wird nicht das Jahr, in dem Vir­tu­el­le Rea­li­tät oder auto­nom fah­ren­de Autos ihren Durch­bruch fei­ern wer­den (sie­he auch: Musk als fie­ser Typ, sie­he auch: schum­meln). Die Kom­mu­nal- und Euro­pa­wahl im Juni 2024 wird nicht groß­ar­tig, aber ok. Die Ampel wird trotz FDP-Mit­glie­der­be­fra­gung wei­ter­ma­chen. Die Land­tags­wah­len im Osten wer­den kata­stro­phal aus­ge­hen, wenn nicht vor­her noch was pas­siert. Eine Pro­gno­se dazu, wie es in den USA wei­ter­geht, wage ich nicht. Und Viren, der Kli­ma­wan­del und ähn­li­che Din­ge machen das, was sie auch in den letz­ten Jah­ren getan haben: sie fol­gen Natur­ge­set­zen und nicht dis­kur­si­ven Hochs und Tiefs. Was lei­der kei­ne gute Nach­richt ist. 

Sina Trink­wal­der spricht von den Geburts­we­hen eines neu­en Zeit­al­ters. Hof­fen wir, dass das eine zutref­fen­de Beschrei­bung unse­rer Zeit ist.

Nach der Mega-BDK: Grün geht weiter

BDK 2023

Ich hat­te ja auf­ge­schrie­ben, dass ich durch­aus mit Sor­ge auf den grü­nen Bun­des­par­tei­tag schaue. Nach vier Par­tei­tags­ta­gen (bei mir: drei im Stream, einer vor Ort) stel­le ich fest, dass wir Grü­ne leben­di­ger sind, als man­che das ger­ne hät­ten. Ich wür­de mich freu­en, wenn ein biss­chen von dem – zuwei­len auch trot­zi­gen – Auf­bruchs­geist und Mut, den die­se vier Tage aus­ge­strahlt haben, in die nächs­ten Wochen und Mona­te hin­ein­wir­ken wür­de. Denn Koor­di­na­ti­on und Zusam­men­halt, gemein­sa­mes Strei­ten um die Sache und gemein­sa­mes Hin­ste­hen für das Erreich­te, das bleibt drin­gend angesagt.

Die ganz gro­ßen Über­ra­schun­gen sind aus­ge­blie­ben. Die Bun­des­vor­sit­zen­den und der (bis auf den Schatz­meis­ter) gleich geblie­be­ne Bun­des­vor­stand wur­den mit guten bis sehr guten Ergeb­nis­sen bestä­tigt, die Euro­pa­lis­te mit Spit­zen­kan­di­da­tin Ter­ry Reint­ke ist jün­ger, weib­li­cher und lin­ker gewor­den. Was lei­der nicht gut gelun­gen ist: Leu­te mit fach­li­cher Exper­ti­se, aber ohne inten­si­ve Par­tei-Ein­bin­dung auf die Lis­te zu brin­gen. Das war mal eine grü­ne Stär­ke, inzwi­schen kopie­ren es ande­re, und bei uns sieht es dies­be­züg­lich eher mau aus. Gleich­wohl: auf der jetzt gewähl­ten Lis­te sind sehr star­ke Kandidat*innen, und es ist immer wie­der erfreu­lich, zu sehen, wie viel­fäl­tig und her­aus­ra­gend unse­re Leu­te sind.

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Vor der Mega-BDK: Neuerfindung oder Weiterwursteln?

Rasmus' painting II

Ab heu­te Don­ners­tag, am spä­ten Nach­mit­tag, 17 Uhr, beginnt in Karls­ru­he die 49. Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (BDK) von Bünd­nis 90/Die Grü­nen. Das ers­te Mal, dass die­ser Par­tei­tag mit rund 800 Dele­gier­ten für vier Tage zusam­men­kommt – und es steht auch eini­ges auf der Tages­ord­nung: der Bun­des­vor­stand und der Par­tei­rat wer­den neu gewählt, das Wahl­pro­gramm für die Euro­pa­wahl 2024 und die Lis­te dazu – für die 40 Plät­ze, die gewählt wer­den sol­len, bewer­ben sich rund 65 Per­so­nen – sol­len beschlos­sen wer­den, und zudem gibt es eine gan­ze Rei­he von Dring­lich­keits­an­trä­gen, u.a. zur Hal­tung zu Isra­el und zur Migra­ti­ons­po­li­tik. Alles gut? Ich mache mir Sorgen.

