Auf der Suche nach diskursiven Knoten (beim Mobiltelefon) – Update

Mobilfunkteilnehmende in Deutschland

Hal­lo Netz – oben ist auf der Grund­la­ge die­ser und älte­rer Daten dar­ge­stellt, wie vie­le Mobil­funk­ver­trä­ge (kon­kret gezählt wer­den hier wohl SIM-Kar­ten) es in Deutsch­land gibt. Sicht­bar ist, dass es zwi­schen 2000 und 2001 einen rasan­ten Anstieg (Ende der ear­ly-adap­tor-Pha­se?) der Zahl der Mobil­funk­ver­trä­ge gege­ben hat, dass es seit Mit­te 2006 zu einer rech­ne­ri­schen Pene­tra­ti­ons­ra­te von 100% kommt (fak­tisch besit­zen zu die­sem Zeit­punkt etwa 80% der Bevöl­ke­rung ab 14 Jah­ren ein Mobil­te­le­fon), und dass es seit Ende 2008 prak­tisch kein Wachs­tum der Zahl der Ver­trä­ge mehr gibt (Sät­ti­gung).

Ich schaue mir ja die Nut­zungs­prak­ti­ken des Mobil­te­le­fons in Nach­hal­tig­keits­mi­lieus an. In die­sem Kon­text inter­es­siert mich auch der „öko­lo­gi­sche“ Dis­kurs zum Mobil­te­le­fon – und da fra­ge ich mich, ob die oben dar­ge­stell­te Ent­wick­lung der Mobil­funk­teil­neh­men­den­zah­len Auf­schluss dar­über geben könn­te, in wel­chen Jah­ren es beson­ders span­nend wäre, sich den (media­len) Dis­kurs mal genau­er anzuschauen. 

Um eine Grö­ßen­ord­nung zu nen­nen: für Such­wor­te wie „Mobil­funk“, „Han­dy“ oder „Mobil­te­le­fon“ fin­den sich im Online-Archiv der taz seit 1986 bis heu­te etwa 6700 Arti­kel. Das ist min­des­tens eine, eigent­lich sogar zwei Grö­ßen­ord­nun­gen zu viel für das, was ich damit machen will. Des­we­gen suche ich nach Wegen, die Zahl der für eine qua­li­ta­ti­ve Dis­kurs­ana­ly­se aus­zu­wer­ten­den Tex­te deut­lich ein­zu­schrän­ken. Eine Vari­an­te könn­te dar­in bestehen, ein­fach eine „ver­dünn­te“ Stich­pro­be über den gesam­ten Zeit­raum zu neh­men, und dann nur jeden 10, 20, … Arti­kel anzu­schau­en. Die ande­re Stra­te­gie, um zu einer hand­hab­ba­ren Zahl an Arti­keln zu kom­men, liegt eben dar­in, nach dis­kur­si­ven Ver­dich­tun­gen zu suchen: Wann ver­kno­tet sich der Diskurs?

Des­we­gen die Fra­ge: Klingt es plau­si­bel, an den oben genann­ten Kno­ten­punk­ten genau­er hin­zu­schau­en? Oder gibt es ande­re Zeit­punk­te, die span­nend sein könn­ten, wenn es um den öko­lo­gi­schen Dis­kurs zum Mobil­te­le­fon geht?

War­um blog­ge ich das? Zur Feed­back­ein­ho­lung.

