Science Fiction und Fantasy im Januar 2025

Südbaden clouds

Die diver­sen Strea­ming-Abos hät­te ich mir im Janu­ar auch spa­ren kön­nen. Ange­schaut habe ich genau zwei Fil­me – zum einen, auf Drän­gen eini­ger Fami­li­en­mit­glie­der, ein Rewatch von Har­ry Pot­ter and the Goblet of Fire (von DVD), zum ande­ren mit viel gespann­ter Erwar­tung Sec­tion 31 (Para­mount+). Die­ser als Star-Trek-Spin­off ange­kün­dig­te Film war dann vor allem ent­täu­schend und wirk­te – selbst mit den Links zum eh schon action­las­to­gen ST: Dis­co­very – wie eine schlech­te Mischung aus Cow­boy Bebop , Guar­di­ans of the Gala­xy und Star Wars.

Die Ori­gin-Sto­ry der in unser Uni­ver­sum geflo­he­nen ter­res­tri­schen Impe­ra­to­rin mach­te deren Han­deln auch nicht plau­si­bler, der Geheim­auf­trag – Sec­tion 31 ist der Geheim­dienst der Star­fleet, ähn­lich Spe­cial Cir­cum­s­tances in Banks Cul­tu­re-Roma­nen – hat­te nur eine gerin­ge Plau­si­bi­li­tät, das Prot­ago­nis­ten-Team war eher humo­ris­tisch zusam­men­ge­stellt, deren Moti­va­ti­on unklar. Zeit und Raum (schnell, drin­gend, …, Tage in unter­ir­di­schen Höh­len­sys­te­men ganz woan­ders) ver­lo­ren an Bedeu­tung. Dass eine Pha­sen­ver­schie­bung auf Quan­ten­ebe­ne zwar das Durch­drin­gen von Wän­den und Kör­pern, nicht jedoch des Bodens der Raum­sta­ti­om mit sich brach­te, war dann auch nicht mehr als ein wei­te­res unlo­gi­sches Ele­ment in einer lang­wei­len­den Anein­an­der­rei­hung unlo­gi­scher Ele­men­te. Kurz: kei­ne Emp­feh­lung, jeden­falls nicht für Men­schen, die Star Trek mögen.

Gele­sen habe ich im Janu­ar, war­um auch immer sich das so erge­ben hat, vor allem Fan­ta­sy. Welt­flucht­po­ten­zi­al, möglicherweise.

Eine Aus­nah­me stellt in gewis­ser Wei­se John Dodds Oce­an of Stars (2022) dar, inso­fern der Roman in der Zukunft spielt, der Mars (und Pla­ne­ten fer­ner Ster­ne) besie­delt ist und die Prot­ago­nis­tin Cata­ri­na Solo­vi­as auf einem Raum­schiff anheu­ert – das aller­dings, soviel sei ver­ra­ten, schon kurz dar­auf von einem Pira­ten­schiff gerammt wird, mit gehiss­ten Son­nen­se­geln, Tech­no­lo­gie, die von Magie kaum zu unter­schei­den ist und kar­gen Mahl­zei­ten in der Kom­bü­se. Sag­te ich schon, dass dann auch noch Zeit­bla­sen und See­unge­heu­er Welt­raum­mons­ter gigan­ti­schen Aus­mas­ses auf­tau­chen? Dodd gelingt es, die­se wil­de Mischung plau­si­bel erschei­nen zu las­sen, und uns mit Cata­ri­na mit­fie­bern zu las­sen. Wür­de ver­mut­lich auch als Doc­tor-Who-Fol­ge funk­tio­nie­ren, wenn ich so drü­ber nachdenke.

Und auch die Kurz­ge­schich­ten­samm­lung Jamai­ca Gin­ger and Other Con­coc­tions (2024) von Nalo Hop­kin­son ent­hält neben magi­schem Rea­lis­mus mit kari­bi­schem Ein­schlag die eine oder ande­re Geschich­te, die eher unter SF (oder zumin­dest Steam­punk) ein­zu­sor­tie­ren wäre. Auf die Samm­lung bin ich durch ein Inter­view in Clar­kes­world auf­merk­sam gewor­den. Wie bei Kurz­ge­schich­ten­samm­lun­gen üblich, ist es schwie­rig, über­grei­fend etwas dazu zu sagen, ohne auf ein­zel­ne Geschich­ten ein­zu­ge­hen. Jeden­falls: fan­tas­tisch geschrie­ben, und mit einer Per­spek­ti­ve, die auf jeden Fall inter­es­sant ist. 

