Kurz: Studienwerk wird 25

Das Stu­di­en­werk der Hein­rich-Böll-Stif­tung, also die Ein­rich­tung in der grün-nahen Par­tei­en­stif­tung, die für die Ver­ga­be von Sti­pen­di­en zustän­dig ist, wird 25 Jah­re, und fei­ert das heu­te abend in Ber­lin. Das ist mir dann doch zu weit weg, auch weil ich mit mei­nen Wochen­en­den (Kin­der!) eher spar­sa­mer umge­hen will und muss. Aus Anlass des Jubi­lä­ums ist zudem eine Ver­bleib­stu­die erschie­nen, in der geschaut wird, was aus den von der Stif­tung geför­der­ten Stu­die­ren­den und Pro­mo­vie­ren­den gewor­den ist. Gut 40 Pro­zent der rund 3000 Alum­ni der Böll-Stif­tung haben sich an der Befra­gung betei­ligt, und auch wenn’s eher sta­tis­tisch als bio­gra­phisch ist, ist das Ergeb­nis durch­aus interessant.

Ich selbst war 1999 bis 2001 Sti­pen­di­at der Stif­tung, also eher in der End­pha­se mei­nes Stu­di­ums – es dau­er­te etwas, bis mir die Mög­lich­keit eines Sti­pen­di­ums über­haupt bewusst wur­de. Neben dem durch­aus will­kom­me­nen „Bücher­geld“ habe ich aus der För­de­rung durch die Böll-Stif­tung vor allem diver­se Semi­na­re und län­ge­re Som­mer­tref­fen in Erin­ne­rung, also die soge­nann­te „ideele För­de­rung“. Dabei habe ich nicht nur inhalt­lich eini­ges gelernt (über Was­ser als öko­lo­gi­sches The­ma, aber auch über Anti­ras­sis­mus, Geschlech­ter­bil­der und Kunst), son­dern erin­ne­re mich auch an span­nen­de Gesprä­che mit Mit­sti­pen­dia­tIn­nen. Denn wo sind schon dut­zen­de neu­gie­ri­ge, offe­ne und enga­gier­te Men­schen anzu­tref­fen, wenn nicht auf einem Cam­pus der Böll-Stif­tung? (Dazu bei­getra­gen haben dürf­te auch die För­der­po­li­tik, die bewusst auf einen Frau­en­an­teil von 2/3 der Geför­der­ten und auf einen hohen Anteil an Sti­pen­dia­tIn­nen „mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund“ abziel­te). Und, um mit Mythen auf­zu­räu­men: zumin­dest zu mei­ner Zeit waren die Geför­der­ten defi­ni­tiv nicht iden­tisch mit dem Kader­nach­wuchs der Par­tei. Klar, eine Nähe zu grü­nen Wer­ten soll­te da sein – aber das Par­tei­buch war kein För­der­kri­te­ri­um. Auch hier gibt es, nach allem, was so zu hören ist – eben­so wie bei der Aus­wahl – durch­aus Unter­schie­de zwi­schen „Böll“ und den ande­ren par­tei­na­hen Stiftungen.

Mir hat das Sti­pen­di­um also auf jeden Fall was gebracht: eine Hori­zont­öff­nung. Ich ken­ne eini­ge ande­re Sti­pen­dia­tIn­nen, und ver­mu­te, dass ich mit die­ser Ein­schät­zung nicht der ein­zi­ge bin. Und nicht nur des­we­gen gra­tu­lie­re ich dem Stu­di­en­werk herz­lich zum 25. und hof­fe, dass noch vie­le wei­te­re Men­schen von die­ser För­de­rung pro­fi­tie­ren dürfen.

P.S.: Gruß­wort Ralf Fücks zur Eröff­nung der Feier

Der Fünf-Prozent-Hebel

Mit der Fünf-Pro­zent-Hür­de ist das so eine Sache. Der­zeit gibt es eine gan­ze Rei­he von Land­tags­wahl­um­fra­gen in den ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern, in denen zwei oder sogar drei Par­tei­en bei fünf Pro­zent lie­gen. Am Bei­spiel der jüngs­ten Baden-Würt­tem­berg-Umfra­ge lässt sich die Hebel­wir­kung der Fünf-Pro­zent-Hür­de gut darstellen. 