 

Nach­trag (22.12.2010): Ich bin jetzt doch noch ein­mal quar­tals­wei­se durch die taz-Suche gegan­gen. Her­aus kommt dann fol­gen­des Bild – dar­ge­stellt sind die Daten von oben, ergänzt (lachs­far­be­ne Bal­ken) um die quar­tals­be­zo­ge­nen Such­ergeb­nis­se nach den Begrif­fen (auch als Wort­an­fang) „Han­dy“, „Mobil­tel“, „Mobil­funk“, „Elek­tro­smog“, „iPho­ne“ und „Smart­phone“. Die Such­ergeb­nis­se sind roh, d.h. es sind auch Arti­kel ent­hal­ten, die nur ganz neben­bei einen die­ser Begrif­fe ent­hal­ten, oder die aus ande­ren Grün­den für eine Dis­kurs­ana­ly­se unin­ter­es­sant sind. Da jetzt doch eini­ges an Details im Dia­gramm ent­hal­ten ist, kann mit einem Klick auf das Bild die dop­pelt so hoch auf­ge­lös­te Fas­sung ange­schaut werden.


mobiltel-zahl-vertraege-taz-600

Inter­es­sant sind die „Peaks“ im 3. Quar­tal 2000, im 3. Quar­tal 2002, im 1. Quar­tal 2004, ab Som­mer 2006 und im 1. Quar­tal 2008. Ein Durch­scrol­len der Arti­kel­über­schrif­ten lässt Ver­mu­tun­gen dar­über zu, was jeweils Ursa­che für den Aus­schlag nach oben ist.

  • 2000: hier sind es ganz klar die UMTS-Auk­tio­nen und die dar­aus flie­ßen­den Gelder
  • 2002: kein kla­rer Trend erkenn­bar, evtl. Spät­fol­gen der UMTS-Auktionen
  • 2004: eben­falls nicht so ganz klar, u.a. Anschlä­ge in Madrid (Bom­be per Han­dy gezün­det), Mobil­funk­netz im Irak, Cebit
  • 2006: auch hier kom­men ver­schie­de­ne The­men zusam­men: der Ver­kauf der Sie­mens-Han­dy­spar­te an BenQ, aber auch Debat­ten über die Han­dy-Über­wa­chung und über Sicherheitsgesetze
  • 2008: Cebit, Vor­rats­da­ten­spei­che­rung, Ter­ro­ris­mus, Sie­mens-Schlie­ßung, und vor allem die Nokia-Schlie­ßung in Bochum

So ganz aus­sa­ge­kräf­tig sieht das alles noch nicht aus. Hmm.

Nochmal nachhaltige Mobiltelefonnutzung

Phone

Im Rah­men mei­ner Diss. inter­es­siert mich der „nach­hal­ti­ge“ Umgang mit Mobil­te­le­fo­nen (am Frei­tag hat­te ich dazu schon ganz kurz gebloggt). 

Auf der EASST 2010 in Tren­to habe ich dazu anhand von Inter­views, die ich vor ein paar Jah­ren durch­ge­führt habe, und in einer pra­xis­theo­re­ti­schen Rah­mung etwas über die Schwie­rig­kei­ten, ein Mobil­te­le­fon nach­hal­tig zu nut­zen. Am Don­ners­tag wer­de ich im Rah­men der Tagung „Ent­schei­dun­gen mit Umwelt­fol­gen zwi­schen Frei­heit und Zwang“ der Nach­wuchs­grup­pe eben­falls noch ein­mal etwas zu die­sem The­ma vor­tra­gen, mit etwas ande­rer Akzen­tu­ie­rung. Ein wich­ti­ger Aspekt sind für mich die sozio­tech­ni­schen „Zwän­ge“ gegen­über den Spiel­räu­men für eine nach­hal­ti­ge Nut­zung. Gra­de eben habe ich bei Twit­ter schon mal rum­ge­fragt; die Ant­wor­ten pas­sen ganz gut zu dem, was mir momen­tan so vorschwebt. 

Zum einen sind das unter­schied­li­che For­men der „nach­hal­ti­gen Nut­zung“ (in der „1. Welt“ – die Debat­te um die das Mobil­te­le­fon als Ent­wick­lungs­mo­tor in Ent­wick­lungs- und Schwel­len­län­dern ist noch­mal ein ganz ande­res The­ma). Wer die Lis­te – die kei­ne Aus­sa­ge über die tat­säch­li­che Umwelt­wir­kung der auf­ge­lis­te­ten Prak­ti­ken sein soll, son­dern ein­fach erst­mal eine Samm­lung, was Men­schen unter nach­hal­ti­ger Nut­zung ver­ste­hen – unten kom­men­tie­ren oder ergän­zen möch­te, ist herz­lich dazu eingeladen.

