Bits und Bäume und dazwischen Zwischenräume

„Nach­hal­tig­keit“ und „Digi­ta­li­sie­rung“ sind zwei der gro­ßen The­men unse­rer Zeit. Inso­fern fand und fin­de ich es eine groß­ar­ti­ge Idee, die Schnitt­men­ge zwi­schen die­sen bei­den Ent­wick­lun­gen genau­er zu beleuch­ten, wie dies mit der Kon­fe­renz „Bits und Bäu­me“ an die­sem Wochen­en­de in Ber­lin umge­setzt wurde. 

Ich will jetzt gar kei­nen Kon­fe­renz­be­richt im übli­chen Sin­ne schrei­ben. Es gab unge­fähr 130 ver­schie­de­ne Ver­an­stal­tun­gen, rund 1300über 1700 Leu­te waren da, und die TU Ber­lin ver­wan­del­te sich für zwei Tage in ein wuse­li­ges Öko-Tech-Camp. Wer ein­zel­ne der Vor­trä­ge nach­gu­cken will, kann die­se auf der Medi­en­sei­te des CCC fin­den – es lohnt sich durch­aus, vom 8‑Minuten-„Sporangium“ bis zu den gro­ßen Podi­en und Panels. Und wer ganz knapp wis­sen möch­te, war­um das mit der Digi­ta­li­sie­rung und der Nach­hal­tig­keit nicht so ein­fach ist, soll­te sich die Eröff­nungs­vor­trä­ge von Til­man Sant­a­ri­us und von Lorenz Hil­ty anschau­en. Ich ver­ra­te schon mal: Rebound-Effek­te haben eini­ges damit zu tun.

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Kurz: Fluss der Dinge

Es ist eine Nach­richt, dass Twit­ter die chro­no­lo­gi­sche Time­line wie­der anbie­tet. Anders als bei Face­book war sie nie ganz weg, denn wer in den Tie­fen der Ein­stel­lun­gen ange­ge­ben hat, nicht die „wich­tigs­ten“ Nach­rich­ten zuerst sehen zu wol­len, hat eine mehr oder weni­ger chro­no­lo­gisch geord­ne­te Time­line ange­zeigt bekom­men. Abge­se­hen von Hin­wei­sen, was eine oder einer viel­leicht ver­passt haben könn­te, oder was ande­re gese­hen haben, oder … ich habe hier recht kon­se­quent auf „weni­ger davon anzei­gen“ gedrückt und zuletzt dann einen fast aus­schließ­lich chro­no­lo­gi­schen Nach­rich­ten­strom erhalten.

Das scheint mir neben den Unzu­läng­lich­kei­ten der Aus­wahl­al­go­rith­men auch der Haupt­grund für die Beliebt­heit der Chro­no­lo­gie zu sein: Tweets sind hier ein end­lo­ser Strom von Nach­rich­ten, der einen Moment im glo­ba­len kom­mu­ni­ka­ti­ven Bewusst­sein doku­men­tiert und dann wie­der ver­geht. Die Din­ge sind im Fluss, und wich­tig ist nicht, was ges­tern pas­siert ist, son­dern das, wor­über Men­schen genau in die­sem Moment reden. Ein biss­chen lässt sich die­ser Strom zurück­ver­fol­gen, aber was ver­gan­gen ist, ent­schwin­det – wie in einem Gespräch, nicht wie in einer E‑Mail-Debat­te. Nur was wie­der­holt wird, über­springt die­sen Anschein von Ver­gäng­lich­keit. Und dar­in liegt für mich der Reiz der Chronologie.

P.S.: Und natür­lich signa­li­siert eine chro­no­lo­gisch geord­ne­te Time­line – para­do­xer­wei­se – zugleich Kon­trol­le, inso­fern zumin­dest theo­re­tisch die Mög­lich­keit besteht, so lan­ge zurück­zu­blät­tern, bis eine oder einer alles gele­sen hat.

Google-Welt und/oder Wikipedia-Welt

Dandelion world VIII (the dancer)

Heu­te hat das Euro­päi­sche Par­la­ment mehr­heit­lich ent­schie­den, die Emp­feh­lung des Rechts­aus­schus­ses für ein euro­päi­sches Leis­tungs­schutz­recht und Upload­fil­ter nicht direkt anzu­neh­men, son­dern im Sep­tem­ber im Ple­num zu behan­deln und damit auch Ände­rungs­an­trä­ge zu ermög­li­chen. Das passt ganz gut zu einer Unter­schei­dung, die mir vor ein paar Tagen ein­fiel, als es dar­um ging, sich die Zukunft der Medi­en im Jahr 2030 vorzustellen. 

