Kontrovers: GEW zu Wissenschaftskarrieren – gut gemeint, aber …?

Heu­te hat die GEW das Temp­li­ner Mani­fest vor­ge­stellt, in dem sie in zehn The­sen dafür ein­tritt, wis­sen­schaft­li­che Kar­rie­ren plan­ba­rer zu machen und die damit ver­bun­de­nen Arbeits­be­din­gun­gen zu ver­bes­sern. In den The­sen steht vie­les, was ich auch rich­tig fin­de – dau­er­haf­te Beschäf­ti­gungs­mög­lich­kei­ten jen­seits der Pro­fes­sur bei­spiels­wei­se. Trotz­dem zöge­re ich, das Mani­fest zu unterzeichnen. 

Mag sein, dass da auch gewis­se Vor­ur­tei­le gegen­über Gewerk­schaf­ten mit­spie­len. Vor Augen habe ich aber ins­be­son­de­re die 12-Jah­res-Rege­lung, die ich mit der dama­li­gen SPD-Minis­te­rin Bul­mahn ver­bin­de. Die Idee dahin­ter war, dass ein Ver­bot der Beschäf­ti­gung auf befris­te­ten Stel­len über ins­ge­samt zwölf Jah­re hin­aus dazu bei­tra­gen könn­te, die Zahl wis­sen­schaft­li­cher Dau­er­stel­len zu erhö­hen. Fak­tisch ist das aber nicht pas­siert – weil kein neu­es Geld ins Hoch­schul­sys­tem geflos­sen ist, und weil es – ganz typisch für den Wis­sen­schafts­be­reich – eine gro­ße Zahl poten­zi­ell Beschäf­ti­gungs­wil­li­ger gibt und gab. Statt mehr Dau­er­stel­len zu schaf­fen, war der Effekt der 12-Jah­res-Rege­lung damit eher der, Men­schen aus dem Wis­sen­schafts­sys­tem raus­zu­drän­gen. Die waren dann zwar nicht mehr pre­kär und befris­tet beschäf­tigt – aber beschäf­tigt waren sie auch nicht. Oder die Hoch­schu­len grif­fen zu Tricks wie An-Insti­tu­ten und hoch­schul­na­hen Pro­jekt­trä­gern. Scha­van hat die­se Rege­lung dann wie­der abge­schafft und durch dif­fe­ren­zier­te Befris­tungs­re­ge­lun­gen ersetzt – sinn­vol­ler­wei­se, wie ich finde.

Viel­leicht irre ich mich ja. Aber eini­ge der Temp­li­ner For­de­run­gen klin­gen für mich sehr danach, dass eine ernst­haf­te poli­ti­sche Umset­zung, gera­de in den Hän­den der Sozi­al­de­mo­kra­tie, nicht die inten­dier­ten Effek­te haben wür­de, son­dern zu einem Mehr an Büro­kra­tie und zu kon­tra­pro­duk­ti­ven Regu­lie­run­gen füh­ren wür­de. Um nur zwei Bei­spie­le zu nen­nen: Die For­de­rung nach qua­li­fi­zier­ten Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen für Dok­to­ran­dIn­nen kann eben auch hei­ßen, freie Pro­mo­tio­nen nicht mehr zuzu­las­sen. Lehr­be­auf­trag­te durch sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäf­ti­gung zu erset­zen, klingt erst mal gut, kann aber auch hei­ßen, dass die­je­ni­gen, die sich bis­her damit irgend­wie durch­ge­schla­gen haben, dass dann nicht mehr tun kön­nen – und trotz­dem kei­ne neu­en Stel­len geschaf­fen werden. 

Inso­fern also eine gewis­se Skep­sis – aber viel­leicht mag mich jemand vom Gegen­teil überzeugen.

Buch da!

Nach den Wald­be­sit­ze­rin­nen und den „zwei Her­zen der Forst­wirt­schaft“ kann ich stolz (und ein wenig erleich­tert* …) die drit­te** gro­ße Pro­jekt­ver­öf­fent­li­chung in die­sem Jahr ankün­di­gen – seit ges­tern ist der Abschied vom grü­nen Rock gedruckt und erhältlich.

Der Sam­mel­band infor­miert über die Ergeb­nis­se aus dem Pro­jekt­ver­bund „wa’gen“ (Wald­wis­sen und Natur­er­fah­run­gen auf dem Prüf­stand Gen­der-Ana­ly­se in der Waldinformations‑, Öffent­lich­keits- und Bil­dungs­ar­beit sowie Ent­wick­lung von Gestal­tungs­an­sät­zen, 2005–2008), einer Koope­ra­ti­on zwi­schen dem Insti­tut für Umwelt­stra­te­gien, Umwelt­pla­nung (Lüne­burg) und dem Insti­tut für Forst­be­nut­zung und Forst­li­che Arbeits­wis­sen­schaft (Frei­burg).

