Kurz: „Grünzeug am Mittwoch“ – Internetarchäologie

Bei mei­nen Archiv­wühl­ar­bei­ten ist mir anhand toter Links auf­ge­fal­len, dass der baden-würt­tem­ber­gi­sche Lan­des­ver­band der Grü­nen von 2009 bis etwa 2013/14 ein Blog betrie­ben hat, das zumin­dest zeit­wei­se auch rege genutzt und als Debat­ten­fo­rum ver­wen­det wur­de. Das hat­te ich schon fast vergessen. 

Ich selbst habe von 2009 bis 2012 dort mehr oder weni­ger jeden Mitt­woch ein „Grün­zeug am Mitt­woch“ geschrie­ben. Zu allen mög­li­chen The­men, die Grü­ne – in Baden-Würt­tem­berg, und dar­über hin­aus – bewe­gen. Heu­te ist das Blog nur noch über das Inter­net Archi­ve zu fin­den, zumin­dest grö­ße­re Tei­le davon. Unten ein Link zu einem Goog­le Doc, in dem ich „mei­ne“ Ein­trä­ge, so weit sie noch im Inter­net Archi­ve zu fin­den waren, ein­mal zusam­men­ge­stellt habe. Nicht voll­stän­dig, und auch nicht hübsch for­ma­tiert, aber viel­leicht doch ganz praktisch.

> Grün­zeug am Mitt­woch 001 bis 148

Gene­rell: wenn ich mir die unglaub­lich gro­ße Men­ge nicht mehr funk­tio­nie­ren­der Links schon nach zehn oder fünf­zehn Jah­ren anschaue, glau­be ich, dass zukünf­ti­ge Historiker*innen mal ihren Spaß haben wer­den, zu rekon­stru­ie­ren, was in den 2010er Jah­ren so los war. 

Zwanzig Jahre Bloggen: der Gesamtüberblick

Nach­dem ich mir vor ein paar Tagen die ers­ten zehn Jah­re des Blogs ange­schaut habe, gibt es jetzt den Gesamtüberblick. 

Fest­stel­lung eins: Frü­her war alles bes­ser … die Zahl der Bei­trä­ge hat fast kon­ti­nu­ier­lich abge­nom­men, und liegt aktu­ell noch­mal deut­lich nied­ri­ger, als ich das ver­mu­te­tet hat­te. Bis Ende 2021 sind ins­ge­samt 2480 Blog­bei­trä­ge zusam­men­ge­kom­men. Über die gesam­te Zeit betrach­tet ent­fällt ein Drit­tel aller Bei­trä­ge auf das „Foto der Woche“ als Grund­kon­stan­te mei­nes Blogs – inter­es­sant dabei auch zu sehen, wie sich zum einen über zwan­zig Jah­re die Moti­ve (und Tex­te dazu) wie­der­ho­len, und wie sich auch die Nut­zung die­ses For­mats ändert – mal geht es nur um das Bild, mal wird es mit kür­ze­ren oder län­ge­ren poli­ti­schen State­ments oder Tage­buch-Ein­trä­gen ver­bun­den. Inso­fern täuscht der gro­ße Block „Foto der Woche“ etwas, denn zum Teil ver­ber­gen sich dar­un­ter auch ande­re For­ma­te und Themen.

Fest­stel­lung zwei: Es ist inter­es­sant, wel­che Strei­che einem das eige­ne Erin­ne­rungs­ver­mö­gen spielt. Bei­spiels­wei­se gab es Bei­trä­ge aus dem Jahr 2014, bei denen ich mir ziem­lich sicher war, dass sie maxi­mal zwei Jah­re alt sind. Und dann bin ich auch alles ande­re als kon­sis­tent, For­ma­te und Text­for­men ver­än­dern sich und vari­ie­ren beträchtlich.