  • Ver­zicht auf ein Mobiltelefon
  • Nut­zung eines „geteil­ten“ Mobil­te­le­fons, Aus­bor­gen in spe­zi­fi­schen Situationen
  • Maxi­mie­rung der Lebens­zeit: Benut­zung eines alten/gebrauchten Geräts; klei­ne­re Repa­ra­tu­ren; Ersatz eines defek­ten Akkus; Ver­zicht auf Ver­trags­ver­län­ge­rungs­neu­ge­rä­te etc.
  • Wei­ter­ga­be bzw. Recy­cling nach Ende der Gebrauchsphase
  • Erreich­bar­keit auch mit einem älte­ren Modell mög­lich, Ver­zicht auf ener­gie­in­ten­si­ve Funk­tio­nen wie WLAN, kein Smartphone
  • Aus­wahl eines Geräts mit einem gerin­gen SAR-Wert, Strahlungsarmut
  • Aus­wahl eines Geräts mit „Öko-Design“ – beson­ders robust und hoch­wer­tig; recy­cel­te Kunst­stof­fe; inte­grier­te Solarzellen
  • Mini­mie­rung der Nut­zung: nur in beson­de­ren Fäl­len im Ein­satz, nicht immer ange­schal­tet, WLAN nicht immer ange­schal­tet; bewusst Ent­schei­dung für „teu­re­re“ Tarifstruktur/Prepaid
  • (Weit­ge­hen­der) Ver­zicht auf Anru­fe, Nut­zung nur für SMS
  • Ver­wen­dung von Öko-Strom zum Aufladen
  • Nut­zung als Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­um für nach­hal­ti­gen Kon­sum (vom Web­brow­ser auf dem Smart­phone zu beson­de­ren Apps wie etwa Bar­code-Rea­der mit Pro­dukt­in­for­ma­tio­nen oder orts­ba­sier­te Diens­te zur Infor­ma­ti­on über Umweltfragen)

Aus der Lite­ra­tur sind dann noch zwei wei­te­re For­men „nach­hal­ti­ger Nut­zung“ bekannt, von deren Exis­tenz ich aber noch nicht so ganz über­zeugt bin. Das eine wäre sowas wie eine Erhö­hung der Nach­hal­tig­keit des eige­nen Lebens dadurch, dass das Mobil­te­le­fon ener­gie- und res­sour­cen­in­ten­si­ve­re Dienst­leis­tun­gen und Pro­duk­te ersetzt (ein Bei­spiel wäre das Mobil­te­le­fon als eBook-Rea­der vs. eigen­stän­di­ges Gerät vs. gedruck­tes Buch) bzw. die Orts- und Zeit­fle­xi­bi­li­tät, die mit dem Gerät ver­bun­den ist, Mobi­li­tät ver­mei­den lässt (viel­leicht geht die Abfra­ge von Online­fahr­plä­nen via Han­dy in die­se Richtung). 

Das ande­re Modell, noch einen Schritt wei­ter­ge­hend, wäre das Smart­phone als öko­lo­gi­sche „Opti­mie­rungs­zen­tra­le“, sowas wie eine lau­fen­de Berech­nung der eige­nen Öko­bi­lanz als Ent­schei­dungs­grund­la­ge. Also die Nut­zung ent­spre­chen­der Infor­ma­ti­ons­ka­nä­le nicht in Aus­nah­me­fäl­len, son­dern ein­ge­baut in all­täg­li­che Routinen.

