Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer ist nicht nur altehrwürdig, sondern schuld daran, dass ich meiner Arbeit nicht so nachgehen kann, wie ich das eigentlich gerne würde. Und außerdem streikt sie ziemlich gerne, wenn der verlinkte Wikipedia-Eintrag stimmt. Dabei geht es allerdings, sofern ich diverse Presseberichte richtig verstehe, bei diesem Streik nicht nur um mehr Geld (ob das angemessen ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen), sondern auch um die Frage, welche Gewerkschaft für welchen Teil des Bahnpersonals zuständig ist.
Kurz: Zufällige Bewegung, oder: Ich als Elementarteilchen
Die kürzeste – also, schnellste – Straßenbahnverbindung zwischen dem Rieselfeld und dem Freiburger Hauptbahnhof sieht vor, an der Haltestelle Am Lindenwäldle umzusteigen. Da warten dann die Bahnen auch halbwegs aufeinander. Das selbe gilt natürlich für den Rückweg vom Bahnhof ins Rieselfeld. Abends allerdings bin ich etwas erratisch in meiner Straßenbahnnutzung. Nicht, weil die Verbindung nicht auch da gut aufeinander abgestimmt wäre – meist sind es ein bis zwei Minuten, bis die Anschlussbahn kommt – sondern weil ich dann manchmal denke, dass es doch eigentlich gut wäre, mich zu bewegen. Also, nicht in strömendem Regen oder bei eisiger Kälte. So ungefähr jedes zweite Mal entscheide ich mich gegen die Bahn und für den Fußweg ins Rieselfeld. Wegen der Bewegung. Was ich schon schrieb. Und weil die Bank auf dem Weg liegt, ich also noch Geld holen kann. Und weil es mir unerträglich erscheint, zwei Minuten auf die nächste Bahn zu warten. Oder weil ich nach zwei Stunden im Zug und zehn Minuten in der Straßenbahn einfach genug vom Gedränge und der besonderen Indoor-Atmosphäre des öffentlichen Verkehrs habe. Meist überholt die Straßenbahn mich dann – mal direkt vor der Ampel, die ins Rieselfeld führt, mal erst irgendwann im Stadtteil. Interessanterweise geht mir das nur abends so. Morgens könnte ich theoretisch ja auch bis zur Haltestelle Am Lindenwäldle laufen. Die Argumente wären dieselben. Aber da geht es darum, die Bahn nicht zu verpassen. Deswegen warte ich morgens geduldig und schlaftrunken. Und gehe lieber abends ein paar Schritte zu Fuß. An manchen Tagen jedenfalls.
P.S.: Einen Schrittzähler habe ich nicht. Hielte ich auch eher für Quatsch. Und nachdem mein Fairphone keine im Hintergrund laufenden Bewegungsmessapps mag, scheidet das auch aus. Insofern – stellt euch das vor – weiß ich gar nicht, wie viele Schritte ich am Tag gehe. Und kann das auch nicht zur rationalen Entscheidungen Straßenbahn ja/nein heranziehen!
Kurz: Moral sorgt für Ärger
Einen Gedanken, den Peter Unfried von der taz beim grünen Freiheitskongress aufgeworfen hat, möchte ich hier doch noch einmal aufgreifen: Die fehlende Überzeugungskraft des grünen Projekts sei auf einen Überschuss an Moral zurückzuführen, und zwar extern uns Grünen zugesprochener Moral. Statt auf Moral sei auf Kulturwandel zu setzen, wenn es drum gehe, ökologische Gedanken politisch anschlussfähig zu machen. Solange dagegen – so würde ich das ausdrücken – im Code von Moral/Unmoral kommuniziert werde, werden falsche Rahmungen aufgerufen und falsche Erwartungen geweckt. Solange wir den Eindruck erwecken, Menschen bekehren zu wollen, produzieren wir Widerstände. Gleichzeitig kann dann ganz einfach jedes „grüne Fehlverhalten“ zum Siehste-Beispiel umgewidmet werden. Da muss gar nicht auf das Beispiel Veggieday zurückgegriffen werden; auch das alltägliche Verkehrsverhalten ist für diesen bewussten moralischen Fehlschluss anfällig: Ha, der Minister ist gar nicht Rad gefahren? Oho, die grüne Abgeordnete ist geflogen – dabei wollt ihr doch …!
