Letzten Montag hatte ich die Chance, die Bundesgartenschau in Mannheim zu besuchen. Das lohnt sich nicht nur wegen der Seilbahn, die die beiden Gartenschau-Flächen verbindet (und nach Ende der BUGA leider wieder abgebaut wird), sondern auch, weil diese BUGA insgesamt sehr schön deutlich macht, wie eine nachhaltige und urbane, an Upcycling und Wiederverwertung orientierte Ästhetik einer Gartenschau aussehen kann. Weitere Fotos auf Flickr.
Optimale Pfade
Das mag jetzt etwas abwegig klingen, und vielleicht geht’s nur mir so.
Ich finde das an Computer-Programmen rumbasteln sehr entspannend, das ist auch etwas, wo ich schnell die Zeit aus den Augen verliere.
Ähnlich geht es mir mit einigen Spielen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben: Terraforming Mars, Cities: Skylines, Turing Complete (letzteres eine Simulation/Tutorial für den Aufbau eines PC ausgehend von AND- und OR-Schaltungen). Was diesen Spielen gemeinsam ist: es gibt – optimierbare – Pfade hin zu einem erwünschten Endzustand. Bei Terraforming Mars kommt’s dabei auch auf Glück an, die richtigen Karten zu haben. Cities: Skylines als Städtebausimulation ist manchmal opak.
Turing Complete zeigt das in Reinkultur: baue einen Schaltkreis, der genau diese Aufgabe möglichst effizient erledigt, z.B. die Multiplikation zweier Binärzahlen.
Das Schöne an diesen Spielen ist das Erfolgserlebnis, durch Nachdenken und Ausprobieren optimale Pfade zu finden. Wenn A und B, und dann C, dann auch D …
Harter Kontrast zur wirklichen Welt: die ist mit ihren großen Problemen natürlich um ein paar Größenordnungen komplexer als Programme oder Wege durch Spiele. Trotzdem lässt sich so etwas wie die große Transformation oder die Herausforderung der Klimakrise als Netzwerk von Abhängigkeiten denken, durch den es einen optimalen (oder überhaupt irgendeinen) Pfad zu finden gilt.
Neben der Größenordnung gibt es allerdings mindestens zwei wichtige Unterschiede, die die Suche nach optimalen Pfaden zu einer deutlich weniger erfreulichen Angelegenheit machen.
Zum einen fehlt die Möglichkeit des Trial und Errors; die gibt es bei politischen Lösungen der Klimakrise noch nicht einmal als Simulation. Entscheidungen sind vielfach irreversibel. Falsche Abbiegungen schließen ganze Äste aus. Gleichzeitig erscheint das, was als möglicher Pfad für eine Lösung dieser Frage denkbar ist, als sehr fragile Angelegenheit. Damit am Schluss ein Zwei-Grad-Szenario herauskommt, müssen ganz viele Entscheidungen an ganz vielen Stellen – vom Verkehrssystem bis zur Frage der Methanemissionen aus der Tierhaltung – weltweit richtig getroffen werden. „Kleinigkeiten“ wie die Frage, wann das Heizungsgesetz in Deutschland seine Wirkung entfaltet, können sich als politische Kipppunkte erweisen und anderes verunmöglichen. Alles hat Nebenwirkungen und Seiteneffekte.
Zum anderen sind, wie hier schon deutlich wurde, sehr viele Akteur*innen beteiligt, die für eine erfolgreiche Lösung kooperieren müssen. Und das macht’s nochmal deutlich schwieriger – erst recht aus einer Perspektive des minimalen Einflusses auf einige wenige „Schalter“.
Bringt mir dieser Vergleich jetzt etwas? Vielleicht die Erkenntnis, dass – ohne in soziotechnische Ingenieursträume oder Planbarkeitseuphorie zu verfallen – es gut wäre, wenn das Bewusstsein dafür, dass es sich bei den großen Herausforderungen nicht um isolierte Probleme handelt, sondern erfolgreiche Lösungen auf ein ganzes Netzwerk aus Wirkungen und Effekten angewiesen ist, samt Feedbackschleifen und Rückwirkungen.
Den einen optimalen Pfad kennt niemand. Vielleicht gibt es ihn nicht. Und vielleicht sind wenig planbare Dinge wie Märkte und exponentielle Technikdurchsetzungen – wie wir sie gerade bei PV erleben, am Ende wichtiger.
Trotzdem würde ich mir mehr Bewusstsein über all diese Abhängigkeiten wünschen. Gerade bei denen, die entscheiden.