Neben die­sen nach­hal­ti­gen Nut­zungs­for­men, die mehr oder weni­ger die Spiel­räu­me umrei­ßen, ste­hen die „Zwän­ge“. Auch dafür eine (sicher­lich) unvoll­stän­di­ge und eher unsor­tier­te Liste.

  • Kaum Ein­fluss auf den Pro­duk­ti­ons­pro­zess, damit kaum Ein­fluss auf die wich­tigs­ten Nach­hal­tig­keits­fra­gen (Her­stel­lungs­be­din­gun­gen, …)
  • Abhän­gig­keit der Han­dy-Nut­zung von groß­tech­ni­scher Infra­struk­tur und deren Betrieb (ob der Netz­be­trei­ber für sei­ne Ser­ver Öko­strom ver­wen­det, weiss ich nicht und kann ich nicht beeinflussen)
  • Ver­trags- und Tarif­struk­tu­ren (auto­ma­tisch neue Gerä­te, auto­ma­ti­sche Vertragsverlängerung, …)
  • Bestimm­te Funk­tio­na­li­tä­ten nur mit neue­ren Model­len; ste­ti­ger Modellwechsel
  • Schlech­te Repa­rier­bar­keit, begrenz­te Lebensdauer
  • Not­wen­dig­keit, erreich­bar zu sein (z.B. wegen fami­liä­rer Koor­di­na­ti­on, beruf­li­chen Fra­gen, poli­ti­schem Machtgewinn)
  • Kei­ne funk­tio­na­len Äqui­va­len­te für bestimm­te Funk­tio­na­li­tä­ten, z.B. Textnachrichten
  • Ver­knüp­fung bestimm­ter Erwar­tun­gen mit dem Mobil­te­le­fon – wer eines hat, soll die­ses z.B. auch mög­lichst immer ange­schal­tet haben, weil Erreich­bar­keit zu den sozi­al durch­ge­setz­ten Eigen­schaf­ten der Mobil­te­le­fon­nut­zung gehört; macht z.B. Mini­mie­rungs­stra­te­gien oder sha­ring schwierig
  • Peer pres­su­re – z.B. Teen­ager, Mobil­te­le­fon als Objekt, an dem sich rea­le sozia­le Gemein­schaf­ten bilden
  • Mit zuneh­men­der Ver­all­täg­li­chung (inzwi­schen 80–90% der Haus­hal­te …) des Geräts wird „Mobil­te­le­fon­nut­zung“ die nicht hin­ter­frag­te gesell­schaft­li­che „Stan­dard­op­ti­on“, Ver­zicht wird mas­siv begründungsbedürftig
  • Uni­ver­sa­le Gene­ra­li­sier­bar­keit mobi­ler Kom­mu­ni­ka­ti­ons­prak­ti­ken macht Begren­zung auf bestimm­te Sphä­ren schwierig
  • In die Geräte/Verträge ein­ge­schrie­be­ne „Sach­zwän­ge“ (wel­che wären das?)

Viel­leicht hat ja jemand Lust, mit mir dar­über nach­zu­den­ken, ob die bei­den Lis­ten – die nicht der Inhalt, aber eine Grund­la­ge mei­nes Vor­trags am Don­ners­tag sein wer­den – so sinn­voll sind. 

War­um blog­ge ich das? Zur inter­sub­jek­ti­ven Ver­mei­dung blin­der Flecken.

Kontrovers: GEW zu Wissenschaftskarrieren – gut gemeint, aber …?

Heu­te hat die GEW das Temp­li­ner Mani­fest vor­ge­stellt, in dem sie in zehn The­sen dafür ein­tritt, wis­sen­schaft­li­che Kar­rie­ren plan­ba­rer zu machen und die damit ver­bun­de­nen Arbeits­be­din­gun­gen zu ver­bes­sern. In den The­sen steht vie­les, was ich auch rich­tig fin­de – dau­er­haf­te Beschäf­ti­gungs­mög­lich­kei­ten jen­seits der Pro­fes­sur bei­spiels­wei­se. Trotz­dem zöge­re ich, das Mani­fest zu unterzeichnen. 