Jetzt ließe sich leicht argumentieren, dass das ja gar nicht so sei. Wir wollen ja niemand umerziehen. Jedenfalls beteuern wir das ständig. Das fiese hier ist aber gerade, dass es überhaupt nicht darum geht, was wir Grüne sagen (wollen), sondern darum, wie andere das, was wir sagen, deuten und wahrnehmen. Der Text von spektrallinie dazu, dass wir’s besser wissen, passt an dieser Stelle ganz gut … und vermutlich würde sich auch eine Re-Lektüre von Luhmanns Ökologischer Kommunikation aus den 1980er Jahren lohnen, auch da ging es, wenn ich mich richtig erinnere, schon um dieses Problem.
Tja, und was lernen wir jetzt daraus, was ist die Moral von der Geschichte? Können wir für ein gutes Leben streiten, ohne dass das moralisch gelesen wird? Ist grüne Politik, die auf „du sollst“-Aussagen verzichtet, überhaupt noch glaubwürdig? Oder werden wir gerade dann stark, wenn wir uns von den immer wieder angeführten persönlichen Konsummustern und Lebensstilen lösen, und statt dessen bewusst politisch argumentieren? Soll heißen: Wir haben das Ziel, die CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren. Ob Menschen sich individuell dafür entscheiden, Fleisch zu essen oder nicht, ist uns egal – das ist keine politische Frage. Politisch wären dagegen die Fragen, ob Massentierhaltung unterstützt wird oder nicht (also im Sinne von Subventionen und auch von Ordnungspolitik), ob Radexpresswege gebaut werden oder nicht, und welche Grenzwerte für Automobile gelten sollen. Ob eine solche Herangehensweise gelingen kann (die ja durchaus auch den grünen „Markenkern“ berührt), erscheint mir derzeit noch offen zu sein. Böse ausgelegt werden kann alles. Aber zumindest da, wo wir selbst das Heft der Kommunikation in der Hand haben, scheint es mir sehr sinnvoll zu sein, immer wieder zu testen, ob wir – als Partei! – gerade über Politik oder über Moral sprechen.
Degrowth muss wachsen, oder: Selbstbegrenzung statt Verzicht?
Heute ist in Leipzig die Degrowth-Konferenz zu Ende gegangen. Da waren richtig viele Leute – so um die 3000. Was dann zu Beginn auch halbwegs stolz verkündet wurde – in Barcelona 150 Leute, in Paris 450, jetzt nochmal ein erhebliches Wachstum. Super, wir sind viele! Degrowth wächst. Oder steckt da ein Widerspruch drin?
Vier Tage lang ging es in Leipzig vor allem um eines: um Wachstum. Dass Degrowth ein hippes Thema ist, zeigte sich nicht nur an der großen Teilnehmendenzahl, sondern auch an der Vielfalt. Die Konferenz war halbwegs international. Sie wurde von den üblichen Verbänden aus der Umwelt- und der Eine-Welt-Bewegung ebenso unterstützt wie von den Parteistiftungen der SPD, der Grünen und der LINKEN. Der Fokus schwankte zwischen radikaler Kritik am Wachstum=Kapitalismus und Geschäftsmodellen, zwischen Permakulturbasteleien und sozial- und geisteswissenschaftlichen Theorieschlachten. Es war genug für alle da.
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Kurz: Degrowth-Erwartungen
20 Minuten vor Leipzig ist die Degrowth-Konferenz fast erreicht. Was ich da will? Neben Allgemeinplätzen wie „spannendes Thema“ und „Networking“ fahre ich hin, um …
… zusammen mit Jenny Lay einen Vortrag zu „Swap, share, experience“ zu halten, bei dem wir Praxistheorie nutzen, um das transformative Potential von urbanen Gärten und Umsonstläden zu untersuchen (Donnerstag nachmittag);
… über die Frage zu diskutieren, wie IT und die Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch zusammenhängen, und welche Rolle dabei Commoning spielen kann (Donnerstag vormittag);
… mehr darüber zu lernen, wie Technik und Degrowth zusammenpassen;
… und mir eine Meinung darüber zu bilden, ob Postwachstum überhaupt eine sinnvolle Strategie ist, bzw. wie Transformationsszenarien und Übergänge aussehen können.
Und ihr so?