Über die Inhal­te infor­miert der Klap­pen­text am bes­ten, des­we­gen zitie­re ich den jetzt ein­fach, statt noch­mal neu was zu formulieren:

Forst­ver­wal­tun­gen und ihre wald­be­zo­ge­ne Bil­dungs­ar­beit befin­den sich in Deutsch­land der­zeit in einem Reform­pro­zess. Unter den Vor­zei­chen betriebs­wirt­schaft­li­cher Opti­mie­rung und der Öff­nung gegen­über neu­en Ziel­grup­pen ste­hen alte Tra­di­tio­nen zur Debat­te. Ist mit dem Abschied vom „grü­nen Rock“ der forst­li­chen Uni­form ein Auf­bruch ver­bun­den? Der For­schungs­ver­bund wa’­gen (Wald­wis­sen & Gen­der) hat im Rah­men des BMBF-Pro­gramms „Nach­hal­ti­ge Wald­wirt­schaft“ danach gefragt, wie Natur- und Geschlech­ter­bil­der im „Wald­wis­sen“ zusam­men­kom­men, wel­che Her­aus­for­de­run­gen und Chan­cen für die wald­be­zo­ge­ne Umwelt­bil­dung damit ver­bun­den sind, und wie Wald­wis­sen, Orga­ni­sa­ti­ons­re­for­men und die tra­di­tio­nel­le Orga­ni­sa­ti­ons­kul­tur der „Män­ner­do­mä­ne Forst­ver­wal­tung“ inein­an­der greifen.
Aus der allen AutorIn­nen gemein­sa­men Geschlech­ter­per­spek­ti­ve her­aus wer­den anhand von Fall­bei­spie­len The­men wie das Natur­ver­ständ­nis, die „unsi­che­re“ Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Umwelt­bil­dung, die his­to­ri­schen Mecha­nis­men des Frau­en­aus­schlus­ses aus dem Forst­dienst und die lau­fen­den Reor­ga­ni­sa­ti­ons­pro­zes­se beleuch­tet. Damit ver­steht sich Abschied vom grü­nen Rock als Bei­trag zur Suche der Forst­or­ga­ni­sa­tio­nen nach zukunfts­fä­hi­gen Ant­wor­ten auf die gegen­wär­ti­gen Umbrüche. 

Wer sich für die Zukunft der Forst­ver­wal­tun­gen aus einer der beschrie­be­nen zwei Per­spek­ti­ven – Geschlech­ter­ver­hält­nis­se in Forst­or­ga­ni­sa­tio­nen bzw. in der wald­be­zo­ge­nen Umwelt­bil­dung – inter­es­siert, wird dem Band auf jeden Fall was abge­win­nen kön­nen. Eini­ges dürf­te aber auch dar­über hin­aus inter­es­sant sein.

Von mir sind (neben der Mit­ar­beit an der Ein­lei­tung) drei Tex­te, an denen ich betei­ligt war – da geht es um das Inein­an­der­grei­fen von forst­li­chen Geschlech­ter­ver­hält­nis­sen und orga­ni­sa­to­ri­schem Wan­del gene­rell („Staat­li­che Forst­ver­wal­tun­gen im Wan­del: Orga­ni­sa­ti­ons­re­form und Geschlecht“) bzw. am Fall­bei­spiel Rhein­land-Pfalz („Fall­bei­spiel: Geschlech­ter­ver­hält­nis­se in einer deut­schen Forst­ver­wal­tung“, mit Sabi­ne Blum) bzw. in einem Zwi­schen­ruf*** um die Zusam­men­hän­ge zwi­schen Geschlecht, Orga­ni­sa­ti­on und Pro­fes­si­on (mit Mari­on Mayer).

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen beim Ver­lag (oekom), bestell­bar u.a. bei ama­zon.

Biblio­gra­phi­sche Anga­ben: Maria Hehn, Chris­ti­ne Katz, Mari­on May­er, Till Wes­ter­may­er (Hrsg.): Abschied vom grü­nen Rock. Forst­ver­wal­tun­gen, wald­be­zo­ge­ne Umwelt­bil­dung und Geschlech­ter­ver­hält­nis­se im Wan­del. Mün­chen: oekom. 230 Sei­ten, 34,90 Euro. ISBN 978–3‑86581–131‑8.

