Altes aus Xanga, Teil I

Mon­day, April 22, 2002

Wahltag …

Wahl­tag, und zwar ein ganz selt­sa­mer. Die ers­ten Ergeb­nis­se krie­ge ich in den Radio­nach­rich­ten im Zug mit – und bin ziem­lich ent­setzt. Der Osten wird schwarz, jeden­falls deu­tet ein Ergeb­nis, bei dem FDP, SPD und PDS jeweils etwa gleich­stark abschnei­den und nur die CDU deut­lich bes­ser liegt, dar­auf hin. Schill kommt knapp nicht rein (na, glück­li­cher­wei­se), und auch wenn ich’s nicht ver­ste­he, wun­dert es mich nicht, dass Bünd­nis 90/Die Grü­nen deut­lich unter 5% blei­ben. Soweit mei­ne Gedan­ken zu Radio­nach­richt eins. Dann kommt Radio­nach­richt zwei: In Frank­reich lan­det Le Pen auf Platz zwei bei der Prä­si­den­ten­wahl – und lässt den Fran­zo­sen und Fran­zö­sin­nen damit die Wahl zwi­schen einem Rechts­kon­ser­va­ti­ven und einem Rechts­ra­di­ka­len. Na pri­ma. Irgend­wie scheint mir hier ein Pro­blem des Zwei-Gang-Wahl­sys­tems zu lie­gen, viel­leicht sähe das Ergeb­nis ganz anders aus, wenn’s ein Prä­fe­renz­wahl­sys­tem gäbe …

Lei­der fand der hes­si­sche Rund­funk im ICE kurz nach Frank­furt es nicht für not­wen­dig, über baden-würt­tem­ber­gi­sche Ober­bür­ger­meis­ter­wahl­er­geb­nis­se zu berich­ten (und die erst­mal scho­cken­de Nach­richt „Neue Bür­ger­meis­te­rin in …“ ent­pupp­te sich dann doch als irgend­wo auf dem hes­si­schen Land und nicht als Frei­bur­ger CDU-Kan­di­da­tin). Inso­fern blieb mir hier erst­mal nur die Unge­duld: schließ­lich hat­te heu­te ja auch Frei­burg gewählt.

Kurz nach 23 Uhr bin ich dann end­lich in Frei­burg – und muss wei­ter unge­dul­dig blei­ben, denn weder bei der Badi­schen Zei­tung noch am Rat­haus hän­gen Ergeb­nis­se aus. Zuhau­se dann der ers­te Hin­weis auf mei­nem Anruf­be­ant­wor­ter: Ein sen­sa­tio­nal­les Ergeb­nis, meint mei­ne Mut­ter. Nähe­res hat sie dem Anruf­be­ant­wor­ter nicht ver­ra­ten. Also ins Inter­net – und weder www.freiburg.de noch www.badische-zeitung.de wol­len sich laden las­sen, über irgend­wel­che bun­des­wei­ten Nach­rich­ten­ti­cker fin­de ich erst­mal auch nichts, und www.gruene-freiburg.de ist noch auf dem Stand vier Tage vor der Wahl. Die infor­mie­ren­de Ret­tung naht in Form einer eMail auf einer der Mai­ling­lis­ten der Grü­nen Jugend – Die­ter Salo­mon von den Grü­nen hat es nicht nur unter die ers­ten zwei geschafft – ich hat­te ja mit sowas wie 35% für die CDU-Frau und knapp 30% für ihn gerech­net – son­dern belegt mit 36% den Spit­zen­platz vor Heu­te-Bluhm von der CDU. Zep­ter (SPD) ist mei­ner Mei­nung nach zurecht auf Platz drei gelan­det, mit nur weni­gen Pro­zent­punk­ten Vor­sprung von Micha­el Moos – eigent­lich hal­te ich ja nichts von Vor­ur­tei­len über blas­se Büro­kra­ten, aber hier stimmt’s ein­fach, und inso­fern geschieht’s ihm recht. Dass Micha­el Moos von der Lin­ken Lis­te deut­lich über zehn Pro­zent lan­det (und Salo­mon trotz­dem vor­ne liegt!) fin­de ich eben­falls gut. Alles in allem in Frei­burg also ein wirk­lich posi­ti­ves Ergeb­nis, das jetzt nur noch einen guten zwei­ten Wahl­gang braucht …

Dafür sieht’s außer­halb der klei­nen grü­nen Hoch­burg im Süden lei­der doch ganz anders aus. Schade.

