Kurz: Haltung heißt inhaltliche Eigenständigkeit

Annett Mei­ritz wirft uns Grü­nen bei SpOn Oppor­tu­nis­mus vor. Hal­tung hie­ße, sich klar auf Schwarz-Grün oder auf Rot-Rot-Grün fest­zu­le­gen. Aus mei­ner Sicht ist das ein komi­sches Ver­ständ­nis von Hal­tung. Ich wür­de die immer inhalt­lich und nicht koali­ti­ons­arith­me­tisch definieren.

Grü­ne Eigen­stän­dig­keit heißt für mich, inhalt­li­che Pro­jek­te und Zie­le zu defi­nie­ren und dann zu schau­en, wie und in wel­cher Kon­stel­la­ti­on die­se umge­setzt wer­den kön­nen. Einem Wackel­da­ckel wie Gabri­el Lehen­streue zu schwö­ren, hilft dage­gen nicht.

Lasst uns dar­über strei­ten, was unse­re grü­nen Pro­jek­te sind, um damit dann geschlos­sen in den Bun­des­tags­wahl­kampf zu zie­hen, statt in die Fal­le zu tre­ten, end­lo­se Debat­ten über mög­li­che und unmög­li­che Koali­ti­ons­op­tio­nen zu führen.

Kurz: Grüne Angst vor der Wirtschaft?

Eine grü­ne Sit­zung in Ber­lin, Men­schen aus ganz unter­schied­li­chen Bun­des­län­dern sind dabei. Es geht eigent­lich um ande­res, aber plötz­lich stellt sich her­aus: Die Gret­chen­fra­ge, das ist hier die Fra­ge, wie du es mit der Wirt­schaft hältst. Aus baden-würt­tem­ber­gi­scher Sicht (und ja, auch in Hes­sen stel­len und in RLP stell­ten die Grü­nen Wirtschaftsminister*innen) ver­wun­dert das. Es geht dar­um, mit grü­nen Ideen schwar­ze Zah­len zu schrei­ben (und das schon seit den 1990ern), selbst­ver­ständ­lich gibt es immer wie­der Gesprä­che zwi­schen Politiker*innen bis hin zum Minis­ter­prä­si­den­ten und Wirtschaftsverbänden. 

Oder, um den Poli­tik­be­reich zu neh­men, in dem ich mich am bes­ten aus­ken­ne: Eini­gen Hoch­schu­len im Land geht es des­we­gen beson­ders gut, weil Stif­tun­gen aus der Pri­vat­wirt­schaft Bau­kos­ten über­neh­men – mit Zustim­mung der grün-roten Lan­des­re­gie­rung. Und dass mit dem Hoch­schul­fi­nan­zie­rungs­ver­trag viel Geld in Rich­tung Wis­sen­schaft fließt, hat in Baden-Würt­tem­berg auch etwas damit zu tun, dass Hoch­schu­len für ange­wand­te Wis­sen­schaft gera­de auch im länd­li­chen Raum in For­schung und Ent­wick­lung eng mit klei­ne­ren und mitt­le­ren Unter­neh­men koope­rie­ren, und Wis­sen als Res­sour­ce für das Land gese­hen wird. Dass, was an unse­ren Unis gedacht wird, soll auch „den Markt“ errei­chen und zu Wert­schöp­fung bei­tra­gen. Inno­va­ti­on und Tech­no­lo­gie­trans­fer sind kei­ne Schimpf­wor­te, son­dern wün­schens­wer­te Zie­le. Natür­lich geht grü­ne Inno­va­ti­on wei­ter – Stich­wor­te wie Gemein­wohl­ori­en­tie­rung, Post­wachs­tum und, ja auch: Sha­ring – zeu­gen davon. Pio­nie­re des Wan­dels kön­nen auch Unter­neh­men sein. Und all das zahlt sich in ziem­lich guten Wer­ten bei den Kom­pe­tenz­zu­schrei­bun­gen aus. Bünd­nis 90/Die Grü­nen sind in Baden-Würt­tem­berg auch eine Par­tei, die für nach­hal­ti­ges Wirt­schaf­ten steht, die „die Wirt­schaft“ schätzt und Erfin­der­geist wie Unter­neh­mens­freu­de posi­tiv her­vor­hebt. (Und, auch das sei dazu­ge­sagt: Wirt­schafts­kom­pe­tenz heißt nicht, den „frei­en Markt“ in höchs­ten Tönen zu loben und auf Ein­he­gen, Regeln und deren Durch­set­zung zu ver­zich­ten. Wer das will, muss zur FDP gehen …).