Karls­ru­he, weil dort vor im Janu­ar 1980 die dama­li­gen DIE GRÜNEN gegrün­det wur­den, und coro­nabe­dingt erst jetzt das 40-jäh­ri­ge Jubi­lä­um gefei­ert wer­den kann. So rich­tig viel Par­ty­stim­mung sehe ich jedoch im Vor­feld der BDK nicht. Zwar ste­hen wir Grü­ne mit rund 15 Pro­zent in den bun­des­wei­ten Umfra­gen unge­fähr da, wo wir bei der Bun­des­tags­wahl 2021 lagen. Aber die Per­for­manz der Ampel, die all­ge­mei­nen Kri­sen (bis hin zu den Wahl­er­geb­nis­sen in Bay­ern und Hes­sen vor ein paar Wochen und dem Rechts­ruck in den Nie­der­lan­den heu­te), und jetzt noch das Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zur Ver­fas­sungs­wid­rig­keit des Kli­ma- und Trans­for­ma­ti­ons­fonds – das alles lädt nicht zum Jubeln ein. 

Die Dring­lich­keits­an­trä­ge sind hef­tig umstrit­ten. Der Bun­des­vor­stand (der kom­plett noch ein­mal kan­di­diert) steht im Wind­schat­ten der grü­nen Minister*innen und wird, so mein Ein­druck, als wenig tat­kräf­tig wahr­ge­nom­men. Der Par­tei­rat ver­liert an poli­ti­scher Bedeu­tung. Und bei er Euro­pa­lis­te wird es spä­tes­tens ab Platz 2 ein Hau­en und Ste­chen geben, weil fast alle bis­he­ri­gen Abge­ord­ne­ten wie­der ins Euro­pa­par­la­ment wol­len, aber alle Pro­gno­sen davon aus­ge­hen, dass das Rekord­ergeb­nis von 2019 nicht gehal­ten wer­den kann.

Viel­leicht, noch einen Schritt wei­ter­ge­hend, zeigt sich ein Kon­struk­ti­ons­pro­blem in Regie­rungs­zei­ten. Robert Habeck macht sei­ne Sache als Kli­ma- und Trans­for­ma­ti­ons­mi­nis­ter so gut, wie das in die­sen Zei­ten eben geht. Er ist als Vize­kanz­ler zugleich für die Koor­di­na­ti­on der grü­nen Regie­rungs­sei­te ins­ge­samt zustän­dig. Da wird es mit dem geschlos­se­nen und abge­stimm­ten Auf­tre­ten schon schwie­ri­ger. Und beim Blick auf die Par­tei zeigt sich so etwas wie ein Führungsvakuum. 

Omid Nou­ri­pour und Ricar­da Lang haben zwi­schen den wider­stre­ben­den Inter­es­sen der Regie­rungs­po­li­tik und einer eigent­lich recht selbst­be­wuss­ten Par­tei wenig Bein­frei­heit. 2018 bis 2021 war eine Zeit des mas­si­ven Mit­glie­der­wachs­tums, getra­gen von der Unter­stüt­zung der Öffent­lich­keit für grü­ne The­men. Erfol­ge wer­den ger­ne zusam­men gefei­ert. Die­ser Wind hat sich nun gedreht. Und die Fra­ge danach, wie eine Par­tei mit dem Anspruch, die gesam­te Gesell­schaft zu ver­tre­ten und zu moder­ni­sie­ren, in einer Zeit hef­ti­gen Gegen­winds agie­ren soll, bleibt ungeklärt. 

Das ist der Ele­fant im Par­tei­tags­raum. Wenn alles gut läuft, dann ist die­se Mega-BDK der Punkt, an dem die Par­tei sich wie­der ein­mal neu erfin­det und damit auch zu neu­er Geschlos­sen­heit fin­det. Wenn nicht, dann blei­ben die nächs­ten Mona­te schwierig. 

P.S.: Ich wer­de mir die BDK heu­te und mor­gen im Stream anschau­en und bin vmtl. Sams­tag vor Ort.