Damit zur Fan­ta­sy i.e.S. Von T. King­fi­sher (Ursu­la Ver­non) habe ich end­lich mal deren mit dem Hugo 2024 prä­mier­te Novel­le Thorn­hedge gele­sen. Hät­te ich mal frü­her tun sol­len, den die Novel­le war dann deut­lich bes­ser als das men­ta­le Bild („Neu­er­zäh­lung von Dorn­rös­chen“), das ich mir davon gemacht hat­te. Erzählt wird die Geschich­te aus der Per­spek­ti­ve der – bösen? – Fee. King­fi­sher geht nicht nur der Fra­ge nach, wie­so da plötz­lich eine Fee bei der Tau­fe der Königs­toch­ter auf­taucht (Fairy ist nicht weit) – und dann über Jahr­hun­der­te beim ver­wun­schen Schloss samt Dor­nen­he­cke bleibt, son­dern fin­den auch einen Weg, plau­si­bel zu machen, dass der ewi­ge Schlaf eine Hel­den­tat ist. Und dann taucht nach Jahr­zehn­ten der Ein­sam­keit ein wacke­rer Prinz auf, gekom­men, die Prin­zes­sin zu befrei­en. Die Fee (deren größ­ter Zau­ber ist, sich in eine Krö­te ver­wan­deln zu kön­nen), steht damit vor einer Her­aus­for­de­rung. Denn sie muss ver­hin­dern, dass der Prinz sei­nen Plan in die Tat umsetzt. Das wird recht lesens­wert beschrieben.

Im Anschluss habe ich Nett­le & Bone (2022, eben­falls von T. King­fi­sher), gele­sen. Der Titel der deut­schen Über­set­zung („Wie man einen Prin­zen tötet“), nimmt eines der Moti­ve des Romans vor­weg. Mar­ra ist die jüngs­te von drei Schwes­tern, Prin­zes­sin in einem klei­nen König­reich. Ganz real­po­li­tisch wird die ältes­te Schwes­ter mit dem Prin­zen des gro­ßen König­reichs im Nor­den ver­hei­ra­tet. Sie stirbt, der Prinz hei­ra­tet die mitt­le­re Schwes­ter. Mar­ra lan­det in einem Klos­ter, lernt Sti­cke­rei, Weben, mis­tet den Stall aus, unter­stützt die Schwes­ter Apo­the­ke­rin – und erfährt von dem Leid und der Miss­hand­lung ihrer Schwes­ter am nörd­li­chen Königs­hof. In ihr reift der Vor­satz, den Prin­zen zu töten. Sie sucht ein Dust-Wife, eine Art Hexe, auf, bit­tet die­se um Hil­fe, muss unmög­li­che Auf­ga­ben erle­di­gen – und ab hier nimmt das Aben­teu­er dann Fahrt auf. Trotz des mär­chen­haf­ten Set­tings spart King­fi­sher die Rea­li­tä­ten von Hei­rats­po­li­tik, Dynas­tik und Bünd­nis­sen – und Armut – nicht aus, son­dern guckt durch Mar­ras manch­mal nai­ven, manch­mal von Selbst­zwei­feln geplag­ten, aber immer empa­thi­schen Blick auf die Din­ge. Hat mir gut gefal­len, und ja – „bru­tal und com­pas­sio­na­te“ trifft es ganz gut.

Auch bei Peter S. Bea­gle geht es bei I’m Afraid You’­ve Got Dra­gons (2024) – der Bea­gle von „Das letz­te Ein­horn“ – um eine Prin­zes­sin. Größ­ten­teils fol­gen wir aller­dings Robert Thrax, dem Dra­chen­be­kämp­fer (as in: Unge­zie­fer­be­kämp­fung). Denn Dra­chen sit­zen hier in alten Gemäu­ern, es gibt gro­ße und klei­ne, und über­haupt: sind sie eine Pla­ge. Die Dra­chen­be­kämp­fung hat Robert von sei­nem ver­stor­be­nen Vater über­nom­men, macht das her­vor­ra­gend – dafür gibt es Grün­de – nur: eigent­lich wür­de er lie­ber kei­ne Dra­chen töten. Prin­zes­sin Ceri­se flieht vor den um ihre Hand anhal­ten­den Prin­zen in den Wald, übt Lesen und Schrei­ben. Und dann gibt es da noch den Thron­fol­ger des gro­ßen Nach­bar­lan­des, von prin­zen­haf­ter Gestalt, mit prin­zen­haf­ten Manie­ren, auf der Suche nach einem Aben­teu­er. Ein gro­ßer Held, so scheint es jeden­falls, auch wenn sein Vater unzu­frie­den mit dem Aus­blei­ben von Rauf­lust etc. ist. Es kommt eins zum ande­ren, und Prin­zes­sin Ceri­se, Robert und Prinz Regi­nald bre­chen auf, die gefähr­li­chen Berg­dra­chen zu besie­gen. Natür­lich kommt es anders – mehr wäre zu viel ver­ra­ten. Wie, beschreibt Bea­gle mit viel Humor.

