Die unerklärliche Anziehungskraft der Coffee-to-go-Becher

Nach­dem ich rela­tiv oft die Cafe­te­ri­en des Stu­den­ten­werks fre­quen­tie­re, ist mir auf­ge­fal­len, dass dort seit eini­ger Zeit nicht nur Kaf­fee­ma­schi­nen ein­ge­setzt wer­den, die ganz pas­sa­bel dar­in sind, die soge­nann­ten „Kaf­fee­spe­zia­li­tä­ten“ her­zu­stel­len, son­dern dass es dort seit eini­gen Mona­ten auch „Cof­fee-to-go-Becher“ gibt. Damit mei­ne ich die­se beschich­te­ten Papier­be­cher, die von Bäcke­rei­en, der Bahn oder Bis­tros aus­ge­ge­ben wer­den, wenn jemand sei­nen Kaf­fee mit­neh­men möch­te. Die­se Becher nun wie­der­um sind von einem Geheim­nis umge­ben: einer uner­klär­li­chen Anziehungskraft.

Early cafeteria breakfast

Betrach­ten wir das „EC“, da hier das Phä­no­men am deut­lichs­ten sicht­bar wird. Inzwi­schen ste­hen dort drei (oder sogar vier?) Selbst­be­die­nungs­kaf­fee­ma­schi­nen, aus denen Kaf­fee, Cap­puc­ci­no, Milch­kaf­fee, Lat­te Mac­chia­to etc. abge­ru­fen wer­den kann. Die Auto­ma­ten ste­hen im kas­sen­na­hen Bereich der Selbst­be­die­nungs­the­ke. Die räum­li­che Anord­nung ist hier chro­no­lo­gisch medi­iert (soll hei­ßen: nor­ma­ler­wei­se bewe­gen sich die Leu­te von links nach rechts an der The­ke vor­bei). Rechts von den Auto­ma­ten sind noch ein paar Süßig­kei­ten und die Tas­se, links ist das unter­schied­li­che Geschirr dafür zu fin­den. Es gibt dort: Scha­len für Milch­kaf­fee, Becher für Kaf­fee, Cap­puc­ci­no etc., Lat­te-Glä­ser und Espres­so-Tas­sen. Und die bereits erwähn­ten To-go-Becher. 

Was ich nun selt­sam fin­de, ist die Tat­sa­che, dass ich immer wie­der Men­schen beob­ach­te, die ganz selbst­ver­ständ­lich einen der roten Papier­be­cher mit einem Kaf­fee­ge­tränk befül­len, sich damit dann aber nicht auf den Weg machen, son­dern sich in der Cafe­te­ria nie­der­las­sen – auf der Ter­ras­se, oder sogar im Innen­be­reich. Die­ses Ver­hal­ten ist mir in zwei­er­lei Hin­sicht uner­gründ­lich. Zum einen fin­de ich es ästhe­tisch und geschmack­vol­ler, wenn schon Auto­ma­ten­kaf­fee, die­sen dann wenigs­tens in einer rich­ti­gen (in dem Fall so eine Art Pseu­do­por­zel­lan mit gla­si­ger Ober­flä­che) Tas­se bzw. in einem rich­ti­gen Becher zu trin­ken. Und zum ande­ren ist es natür­lich doch ein biß­chen ver­schwen­de­risch, einen Mit­nah­me­be­cher mit­zu­neh­men, wenn es gar kei­nen Ort gibt, an den gegan­gen wird.

Spon­tan fal­len mir für die­se Pra­xis drei Hypo­the­sen ein:

1. Die To-go-Becher ste­hen direkt neben den Kaf­fee­ma­schi­nen; zusam­men mit der aus ande­ren Situa­tio­nen (Bäcke­rei usw.) bekann­ten ein­ge­spiel­ten Erwar­tung, schnell mit­zu­neh­men­den Kaf­fee in einem Papier­be­cher ser­viert zu bekom­men, sind sie damit ers­te Wahl; es wird gar nicht erst wei­ter nach ande­ren Behält­nis­sen gesucht. Hier könn­te eine Umsor­tie­rung der Becher­sta­pel hel­fen (oder der belieb­te Agent „Hin­weis­schild“).