Vor­ne­weg: Ich bin auch nach den neus­ten Zah­len ziem­lich zuver­sicht­lich, dass wir im März 2016 eine Fort­set­zung von Grün-Rot hin­krie­gen. Lan­des­re­gie­rung und Minis­ter­prä­si­dent haben hohe Zustim­mungs­wer­te, der CDU-Kan­di­dat zieht nicht – und wenn wir es schaf­fen, bis zum Wahl­tag zu ver­mit­teln, dass es not­wen­dig ist, die loka­len Kan­di­da­tIn­nen von Grü­nen (oder zur Not der SPD) zu wäh­len, um Baden-Würt­tem­berg wei­ter zu moder­ni­sie­ren, dann klappt es auch.

Aber jetzt zu den aktu­el­len Zahlen:

CDU – 39 Prozent
GRÜNE – 26 Prozent
SPD – 17 Prozent
FDP – 5 Prozent
AFD – 5 Prozent
LINKE – 4 Prozent

CDU und FDP kämen dem­nach auf 44 Pro­zent, GRÜNE und SPD auf 43 Pro­zent. Koali­tio­nen mit der AFD sind hof­fent­lich aus­ge­schlos­sen. Rea­lis­tisch wäre also eine der bei­den lager­über­grei­fen­den Koalitionen.

Wenn die AFD nicht bei 5,0 Pro­zent, son­dern bei 4,95 Pro­zent liegt, sieht es ganz anders aus – dann hät­te Schwarz-Gelb ver­mut­lich eine knap­pe Mehr­heit (je nach­dem, wie sich Pro­zen­te in Sit­ze umrech­nen, aber das ist eine ande­re Frage).

Anders­her­um: AFD bei 5,0 Pro­zent, FDP bei 4,95 Pro­zent. Grün-Rot läge zwar vor der CDU, hät­te aber kei­ne Mehr­heit – sie­he oben.

AFD und FDP bei­de bei 4,95 Pro­zent – und eine Ver­än­de­rung von nur 0,1 Pro­zent­punk­ten führt plötz­lich zu einer kla­ren grün-roten Mehr­heit im Landtag.

Die­ses Rechen­spiel lie­ße sich unter Ein­be­zie­hung der LINKEN belie­big fortsetzen.

Was ich sagen will: solan­ge es eine Fünf-Pro­zent-Hür­de gibt, rei­chen ganz weni­ge Pro­zent­punk­te aus, um die Mehr­heits­bil­dung fun­da­men­tal zu ver­än­dern. Je nied­ri­ger die­se Hür­de wäre, des­to gerin­ger wür­de die­se Hebel­wir­kung ausfallen.

Mit Blick auf den wei­te­ren Moder­ni­sie­rungs­be­darf in Baden-Würt­tem­berg kann die Fünf-Pro­zent-Hür­de sich als hilf­rei­ches Instru­ment ent­pup­pen. Bes­ser und ehr­li­cher wäre eine grün-rote Mehr­heit, die nicht von der­ar­ti­gen Unwäg­bar­kei­ten abhängt. Und dafür müs­sen wir GRÜNE, aber auch die SPD, bis zum Wahl­tag noch ein biss­chen zule­gen. Ich bin zuver­sicht­lich, dass wir das hinkriegen.

War­um blog­ge ich das? Weil es am 13. März 2016 auf jede Stim­me ankom­men wird.

Smarte Parteien? Um welches Problem geht es eigentlich?

Convention tools

In den Reve­la­ti­on-Space-Büchern des Sci­ence-Fic­tion-Autors Alas­ta­ir Rey­nolds tau­chen am Ran­de die „Demar­chists“ auf – eine Grup­pe von Men­schen, die das Ide­al direk­ter Demo­kra­tie ver­wirk­licht haben: Ein Implan­tat im Kopf legt jedem und jeder stän­dig Ent­schei­dun­gen zur Abstim­mung vor. Demo­gra­phie und Demo­kra­tie gehen inein­an­der über, der Wil­le des Vol­kes ist die stän­dig aktua­li­sier­te Sum­me des Wil­lens der Ein­zel­nen. Deli­be­ra­ti­on fin­det dage­gen, soweit das die­ser Fik­ti­on zu ent­neh­men ist, eher nicht statt. Aber, einem Sci­ence-Fic­tion-Buch ist das ange­mes­sen, eigent­lich erfah­ren wir auch nur etwas über das „Tool“ und wenig dar­über, wie die Prak­ti­ken, Pro­zes­se und Ver­fah­ren aus­se­hen, die die­se auf die Spit­ze getrie­be­ne Form direk­ter Demo­kra­tie so mit sich bringt.

