Mein Nebenwohnsitzumzug vom Freiburger Rieselfeld nach Esslingen ist fast abgeschlossen, zumindest auf der Esslinger Seite (in der Wohnung im Rieselfeld stehen noch ein paar Möbel, die noch raus müssen, und streichen muss ich da auch noch …). Die Kisten sind ausgepackt, die Möbel aufgestellt, die Bilder aufgehängt … und der Blick über den Neckar zu den expressionistisch verschneiten Weinbergen aus der Dachgeschosswohnung entschädigt für die eher kombüsenartige Küche und die Wände, die sich nicht zum Befestigen von Regalen eignen.
Nach der Mega-BDK: Grün geht weiter
Ich hatte ja aufgeschrieben, dass ich durchaus mit Sorge auf den grünen Bundesparteitag schaue. Nach vier Parteitagstagen (bei mir: drei im Stream, einer vor Ort) stelle ich fest, dass wir Grüne lebendiger sind, als manche das gerne hätten. Ich würde mich freuen, wenn ein bisschen von dem – zuweilen auch trotzigen – Aufbruchsgeist und Mut, den diese vier Tage ausgestrahlt haben, in die nächsten Wochen und Monate hineinwirken würde. Denn Koordination und Zusammenhalt, gemeinsames Streiten um die Sache und gemeinsames Hinstehen für das Erreichte, das bleibt dringend angesagt.
Die ganz großen Überraschungen sind ausgeblieben. Die Bundesvorsitzenden und der (bis auf den Schatzmeister) gleich gebliebene Bundesvorstand wurden mit guten bis sehr guten Ergebnissen bestätigt, die Europaliste mit Spitzenkandidatin Terry Reintke ist jünger, weiblicher und linker geworden. Was leider nicht gut gelungen ist: Leute mit fachlicher Expertise, aber ohne intensive Partei-Einbindung auf die Liste zu bringen. Das war mal eine grüne Stärke, inzwischen kopieren es andere, und bei uns sieht es diesbezüglich eher mau aus. Gleichwohl: auf der jetzt gewählten Liste sind sehr starke Kandidat*innen, und es ist immer wieder erfreulich, zu sehen, wie vielfältig und herausragend unsere Leute sind.
Photo of the week: Rebberg, Gundelfingen
Wegen Umzug und diversen Parteisachen komme ich leider gerade überhaupt nicht dazu, mir mal den Fotoapparat zu schnappen und spazieren zu gehen (wobei ehrlicherweise die meisten der letzten Tage auch eher grau und wenig einladend aussahen). Einzige Ausnahme war Sonntag vor einer Woche – beim Abhängen der letzten Plakatreste und weniger noch ganzer Plakate gab es dann auch einen schnellen Blick auf den Gundelfinger Wald im herbstlichen Kleid.
Vor der Mega-BDK: Neuerfindung oder Weiterwursteln?
Ab heute Donnerstag, am späten Nachmittag, 17 Uhr, beginnt in Karlsruhe die 49. Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) von Bündnis 90/Die Grünen. Das erste Mal, dass dieser Parteitag mit rund 800 Delegierten für vier Tage zusammenkommt – und es steht auch einiges auf der Tagesordnung: der Bundesvorstand und der Parteirat werden neu gewählt, das Wahlprogramm für die Europawahl 2024 und die Liste dazu – für die 40 Plätze, die gewählt werden sollen, bewerben sich rund 65 Personen – sollen beschlossen werden, und zudem gibt es eine ganze Reihe von Dringlichkeitsanträgen, u.a. zur Haltung zu Israel und zur Migrationspolitik. Alles gut? Ich mache mir Sorgen.
Karlsruhe, weil dort vor im Januar 1980 die damaligen DIE GRÜNEN gegründet wurden, und coronabedingt erst jetzt das 40-jährige Jubiläum gefeiert werden kann. So richtig viel Partystimmung sehe ich jedoch im Vorfeld der BDK nicht. Zwar stehen wir Grüne mit rund 15 Prozent in den bundesweiten Umfragen ungefähr da, wo wir bei der Bundestagswahl 2021 lagen. Aber die Performanz der Ampel, die allgemeinen Krisen (bis hin zu den Wahlergebnissen in Bayern und Hessen vor ein paar Wochen und dem Rechtsruck in den Niederlanden heute), und jetzt noch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des Klima- und Transformationsfonds – das alles lädt nicht zum Jubeln ein.
Die Dringlichkeitsanträge sind heftig umstritten. Der Bundesvorstand (der komplett noch einmal kandidiert) steht im Windschatten der grünen Minister*innen und wird, so mein Eindruck, als wenig tatkräftig wahrgenommen. Der Parteirat verliert an politischer Bedeutung. Und bei er Europaliste wird es spätestens ab Platz 2 ein Hauen und Stechen geben, weil fast alle bisherigen Abgeordneten wieder ins Europaparlament wollen, aber alle Prognosen davon ausgehen, dass das Rekordergebnis von 2019 nicht gehalten werden kann.
Vielleicht, noch einen Schritt weitergehend, zeigt sich ein Konstruktionsproblem in Regierungszeiten. Robert Habeck macht seine Sache als Klima- und Transformationsminister so gut, wie das in diesen Zeiten eben geht. Er ist als Vizekanzler zugleich für die Koordination der grünen Regierungsseite insgesamt zuständig. Da wird es mit dem geschlossenen und abgestimmten Auftreten schon schwieriger. Und beim Blick auf die Partei zeigt sich so etwas wie ein Führungsvakuum.
Omid Nouripour und Ricarda Lang haben zwischen den widerstrebenden Interessen der Regierungspolitik und einer eigentlich recht selbstbewussten Partei wenig Beinfreiheit. 2018 bis 2021 war eine Zeit des massiven Mitgliederwachstums, getragen von der Unterstützung der Öffentlichkeit für grüne Themen. Erfolge werden gerne zusammen gefeiert. Dieser Wind hat sich nun gedreht. Und die Frage danach, wie eine Partei mit dem Anspruch, die gesamte Gesellschaft zu vertreten und zu modernisieren, in einer Zeit heftigen Gegenwinds agieren soll, bleibt ungeklärt.
Das ist der Elefant im Parteitagsraum. Wenn alles gut läuft, dann ist diese Mega-BDK der Punkt, an dem die Partei sich wieder einmal neu erfindet und damit auch zu neuer Geschlossenheit findet. Wenn nicht, dann bleiben die nächsten Monate schwierig.
P.S.: Ich werde mir die BDK heute und morgen im Stream anschauen und bin vmtl. Samstag vor Ort.
Photo of the week: Sunset, Freiburg
Was, der November ist schon halb vorbei? Umzugs- und politikbedingt etc. bin ich gerade eher im Stress. Deswegen hier schnell noch ein Foto von Anfang November. Da gab es ein paar Tage lang erstaunlich hübsche Sonnenuntergänge. Und dann färbten sich die Blätter gelb und rot, um den goldenen Okt^wNovember einzuleiten.