Photo of the week: Bumblebee on lavender II

Bumblebee on lavender II

 
Hum­meln – die­se gemüt­li­chen, dick­li­chen Flug­in­sek­ten – haben ganz schön schar­fe Kral­len. Das fällt aber erst bei genaue­rem Hin­se­hen auf. Was sich also manch­mal lohnt.

Apro­pos Hum­meln: Ich bin gera­de damit fer­tig gewor­den, mei­nen Kin­dern den Hum­mel­rei­ter Fried­rich Löwen­maul vor­zu­le­sen. Epi­sche Fan­ta­sy im Jugend­buch, auf rund 500 Sei­ten. Mit viel Humor, mit Anspie­lun­gen und Wort­spie­len, die eher die Vorleser*innen zum Schmun­zeln brin­gen, aber auch mit einer span­nen­den (Anti-)Held*innen-Geschichte. Was ein Hum­mel­rei­ter ist, und wel­che Auf­ga­be dem Hum­mel­rei­ter Fried­rich Löwen­maul in der Saga um Nord­wärts und Süd­wärts zukommt, ver­ra­te ich jetzt nicht. Das Buch ist 2016 bei Beltz & Gel­berg erschie­nen und ist die ers­te Kin­der­buch-Ver­öf­fent­li­chung von Vere­na Rein­hardt, laut Bio­gra­fie Bio­lo­gin („Bestäu­bungs­ver­hal­ten der Honig­bie­ne“) und Anglis­tin, hat auch schon zu „J.R.R. Tolkien’s Midd­le Earth as a Bio­sphe­re“ vor­ge­tra­gen, und ist zudem Lead-Gitar­ris­tin in einer Punk-Band. Passt also alles zusam­men. Der Ver­lag emp­fiehlt das Buch ab 10 Jah­ren, mei­ne bei­den sind sie­ben und zehn und fan­den es bei­de span­nend („Nur noch ein Kapi­tel, bit­te! Los, lies wei­ter!“). Kos­ten­punkt: 17,95 € für einen schön gemach­ten Hardcover-Band.

Gelesen: Fifty Shades of Merkel

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Die Ex-Poli­ti­ke­rin (Pira­ten) und Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rin Julia Schramm schreibt über – Ange­la Mer­kel. Das Ergeb­nis ist mehr Blog auf Papier als klas­si­sches Buch. Genau­er gesagt nähert sich Schramm dem Phä­no­men Mer­kel in Fif­ty Shades of Mer­kel (Hoff­mann & Cam­pe, 2016) in fünf­zig Vignet­ten an. Die behan­deln so dis­pa­ra­te The­men wie „Ucker­mark“, „Anden­pakt“, „Par­tei“, „Reli­gi­ons­un­ter­richt“, „Pflau­men­ku­chen“ oder „#Neu­land“, grob chro­no­lo­gisch geordnet.

Das Ergeb­nis – manch­mal etwas bou­le­var­desk, immer im locke­ren Info­tain­ment-Stil eines reich­wei­ten­star­ken Blogs gehal­ten, voll mit Netz­re­fe­ren­zen – kann sich durch­aus sehen las­sen. Es liest sich weg, und danach wirkt die Per­son Mer­kel ver­trau­ter. Viel­leicht sogar sym­pa­thi­scher. (Ein Nach­teil des For­mats: man­ches, etwa die Dar­stel­lun­gen der Beschimp­fun­gen Mer­kels im Netz, wie­der­holt sich. Wer das Buch „in einem Zug“ liest, merkt das.)

Wer sich dafür inter­es­siert, wie die Per­son Mer­kel aus­se­hen könn­te, wird hier fün­dig. Dabei gilt: Nicht alle Zuschrei­bun­gen, denen Schramm in den Fif­ty Shades nach­geht, wir­ken glei­cher­ma­ßen plau­si­bel. Mer­kel als „post­de­mo­kra­ti­sche Natio­nal­staats­ma­na­ge­rin“ (S. 101) oder als „Iro­nic Lady“ (S. 209) zu beschrei­ben, emp­fin­de ich als plau­si­bler als die „spi­ri­tu­el­le Leh­re­rin der Deut­schen“ (S. 157). Die „Mut­ter der Flücht­lin­ge“ fehlt dage­gen weit­ge­hend – Fluch der Tages­ak­tua­li­tät. Und ob Mer­kel als „Außen­sei­te­rin“ (S. 80) und „Nerd“ (S. 162) zutref­fend beschrie­ben ist, dar­über muss ich doch erst noch­mal nach­den­ken. Schön in die­sem Zusam­men­hang das Kapi­tel­chen zum „Han­dy“ (S. 175), Tele­fon und SMS als bewusst ange­eig­ne­te Macht­werk­zeu­ge der Kanzlerin.