Viel­leicht ist es die­ser Fokus auf die „Tools“, der mich bei eini­gen aktu­el­len Debat­ten an die­se Bücher den­ken ließ. Auch nach dem weit­ge­hen­den Schei­tern der – soweit das aus Außen­per­spek­ti­ve fest­zu­stel­len ist – sehr stark „tool“-zentrierten Liquid-Demo­cra­cy-Debat­ten der Pira­ten­par­tei bleibt der Ruf nach der „Smart Par­ty“ (Scho­ber et al. 2015) viru­lent. Fast drängt sich der Ein­druck auf, dass ver­zwei­felt am Glau­ben dar­an fest­ge­hal­ten wird, dass die­ser Netz­werk­tech­nik doch ein demo­kra­ti­sches Heils­ver­spre­chen zu ent­lo­cken sein muss. Jeden­falls wird nach wie vor dar­über gespro­chen, dass Par­tei­en bes­ser, schö­ner, effi­zi­en­ter und betei­li­gungs­ori­en­tier­ter wer­den könn­ten, wenn sie denn nur die rich­ti­ge Tech­nik ein­setz­ten. Bis­her haben die­se Ansät­ze den Rea­li­täts­test nicht bestan­den. Das liegt – behaup­te ich – nicht am feh­len­den Wil­len der Par­tei­en, son­dern schlicht dar­an, dass die glit­zern­den „Tools“ und die zu lösen­den Pro­ble­me nicht zuein­an­der passen.
„Smar­te Par­tei­en? Um wel­ches Pro­blem geht es eigent­lich?“ weiterlesen

Kurz: Digitalisierung grün gestalten

Die Flücht­lings­po­li­tik über­strahlt der­zeit alle ande­ren Poli­tik­fel­der, und das ist auch gut so. Trotz­dem gibt es noch ande­re wich­ti­ge The­men – bei­spiels­wei­se die Fra­ge, wie wir als Gesell­schaft den lau­fen­den Digi­ta­li­sie­rungs­trend gestal­ten wol­len. „Digi­ta­li­sie­rung“ ist mehr als „Netz­po­li­tik“. Es geht um Arbeit 4.0 und Indus­trie 4.0, um die Ver­än­de­rung der Bil­dung, um Glo­ba­li­sie­rung von Kom­mu­ni­ka­ti­on und Waren­strö­men – und nicht zuletzt auch um die Fra­ge, wie sich Öko­lo­gie, Nach­hal­tig­keit und mög­li­cher­wei­se sogar sowas wie Post­ka­pi­ta­lis­mus mit intel­li­gen­ten, ver­netz­ten und ver­teil­ten Sys­tem ver­bin­den las­sen können.

Des­we­gen war ich sofort begeis­tert, als Mal­te Spitz im Kreis der grü­nen Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaf­ten vor einem guten Jahr vor­schlug, einen gemein­sa­men grü­nen Digi­ta­li­sie­rungs­kon­gress zu ver­an­stal­ten. Der fin­det – unter dem schö­nen Titel Wie pro­gram­mie­ren wir Zukunft? heu­te und mor­gen in Bie­le­feld statt. Das Pro­gramm kann sich sehen las­sen, und auch die ein­ge­la­de­nen Refe­ren­tin­nen und Refe­ren­ten ver­spre­chen Impul­se für inter­es­san­te und wich­ti­ge Debat­ten. Des­we­gen bin ich froh, dass die BAG Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le, Tech­no­lo­gie­po­li­tik sich dafür ent­schie­den hat, bei die­sem Kon­gress mit­zu­ma­chen (unser Work­shop schaut sich an, wie Ler­nen und Leh­re an Hoch­schu­len sich in Zei­ten der Digi­ta­li­sie­rung ver­än­dern), und dass – nach diver­sen Bespre­chun­gen, Mail­wech­seln und Tele­fon­kon­fe­ren­zen, nach The­men- und Refe­ren­tin­nen­su­che – der #dk15 heu­te nach­mit­tag beginnt. Ich bin selbst­ver­ständ­lich dabei!

Wer nicht in Bie­le­feld sein kann: Es gibt zwar kei­nen Live­stream, aber einen Hash­tag. Zudem soll in den Foren und Work­shops der Debat­ten­ver­lauf per Ether­pad doku­men­tiert wer­den. Und auch mein Twit­terstream wird heu­te sicher­lich den einen oder ande­ren #dk15-Tweet enthalten ;-)