* Erleich­tert vor allem des­we­gen, weil mit dem Abschluss­band ein letz­ter gro­ßer Bro­cken ande­rer Akti­vi­tä­ten aus dem Weg zu mei­ner Diss. geräumt ist …

** Es gibt auch noch ein Buch­ma­nu­skript zu einem Pro­jekt, das von 2002 bis 2005 gelau­fen ist, und an dem ich betei­ligt war … mal schau­en, ob und wann das dann tat­säch­lich sei­nen Weg in die Öffent­lich­keit findet.

*** Zwi­schen­ruf: eine aus mei­ner Sicht inno­va­ti­ve Form, die wir zwei­mal in das Buch gepackt haben – jeweils zwei AutorIn­nen unter­hal­ten sich dar­in über ihre Buch­tex­te und arbei­ten Quer­be­zü­ge heraus.

Wissenschaftsbloggen und die Interdisziplinarität

No. Five is alive II

C.P. Snow hat 1959 die – rhe­to­risch zuge­spit­ze – The­se auf­ge­stellt, dass es zwi­schen „sci­ence“ (mehr oder weni­ger Natur­wis­sen­schaft) und „huma­ni­ties“ (Sozial‑, Kul­tur- und Geis­tes­wis­sen­schaf­ten) einen tie­fen Gra­ben gäbe, dass es sich um zwei Kul­tu­ren hand­le. (Neben­bei bemerkt: Wolf Lepe­nis hat 1985 in einem Buch „Die drei Kul­tu­ren“ noch eine zwei­te Trenn­li­nie gezo­gen, um die Sozi­al­wis­sen­schaft bzw. die Sozio­lo­gie geson­dert behan­deln zu kön­nen – ich muss­te ganz am Anfang mei­nes Stu­di­ums mal ein Essay dazu schreiben).

Wie dem auch sei: wenn ich die gest­ri­ge Debat­te (Syn­op­se der Tweets, rück­wärts zu lesen) bei Twit­ter mit @fischblog, @jbenno, @weitergen und @werkstatt Revue pas­sie­ren las­se, scheint der Gra­ben zwi­schen unter­schied­li­chen wis­sen­schaft­li­chen Kul­tu­ren so leben­dig zu sein wie eh und je. Aus­gangs­punkt für das gan­ze war ein (eher wis­sen­schafts­phi­lo­so­phi­scher) Blog­bei­trag bei den Sci­ence­b­logs – stell­ver­tre­tend für dort immer wie­der hoch­kom­men­de Fra­gen danach, wel­cher Maß­stab denn an einen guten Wis­sen­schafts­blog-Bei­trag anzu­le­gen sei, und wie dafür zu recher­chie­ren ist.

In der Debat­te auf Twit­ter ges­tern ging es dann mun­ter hin und her – nicht nur der bereits erwähn­te Snow kam zu Ehren, son­dern auch Chris­ti­an Huy­gens (einer der ers­ten Wis­sen­schaft­ler), Ador­no und Pop­per. Letzt­lich ging es aber doch vor allem dar­um, ob der Gül­tig­keits­an­spruch von (Natur-)Wissenschaft in Fra­ge gestellt wer­den darf, ob der der wis­sen­schaft­li­chen Metho­de inhä­ren­te Skep­ti­zis­mus sich auch auf die Gene­se, Pra­xis und Gül­tig­keit der wis­sen­schaft­li­chen Metho­de erstre­cken soll, ob es legi­tim ist, wenn unter­schied­li­che Wis­sen­schaf­ten unter­schied­li­che Güte­maß­stä­be ent­wi­ckeln, und ob denn der Sta­tus wis­sen­schaft­li­chen Wis­sens durch den Ver­gleich mit ande­ren Wis­sens­ar­ten – in der sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Wis­sen­schafts­for­schung gang und gäbe – rela­ti­viert wer­den dür­fe, oder ob das dann doch eher in Rich­tung Häre­sie ginge.

Letzt­lich bleibt bei mir nicht unbe­dingt die Skep­sis, ob gute sozi­al- und geis­tes­wis­sen­schaft­li­che Blog­bei­trä­ge mög­lich sind (da gibt es durch­aus Bei­spie­le), son­dern ers­tens, ob sol­che Blogs in einer vor­nehm­lich natur­wis­sen­schaft­lich gepräg­ten Com­mu­ni­ty wie den sci­ence­b­logs gut auf­ge­ho­ben sind, oder ob es da nicht ein­fach ande­rer Öffent­lich­kei­ten bedarf (ein Bei­spiel dafür sind die Socie­ty Pages der Uni­ver­si­ty of Min­ne­so­ta, die ver­schie­de­ne sozio­lo­gi­sche Blogs hosten). 