Das scheint mir in der Par­tei ins­ge­samt teil­wei­se noch ganz anders zu sein. Da exis­tie­ren in man­chen Köp­fen noch tie­fe Grä­ben und hohe Mau­ern. Inso­fern bin ich sehr gespannt, wie sich die Fra­ge „Wie hältst du’s mit der Wirt­schaft“ im Bun­des­tags­wahl­pro­gramm 2017 wie­der­fin­den wird. In gut einem Monat tagt der Kon­vent der Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaf­ten, um hier Ideen zu ent­wi­ckeln – mal sehen, wie inno­va­ti­ons­of­fen mei­ne Par­tei sich da zeigt.

Kurz: Ein wenig mehr Gelassenheit, bitte – auch bei Doppelspitzenfragen

In der Süd­deut­schen Zei­tung ist heu­te – lei­der hin­ter einer Pay­wall – ein lan­ges Inter­view mit Minis­ter­prä­si­dent Win­fried Kret­sch­mann erschie­nen. In die­sem Inter­view wird er – neben vie­len ande­ren Din­gen – auch zum The­ma Dop­pel­spit­ze gefragt, und zwar in Bezug auf die anste­hen­de Nomi­nie­rung von Spitzenkandidat*innen auf Bun­des­ebe­ne. Er ant­wor­tet dar­auf, dass er seit 30 Jah­ren gegen Dop­pel­spit­zen gekämpft habe, und „[man] in man­chen Din­gen […] als Poli­ti­ker auch mal resi­gnie­ren [muss]“. Zudem macht er deut­lich, dass er durch­aus die femi­nis­ti­sche Begrün­dung für die Dop­pel­spit­ze nach­voll­zie­hen kann („inso­fern ein ver­nünf­tig­tes Prin­zip“), dass er aber den aus­ta­rier­ten Flü­gel­dua­lis­mus ablehnt. Da sei es bes­ser, „sich für den einen oder den ande­ren Weg zu entscheiden“.

Eigent­lich ist der Nach­rich­ten­wert die­ser Aus­sa­ge gering. Dass Kret­sch­mann wenig von Dop­pel­spit­zen hält, ist seit län­ge­rem bekannt, und dass er in Inter­views nicht unbe­dingt ein Blatt vor den Mund nimmt, auch. Auch dafür wird er übri­gens geschätzt. Ver­fah­rens­fra­gen zur Urwahl ste­hen akut nicht zu Dis­kus­si­on. Den­noch tobt seit heu­te mor­gen ein Sturm der Empö­rung durch die Online­me­di­en­welt. Die jour­na­lis­ti­schen Spür­na­sen wit­tern, dass sich hier ein Keil zwi­schen grü­ne Par­tei, ins­be­son­de­re grü­ne Bun­des­par­tei, und den baden-würt­tem­ber­gi­schen Wahl­sie­ger trei­ben las­sen könn­te. Und gehen voll drauf, nut­zen jeden Reflex aus, und die Reak­tio­nen sind die erwart­ba­ren. Pro­fes­sio­nell ist das nicht, und den Ein­druck einer sou­ve­rä­nen Par­tei erweckt das Gesamt­bild auch nicht gerade.

Ich hal­te es, um das deut­lich zu sagen, und obwohl ich für eine Frak­ti­on mit nur einer Vor­sit­zen­den arbei­te, für falsch, das grü­ne Dop­pel­spit­zen­prin­zip abzu­schaf­fen. Aus geschlech­ter­po­li­ti­schen Über­le­gun­gen her­aus, weni­ger wegen der Flü­gel­pa­ri­tät. Bei­spiel lau­fen­de Urwahl: da kann durch­aus ein Rea­la-Rea­lo-Duo her­aus­kom­men. Ich sehe ein gewis­ses Pro­blem, wenn der grü­ne Anspruch der Min­dest­quo­tie­rung auf n=1‑Posten prallt, wenn es also dar­um geht, z.B. eine Ober­bür­ger­meis­te­rin oder einen Ober­bür­ger­meis­ter zu nomi­nie­ren. Oder eine Kanz­ler­in­kan­di­da­tin oder einen Kanz­ler­kan­di­da­ten. Oder Direktkandidat*innen im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tags­wahl­recht. Anders als bei Gre­mi­en und Wahl­lis­ten greift hier das grü­ne Frau­en­sta­tut nicht, und dem­entspre­chend soll­ten wir uns viel­leicht doch noch­mal Gedan­ken dar­über machen, wie grü­ne Geschlech­ter­po­li­tik hier sinn­voll umsetz­bar ist. Denn bis­her, das zeigt der Blick auf grü­ne Bürgermeister*innen repu­blik­weit, haben wir da doch einen deut­li­chen Män­ner­über­hang. Für Par­tei­vor­sit­zen­de (und eigent­lich auch für Frak­ti­ons­vor­stän­de) spricht aus mei­ner Sicht jedoch nach wie vor viel für Dop­pel­spit­zen. Und das wird auch dadurch nicht in Fra­ge gestellt, dass ein Minis­ter­prä­si­dent dazu eine ande­re Mei­nung hat. Darf er, darf er mei­ner Mei­nung nach auch äußern, zum heim­li­chen Vor­sit­zen­den und Leit­wolf wird er dadurch nicht. Letzt­lich ent­schei­det hier aus guten Grün­den die Par­tei. Und die steht bis­her fest – und ganz unauf­ge­regt – zum Frauenstatut.