Drei Leit­mo­ti­ve durch­zie­hen die ein­zel­nen Kapi­tel: Das gro­ße Schwei­gen (Mer­kels Sti­l­in­stru­ment, aber eben auch das immer wie­der geschil­der­te Pro­blem feh­len­der rede­be­rei­ter Quel­len – Schramm bezieht sich, von einem Aus­flug in die Ucker­mark abge­se­hen, rein auf Sekun­där­quel­len, Zei­tungs­ar­ti­kel, Netz­be­rich­te und diver­se Mer­kel-Inter­views und ‑Bücher). Geschlech­ter­ver­hält­nis­se (vom „Vater­mord“ und dem stra­te­gi­schen Aus­spie­len der CDU-Män­ner­cli­quen bis zum „Hosen­an­zug“ und den klei­ne­ren und grö­ße­ren Dis­kri­mi­nie­run­gen, die selbst gegen­über der der­zeit mäch­tigs­ten Frau der Welt fort­be­stehen; dem Buch ist anzu­mer­ken, dass Schramm hier­bei auf eine gefes­tig­te femi­nis­ti­sche Hal­tung zurück­grei­fen kann, die nicht beim bewusst ver­wen­de­ten „_“ in vie­len Per­so­nen­be­zeich­nun­gen auf­hört). Und die Per­spek­ti­ve auf Mer­kel aus Sicht der Netz­ge­ne­ra­ti­on. (Klei­ner Gim­mick am Ran­de: die Sei­ten­zah­len sind in –< >– ein­ge­fasst, also der Mer­kel-Rau­te in ASCII).

Das Buch zeich­net ins­ge­samt Mer­kel als Meis­te­rin der Stra­te­gie mit sym­pa­thi­schen Cha­rak­ter­zü­gen. Schramm lobt Mer­kel immer wie­der, betont posi­ti­ve Eigen­schaf­ten wie die Selbst­iro­nie, den Humor, das Spiel mit der Boden­stän­dig­kei­ten. Man­ches erscheint als Deu­tungs­ver­such in Rich­tung grün-schwarz. Die har­te Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit einem über wei­te Stre­cken klar neo­li­be­ra­len Kurs Mer­kels blitzt nur ganz ver­ein­zelt auf, etwa im Kapi­tel „Frei­heit“.

Letzt­lich blei­ben Fif­ty Shades of Mer­kel ergeb­nis­of­fen. Ein Urteil fällt Schramm nicht. Oder, um es sozi­al­wis­sen­schaft­li­cher aus­zu­drü­cken, auch wenn die Fif­ty Shades wohl eher als Poli­tain­ment gedacht sind: das Buch bleibt Zet­tel­kas­ten, bleibt Samm­lung von Memos mit ers­ten Ansät­zen zur Kate­go­rie­bil­dung, for­mu­liert aber – jeden­falls nicht expli­zit – kei­ne Theo­rie über Mer­kel. (In Groun­ded-Theo­ry-Begrif­fen: der Inte­gra­ti­ons­schritt fehlt). Aber viel­leicht bleibt es ja nicht dabei. 

War­um blog­ge ich das? Weil ich beim Ange­bot eines Rezen­si­ons­exem­plars nicht nein sagen konn­te. Und gera­de in Zei­ten, in denen allent­hal­ben über neue Koali­ti­ons­op­tio­nen gere­det wird, ist der facet­ten­rei­che Blick auf die Leit­wöl­fin der CDU nicht uninteressant.

Im Herbst 2015 gelesen – Teil II

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Eini­ge weni­ge der Bücher, die unten bespro­chen wer­den – viel liegt auf der Kind­le-App, ande­res steht schon im Regal …

Heu­te set­ze ich dann mei­nen von eini­gen Wochen gepos­te­ten Über­blick dar­über fort, was ich seit dem Som­mer 2015 gele­sen habe.