Zwei­tens geht es dabei aber auch um die grö­ße­re Fra­ge danach, wel­che Anstren­gun­gen zu unter­neh­men sind, um Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät tat­säch­lich zu ermög­li­chen. Und ob das über­haupt geht. Mei­ne Erfah­rung hier, aber auch aus diver­sen For­schungs­pro­jek­ten ist jeden­falls, dass Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät nicht „von selbst“ ent­steht, son­dern dass dahin­ter har­te Arbeit liegt, dass es um einen akti­ven Ver­stän­di­gungs­pro­zess geht, nicht zuletzt dar­um, boun­da­ry objects zu defi­nie­ren, an deren Gemein­sam­kei­ten unter­schied­li­che Wis­sen­schafts­prak­ti­ken kris­tal­li­sie­ren kön­nen. Für mich steht das unter dem Begriff „Inter­dis­zi­pli­na­ri­täts­ma­nage­ment“. Das heißt auch: Eigent­lich bräuch­ten grö­ße­re inter- (oder gar trans-)disziplinäre Pro­jek­te hier eine rich­ti­ge Begleit­for­schung und „Über­set­zungs­ak­ti­vis­tIn­nen“ – fän­de ich eine inter­es­san­te Sache. 

War­um blog­ge ich das? Um doch irgend­was aus der ziem­lich hart geführ­ten Debat­te her­aus­zu­zie­hen, zusam­men­zu­brin­gen, zu inter­grie­ren und auf­zu­schrei­ben. Und weil ich mir manch­mal gar nicht so sicher bin, ob ich eigent­lich „sci­ence blog­ging“ betrei­be oder nicht.

Nach­trag: Weil das mit den Track­backs nur begrenzt klappt, hier noch von Hand der Link zum inzwi­schen im Netz ste­hen­den, aus der Debat­te ent­stan­de­nen Text von Jörg Blum­tritt mit dem schö­nen Titel „Meta­phy­sik, Spe­ku­la­ti­on und die „Drit­te Kul­tur“, wobei er mit letz­te­rem nicht wie Lepe­nis die Sozio­lo­gie meint, son­dern auf die im Netz ent­ste­hen­de wis­sen­schaft­lich­keits­na­he Öffent­lich­keit setzt, die nach Über­set­zungs­ar­beit, Erläu­te­rung und Begrün­dung ver­langt. Zuviel des Optimismus?

Nur Männer für Netzneutralität?

Heu­te Ges­tern mor­gen ist die Initia­ti­ve pro Netz­neu­tra­li­tät gestar­tet. Gute Sache! Und in Win­des­ei­le wur­den aus den 21 Erst­un­ter­zeich­ne­rIn­nen inner­halb eines hal­ben Tages über 3000 Per­so­nen. So weit, so gut.

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Zwei der drei Erst­un­ter­zeich­ne­rin­nen. Und eini­ge der 18 Erstunterzeichner.

Was mich und auch ande­re irri­tiert hat, ist der Ein­druck, der beim Durch­scrol­len der Unter­zeich­ne­rIn­nen-Lis­te ent­steht: da ste­hen fast nur Män­ner. Ich hat­te ja vor ein paar Tagen schon auf die Zah­len zur Netz­nut­zung nach Geschlecht hin­ge­wie­sen, und auch die Erfah­run­gen mit Netz-Arbeits­krei­sen oder dem Außen­bild der Pira­ten­par­tei las­sen eine Ungleich­ver­tei­lung nach Geschlecht erwar­ten – aber so wie da?

Ich habe mal nach­ge­zählt: unter den 600 Unter­zeich­ne­rIn­nen von Nr. 2807 bis 3406 sind 80 per Namen mehr oder weni­ger klar als Frau­en erkenn­bar. Die übri­gen 520 tra­gen männ­li­che Namen, sind Pseud­ony­me und Orga­ni­sa­tio­nen oder ander­wei­tig nicht klar geschlecht­lich zuzu­ord­nen. Zumin­dest für die­sen Zeit­raum sind es also 13% Frau­en­na­men. Das ist schon mal ganz inter­es­sant, weil es höher liegt als mei­ne Schät­zung von 10%, die mir selbst wie­der­um eher zu hoch gegrif­fen erschien. Es sind also ein biß­chen mehr Frau­en unter den Unter­zeich­ne­rIn­nen als mann das wahrnimmt.

Jetzt könn­te das ein Effekt der ver­schie­de­nen Tweets etc. sein, dass bis­her nur Män­ner unter­zeich­net haben. Des­we­gen habe ich noch­mal 100 Ein­trä­ge aus dem Beginn genom­men (400 bis 499): Hier kom­me ich auf acht Namen, die ich jetzt erst­mal als weib­lich wahr­neh­men wür­de (ent­spre­chend also 8% aller Unter­zeich­ne­rIn­nen in die­ser Stich­pro­be). Das ent­spricht schon eher dem ers­ten Eindruck.

