Regieren nach Zahlen: Was auf der BDK 2013 ansteht (Update)

„Zeit für den grü­nen Wan­del“ – unter die­sem Mot­to steht der Antrag des Bun­des­vor­stands für das grü­ne Wahl­pro­gramm 2013. Der Antrag und alle etwa 2500 Ände­rungs­an­trä­ge sind hier abruf­bar. Wir sind also noch flei­ßi­ger gewe­sen als sonst und haben damit ver­mut­lich die Bun­des­ge­schäfts­stel­le an ihre abso­lu­ten Belas­tungs­gren­zen gebracht. Ab Frei­tag wird dann ent­schie­den, wie das end­gül­ti­ge Pro­gramm aus­sieht – und ob wir Him­bee­ren oder Erd­bee­ren als Bei­spiel für außer der Sai­son ange­bo­te­ne Früch­te bevorzugen.

Nach­dem jetzt alles auf dem Tisch liegt (bis auf die Antrags­über­sich­ten der Antrags­kom­mis­si­on, aus denen ersicht­lich ist, für wel­che Anträ­ge Über­nah­men emp­foh­len wer­den – aber die sol­len ab mor­gen kom­men), habe ich mir mal den Spaß gemacht, und Pro­gramm und Ände­rungs­an­trä­ge in Excel gekippt. Genau­er gesagt habe ich zwei Din­ge gezählt: die Zahl der Zei­len pro Kapi­tel, und die Zahl der Ände­rungs­an­trä­ge pro Kapi­tel (hier die Daten dazu). Ers­te­re sind durch­num­me­riert, inso­fern war das rela­tiv ein­fach – bei letz­te­ren habe ich mich mög­li­cher­wei­se an der einen oder ande­ren Stel­le ver­zählt. Trotz­dem las­sen sich damit ein paar inter­es­san­te Aus­sa­gen dazu tref­fen, wo wir im Wahl­kampf Schwer­punk­te set­zen – und wo die Par­tei beson­ders dis­kus­si­ons­freu­dig ist.

Zunächst ein­mal zum Auf­bau des Pro­gramms. Der sieht, in Zah­len gefasst, so aus:

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Das Rätsel SPD – eine Verfahrensfrage

Concentric II

Wie bei uns eine Idee den Weg ins Wahl­pro­gramm fin­det, habe ich 2010 mal aus­führ­li­cher auf­ge­schrie­ben. Kurz gesagt: Es gibt den Wahl­pro­gramm­ent­wurf des Bun­des­vor­stands, es gibt Ände­rungs­an­trä­ge dazu (von Glie­de­run­gen, Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaf­ten oder 20 ein­zel­nen Mit­glie­dern), und weil das sehr vie­le wer­den kön­nen – dies­mal 2600 – lau­fen die­se durch eine Antrags­kom­mis­si­on, die schaut, was (modi­fi­ziert) über­nom­men wer­den kann, was durch ande­re Anträ­ge erle­digt ist, und was kon­tro­vers abge­stimmt wer­den muss. 

Heu­te hat­te die SPD ihren Bun­des­par­tei­tag zum Wahl­pro­gramm. Irgend­wie lief der Stream nicht bei mir, und dann hat­te es auch noch schö­nes Wet­ter, das ich dann lie­ber drau­ßen genos­sen habe, statt den Genos­sen zuzu­schau­en. Über Twit­ter habe ich ein paar Schnipp­sel Par­tei­tag mit­ge­kriegt: Lan­ge Reden, Clau­dia war auch da, und Peer Stein­brück hat noch­mal betont, dass er Kanz­ler wer­den will – ist ja heut­zu­ta­ge kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit. Ach so: Und diver­se Mel­dun­gen der Form „der Antrag XYZ aus BaWü wur­de gegen das anders­lau­ten­de Votum der Antrags­kom­mis­si­on doch ins Pro­gramm auf­ge­nom­men“. [Nach­trag: Inzwi­schen hat sich die­ses Rät­sel gelöst, sie­he ganz unten.]