Poli­tik – SPIEGEL ONLINE


Sun­day, April 07, 2002

Kleinräumigkeit und glückliche Zufälle

Ein Vor­teil davon, in einer Stadt wie Frei­burg zu woh­nen, deren 200.000 Ein­woh­ne­rIn­nen – zumin­dest die stu­den­ti­schen oder sonst­wie uni­ver­si­tä­ren – sich in einem rela­tiv klei­nen Teil der Innen­stadt bewe­gen, besteht dar­in, dass sich glück­li­che Zufäl­le häufen.

Anders­wo wären oft umständ­li­che Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­vor­gän­ge not­wen­dig, um zum Bei­spiel Ter­mi­ne abzu­stim­men, sich über etwas auf dem Lau­fen­den zu hal­ten, oder um ein­fach nur jemand zu tref­fen. Natür­lich ist es auch in Frei­burg nicht so, dass stän­dig jeder jeden trifft, oder jede. Aber die Wahr­schein­lich­keit dafür, bei einem Gang durch die Innen­stadt, in der Men­sa, vor der Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek oder in den Kol­le­gi­en­ge­bäu­den ganz zufäl­lig und unge­plant auf eine Per­son zu sto­ßen, die einem etwas mit­zu­tei­len hat, oder der etwas mit­zu­tei­len ist, liegt wohl deut­lich höher als in grö­ße­ren räum­li­chen Gebie­ten. Allein in den letz­ten Tagen ist es mir unge­fähr zwei­mal täg­lich pas­siert, dass ich jemand zufäl­lig getrof­fen habe, und dass so anders­wei­ti­ge Kom­mu­ni­ka­ti­ons­vor­gän­ge ersetzt wurden.

Aller­dings fehlt mir die eige­ne Erfah­rung, um beur­tei­len zu kön­nen, wie weit dies mit der spe­zi­fi­schen räum­li­chen Grö­ße und Situa­ti­on in Frei­burg zu tun hat. Trifft mensch sich in Ber­lin zufäl­lig? Und wie sieht’s beim ande­ren extrem aus, dem klein­räu­mi­gen Dorf, wo sol­che glück­li­chen Zufäl­le noch viel all­täg­li­cher sein müss­ten – oder aber viel­leicht sel­te­ner vor­kom­men, weil es weni­ger Anläs­se gibt, sich quer durch den öffent­li­chen Raum zu bewe­gen? Viel­leicht ist das gan­ze aber auch nur dadurch zu erklä­ren, dass sozia­le Netz­wer­ke und die räum­li­che Situa­ti­on zusam­men­fal­len, dass die sel­ben Leu­te, mit denen Kom­mu­ni­ka­ti­on not­wen­dig ist, sich rela­tiv oft an den sel­ben Orten auf­hal­ten. Dann könn­te die­se Art glück­li­cher Zufäl­le auch in Groß­städ­ten recht häu­fig sein, wenn nur die Orte stim­men. Dafür spricht, das bestimm­te zufäl­li­ge Begeg­nun­gen mit situa­ti­ven Ver­än­de­run­gen weg­fal­len oder neu hin­zu­kom­men: Nicht mehr HiWi im Insti­tut für Sozio­lo­gie zu sein, heißt auch, nicht mehr in den dor­ti­gen Flur­funk ein­ge­bun­den zu sein, Neu­ig­kei­ten, Ent­wick­lun­gen und Ereig­nis­se nur noch sel­ten und aus­ge­wählt zu Gesicht zu bekom­men, jeden­falls sel­te­ner anwe­send und damit poten­zi­ell ansprech­bar zu sein.

Wo der­ar­ti­ge Begeg­nun­gen mit Bekann­ten nicht vor­kom­men, dass ist der vir­tu­el­le Raum. Tref­fen sind hier viel häu­fi­ger absicht­lich, oder machen allein von der Begriff­lich­keit her kei­nen Sinn. In einem durch eMail-Kom­mu­ni­ka­ti­on kon­sti­tu­ier­ten vir­tu­el­lem Raum bei­spiels­wei­se scheint es mir kaum mög­lich zu sein, von einem Tref­fen zu spre­chen – und erst recht nicht von einem zufäl­li­gen Treffen.

