Kurz: Über schöne Dinge

Bei mir sam­meln sich ja vor allem Bücher an. Und Lego-Model­le. Und natür­lich die inzwi­schen glück­li­cher­wei­se weit­ge­hend digi­ta­len Foto­gra­fien. Ach ja, und Sachen mei­ner Eltern, die natür­lich auch. Das eine oder ande­re Sou­ve­nir. Bil­der an den Wän­den. Vol­le Schub­la­den. Und Sta­pel auf den Tischen.

Was da eigent­lich pas­siert, damit befasst sich der Kul­tur­his­to­ri­ker Valen­tin Groeb­ner in sei­nem Essay­band Auf­he­ben, Weg­wer­fen. Vom Umgang mit den schö­nen Din­gen (Kon­stanz, 2023). Er zieht dabei Bögen von der klei­nen Tasche für die eige­nen Din­ge, die römi­sche Söld­ner mit sich tru­gen, über Reflek­tio­nen zu Magie (immer etwas, das ande­re tun könn­ten, so dass selbst vor­ge­sorgt wer­den muss) und Schön­heit bis hin zu den den viel­fäl­ti­gen glo­ba­len Ver­flech­tun­gen, Expor­te, Impor­te und Re-Impor­te der letz­ten tau­send Jah­re. Groeb­ner macht das in einem freund­li­chen Erzähl­stil, mit gelehr­tem Spott und einem Hauch Selbst­iro­nie über die distin­gu­ier­te Welt der Sammler*innen und die Kul­te des Mini­ma­lis­mus mit ihren wei­ßen Wän­den (schwer zu put­zen) und den sich doch wie­der ansam­meln­den Din­gen in den Augen­bli­cken, in denen Leben stattfindet. 

Das ist auf jeden Fall schön zu lesen. Es fin­den sich hüb­sche For­mu­lie­run­gen wie die, dass wir Mol­lus­ken glei­chen, die sich einen Pan­zer aus Din­gen schaf­fen. Und viel zu oft das Gefühl eines Ertappt­seins und der Wie­der­erken­nung, auch wenn’s nie ganz genau so wie bei Groeb­ner ist. Ob ich jetzt mehr über den Umgang mit den mit Erin­ne­rung auf­ge­la­de­nen Din­gen weiß, da bin ich mir noch nicht sicher. Rat gibt Groeb­ner nicht. Viel­leicht den, dass Schön­heit und Zufrie­den­heit in der Begren­zung liegt, und das Stre­ben nach Voll­stän­dig­keit und Bewah­rung eher eine Last ist. Die erst im Rück­blick zu erken­nen ist. We will see. 

… denn die Zeiten ändern sich (bloß wie?)

Fünf­zig Jah­re 1968 ist selbst­ver­ständ­lich Anlass für Events. Dem kann sich auch das baden-würt­tem­ber­gi­sche Haus der Geschich­te in Stutt­gart nicht ver­schlie­ßen und zeigt noch bis zum 24.6.2018 in sei­nem Kel­ler die Son­der­au­stel­lung „… denn die Zei­ten ändern sich: die 60er Jah­re in Baden-Würt­tem­berg“ (Ein­tritt: 5 €).

Vor­ne­weg: der Kata­log zur Aus­stel­lung (19,80 €) ist fast inter­es­san­ter als die sehr kon­ven­tio­nell-muse­al gemach­te Schau selbst. Archi­va­li­en, Ton­do­ku­men­te, Film­aus­schnit­te und der eine oder ande­re Gegen­stand (ein Stuhl, auf dem mal Hen­drix geses­sen haben soll, ein rotes Kleid, Rudi Dutsch­kes Akten­ta­sche, etc.) wer­den prä­sen­tiert und erläutert.

Das ist durch­aus gefäl­lig. Inhalt­lich schlägt die Aus­stel­lung einen wei­ten Bogen. Die 1960er begin­nen hier etwa 1957 und enden viel­leicht 1975. Der in schwarz gehal­te­ne Aus­stel­lungs­raum glie­dert sich in etwa in vier Abschnit­te: Rock- und Beat­mu­sik als neue, uto­pisch ange­hauch­te Jugend­kul­tur – Klei­dung und Sexua­li­tät – (stu­den­ti­sche) Pro­tes­te in Hei­del­berg, Stutt­gart und Karls­ru­he – Jugend­zen­tren und Clubs in der schwä­bi­schen Pro­vinz (pro­mi­nent: der Club Alpha 60 aus Schwä­bisch Hall). Gezeigt wer­den vor allem Doku­men­te und Objek­te aus der Jugend­kul­tur und Pro­test­sze­ne, dazwi­schen das eine oder ande­re Schrei­ben der Obrig­keit und der NPD.

Der musea­li­sie­ren­de Ansatz ver­frem­det. Aber er stößt mir doch als schwie­rig auf.

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Aneignung, Macht und kultureller Wandel

Rieselfeld culture

Win­ter­son­nen­wen­de – ein Fest, das in ziem­lich vie­len Religionen/Kulturen gefei­ert wird. Aus­gangs­punkt ist eine beob­acht­ba­re Tat­sa­che: die Tage wer­den wie­der län­ger, es wird hel­ler; gleich­zei­tig setzt oft der „rich­ti­ge“ Win­ter ein. Was dar­aus gemacht wird, wie gefei­ert wird, all das ist Kul­tur. Und die ist bekannt­lich extrem wandlungsfähig. 

Ich mag das Kon­zept der kul­tu­rel­len Aneig­nung. Men­schen sind in der Lage dazu, sich Stü­cke aus unter­schied­li­chen Tra­di­tio­nen her­aus­zu­bre­chen und in ihre eige­nen Tra­di­tio­nen zu über­neh­men. Bei die­ser Über­nah­me ver­än­dern sich Ideen und Ritua­le, es ent­steht etwas Neu­es. Inso­fern ist kul­tu­rel­le Aneig­nung ein Motor für kul­tu­rel­len Wan­del, für Inno­va­ti­on, ganz pathe­tisch gesagt auch für Fortschritt.

Was genau von wem wann erfun­den wur­de, inter­es­siert viel­leicht His­to­ri­ke­rIn­nen, spielt aber eigent­lich kei­ne Rol­le. Fin­de ich jeden­falls. Oder ist das zu ein­fach? Wie weit müs­sen Tra­di­ti­ons­li­ni­en und his­to­ri­sche Asso­zia­tio­nen mit­ge­dacht wer­den, wenn ein Ritu­al, ein Fest, eine kul­tu­rel­le Ange­wohn­heit, kurz, eine Prak­tik, ange­eig­net, ver­än­dert und über­nom­men wird? 

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