Und, ganz anderer Punkt: löse die Klimakrise könnte jenseits aller Didaktik (an der m.E. Vesters Ökolopoly scheitert) eine gute Grundlage für ein Simulationsspiel sein.
Monster der Moderne, oder: Ob die Straßenbahn nach Gundelfingen kommt?
Freiburg ist eine Stadt, die inzwischen einen ziemlich guten Modal Split aufweisen kann – also eine Verteilung der Verkehrsträger, bei der viele Wege zu Fuß, mit dem Rad oder eben mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden. Rückgrat dafür ist eine Strategie, die seit vielen Jahren konsequent auf den Ausbau des Straßenbahnnetzes setzt. Im Norden Freiburgs hört die Straßenbahn ziemlich abrupt auf – an der Gemarkungsgrenze zwischen der Stadt und dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald liegt die Haltestelle Gundelfinger Straße mit Wendeschleife, Parkplatz, Frelo-Station und Umstiegsmöglichkeit in den Bus.
Wer von dort Richtung Gundelfingen – der aufstrebenden Gemeinde im Norden Freiburgs – weiterläuft, ist nach wenigen Metern mitten im Ort. Die Alte Bundesstraße als Hauptstraße der Gemeinde ist breit ausgebaut. An einigen Stellen ist deutlich zu sehen, dass Platz für einen möglichen Weiterbau der Straßenbahn reserviert ist. So gibt es auf der Höhe Ochsen Grünflächen in der Mitte der Straße. Und auch der Sonneplatz – Gundelfingens Ortsmitte – ist breit angelegt, so dass hier Platz für eine Haltestelle wäre. Nach zwei Kilometern durch Alte Bundesstraße und Waldstraße landet der Fußgänger am Bahnhof, korrekter: am Haltepunkt Gundelfingen, hier hält mehr oder weniger alle halbe Stunde eine S‑Bahn auf der Rheintalstrecke, und verbindet die 12.000-Einwohner-Gemeinde mit Freiburg im Süden bzw. mit Denzlingen, Waldkirch und Emmendingen im Norden.
Darüber, ob die Straßenbahn durch Gundelfingen bis zum Bahnhof verlängert werden soll, wird seit 30 Jahren gestritten. Oder, das ist eigentlich zu viel gesagt: es wird immer wieder gefordert, auf der einen Seite, und auf der anderen Seite eher totgeschwiegen. Klar ist: der Zweckverband Regionalverkehr Freiburg (ZRF) aus Stadt und Landkreisen hätte durchaus ein Interesse daran, die Straßenbahn zu verlängern und mit der Schiene zu verknüpfen. Deswegen die Vorhalteflächen. Es gibt eine Planung aus den 1990er Jahren – und die Aussicht, dass die Finanzierung dieser regional bedeutsamen Strecke mehr oder weniger komplett aus Landes- und Bundesmitteln erfolgen könnte.
Mit der Unterschriftensammlung des rührigen AK Mobilität im Bürgertreff hat das Thema Straßenbahn neue Fahrt aufgenommen. Der AK sammelt Unterschriften für einen Wiedereinstieg in die Planung. Rund 700 sind notwendig, um einen Bürgerentscheid darüber durchzuführen; diese Zahl ist wohl inzwischen erreicht. Der Bürgerentscheid würde im Herbst diesen Jahres durchgeführt – also rechtzeitig, um bei positivem Ausgang dazu zu führen, dass bei den Vergabeentscheidungen des Zweckverbandes Gundelfingen mit berücksichtigt werden könnte. Bis dann fertig geplant ist und gebaut wird, würden dennoch noch einmal mindestens zehn Jahre vergehen. Die Entscheidung ist also keine darüber, ob morgen die Stadtbahn Freiburg in Gundelfingen hält, sondern eine darüber, ob die Straßenbahn Teil eines Mobilitätskonzeptes für die 2030er Jahre sein soll. Eine Entscheidung, die Weitblick und ein gewisses Vorstellungsvermögen für zukünftige Gegebenheiten braucht.
Auch der Gemeinderat beschäftigt sich – aufgrund des Bürgerbegehrens, aufgrund der Thematisierung im Bürgermeisterwahlkampf letzten Jahres, und auch aufgrund eines grünen Antrags, ein Ratsbegehren zur Straßenbahn durchzuführen – inzwischen mit der Straßenbahn.