Mag sein, dass da auch gewis­se Vor­ur­tei­le gegen­über Gewerk­schaf­ten mit­spie­len. Vor Augen habe ich aber ins­be­son­de­re die 12-Jah­res-Rege­lung, die ich mit der dama­li­gen SPD-Minis­te­rin Bul­mahn ver­bin­de. Die Idee dahin­ter war, dass ein Ver­bot der Beschäf­ti­gung auf befris­te­ten Stel­len über ins­ge­samt zwölf Jah­re hin­aus dazu bei­tra­gen könn­te, die Zahl wis­sen­schaft­li­cher Dau­er­stel­len zu erhö­hen. Fak­tisch ist das aber nicht pas­siert – weil kein neu­es Geld ins Hoch­schul­sys­tem geflos­sen ist, und weil es – ganz typisch für den Wis­sen­schafts­be­reich – eine gro­ße Zahl poten­zi­ell Beschäf­ti­gungs­wil­li­ger gibt und gab. Statt mehr Dau­er­stel­len zu schaf­fen, war der Effekt der 12-Jah­res-Rege­lung damit eher der, Men­schen aus dem Wis­sen­schafts­sys­tem raus­zu­drän­gen. Die waren dann zwar nicht mehr pre­kär und befris­tet beschäf­tigt – aber beschäf­tigt waren sie auch nicht. Oder die Hoch­schu­len grif­fen zu Tricks wie An-Insti­tu­ten und hoch­schul­na­hen Pro­jekt­trä­gern. Scha­van hat die­se Rege­lung dann wie­der abge­schafft und durch dif­fe­ren­zier­te Befris­tungs­re­ge­lun­gen ersetzt – sinn­vol­ler­wei­se, wie ich finde.

Viel­leicht irre ich mich ja. Aber eini­ge der Temp­li­ner For­de­run­gen klin­gen für mich sehr danach, dass eine ernst­haf­te poli­ti­sche Umset­zung, gera­de in den Hän­den der Sozi­al­de­mo­kra­tie, nicht die inten­dier­ten Effek­te haben wür­de, son­dern zu einem Mehr an Büro­kra­tie und zu kon­tra­pro­duk­ti­ven Regu­lie­run­gen füh­ren wür­de. Um nur zwei Bei­spie­le zu nen­nen: Die For­de­rung nach qua­li­fi­zier­ten Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen für Dok­to­ran­dIn­nen kann eben auch hei­ßen, freie Pro­mo­tio­nen nicht mehr zuzu­las­sen. Lehr­be­auf­trag­te durch sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäf­ti­gung zu erset­zen, klingt erst mal gut, kann aber auch hei­ßen, dass die­je­ni­gen, die sich bis­her damit irgend­wie durch­ge­schla­gen haben, dass dann nicht mehr tun kön­nen – und trotz­dem kei­ne neu­en Stel­len geschaf­fen werden. 

Inso­fern also eine gewis­se Skep­sis – aber viel­leicht mag mich jemand vom Gegen­teil überzeugen.

Buch da!

Nach den Wald­be­sit­ze­rin­nen und den „zwei Her­zen der Forst­wirt­schaft“ kann ich stolz (und ein wenig erleich­tert* …) die drit­te** gro­ße Pro­jekt­ver­öf­fent­li­chung in die­sem Jahr ankün­di­gen – seit ges­tern ist der Abschied vom grü­nen Rock gedruckt und erhältlich.

Der Sam­mel­band infor­miert über die Ergeb­nis­se aus dem Pro­jekt­ver­bund „wa’gen“ (Wald­wis­sen und Natur­er­fah­run­gen auf dem Prüf­stand Gen­der-Ana­ly­se in der Waldinformations‑, Öffent­lich­keits- und Bil­dungs­ar­beit sowie Ent­wick­lung von Gestal­tungs­an­sät­zen, 2005–2008), einer Koope­ra­ti­on zwi­schen dem Insti­tut für Umwelt­stra­te­gien, Umwelt­pla­nung (Lüne­burg) und dem Insti­tut für Forst­be­nut­zung und Forst­li­che Arbeits­wis­sen­schaft (Frei­burg).