Eine letz­te Beob­ach­tung: Wer sich auf zufäl­li­ge Begeg­nun­gen ver­las­sen kann, wird laxer, wenn es dar­um geht, Ter­mi­ne abzu­spre­chen. Den oder die ande­re wird man ja ver­mut­lich doch in der nächs­ten Zeit tref­fen. Wenn zu die­ser Form der Zeit­or­ga­ni­sa­ti­on jedoch die Not­wen­dig­keit der Orga­ni­sa­ti­on eige­ner Zei­ten in einem vir­tu­el­len sozia­len Netz­werk ohne gemein­sa­me räum­li­che Basis hin­zu­tritt, dann ergibt sich ein Pro­blem: Hier sind zwei unter­schied­li­che und nicht immer kom­pa­ti­ble Her­an­ge­hens­wei­sen an Zeit­or­ga­ni­sa­ti­on zusam­men­zu­brin­gen – ein Wider­spruch, der sich viel­leicht letz­lich nur dadurch auf­lö­sen lässt, dass der vir­tu­el­le Raum in den rea­len Raum mit hin­aus­ge­tra­gen wird, über Orga­ni­zer, über in Funk­net­ze ein­ge­bun­de­ne Lap­tops, über die Kopp­lung der Ver­bind­lich­keit der wahr­schein­li­chen Anwe­sen­heit im rea­len Raum des dar­an gebun­de­nen sozia­len Netz­werks mit der Ver­bind­lich­keit der elek­tro­ni­schen Erreich­bar­keit des an die­se gebun­de­nen sozia­len Netz­werks. Inso­fern stellt sich weni­ger die Fra­ge danach, ob eMail und Han­dy die Mög­lich­keit zufäl­li­ger Begeg­nu­gen gefähr­den, son­dern die Fra­ge danach, wie die­se erhal­ten blei­ben und mit nicht­lo­ka­len sozia­len Räu­men inte­griert wer­den kön­nen. Oder?


Fri­day, April 05, 2002

Und nun?

So, einen eini­ger­ma­ßen ordent­lich aus­se­hen­den Anbie­ter von WeB­LOGs habe ich gefun­den, regis­triert bin ich dort inzwi­schen auch, d.h. ich kann jetzt auch tat­säch­lich anfan­gen, mal was zu schrei­ben. Und dabei im Kopf zu behal­ten, dass das hier kein Tage­buch ist, son­dern eher eine Kolum­ne. Ich wer­de also jetzt nichts dar­über schrei­ben, dass mei­ne Schwes­ter heu­te Geburts­tag hat­te, was ich ihr geschenkt habe und dass das Wet­ter hier son­nig ist. Ich wer­de auch nichts dar­über schrei­ben, dass ich heu­te mei­nen Arbeits­ver­trag als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter in einem For­schungs­pro­jekt hier an der Uni Frei­burg unter­schrie­ben habe (und sehr gespannt bin, wie das Pro­jekt lau­fen wird). Und ich wer­de erst recht nichts dazu schrei­ben, dass mei­ne Freun­din gera­de an einer Haus­ar­beit sitzt, was extrem zeit­auf­wän­dig und nerv­auf­rei­bend ist, wie ich aus eige­ner Erfah­rung bestä­ti­gen kann (und was dazu führt, dass ich jetzt hier vor mei­nem Com­pu­ter sit­ze und auf komi­sche Ideen kom­me, wie die, mal aus­zu­pro­bie­ren, ob ein WeB­log nicht was net­tes wäre). Dazu woll­te ich nichts schrei­ben, habe es jetzt aber doch getan. Egal.

Wo ich schon mal dabei bin, nichts zu schrei­ben, schrei­be ich ein­fach auch nichts dazu, dass die Welt­si­tua­ti­on noch immer ähn­lich selt­sam und gefähr­lich aus­sieht wie in den letz­ten Tagen. Wäh­rend Deutsch­land sich Sor­gen dar­über macht, ob ein zusam­men­bre­chen­des Medi­en­oli­go­pol den Lieb­lings­sport Fuß­ball mit zum Ein­sturz bringt, als ob es nichts wich­ti­ge­res gäbe (und als ob es nicht wich­ti­ge­re Grün­de gäbe, war­um Medi­en­oli­go­po­le nicht so toll sind), klin­gen die Nach­rich­ten aus Isra­el und Paläs­ti­na von Tag zu Tag depri­mie­ren­der. Krieg gegen Ter­ror funk­tio­niert auch hier nicht. Oder nur zu gut.

So, fast fer­tig mit mei­nem ers­ten öffent­li­chen Ein­trag. Was habe ich dabei gelernt? Wenn es nicht nur ran­ting wer­den soll, macht es Sinn, sich ein The­ma zu set­zen, und auch tat­säch­lich was dazu zu schrei­ben. Und auch wenn es rhe­to­risch ein fei­ner Trick ist, etwas zu sagen, indem gesagt wird, dass es nicht gesagt wird, so wird damit trotz­dem was gesagt – eine Grat­wan­de­rung zwi­schen öffent­lich und pri­vat … Ich bin gespannt, was und wann ich das nächs­te Mal was schrei­be – dann viel­leicht tat­säch­lich auf ein The­ma bezo­gen, und nicht ein­fach mal so blau vom Him­mel her geredet.