Der Voll­stän­dig­keit hal­ber das gan­ze Spiel noch­mal mit 2200 bis 2299 – hier sind es eben­falls 8%.

Ers­tes Zwi­schen­fa­zit: die Auf­ru­fe, dass auch Frau­en doch bit­te unter­zeich­nen sol­len, schei­nen etwas bewirkt zu haben – all­zu­viel aber auch nicht.

Ein inter­es­san­ter Ver­gleich zwi­schen den drei Stich­pro­ben: in den ers­ten bei­den (400 ff. und 2200 ff.) sind alle als Frau­en iden­ti­f­zier­te Unter­zeich­nen­de mit vol­lem Namen dabei. In der Stich­pro­be ab 2807 – also bei den neus­ten Ein­trä­gen – fin­de ich unter den 60 wahr­schein­li­chen Frau­en 17, die nur mit Vor­na­men, Vor­na­men und abge­kürz­tem Nach­na­men oder mit Pseud­onym auf­tre­ten. Das ist immer­hin deut­lich mehr als ein Vier­tel in die­ser Gruppe. 

Dar­aus lie­ße sich die The­se ablei­ten, dass die Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit gan­zem Namen, also iden­ti­fi­zier­bar auf­zu­tre­ten, im Netz für Män­ner grö­ßer ist als für Frau­en. Also ein: na gut, ich unter­schreib das, aber doch nicht mit vol­lem Namen! Auch das hat eine gewis­se Plau­si­bi­li­tät. Um die­ser The­se nach­zu­ge­hen, müss­te ein­mal gezählt wer­den, wie groß der Anteil pseud­ony­mer Ein­trä­ge bei den als männ­lich iden­ti­fi­zier­ba­ren Namen ist – da es dabei um 85–90% der jewei­li­gen Grup­pe geht, war mir das für einen schnel­len Blog­ein­trag heu­te abend zu auf­wen­dig. Viel­leicht mag ja jemand zäh­len und im Kom­men­tar nachtragen. 

Unab­hän­gig davon, ob es nun 8 oder 13% Frau­en unter den Unter­zeich­ne­rIn­nen sind, bleibt die Fra­ge nach dem War­um. Anders gesagt: wie konn­te sich Netz­po­li­tik – immer­hin ja ein sehr jun­ges Poli­tik­feld – als männ­li­che Domä­ne ent­wi­ckeln? Wel­chen Anteil haben die tech­nik­af­fi­nen Wur­zeln (CCC etc.) dabei? Gibt es sowas wie (aktive/unbewusste) Aus­s­schluss­me­cha­nis­men – Hacker­se­xis­mus als Stich­wort – und am wich­tigs­ten: Wie kann Netz­po­li­tik zu einem Feld wer­den, dass sich die­ser Mecha­nis­men bewusst ist und in dem aktiv dar­an gear­bei­tet wird, struk­tu­rell wie the­ma­tisch den Pfad „Män­ner­bund“ zu ver­las­sen? (Neben­bei: auch die Alpha-Blog­gern mit hoher Sicht­bar­keit sind fast durch­weg Män­ner – und tra­gen damit zur Pfad­aus­bil­dung bei).

Gera­de Netz­neu­tra­li­tät ist ein gutes Bei­spiel: denn es ist ja gera­de kein „tech­ni­sches“ The­ma, auch wenn es erst­mal tech­nisch daher­kommt, son­dern die gesell­schafts­po­li­ti­sche Fra­ge danach, wie die Netz­in­fra­struk­tur poli­tisch regu­liert wer­den soll, was der Markt darf, und wel­che Mög­lich­kei­ten „unab­hän­gi­ge“ Inhalts­an­bie­te­rIn­nen in Zukunft haben wer­den. Das betrifft – mei­ne ich jeden­falls – alle Men­schen, ganz unab­hän­gig vom Geschlecht.

Aber noch­mal: stim­men die­se Über­le­gun­gen? Und was lie­ße sich tun? Oder, anders gefragt: war­um haben die Frau­en (und Män­ner), die inhalt­lich für Netz­neu­tra­li­tät sind, und sich bis­her nicht an der Kam­pa­gne betei­ligt haben, dar­an noch nicht beteiligt?