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Kurz: Wer wäre wir?

Ich weiß, es ist furcht­bar gemein, sich über müh­sam erdach­te Wahl­slo­gans ande­rer Par­tei­en lus­tig zu machen. Die SPD hat heu­te ihren Cla­im für die Bun­des­tags­wahl 2013 vor­ge­stellt, und er lau­tet … „Das Wir entscheidet“.

Hmm. Ich kann nach­voll­zie­hen, wie­so eine Agen­tur zu die­sem Cla­im kom­men kann. „Wir ent­schei­den“ = Demo­kra­tie, „Wir nicht ich“ = Sozia­les, „Das Wir ent­schei­det“ = Sozi­al­de­mo­kra­tie. Aber irgend­wie lädt der Cla­im doch zu Scher­zen ein. „Das Peer ent­schei­det“. „Das Tri­um­WIRat“. „Ist das jetzt ein plu­ral maje­s­ta­tis?“ (Dass zudem ein Dis­kus­si­ons­pa­pier einer Uni zu Natio­nen im Glo­ba­li­sie­rungs­trend auch „Das ‚Wir‘ ent­schei­det“ heißt, sei mal außen vor gelassen).

Also, Spott. Nicht nur nicht, son­dern auch ande­re. Und wenn ich mir noch­mal ganz genau anschaue, dann war viel­leicht Peer Stein­brück nicht unschul­dig. Der twit­ter­te näm­lich dies:

Drei Sät­ze: „Was Ihr sofort wis­sen sollt:“ – „Wir haben einen Wahl­kampf­slo­gan:“ – „Das Wir entscheidet.“

In Satz eins gibt es „Ihr“ (das sind wir, die wir Stein­brücks Tweets lesen) und damit impli­zit ein „Wir“. Die­ses „wir“ taucht in Satz 2 auf. Wir, die SPD, haben einen Wahl­kampf­slo­gan. Und der lau­tet: „Das Wir ent­schei­det“. Wer ent­schei­det nun? Ihr oder wir?

P.S.: Ich gespannt auf den grü­nen Claim.

Nach­trag (10.04.2013): Den grü­nen Cla­im ken­ne ich noch nicht, aber im Netz kur­siert der­zeit die Anzei­ge einer Zeit­ar­beits­fir­ma, die eben­falls auf „Das WIR ent­schei­det“ als Slo­gan gekom­men ist. Passt.

Nach­trag 2: Bes­ser und erfolg­rei­cher wäre – das ergab ein Pre­test auf Twit­ter – auch der sozi­al­de­mo­kra­tisch-kuli­na­ri­sche Slo­gan „Das Bier ent­schei­det“, der sich wei­ter­ent­wi­ckeln lässt zu „Cur­ry­wurst und Bier – für die SPD stim­men wir“. Damit wür­de der ver­blie­be­ne SPD-Mar­ken­kern maxi­mal ausgereizt.

Nach­trag 3 (11.04.2013): Die Leih­ar­beits­fir­ma hat sich inzwi­schen über­legt, dass sie es nicht gut fin­det, was die SPD zu Leih­ar­beit sagt, und ihr den Slo­gan doch lie­ber nicht über­las­sen will. Also doch Cur­ry­wurst und Bier. Oder „$slo­gan“.

Kurz: Wahlprogramm, Phase II

Am Frei­tag lief die Dead­line für Ände­rungs­an­trä­ge zum grü­nen Wahl­pro­gramm­ent­wurf für die Bun­des­tags­wahl aus. Etwa 2600 Anträ­ge wur­den ein­ge­reicht (soweit ich das sehe, ste­hen trotz Nacht­schicht der Bun­des­ge­schäfts­stel­le noch nicht alle online). Über die­se Anträ­ge wird in knapp drei Wochen auf der Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (BDK) in Ber­lin dis­ku­tiert und abge­stimmt – von Frei­tag­nach­mit­tag bis Sonn­tag­mit­tag. Danach haben wir dann das beschlos­se­ne Wahl­pro­gramm 2013.