2. Die To-go-Becher wer­den von den­je­ni­gen bevor­zugt, die sich nicht sicher sind, ob sie ihren Kaf­fee tat­säch­lich in der Cafe­te­ria trin­ken wol­len, oder nicht doch viel­leicht in die Ver­le­gen­heit kom­men, ihn mit­neh­men zu müs­sen. Mit dem Papier­be­cher gibt es dann kei­ne Not­wen­dig­keit, den Kaf­fee in Eile aus­zu­trin­ken, und sich der Gefahr von Ver­brü­hun­gen aus­zu­set­zen. (Ver­wandt hier­mit: der Weg zur Geschirr­rück­ga­be soll ver­mie­den wer­den, um wert­vol­le Minu­ten in der knap­pen Pau­sen­zeit zwi­schen zwei Ver­an­stal­tun­gen zu spa­ren). Die­se Hypo­the­se wäre inso­fern über­prüf­bar, als dann die­je­ni­gen auch auf Tabletts, Tel­ler und Besteck ver­zich­ten müss­ten: also Kaf­fee pur und Gebäck auf der Hand.

3. Am gra­vie­rends­ten der drit­te mög­li­che Grund: sich vor­zu­stel­len, dass es Leu­te gibt, in deren per­sön­li­cher All­tags­äs­the­tik Papier­be­cher ange­mes­se­ner erschei­nen – als Hom­mage an eine Weg­werf­kul­tur, zur Repe­ti­ti­on des Gefühls, sich bei Star­bucks zu befin­den, oder aus ima­gi­nier­ten hygie­ni­schen Gründen. 

Soweit die Hypo­the­sen zur ohne wei­te­re Prü­fung wei­ter­hin uner­klär­li­chen Anzie­hungs­kraft der Coffee-to-go-Becher. 

Han­delt es sich dabei um ein auf Frei­burgs Stu­die­ren­de beschränk­tes Phä­no­men? Oder gibt es wei­te­re Fall­bei­spie­le, wo die Ein­füh­rung von Papier­be­chern die Nut­zung von mehr­fach ver­wend­ba­rem Geschirr sinn­los redu­ziert hat?

War­um blog­ge ich das? Weil ich mich schon mehr­fach drü­ber geär­gert bzw. gewun­dert habe, und das jetzt mal los­wer­den wollte.

Sozialismus mit Frühlingsblumen, oder: ein „prager frühling“ macht noch keinen Sommer

Inzwi­schen habe ich die Erst­aus­ga­be dann auch mal in die Hän­de gekriegt. Die Rede ist vom pra­ger früh­ling, einem „Maga­zin für Frei­heit und Sozia­lis­mus“, wie es im Unter­ti­tel heißt. Wer die 5 Euro nicht inves­tie­ren will, kann auf der Maga­zin-Web­site auch in ein paar aus­ge­wähl­te Arti­kel hin­ein­schnup­pern. So rich­tig auf­merk­sam gewor­den bin ich auf das neue Maga­zin durch den Blog­ein­trag bei Julia. Aber auch die taz hat schon eine Bespre­chung ver­öf­fent­licht. Für aus­ge­wähl­te Wer­te von Ram­pen­licht steht der pra­ger früh­ling also gera­de ziem­lich in demselben.

kopfzeile prager frühling

Wor­um geht’s? Inner­halb der LINKEN gibt es eine ema­zi­pa­to­ri­sche Strö­mung, als pro­mi­nen­tes Gesicht davon ist ver­mut­lich Kat­ja Kip­ping, stell­ver­tre­ten­de Par­tei­vor­sit­zen­de und MdB zu nen­nen. Zusam­men mit Jörg Schind­ler, Kol­ja Möl­ler, Lena Kreck und Nor­bert Sche­pers bil­det sie die Redak­ti­on des pra­ger früh­ling. Im Edi­to­ri­al der Erst­aus­ga­be wird auch die – mich wie sicher eini­ge ande­re auch in eini­ges Erstau­nen ver­set­zen­de – Namens­wahl begrün­det. Zugleich ist damit die pro­gram­ma­ti­sche Aus­rich­tung abgesteckt:

Als im Jahr 1968 vie­le Bür­ge­rIn­nen der dama­li­gen CSSR, dar­un­ter auch vie­le erklär­te Kom­mu­nis­tIn­nen, ver­such­ten, einen „Sozia­lis­mus mit mensch­li­chem Ant­litz“ zu schaf­fen, war der real exis­tie­ren­de Sozia­lis­mus bereits – heu­te wis­sen wir das – geschei­tert: in öko­no­mi­scher, huma­nis­ti­scher und poli­tisch-demo­kra­ti­scher Hin­sicht, nicht zuletzt intel­lek­tu­ell und kul­tu­rell. Aus der Kri­se des Post­sta­li­nis­mus ent­stand eine viel­fäl­ti­ge und leben­di­ge lin­ke Dis­kus­si­on; im Osten wie in der Lin­ken West­eu­ro­pas. Ihr Maß­stab: Sozia­lis­mus mit Frei­heit und Demo­kra­tie tat­säch­lich ver­eint, und zugleich eine kul­tu­rel­le Befrei­ung. Der Pra­ger Früh­ling […] war zugleich der Bruch mit einer pater­na­lis­ti­schen Sozia­lis­mus­kon­zep­ti­on, die das Ziel der Umwer­fung aller Unter­drü­ckungs­ver­hält­nis­se auf­ge­ge­ben und statt des­sen auf gedank­li­che Uni­for­men und kul­tu­rel­le Rang­ab­zei­chen gesetzt hatte.

Mit dem Maga­zin pra­ger früh­ling will die Redak­ti­on „Sozia­lis­mus wie­der in den Köp­fen und Her­zen der Men­schen mit Früh­lings­blu­men statt mit dem Asch­grau der WBS70-Wohn­block­rei­hen“ verknüpfen.

Soweit der Anspruch. Wie sieht es nun mit der Umset­zung aus? „Sozia­lis­mus mit Früh­lings­blu­men, oder: ein „pra­ger früh­ling“ macht noch kei­nen Som­mer“ weiterlesen

Kurzeintrag: Neuer Webauftritt der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

Neue Website der DGSSeit ein paar Wochen ist die Deut­sche Gesell­schaft für Sozio­lo­gie (DGS) nun mit einer neu­ge­stal­te­ten Web­site im Netz. Dar­an lässt sich viel kri­ti­sie­ren – etwa die feh­len­de Ver­wen­dung von Social Soft­ware, der Blei­wüs­ten­cha­rak­ter oder, da wür­de ich inzwi­schen zustim­men, der feh­len­de RSS-Feed für die ein­zel­nen Rubri­ken –, immer­hin scheint die Sei­te sich aber tat­säch­lich inhalt­lich zu fül­len, mit Pres­se­mit­tei­lun­gen, Mel­dun­gen, Stel­len­an­ge­bo­ten, Hin­wei­sen auf Call for Papers und der­glei­chen mehr. Ein paar Bau­stel­len gibt es noch, so sind die Sek­ti­ons­sei­ten viel­fach noch kom­plett leer, aber mit etwas Glück (und doch ein biß­chen Web 2.0?) wird dar­aus was.

Ins­ge­samt sehe ich hier jeden­falls durch­aus posi­ti­ve Schrit­te hin zu einem ech­ten Infor­ma­ti­ons­hub für die Dis­zi­plin Soziologie. 

Kurzeintrag: Surrealer Sarkasmus für Samstage

Exzerpt aus SubnormalityDou­glas Adams hat­te es ja eher mit den Don­ners­ta­gen, aber im Inter­net läuft die Zeit sams­tags defi­ni­tiv am lang­sams­ten. Ich ver­mu­te, dass das vor allem was damit zu tun hat, dass alle ander­wei­tig beschäf­tigt sind. Jeden­falls ver­siegt plötz­lich der Mail­fluss, von Blog-Kom­men­ta­ren oder neu­en Red­dit-Ein­trä­gen ganz zu schwei­gen. Was also tun, wenn an einem Sams­tag der Rech­ner doch an ist? 

Eine Mög­lich­keit, sich die so lang­sam ver­in­nen­de Zeit zu ver­trei­ben, ist das Durch­blät­tern von Online-Comics. Am bes­ten sol­chen, die ein­mal wöchent­lich – war­um nicht am Sonn­tag – erschei­nen und dem Gen­re „sur­rea­ler Sar­kas­mus“ (oder: „zyni­scher Zeit­ver­treib“) zuzu­re­chen sind. Mei­ne neus­te Ent­de­ckung in die­ser Hin­sicht ist SUBNORMALITY von Virus­co­mix: gran­di­os gezeich­net und selt­sam böse genug, um gut zu sein, und damit ganz emp­feh­lens­wert. Ein Blog gibt’s auch dazu.