Am 26. November 2017 ist der Freiburger Soziologe Baldo Blinkert gestorben. Da ich, wie Generationen Freiburger Soziologiestudierender, viel von ihm gelernt habe, und ihn durchaus als prägenden Einfluss sehe, will ich doch ein paar Worte zur Erinnerung in mein Blog setzen.
Erstens war Blinkert derjenige, der am immer eher kleinen Freiburger Institut für Soziologie – und am FIFAS, seinem Forschungsinstitut – die sozialwissenschaftliche Methodenausbildung verkörperte, insbesondere mit Blick auf fortgeschrittenere Statistik. Leise und beharrlich erklärte er uns Alpha- und Beta-Fehler, Regressionen und Varianztests.
Zweitens war Blinkert für mich die Verkörperung des akademischen Mittelbaus. Lange, lange Jahre wirkte er als „akademischer Oberrat“, erst spät wurde er zum außerplanmäßigen Professor. Eingebracht hat er sich, so jedenfalls die damalige studentische Perspektive, nicht mehr oder weniger als die „ordentlichen“ Professor*innen. Auch daran ließe sich viel über das akademische Berufsfeld erläutern.
Drittens und am wichtigsten für das Bild von Blinkert, wie es in meiner Erinnerung bleibt: im Wintersemester 1998 besuchte ich bei ihm ein Seminar zur Stadtsoziologie, genauer gesagt: zur Krise der Stadtentwicklung. Da ging es um Globalisierung, fordistische und postfordistische Theorien der Stadt und ähnliches mehr. Das war nicht nur inhaltlich spannend, sondern auch deswegen interessant, weil zum Seminar Radtouren in verschiedene Freiburger Stadtteile gehörten – Soziologie mit direkter Erkundung des Versuchsgegenstands wirkliche Welt, sozusagen.
Während der Blinkert der Methodenseminar trocken und manchmal auch schwer verständlich sein konnte, lernte ich hier einen engagierten Soziologen kennen, bei dem deutlich wurde, dass statistische Methoden kein Selbstzweck sind, sondern immer das Ziel haben, sich einem Gegenstand zu näheren und im besten Fall die Perspektive der Betroffenen sichtbar zu machen.
Auch über das soziologische Seminar hinaus wirkte Blinkert in die Stadt hinein: mit der Kinderstudie, die Frei- und Bewegungsräume von Kindern ins Sichtfeld der Stadt gezogen hat, und direkt auf die Gestaltung Freiburgs Wirkung zeigte, mit der jahrelangen Erstellung des Mietspiegels, und immer wieder als Stimme in Diskussionen und Gesprächsrunden.
Diese Stimme – leise und beharrlich, engagiert und zugleich bescheiden – ist jetzt verstummt. Aber etwas bleibt davon. Bei vielen, die in Freiburg studiert haben, und auch in der Stadt selbst.
Nachruf Stefan Kaufmann/Institut für Soziologie
Nachruf Thomas Goebel/Badische Zeitung