War­um blog­ge ich das? Weil ich nach mei­ner Schät­zung irgend­wo zwi­schen 90 und 99% Män­ner dann doch mal schau­en woll­te, ob das stimmt – oder ob mir da mei­ne eige­ne Geschlech­ter­er­war­tungs­hal­tun­gen einen Streich in der Wahr­neh­mung spielt. Und nach­dem ich dann schon gezählt hat­te, woll­te ich das – typisch Mann? – auch mit­tei­len, obwohl’s nicht mehr als das Äqui­va­lent einer hek­ti­schen und unge­nau­en Strich­lis­te war …

Nach­trag: Bei der Mäd­chen­mann­schaft wird erör­tert, war­um Netz­neu­tra­li­tät gera­de aus que­er-femi­nis­ti­scher Per­spek­ti­ve ein The­ma sein sollte.

Wie Frauen und Männer das Internet nutzen

Ich war eigent­lich auf der Suche nach was ganz ande­rem (näm­lich sozio­de­mo­gra­phisch auf­ge­schlüs­sel­ten Daten zur Ver­füg­bar­keit von Mobil­te­le­fo­nen in pri­va­ten Haus­hal­ten) beim Sta­tis­ti­schen Bun­des­amt, bin dabei aber auf die Publi­ka­ti­on Pri­va­te Haus­hal­te in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft gesto­ßen (Fach­se­rie 15, Rei­he 4, 2009). Das ist eine im April und Mai 2009 durch­ge­führ­te euro­pa­wei­te Erhe­bung zur Nut­zung und Ver­füg­bar­keit von Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie. Die­se fin­det alle drei Jah­re statt. 

Im ver­link­ten Ergeb­nis­band fin­den sich nun zwar lei­der kaum Aus­sa­gen zur IuK-Tech­no­lo­gie Mobil­te­le­fon (nur zur mobi­len Inter­net­nut­zung), aber dafür anders inter­es­san­tes – näm­lich nach Geschlecht* und nach Alter auf­ge­schlüs­sel­te Daten zur Nut­zung des Inter­net. Die wich­tigs­ten davon habe ich mal in zwei Tabel­len gepackt. Im eigent­li­chen Bericht sind noch eini­ge Daten mehr ent­hal­ten, aber die­se hier erschie­nen mir beson­ders interessant:


Tabel­len zur Netz­nut­zung, Daten­quel­le: Stat. Bun­des­amt, Fach­se­rie 15, Rei­he 4, 2009. Ankli­cken zum Vergrößern

In den Tabel­len sind jeweils Pro­zent­an­ga­ben nach Geschlecht (m/w/gesamt) und Alters­grup­pe ange­ge­ben; alle Anga­ben in der obe­ren Tabel­le bezie­hen sich auf Per­so­nen des ange­ge­be­nen Geschlechts und Alters, die im ers­ten Quar­tal 2009 das Netz genutzt haben. In der unte­ren Tabel­le sind die­se umge­rech­net auf die Gesamt­be­völ­ke­rung (also inkl. Nicht-Nut­ze­rIn­nen) in der jewei­li­gen Kom­bi­na­ti­on aus Geschlecht und Alters­grup­pe. Die Anga­be „u“ ist der „/“ aus der amt­li­chen Tabel­le und bedeu­tet, dass die Zahl der Fäl­le im Feld zu klein für eine siche­re Anga­be ist (d.h. weni­ger als 50 Fäl­le). Befragt wur­den in die­ser amt­li­chen Erhe­bung ins­ge­samt 23556 Personen.

Inter­es­sant ist nun der Blick auf die lachs­far­ben und baby­blau­en Fel­der. Baby­blau steht dafür, dass hier der jewei­li­ge Anteil bei den Män­nern um mehr als 3 Pro­zent­punk­te über dem der Frau­en liegt; lachs­far­ben mar­kiert die umge­kehr­te Dif­fe­renz. Auch wenn das nicht die sinn­volls­te Metho­de ist, um über die Signi­fi­kanz von Unter­schie­den zwi­schen zwei Grup­pen zu spre­chen, ergibt sich zumin­dest schnell ein Bild.

In der letz­ten Spal­te – Gesamt­be­völ­ke­rung unab­hän­gig vom Alter – sind es nur drei bzw. (bezo­gen auch auf die Nicht-Nut­ze­rIn­nen, die nach Geschlecht dif­fe­rie­ren) nur ein Item, bei dem die Nut­zung durch Män­ner nicht um min­des­tens drei Pro­zent­punk­te über der Nut­zung durch Frau­en liegt. Mehr Män­ner als Frau­en sind mobil im Inter­net, mehr Män­ner als Frau­en schau­en Fern­se­hen oder hören Radio im Inter­net, mehr Män­ner machen Online-Ban­king und laden Com­pu­ter­spie­le her­un­ter. Die Spann­wei­te der Unter­schie­de ist dabei beacht­lich und reicht von 5 Pro­zent­punk­ten beim E‑Government (Behör­den­kon­takt per Netz) bis zu 26 Pro­zent­punk­ten Dif­fe­renz beim Down­load von Software.