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Kurz: Balkonsolar und Olivenöl
Letztlich hat es ziemlich genau ein Jahr gedauert vom ersten Gespräch mit dem Handwerker bis zur Befestigung zweier 325W-Module an meinem Balkon – Zählerwechsel durch die Gemeindewerke, Lieferprobleme, Fachkräftemangel, Corona, you name it – aber jetzt hängen sie und produzieren Strom. Dank Shelly-Messtoken und App lässt sich auch jederzeit nachschauen, was tatsächlich ins Haus läuft und da verbraucht wird. Und wie die Bewölkung gerade ist – die tatsächlich Leistung bei bedecktem Himmel oder nur indirekter Sonneneinstrahlung liegt eher bei 20–40 Watt, bei Sonnenschein und direkter Einstrahlung ohne Verschattung (Nachbarhaus!) ging es bisher bis 450 Watt hoch, möglich wären aufgrund des verwendeten normgerechten Wechselrichters bis 600 Watt. Sorgen, dass es Probleme mit der etwas älteren Elektroinfrastruktur hier im Haus geben könnte, haben sich nicht bewahrheitet.
Kurzer Physikexkurs: ein Watt ist ein Joule pro Sekunde. Um sich das mit den Joule besser vorstellen zu können: 100 ml Olivenöl, also ein Schälchen voll, haben einen Energiegehalt von etwa 3400 Kilojoule. Erstmal verwirrend: Watt ist an Zeit gekoppelt, wenn die Zeit rausgerechnet wird, kommen Wattsekunden (= Joule), Wattstunden (= 3600 Joule) oder Kilowattstunden (= 3600 Kilojoule) heraus. 400 Watt eine Stunde lang ergeben entsprechend 0,4 kWh. Oder, ganz grob gesagt: den Energiegehalt eines halben Schälchens Olivenöl.
Der düsterste Tag der letzten Woche hat einen Ertrag von 0,25 kWh, der sonnigste 1,4 kWh. Ich hoffe, dass das mit dem höheren Sonnenstand im Frühjahr und Sommer und der längeren Sonnenscheindauer noch etwas mehr wird und sich sichtbar auf den Strombezug unseres Haushalts auswirkt, der bisher so um die 8–9 kWh pro Tag liegt.
Ungeduld der Klimabewegung, Zeitläufe der Politik
Auch jenseits von Lützerath beobachte ich in den letzten Wochen eine zunehmende Schärfe im Ton zwischen Klimabewegung und grüner Partei. Das ist auf der einen Seite nicht weiter verwunderlich – Bündnis 90/Die Grünen stecken als Regierungspartei in einer anderen Rolle als die Klimabewegung, und mit dem Wechsel von Opposition zu Regierung im Bund hat sich da auch noch einmal etwas verschoben. Auf der anderen Seite lässt mich das etwas ratlos zurück. Denn im Kern steckt hinter dieser zunehmenden Schärfe ein Dilemma, das sich nicht so leicht auflösen lässt.
Das Mantra der Klimabewegung ist seit einigen Jahren das der maximalen Dringlichkeit: die Klimabudgets sind weitgehend ausgeschöpft, das politisch festgesetzte 1,5‑Grad-Ziel ist nur zu halten, wenn sofort gegengesteuert wird, und das Fenster, noch etwas zu verändern, schließt sich. Ich kann diese Dringlichkeit, die ja zu großen Teilen wissenschaftlich begründet ist, gut nachvollziehen. Und ich kann sogar nachvollziehen, dass beobachtetes Nichthandeln dazu führt, Aktionsformen zu wählen, die auffälliger sind als Großdemonstrationen und kluge Äußerungen in Talkshows. Es geht um etwas. Es geht um alles!
Gleichzeitig ist Politik nur begrenzt krisenfähig. Erst recht nicht, wenn eine politische Antwort auf die Klimakrise eigentlich heißen würde, die nächsten Jahrzehnte Politik nur noch im Krisenmodus zu betreiben – mit schnellen und einschneidenden Entscheidungen, mit dem Außerkraftsetzen von Abwägungen und Beteiligungsrechten. Ereignishaft kann Politik in diesem Modus arbeiten. Das hat sich in der Corona-Krise gezeigt, als Maßnahmen quasi über Nacht ergriffen wurden. Und auch der schnelle Aufbau von LNG-Terminals ließe sich hier als Beispiel anführen. Warum also nicht in diesem Tempo die 180-Grad-Wende hin zu einer wirkungsvollen Klimapolitik? Schließlich ist doch wissenschaftlich längst klar, was getan werden müsste – von kleineren Maßnahmen wie dem Tempolimit bis hin zur kompletten Elektrifizierung von Verkehr und Industrie, der Umstellung des Energiesystems auf Wind, Photovoltaik und Speicher und der Switch in der Ernährung zu klimaschonenderen Lebensmitteln liegt der Instrumentenkasten auf dem Tisch.
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