Schon wieder ein Parteitagswochenende – diesmal am anderen Ende der Republik, in Kiel. Mein Kreisverband hat mich delegiert; angesichts der Entfernung und der Tatsache, dass diesen Sonntag eine nicht ganz unwichtige Volksabstimmung ansteht (ich habe selbstverständlich mein „Ja“ per Briefwahl angekreuzt) , war das Interesse allerdings begrenzt.
Medial sichtbar geworden ist die diesjährige ordentliche BDK, so jedenfalls mein Gefühl, bisher vor allem durch den Sonntagmorgenantrag D‑02. Das ist der netzpolitische Leitantrag, der mir zwar vom Stil her stellenweise ein zu pathetisch ausgefallen ist, aber rüberbringt, wie grün Netzpolitik eigentlich ist. (Dazu ganz lesenswert übrigens der relativ gut recherchierte Text der FAZ zur Ur- und Vorgeschichte grüner Netzpolitik).
Heftig diskutiert wird aber nicht unsere Haltung zu digitaler Demokratie, die Ablehnung von Netzsperren etc. oder die Open-Access-Idee im Wissenschaftsbereich, sondern vor allem die Urheberrechtsfrage. Die großen Lobbyverbände und Verwertungsorganisationen sehen – in Weltuntergangssprache, aber das mag mit der Nähe zu Hollywood zu tun zu haben, die Grünen hier auf der schiefen Bahn, die NetzpolitikerInnen schauen auf die innerparteiliche Debatte zwischen Kultur und Netzpolitik und wundern sich.
Ein bisschen was dazu habe ich hier ja bereits geschrieben. Lars Brücher spitzt noch etwas mehr zu und sieht in der Frage, in welcher Form D‑02 am Schluss verabschiedet wird, eine Jahrhundertfrage. Ganz so hoch würde ich es nicht hängen, vor allem auch deshalb, weil ich überzeugt davon bin, dass die Entscheidung – wie auch schon viele Entscheidungen vorher im Zusammenhang mit Wahlprogrammen etc. – eine Zwischenstation darstellt im engagierten innerparteilichen Versuch, in der Debatte eine Lösung zu finden, die das Urheberrecht weiterentwickelt, KünstlerInnen besser stellt und NutzerInnen vor Kriminalisierung schützt. Spannend wird es Sonntag jedenfalls allemal.
„Der Parteitag wird spannend“ – das sieht wohl auch Steffi Lemke so. Aber gar nicht so sehr wegen D‑02, sondern, weil dieser Parteitag aktuelle Themen aufgreift (Finanzkrise! Inklusion! Arabischer Frühling! – und ganz aktuell: Rechtsextremismus!), und vor allem deswegen, weil es einige formale Experimente gibt. Auf die bin ich in der Tat auch gespannt.
So ist dem eigentlichen Parteitag eine Workshopphase mit einem Dutzend parallelen Workshops vorgeschaltet, in denen das Leitthema Demokratie diskutiert werden soll. Ich habe mich hier für die innerparteiliche Demokratie angemeldet, und hoffe, rechtzeitig in Kiel zu sein, um mitreden zu können. (Innerparteiliche Demokratie: es gibt auch eine Reihe von Satzungsänderungen, und nachdem ich mich kürzlich erst mit einem Plädoyer für Veränderungen in der innerparteilichen Struktur unserer Partei wieder in den Länderrat habe wählen lassen, meine ich, dass ich da hin muss …). Also ein bisschen Zukunftskongress auf der BDK.
Die zweite, auf einigen Mailinglisten durchaus auch kritisch diskutierte formale Neuerung ist ein anderer Umgang mit V‑Anträgen. V‑Anträge haben nichts mit dem Verfassungsschutz zu tun, sondern sind die vielen aus der Basis eingebrachten Anträge jenseits der großen Leitanträge und gesetzte Themen. Davon gibt es meist mehr als es Zeit gibt, so dass viele – auf Vorschlag der Antragskommission – summarisch überwiesen oder nicht befasst werden. Diesmal soll es wohl eine Art Ranking der V‑Anträge durch die Delegierten geben, so dass die Anträge behandelt werden, die den meisten Delegierten wichtig erscheinen. Klingt für mich sinnvoll, soll von der Grünen Jugend übernommen worden sein – ob’s funktioniert, werden wir sehen.
Also, mal wieder ein Wochenende voll mit grüner Parteiarbeit. Ob da für Kiel noch Zeit bleibt – ich befürchte fast, es wird eine dieser Städte werden, in der ich „dank“ Partei schon war, von der ich aber so gut wie nichts gesehen habe.
Warum blogge ich das? Als Teil meiner persönlichen Parteitagsvorbereitung. Die Anträge nehme ich übrigens digital mit – und spare mir damit einen prall gefüllten Aktenordner.