Über die Inhal­te infor­miert der Klap­pen­text am bes­ten, des­we­gen zitie­re ich den jetzt ein­fach, statt noch­mal neu was zu formulieren:

Forst­ver­wal­tun­gen und ihre wald­be­zo­ge­ne Bil­dungs­ar­beit befin­den sich in Deutsch­land der­zeit in einem Reform­pro­zess. Unter den Vor­zei­chen betriebs­wirt­schaft­li­cher Opti­mie­rung und der Öff­nung gegen­über neu­en Ziel­grup­pen ste­hen alte Tra­di­tio­nen zur Debat­te. Ist mit dem Abschied vom „grü­nen Rock“ der forst­li­chen Uni­form ein Auf­bruch ver­bun­den? Der For­schungs­ver­bund wa’­gen (Wald­wis­sen & Gen­der) hat im Rah­men des BMBF-Pro­gramms „Nach­hal­ti­ge Wald­wirt­schaft“ danach gefragt, wie Natur- und Geschlech­ter­bil­der im „Wald­wis­sen“ zusam­men­kom­men, wel­che Her­aus­for­de­run­gen und Chan­cen für die wald­be­zo­ge­ne Umwelt­bil­dung damit ver­bun­den sind, und wie Wald­wis­sen, Orga­ni­sa­ti­ons­re­for­men und die tra­di­tio­nel­le Orga­ni­sa­ti­ons­kul­tur der „Män­ner­do­mä­ne Forst­ver­wal­tung“ inein­an­der greifen.
Aus der allen AutorIn­nen gemein­sa­men Geschlech­ter­per­spek­ti­ve her­aus wer­den anhand von Fall­bei­spie­len The­men wie das Natur­ver­ständ­nis, die „unsi­che­re“ Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Umwelt­bil­dung, die his­to­ri­schen Mecha­nis­men des Frau­en­aus­schlus­ses aus dem Forst­dienst und die lau­fen­den Reor­ga­ni­sa­ti­ons­pro­zes­se beleuch­tet. Damit ver­steht sich Abschied vom grü­nen Rock als Bei­trag zur Suche der Forst­or­ga­ni­sa­tio­nen nach zukunfts­fä­hi­gen Ant­wor­ten auf die gegen­wär­ti­gen Umbrüche. 

Wer sich für die Zukunft der Forst­ver­wal­tun­gen aus einer der beschrie­be­nen zwei Per­spek­ti­ven – Geschlech­ter­ver­hält­nis­se in Forst­or­ga­ni­sa­tio­nen bzw. in der wald­be­zo­ge­nen Umwelt­bil­dung – inter­es­siert, wird dem Band auf jeden Fall was abge­win­nen kön­nen. Eini­ges dürf­te aber auch dar­über hin­aus inter­es­sant sein.

Von mir sind (neben der Mit­ar­beit an der Ein­lei­tung) drei Tex­te, an denen ich betei­ligt war – da geht es um das Inein­an­der­grei­fen von forst­li­chen Geschlech­ter­ver­hält­nis­sen und orga­ni­sa­to­ri­schem Wan­del gene­rell („Staat­li­che Forst­ver­wal­tun­gen im Wan­del: Orga­ni­sa­ti­ons­re­form und Geschlecht“) bzw. am Fall­bei­spiel Rhein­land-Pfalz („Fall­bei­spiel: Geschlech­ter­ver­hält­nis­se in einer deut­schen Forst­ver­wal­tung“, mit Sabi­ne Blum) bzw. in einem Zwi­schen­ruf*** um die Zusam­men­hän­ge zwi­schen Geschlecht, Orga­ni­sa­ti­on und Pro­fes­si­on (mit Mari­on Mayer).