P.S.: Poli­tisch viel rele­van­ter ist aus mei­ner Sicht die Fra­ge, ob das mit der annä­hern­den Quo­tie­rung beim Kabi­nett Kret­sch­mann II klap­pen wird.

Wahlaufruf

2016headerstilfrage

Am Sonn­tag kommt’s mal wie­der auf jede Stim­me an. Das ist leicht gesagt, stimmt dies­mal aber. Auch wenn die letz­te Umfra­ge von For­sa eine grün-rote Mehr­heit aus­weist, ist die­se noch längst nicht sicher. Der­zeit sehen die Zah­len noch so aus, dass weni­ge Pro­zent­punk­te dar­über ent­schei­den, wer Minis­ter­prä­si­dent wird: Ob Win­fried Kret­sch­mann MP bleibt, oder ob Gui­do Wolf zum Ober­blin­ker gemacht wird. 

Macht das einen Unter­schied? Defi­ni­tiv. Auf den Punkt gebracht geht’s dar­um, ob der Moder­ni­sie­rungs­kurs in Baden-Würt­tem­berg fort­ge­setzt wird, oder ob das Land wie­der bei Map­pus 2011 wei­ter­macht. Das ist nicht nur so dahin­ge­sagt, son­dern steht im Prin­zip im CDU-Pro­gramm. Auch Wolfs „Sofort­pro­gramm“ (wit­zi­ger­wei­se nicht vom CDU-Par­tei­tag beschlos­sen, son­dern nur von Herrn Wolf höchst­per­sön­lich ver­kün­det …) steht der kon­ser­va­ti­ve Roll­back drin: Stra­ßen­bau über alles statt Mobi­li­täts­ga­ran­tie, Aus für die Gemein­schafts­schu­le und zurück zur har­ten Selek­ti­on im Bil­dungs­sys­tem, Ende der öko­lo­gi­schen Moder­ni­sie­rung im länd­li­chen Raum, etwa im Jagd­ge­setz, und auch ein Zurück zur „Frau am Herd“ möch­te Wolf för­dern. (Ande­res in sei­nem Sofort­pro­gramm wird von uns übri­gens längst umge­setzt – etwa die Infor­ma­tik im Schul­un­ter­richt, steht im Bil­dungs­plan­ent­wurf, oder die Auf­sto­ckung des Per­so­nals bei der Poli­zei. Und auch das mit der poli­ti­schen Betei­li­gung von Frau­en kriegt Grün-Rot doch etwas bes­ser hin als die CDU, allen wohl­fei­len Ver­spre­chen des Herrn Kan­di­da­ten zum Trotz.)

2016wolfjpgBaden-Würt­tem­berg hat sich in den letz­ten fünf Jah­ren ver­än­dert. Das Land ist inno­va­ti­ver, offe­ner, moder­ner, öko­lo­gisch gewor­den. Oder genau­er: das Land war längst so weit – nur die Map­pus-CDU woll­te es lan­ge nicht wahr­ha­ben. Das heißt: Am 13. März geht es dar­um, ob die Fens­ter wie­der geschlos­sen wer­den, die Grün-Rot in Baden-Würt­tem­berg auf­ge­ris­sen hat. Das heißt, schlicht und ein­fach: Wer den neu­en Regie­rungs­stil und den grün-roten Moder­ni­sie­rungs­kurs bei­be­hal­ten will, muss am 13. März die Kandidat*innen der Grü­nen (oder zur Not die der SPD) wäh­len.

Photo of the week: Neon green

Neon green

 
Immer­hin das Moos leuch­tet grell­grün, und man­che Wie­se tut das auch. Ich war die­ses Wochen­en­de grün unter­wegs ‑in Ham­burg tag­te die Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le, Tech­no­lo­gie­po­li­tik (u.a. zum Aus­tausch mit der Ham­bur­ger Wis­sen­schafts­se­na­to­rin Katha­ri­na Fege­bank, zur Debat­te über den Imbo­den-Bericht zur Exzel­lenz­in­itia­ti­ve, und zu einer ers­ten Ideen­fin­dung für das Bun­des­tags­wahl­pro­gramm 2017). Und dann ging’s mit einer klei­nen Dele­ga­ti­on von Ham­burg nach Ber­lin, wir besuch­ten die BAG Ener­gie, um über Fusi­ons­for­schung zu dis­ku­tie­ren. Was durch­aus kon­tro­vers, alles in allem aber erfreu­lich sach­lich und niveau­voll statt­fand. Und dann im Nacht­zug wie­der nach Frei­burg zurück. Erhol­sam ist das nicht wirklich.