Die diversen Streaming-Abos hätte ich mir im Januar auch sparen können. Angeschaut habe ich genau zwei Filme – zum einen, auf Drängen einiger Familienmitglieder, ein Rewatch von Harry Potter and the Goblet of Fire (von DVD), zum anderen mit viel gespannter Erwartung Section 31 (Paramount+). Dieser als Star-Trek-Spinoff angekündigte Film war dann vor allem enttäuschend und wirkte – selbst mit den Links zum eh schon actionlastogen ST: Discovery – wie eine schlechte Mischung aus Cowboy Bebop , Guardians of the Galaxy und Star Wars.
Die Origin-Story der in unser Universum geflohenen terrestrischen Imperatorin machte deren Handeln auch nicht plausibler, der Geheimauftrag – Section 31 ist der Geheimdienst der Starfleet, ähnlich Special Circumstances in Banks Culture-Romanen – hatte nur eine geringe Plausibilität, das Protagonisten-Team war eher humoristisch zusammengestellt, deren Motivation unklar. Zeit und Raum (schnell, dringend, …, Tage in unterirdischen Höhlensystemen ganz woanders) verloren an Bedeutung. Dass eine Phasenverschiebung auf Quantenebene zwar das Durchdringen von Wänden und Körpern, nicht jedoch des Bodens der Raumstatiom mit sich brachte, war dann auch nicht mehr als ein weiteres unlogisches Element in einer langweilenden Aneinanderreihung unlogischer Elemente. Kurz: keine Empfehlung, jedenfalls nicht für Menschen, die Star Trek mögen.
Gelesen habe ich im Januar, warum auch immer sich das so ergeben hat, vor allem Fantasy. Weltfluchtpotenzial, möglicherweise.
Eine Ausnahme stellt in gewisser Weise John Dodds Ocean of Stars (2022) dar, insofern der Roman in der Zukunft spielt, der Mars (und Planeten ferner Sterne) besiedelt ist und die Protagonistin Catarina Solovias auf einem Raumschiff anheuert – das allerdings, soviel sei verraten, schon kurz darauf von einem Piratenschiff gerammt wird, mit gehissten Sonnensegeln, Technologie, die von Magie kaum zu unterscheiden ist und kargen Mahlzeiten in der Kombüse. Sagte ich schon, dass dann auch noch Zeitblasen und Seeungeheuer Weltraummonster gigantischen Ausmasses auftauchen? Dodd gelingt es, diese wilde Mischung plausibel erscheinen zu lassen, und uns mit Catarina mitfiebern zu lassen. Würde vermutlich auch als Doctor-Who-Folge funktionieren, wenn ich so drüber nachdenke.
Und auch die Kurzgeschichtensammlung Jamaica Ginger and Other Concoctions (2024) von Nalo Hopkinson enthält neben magischem Realismus mit karibischem Einschlag die eine oder andere Geschichte, die eher unter SF (oder zumindest Steampunk) einzusortieren wäre. Auf die Sammlung bin ich durch ein Interview in Clarkesworld aufmerksam geworden. Wie bei Kurzgeschichtensammlungen üblich, ist es schwierig, übergreifend etwas dazu zu sagen, ohne auf einzelne Geschichten einzugehen. Jedenfalls: fantastisch geschrieben, und mit einer Perspektive, die auf jeden Fall interessant ist.
Damit zur Fantasy i.e.S. Von T. Kingfisher (Ursula Vernon) habe ich endlich mal deren mit dem Hugo 2024 prämierte Novelle Thornhedge gelesen. Hätte ich mal früher tun sollen, den die Novelle war dann deutlich besser als das mentale Bild („Neuerzählung von Dornröschen“), das ich mir davon gemacht hatte. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive der – bösen? – Fee. Kingfisher geht nicht nur der Frage nach, wieso da plötzlich eine Fee bei der Taufe der Königstochter auftaucht (Fairy ist nicht weit) – und dann über Jahrhunderte beim verwunschen Schloss samt Dornenhecke bleibt, sondern finden auch einen Weg, plausibel zu machen, dass der ewige Schlaf eine Heldentat ist. Und dann taucht nach Jahrzehnten der Einsamkeit ein wackerer Prinz auf, gekommen, die Prinzessin zu befreien. Die Fee (deren größter Zauber ist, sich in eine Kröte verwandeln zu können), steht damit vor einer Herausforderung. Denn sie muss verhindern, dass der Prinz seinen Plan in die Tat umsetzt. Das wird recht lesenswert beschrieben.