* * *

Nach­dem ich mit Among others die Autorin Jo Walt­on für mich ent­deckt hat­te, las ich mich wei­ter durch ihr Werk. Tooth and claw (2003), ein Jane-Aus­ten-Fami­li­en­dra­ma, nur mit Dra­chen, war nicht so ganz meines.

Begeis­tert hat mich My real child­ren (2014) – die fik­ti­ve Dop­pel­bio­gra­phie einer in den 1920er Jah­ren gebo­re­nen Eng­län­de­rin, Patri­cia Cowan – zwei sich über­la­gern­de Rück­blen­den über zwei erfüll­te Leben, die in den 1940er Jah­ren an einem Bif­ur­ka­ti­ons­punkt aus­ein­an­der­lau­fen und sich ganz unter­schied­lich ent­wi­ckeln. Wenn My real child­ren in ein Gen­re gepackt wer­den müss­te, wäre es der his­to­ri­sche Was-wäre-wenn-Roman, aller­dings hier aus der Per­spek­ti­ve von unten. Ob Ken­ne­dy ermor­det wird oder nicht, fin­det nur im Hin­ter­grund statt. Im Vor­der­grund zeich­net Walt­on den Weg Patri­cia Cowans zur gefei­er­ten Rei­se­füh­rer-Autorin, die in einem zuneh­mend geein­ten Euro­pa mit ihrer Part­ne­rin und ihren Kin­dern zwi­schen Flo­renz und Groß­bri­tan­ni­en lebt, – und den Weg von Patri­cia Cowan, die nach einer unglück­li­chen Ehe zur loka­len Akti­vis­tin für Frie­den, Frau­en­rech­te und den Erhalt des his­to­ri­schen Stadt­kerns wird. Oder anders gesagt: ein Buch über die Ungleich­zei­tig­kei­ten des 20. Jahr­hun­derts aus bio­gra­phi­scher Per­spek­ti­ve. (Lei­der gibt es kei­ne deut­sche Über­set­zung – ich könn­te mir vor­stel­len, dass das Buch auch außer­halb des Gen­res Anklang fin­den könnte …)

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Im Herbst 2015 gelesen – Teil I

Ich sehe gera­de, dass das letz­te Mal, dass ich inten­si­ver über mei­nen Lite­ra­tur­kon­sum berich­tet habe, auch schon wie­der ein hal­bes Jahr her ist. Die Zeit ver­ging rasant, so kam es mir jeden­falls vor. 

Jetzt voll­stän­dig zu rekon­stru­ie­ren, was ich seit­dem alles ger­ne gele­sen habe, wäre dann doch etwas auf­wän­dig. Ich möch­te aber auf eini­ge lesens­wer­te Bücher hin­wei­sen, ohne all­zu­viel zu ver­ra­ten. Und weil es dich ein paar mehr gewor­den sind, hier erst ein­mal Teil I. „Im Herbst 2015 gele­sen – Teil I“ weiterlesen

Lesenswert: Terry Pratchetts letztes Buch

imageIm März die­sen Jah­res ist Ter­ry Prat­chett gestor­ben. Vor weni­gen Tagen ist nun sein letz­ter Schei­ben­welt-Roman erschie­nen. Die­ser gehört zur Tif­fa­ny-Aching-Serie und trägt den Titel The Shepherd’s Crown – wört­lich die Hir­ten­kro­ne, aber zugleich auch ein Name für ein See­igel-Fos­sil, das in der eng­li­schen Kalk­land­schaft gefun­den wer­den kann. Fik­tio­na­li­siert sind wir dann im „Chalk“, am Meer, bei grü­nen Hügeln mit Schaf­her­den, die in Urzei­ten Grund eines Oze­ans waren.