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen beim Ver­lag (oekom), bestell­bar u.a. bei ama­zon.

Biblio­gra­phi­sche Anga­ben: Maria Hehn, Chris­ti­ne Katz, Mari­on May­er, Till Wes­ter­may­er (Hrsg.): Abschied vom grü­nen Rock. Forst­ver­wal­tun­gen, wald­be­zo­ge­ne Umwelt­bil­dung und Geschlech­ter­ver­hält­nis­se im Wan­del. Mün­chen: oekom. 230 Sei­ten, 34,90 Euro. ISBN 978–3‑86581–131‑8.

* Erleich­tert vor allem des­we­gen, weil mit dem Abschluss­band ein letz­ter gro­ßer Bro­cken ande­rer Akti­vi­tä­ten aus dem Weg zu mei­ner Diss. geräumt ist …

** Es gibt auch noch ein Buch­ma­nu­skript zu einem Pro­jekt, das von 2002 bis 2005 gelau­fen ist, und an dem ich betei­ligt war … mal schau­en, ob und wann das dann tat­säch­lich sei­nen Weg in die Öffent­lich­keit findet.

*** Zwi­schen­ruf: eine aus mei­ner Sicht inno­va­ti­ve Form, die wir zwei­mal in das Buch gepackt haben – jeweils zwei AutorIn­nen unter­hal­ten sich dar­in über ihre Buch­tex­te und arbei­ten Quer­be­zü­ge heraus.

Wissenschaftsbloggen und die Interdisziplinarität

No. Five is alive II

C.P. Snow hat 1959 die – rhe­to­risch zuge­spit­ze – The­se auf­ge­stellt, dass es zwi­schen „sci­ence“ (mehr oder weni­ger Natur­wis­sen­schaft) und „huma­ni­ties“ (Sozial‑, Kul­tur- und Geis­tes­wis­sen­schaf­ten) einen tie­fen Gra­ben gäbe, dass es sich um zwei Kul­tu­ren hand­le. (Neben­bei bemerkt: Wolf Lepe­nis hat 1985 in einem Buch „Die drei Kul­tu­ren“ noch eine zwei­te Trenn­li­nie gezo­gen, um die Sozi­al­wis­sen­schaft bzw. die Sozio­lo­gie geson­dert behan­deln zu kön­nen – ich muss­te ganz am Anfang mei­nes Stu­di­ums mal ein Essay dazu schreiben).

Wie dem auch sei: wenn ich die gest­ri­ge Debat­te (Syn­op­se der Tweets, rück­wärts zu lesen) bei Twit­ter mit @fischblog, @jbenno, @weitergen und @werkstatt Revue pas­sie­ren las­se, scheint der Gra­ben zwi­schen unter­schied­li­chen wis­sen­schaft­li­chen Kul­tu­ren so leben­dig zu sein wie eh und je. Aus­gangs­punkt für das gan­ze war ein (eher wis­sen­schafts­phi­lo­so­phi­scher) Blog­bei­trag bei den Sci­ence­b­logs – stell­ver­tre­tend für dort immer wie­der hoch­kom­men­de Fra­gen danach, wel­cher Maß­stab denn an einen guten Wis­sen­schafts­blog-Bei­trag anzu­le­gen sei, und wie dafür zu recher­chie­ren ist.