Mei­ne The­se war: wir kön­nen 2030 (naja, eigent­lich heu­te schon) ent­we­der in einer Goog­le-Welt oder in einer Wiki­pe­dia-Welt auf­wa­chen. Bei­de Begrif­fe sind unscharf und erklä­rungs­be­dürf­tig, und statt Goog­le-Welt könn­te da auch Face­book-Welt oder Ama­zon-Welt oder Ten­cent-Welt ste­hen, statt Wiki­pe­dia-Welt auch Linux-Welt oder Open-Know­leg­de-Welt. Unscharf sind die Begrif­fe, weil es fak­tisch nicht um zwei getrenn­te Wel­ten geht, son­dern unzäh­li­ge Quer­ver­bin­dun­gen bestehen. Wiki­pe­dia wäre ohne Goog­le nie zu dem gewor­den, was sie heu­te ist, viel­leicht wäre auch die füh­ren­de Such­ma­schi­ne weni­ger erfolg­reich, wenn sie nicht auch auf das in der Wiki­pe­dia ange­sam­mel­te Wis­sen zurück­grei­fen wür­de. Oder, um einen Blick auf Android zu wer­fen: das Goog­le-Betriebs­sys­tem beruht zu gro­ßen Tei­len auf Open-Source-Soft­ware, und anders­her­um flie­ßen Ent­wick­lun­gen von Goog­le auch in die Open-Source-Welt zurück.

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Kurz: Wichtige Themen

Wel­che The­men die „öffent­li­che Mei­nung“ domi­nie­ren, und wie es dazu kommt, ist kom­pli­ziert (wer es näher wis­sen will: Medi­en­wis­sen­schaft und die sozio­lo­gi­sche Dis­kurs­theo­rie geben Hinweise). 

Zwei Din­ge möch­te ich aber fest­hal­ten. Ers­tens: nur weil etwas in der öffent­li­chen Mei­nun­gen domi­nant ist, heißt das noch lan­ge nicht, dass es sich dabei um ein wich­ti­ges Pro­blem han­delt, und umge­kehrt gilt das glei­che: ein The­ma kann wich­tig sein, aber auch extrem unin­ter­es­sant. Wir ste­cken mit­ten in einem gra­vie­ren­den Kli­ma­wan­del, und die Maß­nah­men dage­gen lau­fen schlep­pend an und grei­fen nicht. Es scheint ein sta­tis­tisch nach­weis­ba­res Insek­ten­ster­ben zu geben. Die Digi­ta­li­sie­rung wirft ziem­lich viel um, dar­über wie arbeits- und sozi­al­po­li­ti­sche Ant­wor­ten aus­se­hen könn­ten, wird kaum dis­ku­tiert. Welt­po­li­tisch ver­schie­ben sich gra­de die Gewich­te – wel­che Rol­le soll und wird die EU dabei spie­len? Auch dar­über wird ver­hält­nis­mä­ßig wenig gere­det. Und wich­tig sind die­se The­men allesamt.

Zwei­tens: Journalist*innen und die klas­si­schen Mas­sen­me­di­en tra­gen, auch wenn Auf­la­gen­zah­len zurück­ge­hen, immer noch in star­kem Maße dazu bei, was als öffent­li­che Mei­nung wahr­ge­nom­men wird. Hier liegt ein wich­ti­ger Teil media­ler Ver­ant­wor­tung. „Neue Medi­en“ tra­gen seit min­des­tens zehn Jah­ren dazu bei, Skan­da­li­sier­ba­res zu skan­da­li­sie­ren. Und so rich­tig domi­nant für die öffent­li­che Mei­nung wird es, wenn klas­si­sche und neue Medi­en inein­an­der grei­fen und in einem gegen­sei­ti­gen Reso­nanz­pro­zess ver­stär­ken. Damit kön­nen The­men gesetzt wer­den. Hier lohnt der Blick auf die bereits 2017 durch­ge­führ­te Ana­ly­se des Moni­tors zu Talk­show­the­men. Und hier liegt, ich wie­der­ho­le es noch ein­mal, eine mas­si­ve Ver­ant­wor­tung der Medi­en­schaf­fen­den dafür, wie sich das gesell­schaft­li­che Kli­ma in Deutsch­land wei­ter entwickelt.

Und dann kam plötzlich eine Datenschutzgrundverordnung

Nach einer Vor­lauf­zeit von nur zwei Jah­ren tritt nun die euro­päi­sche Daten­schutz­grund­ver­ord­nung (DSGVO) in Kraft. Klingt büro­kra­tisch, ist es auch, aber letzt­lich geht es schlicht dar­um, dass die (auto­ma­ti­sier­te) Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten euro­pa­weit nun nach ein­heit­li­chen Stan­dards regu­liert wer­den soll. Das meis­te davon ent­spricht den deut­schen Daten­schutz­ge­set­zen, die in vie­len Fäl­len bis­her nicht berück­sich­tigt wur­den – man­che Reak­tio­nen wir­ken jetzt wie eine Über­kom­pen­sa­ti­on, wenn getreu dem Buch­sta­ben der DSGVO für alles und jedes Ein­wil­li­gun­gen ver­langt wer­den etc. Viel­leicht hat das etwas damit zu tun, dass die Mög­lich­keit der Daten­schutz­be­hör­den, Buß­gel­der zu erhe­ben, inzwi­schen pro­mi­nen­ter sicht­bar sind (und das Abmahn­pro­blem wird wohl über­schätzt). Ich gehe davon aus, dass sich der sinn­vol­le Teil der DSGVO in weni­gen Mona­ten „nor­mal“ anfüh­len wird, und die juris­tisch über­vor­sich­ti­ge Inter­pre­ta­ti­on, die es eben der­zeit zu Hauf‘ gibt, an Bedeu­tung ver­lo­ren haben wird.

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