Es ist nicht ganz ein­fach, ein post­hum erschie­ne­nes Werk zu rezen­sie­ren. Im Nach­wort schreibt Rob Wil­kins, dass Manu­skript zum Zeit­punkt von Prat­chetts Tod voll­stän­dig war, dass Prat­chett aber übli­cher­wei­se sei­ne Manu­skrip­te immer und immer wie­der über­ar­bei­tet hat. Im Ver­gleich dazu ist The Shepherd’s Crown eine gewis­se Rau­heit anzu­mer­ken – Ecken und Kan­ten, die weg­ge­schlif­fen wor­den wären, wenn Prat­chett noch dazu gekom­men wäre, aber auch eine Struk­tur, die noch nicht ganz so ver­äs­telt ist wie in sei­nen ande­ren Roma­nen. (Ins­be­son­de­re die Geschich­te um das Baby Tif­fa­ny [nicht die Tif­fa­ny, son­dern eine ande­re Tif­fa­ny] bleibt am Schluss in der Luft hän­gen, und auch die mys­te­riö­se Kat­ze You bleibt ein Rät­sel [Spoi­ler!]). Den­noch ist das Buch auf jeden Fall zu emp­feh­len, und zwar in drei­er­lei Hinsicht.

Ers­tens ist es der krö­nen­de Abschluss der heroi­schen wie prag­ma­ti­schen Coming-of-Age-Geschich­te der jun­gen Hexe Tif­fa­ny Aching, um die sich eini­ge frü­he­re Roma­ne – angeb­lich für die Ziel­grup­pe Young Adults – dreh­ten. In The Shepherd’s Crown tritt Tif­fa­ny Aching in gro­ße Fuß­stap­fen. Sie ist noch jung, aber muss nun „An Argu­ment of Wit­ches“ anfüh­ren, um gro­ßen Scha­den (eine Inva­si­on der Feen) zu ver­hin­dern. Trotz aller Selbst­zwei­fel ver­sucht sie, die ihr zuge­wie­se­ne Rol­le aus­zu­fül­len – um fest­zu­stel­len, dass es nicht in ers­ter Linie dar­um geht, vor­han­de­nen Fuß­stap­fen zu fol­gen, son­dern dass sie jetzt die­je­ni­ge ist, die den Weg wei­sen muss. (Und neben­bei noch all das tun muss, was eine Hexe tun muss, die gleich­zei­tig Heb­am­me, Hei­le­rin und Ster­be­be­glei­te­rin ist …)

Zwei­tens ist dem Roman anzu­mer­ken, dass Prat­chett ihn im Wis­sen dar­um geschrie­ben hat, wie wenig Zeit ihm noch bleibt. Des­we­gen ist er immer wie­der auch eine Aus­ein­an­der­set­zung mit Leben und Tod, mit Älter­wer­den und dem Ende. Im Klap­pen­text heißt es dazu, dass es um „endings and begin­nings“ geht, und das ist genau rich­tig. Denn wie bei allen Disc­world-Roma­nen gibt es neben der eigent­li­chen Geschich­te The­men, die den Roman durch­zie­hen. Sterb­lich­keit ist eines davon.

Ein ande­res The­ma – womit wir bei drit­tens wären – ist die Schei­ben­welt im Zeit­al­ter des Zuges (hier bezieht sich Prat­chett auf das direkt vor­her­ge­hen­de Buch, in dem die Eisen­bahn erfun­den wird). Mit Tele­gra­fie und Zei­tun­gen, mit der Eisen­bahn und dem städ­ti­schen Zusam­men­le­ben ganz unter­schied­li­cher Wesen, mit dem Ende der abso­lu­ten Mon­ar­chie hat die Moder­ne Ein­zug in die Schei­ben­welt gehal­ten. Damit stellt Prat­chett auch die Fra­ge nach Geschlech­ter­rol­len – Kön­nen Jun­gen Hexen wer­den? Kön­nen Feegle-Töch­ter Kämp­fe­rin­nen wer­den? Was ist mit dem dritt­ge­bo­re­nen Mäd­chen? – und nach dem gesell­schaft­li­chen Fort­schritt zwi­schen den Polen sozia­ler Kon­trol­le und Hilfs­be­reit­schaft einer­seits und Anony­mi­tät und Frei­heit andererseits. 

Kurz­um: Allein wegen des wür­di­gen Andenkens an Ter­ry Prat­chett muss die­ses Buch gele­sen wer­den – und humor­voll und hin­ter­grün­dig ist es noch dazu.

Ter­ry Prat­chett (2015): The Shepherd’s Crown. Lon­don: Doubleday.