Fest­stel­lung drei: Wah­len aller Art (OB-Wahl, Kom­mu­nal­wahl, Land­tags­wahl, Bun­des­tags­wahl) und die dazu­ge­hö­ri­gen Vor­be­rich­te, Wahl­pro­gram­me, Kan­di­da­tu­ren, Ana­ly­sen usw. füh­ren zu einem recht regel­mä­ßi­gen Mus­ter der Bericht­erstat­tung. Jen­seits der Wah­len (und dem Grund­the­ma „Grü­ne“) schwankt der the­ma­ti­sche Fokus mei­nes Blogs beträcht­lich – Netz­po­li­tik (diver­se Groß­the­men, die Pira­ten!), Wissenschaft(spolitik) (im Blick ins­be­son­de­re, solan­ge ich selbst in der Wis­sen­schaft tätig bin, also bis etwa 2011), Öko­lo­gie – 2019 mit Fri­days for Future und der wie­der im Fokus der Auf­merk­sam­keit ste­hen­den Kli­ma­kri­se gibt es einen gan­zen Schwung Tex­te dazu – und gesell­schafts­po­li­ti­sche Fra­gen (2012–2015) gera­ten mal in den Blick und dann auch wie­der aus dem Blick.

Fest­stel­lung vier: Blog und Leben sind kor­re­spon­die­ren­de Röh­ren. Nicht nur mehr oder weni­ger star­ker pri­va­ter Stress hat einen Ein­fluss dar­auf, was und wie viel ich blog­ge (regel­mä­ßig gibt es dazu kurz vor Weih­nach­ten Nör­ge­lein­trä­ge), son­dern auch mei­ne Arbeit. Was ja irgend­wie logisch ist. Solan­ge ich an der Uni war, spielt die Lokal­po­li­tik rund um die Uni eine grö­ße­re Rol­le, eben­so wis­sen­schafts­po­li­ti­sche Fra­gen und Wis­sen­schaft selbst. Im Land­tag habe ich als Par­la­men­ta­ri­scher Bera­ter für die grü­ne Frak­ti­on zwar die The­men Hoch­schu­le, Kul­tur, Medi­en bear­bei­tet, dazu aber teil­wei­se genau des­we­gen weni­ger geschrie­ben. Und seit ich als Grund­satz­re­fe­rent über­ge­ord­net zustän­dig bin, nimmt die Zahl mei­ner öffent­li­chen Mei­nungs­äu­ße­run­gen zur Lage der Par­tei eher ab. 

Fest­stel­lung fünf: Coro­na hat in den letz­ten zwei Jah­ren dazu geführt, dass vie­le Events aus­ge­fal­len sind, über die ich sonst geschrie­ben habe – und dass ein beträcht­li­cher Teil mei­ner Blog­ar­ti­kel auf mei­ne tage­buch­ar­ti­ge Samm­lung „Zeit des Virus“ und auf Din­ge wie Brot­re­zep­te und Spa­zier­gän­ge ent­fal­len sind. Zusam­men mit den Wech­sel­wir­kun­gen beruf­li­cher Art führt auch das zu einem Rück­gang der dezi­diert auf Poli­tik bli­cken­den Bei­trä­ge – wobei natür­lich auch dar­über gestrit­ten wer­den kann, wie weit so etwas wie mein Coro­na­ta­ge­buch poli­tisch ist. 

Fest­stel­lung sechs: Einen Teil der Funk­tio­nen, ins­be­son­de­re kur­zer Kom­men­tie­run­gen zur Lage der Din­ge, die vor­her das Blog hat­te, lan­den zuneh­mend bei Twit­ter, erst recht, seit es dort Mode gewor­den ist, län­ge­re Tweet-Ket­ten zu schreiben. 

Das mal als Bestands­auf­nah­me, die auch ein Stück weit erklärt, war­um die Zahl der Zugrif­fe auf das Blog eher im Sink­flug begrif­fen ist. Ich könn­te jetzt die gro­ße Fra­ge „Was wür­det ihr ger­ne lesen?“ in die Run­de wer­fen, aber ich glau­be, dass das die fal­sche Hal­tung ist. Viel­leicht macht es mehr Sinn, mich dar­an zu ori­en­tie­ren, was ich inter­es­sant und fest­hal­tens­wert genug fin­de, um es der Welt mit­zu­tei­len. Wenn das auf Leser*innen stößt, gerne.