In der Debat­te auf Twit­ter ges­tern ging es dann mun­ter hin und her – nicht nur der bereits erwähn­te Snow kam zu Ehren, son­dern auch Chris­ti­an Huy­gens (einer der ers­ten Wis­sen­schaft­ler), Ador­no und Pop­per. Letzt­lich ging es aber doch vor allem dar­um, ob der Gül­tig­keits­an­spruch von (Natur-)Wissenschaft in Fra­ge gestellt wer­den darf, ob der der wis­sen­schaft­li­chen Metho­de inhä­ren­te Skep­ti­zis­mus sich auch auf die Gene­se, Pra­xis und Gül­tig­keit der wis­sen­schaft­li­chen Metho­de erstre­cken soll, ob es legi­tim ist, wenn unter­schied­li­che Wis­sen­schaf­ten unter­schied­li­che Güte­maß­stä­be ent­wi­ckeln, und ob denn der Sta­tus wis­sen­schaft­li­chen Wis­sens durch den Ver­gleich mit ande­ren Wis­sens­ar­ten – in der sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Wis­sen­schafts­for­schung gang und gäbe – rela­ti­viert wer­den dür­fe, oder ob das dann doch eher in Rich­tung Häre­sie ginge.

Letzt­lich bleibt bei mir nicht unbe­dingt die Skep­sis, ob gute sozi­al- und geis­tes­wis­sen­schaft­li­che Blog­bei­trä­ge mög­lich sind (da gibt es durch­aus Bei­spie­le), son­dern ers­tens, ob sol­che Blogs in einer vor­nehm­lich natur­wis­sen­schaft­lich gepräg­ten Com­mu­ni­ty wie den sci­ence­b­logs gut auf­ge­ho­ben sind, oder ob es da nicht ein­fach ande­rer Öffent­lich­kei­ten bedarf (ein Bei­spiel dafür sind die Socie­ty Pages der Uni­ver­si­ty of Min­ne­so­ta, die ver­schie­de­ne sozio­lo­gi­sche Blogs hosten). 

Zwei­tens geht es dabei aber auch um die grö­ße­re Fra­ge danach, wel­che Anstren­gun­gen zu unter­neh­men sind, um Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät tat­säch­lich zu ermög­li­chen. Und ob das über­haupt geht. Mei­ne Erfah­rung hier, aber auch aus diver­sen For­schungs­pro­jek­ten ist jeden­falls, dass Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät nicht „von selbst“ ent­steht, son­dern dass dahin­ter har­te Arbeit liegt, dass es um einen akti­ven Ver­stän­di­gungs­pro­zess geht, nicht zuletzt dar­um, boun­da­ry objects zu defi­nie­ren, an deren Gemein­sam­kei­ten unter­schied­li­che Wis­sen­schafts­prak­ti­ken kris­tal­li­sie­ren kön­nen. Für mich steht das unter dem Begriff „Inter­dis­zi­pli­na­ri­täts­ma­nage­ment“. Das heißt auch: Eigent­lich bräuch­ten grö­ße­re inter- (oder gar trans-)disziplinäre Pro­jek­te hier eine rich­ti­ge Begleit­for­schung und „Über­set­zungs­ak­ti­vis­tIn­nen“ – fän­de ich eine inter­es­san­te Sache. 

War­um blog­ge ich das? Um doch irgend­was aus der ziem­lich hart geführ­ten Debat­te her­aus­zu­zie­hen, zusam­men­zu­brin­gen, zu inter­grie­ren und auf­zu­schrei­ben. Und weil ich mir manch­mal gar nicht so sicher bin, ob ich eigent­lich „sci­ence blog­ging“ betrei­be oder nicht.

Nach­trag: Weil das mit den Track­backs nur begrenzt klappt, hier noch von Hand der Link zum inzwi­schen im Netz ste­hen­den, aus der Debat­te ent­stan­de­nen Text von Jörg Blum­tritt mit dem schö­nen Titel „Meta­phy­sik, Spe­ku­la­ti­on und die „Drit­te Kul­tur“, wobei er mit letz­te­rem nicht wie Lepe­nis die Sozio­lo­gie meint, son­dern auf die im Netz ent­ste­hen­de wis­sen­schaft­lich­keits­na­he Öffent­lich­keit setzt, die nach Über­set­zungs­ar­beit, Erläu­te­rung und Begrün­dung ver­langt. Zuviel des Optimismus?