Im Anschluss habe ich Nettle & Bone (2022, ebenfalls von T. Kingfisher), gelesen. Der Titel der deutschen Übersetzung („Wie man einen Prinzen tötet“), nimmt eines der Motive des Romans vorweg. Marra ist die jüngste von drei Schwestern, Prinzessin in einem kleinen Königreich. Ganz realpolitisch wird die älteste Schwester mit dem Prinzen des großen Königreichs im Norden verheiratet. Sie stirbt, der Prinz heiratet die mittlere Schwester. Marra landet in einem Kloster, lernt Stickerei, Weben, mistet den Stall aus, unterstützt die Schwester Apothekerin – und erfährt von dem Leid und der Misshandlung ihrer Schwester am nördlichen Königshof. In ihr reift der Vorsatz, den Prinzen zu töten. Sie sucht ein Dust-Wife, eine Art Hexe, auf, bittet diese um Hilfe, muss unmögliche Aufgaben erledigen – und ab hier nimmt das Abenteuer dann Fahrt auf. Trotz des märchenhaften Settings spart Kingfisher die Realitäten von Heiratspolitik, Dynastik und Bündnissen – und Armut – nicht aus, sondern guckt durch Marras manchmal naiven, manchmal von Selbstzweifeln geplagten, aber immer empathischen Blick auf die Dinge. Hat mir gut gefallen, und ja – „brutal und compassionate“ trifft es ganz gut.
Auch bei Peter S. Beagle geht es bei I’m Afraid You’ve Got Dragons (2024) – der Beagle von „Das letzte Einhorn“ – um eine Prinzessin. Größtenteils folgen wir allerdings Robert Thrax, dem Drachenbekämpfer (as in: Ungezieferbekämpfung). Denn Drachen sitzen hier in alten Gemäuern, es gibt große und kleine, und überhaupt: sind sie eine Plage. Die Drachenbekämpfung hat Robert von seinem verstorbenen Vater übernommen, macht das hervorragend – dafür gibt es Gründe – nur: eigentlich würde er lieber keine Drachen töten. Prinzessin Cerise flieht vor den um ihre Hand anhaltenden Prinzen in den Wald, übt Lesen und Schreiben. Und dann gibt es da noch den Thronfolger des großen Nachbarlandes, von prinzenhafter Gestalt, mit prinzenhaften Manieren, auf der Suche nach einem Abenteuer. Ein großer Held, so scheint es jedenfalls, auch wenn sein Vater unzufrieden mit dem Ausbleiben von Rauflust etc. ist. Es kommt eins zum anderen, und Prinzessin Cerise, Robert und Prinz Reginald brechen auf, die gefährlichen Bergdrachen zu besiegen. Natürlich kommt es anders – mehr wäre zu viel verraten. Wie, beschreibt Beagle mit viel Humor.
Dann habe ich noch A Fellowship of Bakers and Magic (2023) von J. Penner gelesen. Nochmal Märchenland, eine junge Frau ganz ohne magische Begabungen wird ausererwählt, am großen Backwettbewerb der Elfen teilzunehmen. Großgezogen haben die junge Frau nach dem Unfalltod ihrer Eltern die beiden Nachbarn, ein schwules Ork-Paar, auf dem Weg und beim Backwettbewerb (den eigentlich immer Elfen gewinnen) freundet sie sich mit Mitbewerberinnen an – eine Zwergin und eine Füchsin, wenn ich das richtig gelesen habe. Und der Elf, der sie aus ihrer Kleinstadt zum Wettbewerb bringt, entfacht Fantasien. Das ganze wird als cozy romantic fantasy vermarktet, das passt auch. Mein einer Eindruck: silly, aber auf die gute Art. Der andere: bisschen viel Soap, und für ein Fantasy-Setting in den Köpfen der Protagonist*innen doch ziemlich viel 21. Jahrhundert. Also: nicht so ganz meins, aber vielleicht ein comfort read. Ein weiterer Band ist 2024 erschienen, zwei weitere sind angekündigt. Wer’s mag, wird hier also einiges zum Lesen finden.
Last but not least: Von Charles Stross ist neu A Conventional Boy (2025) erschienenen, ein kurzer Roman im Laundryverse, in dem wir die Hintergrundgeschichte des „Dungeon Masters“ Derek kennenlernen (ergänzt um bereits anderswo erschienene Kurzgeschichten). Eine DnD-Convention spielt eine Rolle, und jemand, der tiefer als ich mit DnD zu tun hat, dürfte noch mehr Freude an der einen oder anderen Anspielung haben. Es gibt wie immer im Laundryverse düstere Kulte und Dämonenbeschwörungen; wichtig zu wissen – das Rollenspiel-Regelwerk ist turingvollständig und eignet sich daher für magische Handlungen. Stross mixt die „satanic panic“ der 1980er Jahre, einen genauen Blick darauf, was passiert, wenn Menschen über lange Zeit institutionalisiert werden, eine (für seine Verhältnisse erstaunlich sweete) Liebesgeschichte im Autismus-Spektrum und ein paar Bezüge zu anderen Laundry-Romanen (hallo, Iris). Das ist schnell weggelesen, aber es wird auch deutlich, dass es Zeit wird, dass Stross sich einen anderen Spielplatz sucht.