Gauck auf der Goldwaage

Ich weiß, es nervt. Aber je län­ger die Debat­te um Joa­chim Gauck anhält, des­to weni­ger sehe ich, dass er auch nur gut dar­in wäre, gesell­schaft­li­chen Debat­ten anzu­sto­ßen. Einer, an dem man sich rei­ben kann, sagen die, die ihn jetzt aus grü­ner Sicht ver­tei­di­gen. Aber wer eine gro­ße Rei­bungs­flä­che bie­tet, wird leicht zum geis­ti­gen Brandstifter. 

Kon­kret wird das an einem lan­gen Zitat aus einem NZZ-Inter­view, das die publi­ka­ti­ve als Tran­skript ver­öf­fent­licht hat. Ein lan­ger, lan­ger Satz – eher ein Gedan­ken­strom – aus die­sem Zitat lohnt der nähe­ren Betrach­tung, dazu als Kon­text die bei­den Sät­ze zuvor. 

Das gan­ze eher als aka­de­mi­sche Übung – mir ist bewusst, dass ich hier haar­spal­te­risch (und doch metho­disch eher frei­hän­dig) Gaucks Wor­te auf die Gold­waa­ge lege. Ich fin­de es den­noch hilf­reich, sich ein­mal ganz genau anzu­schau­en, was Gauck sagt, und zu über­le­gen, was er damit mei­nen könn­te – auch, um sowas wie laten­te Deu­tungs­mus­ter frei­zu­le­gen. Mir ist klar, dass mei­ne Deu­tun­gen hier nicht frei von Vor­ein­ge­nom­men­heit sind – ich bit­te gege­be­nen­falls um begrün­de­ten Widerspruch.

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Kurz: Handwerkskunst

Die Bahn hat ja das Früh­stücks­an­ge­bot im ICE-Bis­tro radi­kal gekürzt. Im Prin­zip auf eine Opti­on: Menu IV – Crois­sant plus Heiß­ge­tränk, 3,90 Euro. Ent­schei­dungs­frei­hei­ten bestehen nur bei der Kaf­fee­zu­be­rei­tung. Mei­ne Wahl heu­te mor­gen, Lat­te Mac­chia­to, führ­te mich zu einer inter­es­san­ten Beob­ach­tung im Sin­ne der Sen­nett­schen Lob­lie­der auf Hand­werks­ethos und Qualitätsarbeit.

Statt auf eine Tas­te zu drü­cken, und den Auto­ma­ten ein stan­dar­di­sier­tes Pro­dukt aus­spu­cken zu las­sen, erwies sich der Bar­mann als kunst­vol­ler Hand­wer­ker. Zur Zube­rei­tung eines Lat­te ließ er den Auto­ma­ten erst mehr­fach Milch­schaum gene­rie­ren. Nach Errei­chen der gewünsch­ten Füll­hö­he nahm er das Sieb der Auf­fang­wan­ne ab, um am obe­ren Glas­rand mehr Platz zu haben, ließ Espres­so ein, klopf­te mit dem Glas auf den Tisch, um schließ­lich eine wei­te­re Schicht Milch­schaum hin­zu­zu­fü­gen und das Gan­ze dann zu servieren.

Nach dem Sinn gefragt, ver­wies der Bar­mann dar­auf, dass die Maschi­ne allei­ne kei­nen anseh­li­chen Lat­te zustan­de bräch­te. „Wir haben Auto­ma­ten, da sieht das [Ergeb­nis] nicht gut aus, wenn ich auf den Knopf drücke!“

Neu erschienen: Ländliche Arbeit im Wandel

Wer schon immer mal wis­sen woll­te, was bei mei­nem For­schun­gen zu forst­li­chen Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men (lang ist’s her) her­aus­ge­kom­men ist, hat jetzt die Chan­ce, ein hand­li­ches Buch (knapp 300 Sei­ten) dazu zu lesen: Zusam­men mit Prof. Dr. Sieg­fried Lewark und Dr. Edgar Kas­ten­holz habe ich den Band Länd­li­che Arbeit im Wan­del: Nach­hal­ti­ge Gestal­tung forst­li­cher Dienst­leis­tungs­ar­beit her­aus­ge­ge­ben, erschie­nen ganz frisch im Ver­lag Kessel.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen (Klap­pen­text, Inhalts­ver­zeich­nis usw.) zu die­sem Buch fin­den sich hier.

Kurz: Politik der Messinstrumente

Der Spie­gel berich­tet dar­über, dass japa­ni­sche Behör­den nach dem Reak­tor­un­fall in Fuku­shi­ma das durch­aus abschätz­ba­re Aus­maß der radio­ak­ti­ven Wol­ke bewusst ver­schwie­gen haben. Aus­führ­li­ches dazu lässt sich bei Natu­re nachlesen. 

Was mir dazu ein­fällt, ist zunächst mal die Erin­ne­rung an mei­ne Ver­wun­de­rung dar­über, dass die über Twit­ter ver­brei­te­ten Ergeb­nis­se des japa­ni­schen Orts­do­sis­mess­netz­werks aus­ge­rech­net für die Pro­vinz Fuku­shi­ma nicht ange­zeigt wur­den. Das kann auch ande­re Grün­de gehabt haben (Aus­fall der Mess­son­den bei­spiels­wei­se), wür­de aber in ein Bild des Des­in­for­ma­ti­on pas­sen. Zwei­tens fällt mir dazu ein, dass es eine gan­ze Zeit lang Streit dar­um gab, ob Daten aus dem emp­find­li­chen glo­ba­len Über­wa­chungs­netz­werk für Nukle­ar­tests aus­ge­wer­tet wer­den dür­fen, um den radio­ak­ti­ven Fall­out über dem Pazi­fik abzu­bil­den. Und drit­tens und etwas gene­rel­ler fin­de ich das gan­ze inter­es­sant, weil sich hier zeigt, wie Mess­in­stru­men­te (und Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen) in poli­ti­sche Abläu­fe ein­ge­bun­den wer­den, poli­tisch nutz­bar gemacht wer­den – oder eben, wenn die Mess­da­ten nicht ins poli­ti­sche Kon­zept pas­sen, igno­riert wer­den. Das hat was mit Open Data zu tun – aber auch mit der Fra­ge, ob eine Regie­rung oder eine Behör­de poten­zi­ell gefähr­li­che Infor­ma­tio­nen – es hät­te ja z.B. eine Panik­re­ak­ti­on geben kön­nen – ver­schwei­gen darf oder nicht. Gilt „infor­ma­ti­on wants to be free“ auch – oder erst recht? – für das Manage­ment einer Katastrophe?