Wolfgang Strengmann-Kuhn (pro) und Heiner Flassbeck (contra) diskutieren auf der Meinungsseite der taz heute die Frage, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzierbar ist. Strengmann-Kuhn hat gerade eine Modellrechnung für das Grundeinkommensmodell von Althaus (CDU) vorleget, Flassbeck vor wenigen Tagen eine scharfe Polemik gegen Grundeinkommen veröffentlicht. Viel Material.
Die Angst der (bürgerlichen) Gesellschaft vor dem Anderen
Nicht zum ersten Mal bei Grüns entscheiden sich Delegierte spontan für jemand, die nicht zur Parteiprominenz gehört, sondern mit Frechheit und Spontanität überzeugt. Ich finde das gut, und finde es auch vollkommen in Ordnung, das Julia weiterhin die Positionen vertritt, für die sie sich auch schon in der GRÜNEN JUGEND stark gemacht hat. Dazu gehören eine weitgehende Drogenfreigabe ebenso wie ein Rückzug des Staates aus der Regulation privater Beziehungen. Also klassische linksliberale Positionen – der Schutz des Bürgers und der Bürgerin vor zuviel staatlicher Einmischung.
Die (bürgerliche) Gesellschaft reagiert darauf vor allem: verstört. Das lässt sich den Kommentaren in Julias Blog ebenso entnehmen wie der Presseberichterstattung in der ZEIT und der BILD. Es gibt auch Pressestimmen, die da etwas sachlicher rangehen – etwa die WAZ mit Metaberichterstattung über den Medienrummel rund um Julia. Insgesamt aber scheint mir doch vor allem eines durchzuscheinen. Da hatte sich die gesellschaftliche Mitte es so schön eingerichtet mit den langweilig und verbürgerlicht gewordenen Alternativen. Und jetzt wird deutlich, dass es doch noch gewisse Differenzen zwischen FDP und Grünen gibt. Was nicht sein darf, kann auch nicht sein – oder muss runtergeschrieben, verbal beschimpft (siehe Blogkommentare) oder für verrückt erklärt werden.
Der Lack der Toleranz scheint dünner zu sein, als ich es nach den sieben Jahren rot-grüner Liberalisierungen erwartet hätte. Was darunter zum Vorschein kommt, ist nicht schön – aber auch kein Grund, aufzugeben.
Logo: Rückzug (Update)
Wie Henning berichtet, gab es zum Thema „Logo“ auf dem Bundesparteitag eine lebhafte Debatte – und dann wohl das beliebte Ausweichmanöver „Antrag zurückziehen, statt eine Niederlage zu kassieren“. Damit ist erstmal das alte Logo das neue, und das neue wird noch einmal überarbeitet (meine Progonose: „Bündnis 90“ wird 20–50% größer). Auf gruene.de steht noch das alte neue Logo, als Parteitagsdeko wohl auch (muss ein seltsames Gefühl sein), inhaltlich wird vor allem über die Kritik am Verfahren berichtet. Und jetzt die Inhalte.
Und hier noch die Presse zum Logo-Rückzug: Reuters weist darauf hin, das versucht wurde, das zurückgezogene Logo weitgehend aus der Hallendeko zu entfernen, und weist darauf hin, dass die Parteispitze bemüht war, „ihre Niederlage im Streit um das neue Parteilogo als normalen Vorgang darzustellen“. Focus beschreibt die verschiedenen Abstimmungen (unklare Mehrheit am Freitagabend, Suche nach neuem Vorgehen). Die Berliner Morgenpost berichtet von Pfiffen und Buhrufen und spricht davon, dass das Logo bei den Delegierten durchgefallen ist. Bei der Welt heißt es: „Logo-Niederlage der Parteispitze“. Das ZDF betont, dass die Wiederwahl von Reinhard Bütikofer und Claudia Roth trotz „Logostreit“ sicher sei. Ausführlich über Verfahrenskritik und die „Überraschung“ der fehlenden klaren Mehrheit für das neue Logo dank Basisunmut schreibt auch Spiegel online.
In den Details irrt allerdings entweder der Spiegel oder Claudia Roth. So heißt es zur Vorstellung des neuen Logos u.a.:
Die eigens entworfene Schrift „Gruene Syntax“ lobte Roth derweil dafür, „dass sie irritiert und nicht Mainstream ist – so wie wir“. Das Auffälligste an der Schrift ist, dass sie serifenlos ist und der Buchstabe „e“ jeweils in halben Schwung endet, was den Blick auf sich zieht.
Wer dies mit der Debatte um die Schrifttypen auf Fontblog vergleicht, stellt schnell fest: die im Logo verwendete Schrift mit den seltsamen „e„s ist eine Variation der DIN-Normschrift – die „grüne Syntax“ dagegen ist die Schrift, die für Brottexte verwendet werden soll, und die relativ unauffällig ist (einige der Logoentwürfe von mir verwenden die Syntax). Die DIN ist nur für das Logo gekauft, für die grüne Syntax dagegen gibt es eine Massenlizenz. Hier werden beide verwechselt.
In der Berichterstattung insgesamt nimmt die Logo-Debatte – glücklicherweise – allerdings nur relativ wenig Raum ein, und überlagert nicht, wie manche befürchtet hatten, die inhaltlichen Hauptthemen, etwa die geforderte neue Radikalität beim Klimaschutz oder auch die inhaltlich begründeten Absagen an schwarz-grüne Koalitionsspielereien.
Grundeinkommen und Grüne
Auf der Website zur BDK – auf der ja unter anderem ein Diskussionsprozess innerhalb der Grünen zur Frage Grundsicherung oder Grundeinkommen gestartet werden soll – findet sich eine Sammlung unterschiedlicher sozialpolitischer Positionierungen – lesenswertes Material für diese Debatte (nicht nur für den Bund, sondern auch für Baden-Württemberg, wo ja ebenfalls eine Position erarbeitet werden soll).
taz macht Grundeinkommen zum Schwerpunkt
Die taz wartet heute (online allerdings schon gestern …) mit zwei lesenswerten Artikeln (Versuche in anderen Länder, Streitgespräch Greffrath/Engler) zur Grundeinkommensdebatte auf. Erfahren habe ich da u.a., dass es in den 1970er Jahren in Kanada Versuche mit Grundeinkommensmodellen in der Provinz Manitoba gab. Im Streitgespräch – beide Streiter kommen im Prinzip aus einer sozialliberalen Richtung – werden einige entscheidende Eckpunkte bezüglich unterschiedlicher Grundeinkommensmodelle und unterschiedlicher Menschenbilder pointiert dargestellt.
Nebenbei und unzusammenhängend: in der selben taz findet sich auch ein langer Artikel zum grünen Wiki-Experiment als Vorbereitung auf den Umweltleitantrag der BDK dieses Wochenende. Grade die Themenseiten und längeren Hintergrundtexte machen für mich das aus, wo die taz wirklich gut ist.
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