Zwi­schen Antrags­schluss und BDK liegt Pha­se II der inner­par­tei­li­chen Debat­ten­schlacht ums Wahl­pro­gramm. Pha­se II fin­det an zwei Orten statt. In der Öffent­lich­keit wird mit zuneh­men­der Hef­tig­keit für (oder gegen) bestimm­te Posi­tio­nen gestrit­ten. Schließ­lich ent­schei­den die Par­tei­tags­de­le­gier­ten auch danach, was ihnen pres­se­öf­fent­lich als ver­nünf­tig dar­ge­legt wird.

Gleich­zei­tig tagt hin­ter den Kulis­sen die Antrags­kom­mis­si­on. Die­se hat die Auf­ga­be, mit Hil­fe von Ver­fah­rens­vor­schlä­gen die 2600 Ände­rungs­an­trä­ge behan­del­bar für den Par­tei­tag zu machen. Dies geschieht ins­be­son­de­re dadurch, dass redak­tio­nel­le und inhalt­lich unstrit­ti­ge Ände­run­gen in den Ver­fah­rens­vor­schlä­gen als (modi­fi­zier­te) Über­nah­men gekenn­zeich­net wer­den. Z.T. wird auch Nicht­be­fas­sung emp­foh­len. Übrig blei­ben mehr oder weni­ger kon­tro­ver­se Fra­gen, die die Dele­gier­ten dann zu ent­schei­den haben – sofern es nicht Don­ners­tag und Frei­tag vor der BDK noch zu Kom­pro­mis­sen zwi­schen Antrag­stel­le­rIn­nen und Antrags­kom­mis­si­on kommt.

Kurz: Machen wir das Wunder möglich

Wir sei­en zu nett, heißt es in der ZEIT. Wir hät­ten zwar immer Recht gehabt, aber das sei irgend­wie auch blöd, meint die FAZ. Und auch anders­wo ist so in etwa zu lesen, dass GRÜNE ja eigent­lich schon eine sym­pa­thi­sche Par­tei mit den rich­ti­gen Bot­schaf­ten sei­en, dass aber ja eh klar wäre, dass die­se Wahl nicht zu gewin­nen sei – scha­de drum.

Quatsch, mei­ne ich. Anders als die SPD sind wir eine Par­tei, die gelernt hat, auch in schein­bar aus­weg­lo­sen Situa­tio­nen zu kämp­fen. Wenn der Wan­del, den wir im Wahl­pro­gramm aus­ru­fen, so harm­los und selbst­ver­ständ­lich scheint, dann hat das damit zu tun, wie viel grü­ne Pro­gram­ma­tik längst über ein klei­nes Kern­mi­lieu hin­aus anschluß­fä­hig gewor­den ist. Und wer das rich­tig fin­det, soll uns gefäl­ligst auch wäh­len – statt sich über Net­tig­keit oder einen Hang zur Arro­ganz aus Erfah­rung zu mokieren.

In gut 180 Tagen ist Bun­des­tags­wahl. Der­zeit ste­hen wir Grü­ne in den Umfra­gen zwi­schen 14 und 16 Pro­zent. Das wäre viel, aber das ist nicht genug. Wer meint, dass die­se Repu­blik eine rea­lis­ti­sche Alter­na­ti­ve zum Mit­tel­maß zwi­schen Beton und per­ma­nen­ter Kri­se ver­dient hat, wer es unver­ant­wort­lich fin­det, wei­te­re fünf Jah­re auf den nächs­ten Moder­ni­sie­rungs­sprung war­ten zu müs­sen, muss am 22. Sep­tem­ber schlicht und ein­fach grün wäh­len. Selbst wenn Clau­di­as Klei­der­wahl, Cems Bart­fri­sur, Kat­rins Rede­stil oder Jür­gens neu ent­deck­tes Fai­ble für Anzü­ge dabei stö­ren soll­ten – tut es ein­fach! Helft, das Wun­der mög­lich zu machen!