Kei­ne (nen­nens­wer­te) Dif­fe­renz ergibt sich in die­ser Betrach­tungs­wei­se für die drei „akti­ven“ Items: nicht nach Geschlecht unter­schied­lich fällt dem­nach die Netz­nut­zung für eMail und für ande­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men (Chat­ten und Foren­kom­men­ta­re hat das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt hier zusam­men­ge­wor­fen) aus – und auch bei der Erstel­lung eige­ner Inhal­te gibt es kaum Differenzen. 

Soweit bestä­tigt sich zunächst das eta­blier­te Bild netz­af­fi­ner Män­ner und weni­ger netz­af­fi­ner Frauen.

Wird nun das gan­ze nach Alter dis­agr­eg­giert, zei­gen sich erstaun­li­che Dif­fe­ren­zen zwi­schen den­je­ni­gen ab 25 Jah­ren und den bei­den Alters­grup­pen dar­un­ter. Hier gibt es jetzt näm­lich plötz­lich Berei­che der Netz­nut­zung, die häu­fi­ger von Frau­en als von Män­nern betrie­ben wer­den. Nament­lich geht es dabei wie­der um die The­men EMail-Schrei­ben, sons­ti­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on im Netz und das Erstel­len eige­ner Inhal­te. Dazu kommt ein leich­ter Vor­sprung beim E‑Government. Die Dif­fe­renz beim Online-Ban­king ebnet sich ein. 

Sowohl beim Down­load von Soft­ware, beim Down­load von Com­pu­ter­spie­len wie auch bei der Nut­zungs­häu­fig­keit und bei der mobi­len Nut­zung bleibt die Geschlech­ter­dif­fe­renz > 3 % dage­gen erhalten.

Wie sind die­se Daten nun zu inter­pre­tie­ren? Gehen weib­li­che digi­tal nati­ves ganz anders an das Netz ran als Frau­en über 24 Jah­ren? Oder sind hier Geschlech­ter­ver­hält­nis­se im Sin­ne bei­spiels­wei­se der zuneh­men­den Ver­ant­wor­tung für Fami­li­en­ar­beit, die dann weni­ger Zeit für einen – eh männ­lich kon­no­tier­ten (Schön­ber­ger 1999, 2008) – expe­ri­men­tel­len Umgang mit neu­en Tech­no­lo­gien lässt? 

Und natür­lich über­tra­gen sich die all­tags­welt­li­chen Pro­zes­se und Prak­ti­ken des doing gen­ders auch ins Netz – femi­nis­ti­sche Blogger(i/I)nnen kön­nen davon ein Lied sin­gen, das betrifft aber auch Zuwei­sun­gen von Tätig­keits­be­rei­chen, als nor­mal ange­se­he­ne Akti­vi­tä­ten und erwar­te­tes Ver­hal­ten. In die­sem Zusam­men­hang ist es auf­fäl­lig, dass es gera­de die „kom­mu­ni­ka­ti­ven“ Berei­che sind, in denen Frau­en stär­ker oder ähn­lich stark in der Netz­nut­zung ver­tre­ten sind wie Män­ner. Das könn­te jetzt natu­ra­lis­tisch inter­pre­tiert wer­den, im Sin­ne eines „Frau­en sind halt kom­mu­ni­ka­ti­ver, Män­ner repa­rie­ren halt lie­ber das Auto spie­len halt lie­ber Computerspiele“. 

Ich hal­te eine sol­che Inter­pre­ta­ti­on aber nicht nur für unwahr­schein­lich, son­dern auch für gefähr­lich – und wür­de eher davon aus­ge­hen, dass hier zwei Din­ge zu beob­ach­ten sind: Ers­tens die Nor­ma­li­sie­rung der Netz­nut­zung, also eine Ver­schie­bung vom expe­ri­men­tell-tech­ni­schen ins all­täg­lich-untech­ni­sche, so dass das Netz schon lan­ge nicht mehr als „Män­ner­do­mä­ne“ zu betrach­ten ist. Die­se Ver­all­täg­li­chung ist aber nicht auf alle Tätig­keits­fel­der und Gerä­te glei­cher­ma­ßen aus­ge­rich­tet und gleich­mä­ßig ver­teilt. Das Instal­lie­ren von Soft­ware oder der „neue“ mobi­le Netz­zu­gang ragen hier heraus.

Zwei­tens ist gera­de in die­sem ver­all­täg­lich­ten Netz ein Durch­schla­gen der ganz „nor­ma­len“ Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten zu beob­ach­ten, und zwar sowohl auf der Ebe­ne „erlaub­ter“ und als rol­len­kon­form wahr­ge­nom­me­ner Akti­ons­fel­der als auch auf der Ebe­ne struk­tu­rel­ler Ein­schrän­kun­gen – also Kin­der­er­zie­hung als Bruch­li­nie zwi­schen den Alters­grup­pen. Das spie­gelt sich dann ver­mut­lich auch in den ein­zel­nen Berei­chen wie­der, also bei­spiels­wei­se trotz der fast iden­ti­schen Antei­le beim Erstel­len eige­ner Inhal­te, im Phä­no­men der männ­li­chen Alpha-Blogger.

So inter­es­sant die­se sta­tis­ti­schen Daten sind – eigent­li­ches Wis­sen dar­über, wie die­se Dif­fe­ren­zen zu Stan­de kom­men, war­um sie sich in bestimm­ten Berei­chen über die Alters­grup­pen hin­weg fort­set­zen und in ande­ren auf­bre­chen, braucht ande­re Metho­den – also den Blick auf die Prak­ti­ken der Netz­nut­zung, die Ana­ly­se des dis­kur­si­ven Doing Gen­ders und die Unter­su­chung der struk­tu­rel­len Mög­lich­kei­ten. Dane­ben wäre es m.E. auch sinn­voll, die Dif­fe­ren­zie­rung noch wei­ter zu trei­ben – die Sek­tio­nie­rung nach Alter und Geschlecht zeigt Abhän­gig­kei­ten vom Lebens­ver­lauf. Das sta­tis­ti­sche Bun­des­amt hat sei­ne Daten auch nach Bil­dungs­stand dis­agg­re­giert – aber eben nicht gekop­pelt mit den ande­ren Fak­to­ren. Natür­lich gerät auch da die Reprä­sen­ta­tiv­sta­tis­tik an ihre Gren­zen (schon jetzt sind eini­ge Fel­der nicht aus­wert­bar, weil die Fall­zah­len zu klein wer­den). Prin­zi­pi­ell jedoch wäre, wenn schon das quan­ti­ta­ti­ve Para­dig­ma bemüht wer­den soll, genau hier der nächs­te Schritt, also beim Blick dar­auf, wie sozia­le Her­kunft – viel­leicht auch die Fami­li­en­struk­tur – mit Alter und Geschlecht interagieren.

P.S.: Ich bin mir sicher, dass es Blogs und wei­te­re For­schungs­ar­bei­ten zu die­sem The­men­feld gibt. Nach­dem ich eigent­lich auf der Suche nach etwas ganz ande­rem war, habe ich da jetzt nicht wei­ter recher­chiert, son­dern nur das, was ich eh gera­de in der Hand hat­te, her­bei­ge­zo­gen. Über Hin­wei­se in den Kom­men­ta­ren wür­de ver­mut­lich nicht nur ich mich freuen.


* Selbst­ver­ständ­lich geht das sta­tis­ti­sche Bun­des­amt dabei von Zwei­ge­schlecht­lich­keit aus.

Lite­ra­tur
Schön­ber­ger, Klaus (1999): »Inter­net zwi­schen Spiel­wie­se und Fami­li­en­post. Doing Gen­der in der Netz­nut­zung«, in Eike Hebecker/Frank Kleemann/Harald Neymanns/Markus Stauff (Hrsg.): Neue Medi­en­wel­ten. Zwi­schen Regu­lie­rungs­pro­zes­sen und all­täg­li­cher Aneig­nung. Frank­furt: Cam­pus, S. 249–270.

Schön­ber­ger, Klaus (2008): »Doing Gen­der, kul­tu­rel­les Kapi­tal und Prak­ti­ken des Blog­gens«, in Hen­gart­ner, Thomas/Simon Micha­el: Bil­der-Bücher-Bytes. Ber­lin. www.

Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt (2009): Pri­va­te Haus­hal­te in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft – Nut­zung von Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie. Wirt­schafts­rech­nun­gen. Fach­se­rie 15 Rei­he 4. Wies­ba­den: Sta­tis­ti­sches Bundesamt.

War­um blog­ge ich das? Weil ich nicht den Ein­druck habe, dass Daten
wie die­se all­ge­mein bekannt sind.

Nach­trag: Das gan­ze als Dia­gram­me visua­li­siert gibt es hier:

diagramme-netznutzung
Abbil­dung. Netz­nut­zung nach Alter und Geschlecht.
Quel­le: Stat. Bun­des­amt, eige­ne Dar­stel­lung. Ankli­cken zum Vergrößen.