Dann habe ich noch A Fel­low­ship of Bak­ers and Magic (2023) von J. Pen­ner gele­sen. Noch­mal Mär­chen­land, eine jun­ge Frau ganz ohne magi­sche Bega­bun­gen wird aus­e­rer­wählt, am gro­ßen Back­wett­be­werb der Elfen teil­zu­neh­men. Groß­ge­zo­gen haben die jun­ge Frau nach dem Unfall­tod ihrer Eltern die bei­den Nach­barn, ein schwu­les Ork-Paar, auf dem Weg und beim Back­wett­be­werb (den eigent­lich immer Elfen gewin­nen) freun­det sie sich mit Mit­be­wer­be­rin­nen an – eine Zwer­gin und eine Füch­sin, wenn ich das rich­tig gele­sen habe. Und der Elf, der sie aus ihrer Klein­stadt zum Wett­be­werb bringt, ent­facht Fan­ta­sien. Das gan­ze wird als cozy roman­tic fan­ta­sy ver­mark­tet, das passt auch. Mein einer Ein­druck: sil­ly, aber auf die gute Art. Der ande­re: biss­chen viel Soap, und für ein Fan­ta­sy-Set­ting in den Köp­fen der Protagonist*innen doch ziem­lich viel 21. Jahr­hun­dert. Also: nicht so ganz meins, aber viel­leicht ein com­fort read. Ein wei­te­rer Band ist 2024 erschie­nen, zwei wei­te­re sind ange­kün­digt. Wer’s mag, wird hier also eini­ges zum Lesen finden. 

Last but not least: Von Charles Stross ist neu A Con­ven­tio­nal Boy (2025) erschie­ne­nen, ein kur­zer Roman im Laun­dry­ver­se, in dem wir die Hin­ter­grund­ge­schich­te des „Dun­ge­on Mas­ters“ Derek ken­nen­ler­nen (ergänzt um bereits anders­wo erschie­ne­ne Kurz­ge­schich­ten). Eine DnD-Con­ven­ti­on spielt eine Rol­le, und jemand, der tie­fer als ich mit DnD zu tun hat, dürf­te noch mehr Freu­de an der einen oder ande­ren Anspie­lung haben. Es gibt wie immer im Laun­dry­ver­se düs­te­re Kul­te und Dämo­nen­be­schwö­run­gen; wich­tig zu wis­sen – das Rol­len­spiel-Regel­werk ist turing­voll­stän­dig und eig­net sich daher für magi­sche Hand­lun­gen. Stross mixt die „sata­nic panic“ der 1980er Jah­re, einen genau­en Blick dar­auf, was pas­siert, wenn Men­schen über lan­ge Zeit insti­tu­tio­na­li­siert wer­den, eine (für sei­ne Ver­hält­nis­se erstaun­lich sweete) Lie­bes­ge­schich­te im Autis­mus-Spek­trum und ein paar Bezü­ge zu ande­ren Laun­dry-Roma­nen (hal­lo, Iris). Das ist schnell weg­ge­le­sen, aber es wird auch deut­lich, dass es Zeit wird, dass Stross sich einen ande­ren Spiel­platz sucht. 

Photo of the week: Eisblumen

Eisblumen

 
In dem impro­vi­sier­ten Früh­beet soll­te eigent­lich Acker­sa­lat wach­sen; das ist aber aus ver­schie­de­nen Grün­den nichts gewor­den. Immer­hin: an einem der sehr kal­ten Janu­ar­ta­ge gab’s deko­ra­ti­ve Eis­blu­men zu bestaunen.

Der Fall der Brandmauer

Demo 30.01.2025

Weil gera­de schon flei­ßig ande­re Geschich­ten in die Welt gesetzt wer­den, fan­ge ich mit dem an, was gesche­hen ist. Herr Merz von der CDU hat einen (hart rechts­au­ßen posi­tio­nier­ten) Fünf-Punk­te-Plan auf­ge­schrie­ben. Er hat ange­kün­digt, die­sen im Bun­des­tag als Antrag ein­brin­gen zu wol­len. SPD und Grü­ne könn­ten ja mit­stim­men – wenn nicht, wür­de er auch eine Mehr­heit mit der AfD in Kauf neh­men. Aus emo­tio­na­ler Erre­gung her­aus. Und ganz im Gegen­satz zu dem, was er ein paar Wochen zuvor noch als Ange­bot und „Brand­mau­er“ zur AfD ver­kün­det hatte.

SPD und Grü­ne haben sinn­vol­ler­wei­se abge­lehnt, hier mit­zu­ge­hen. Herr Merz hat den Antrag ein­ge­bracht – und mit Hil­fe der FDP und vor allem der AfD auch eine Mehr­heit dafür erhal­ten. Damit ist das jetzt ein offi­zi­el­ler Appell des Bun­des­tags an die Bun­des­re­gie­rung (die aller­dings nicht ver­pflich­tet ist), irgend­wie dar­auf zu reagieren.

Nach der Abstim­mung saß die CDU/CSU ziem­lich bedröp­pelt da, die AfD feix­te und freu­te sich. Und tap­fe­re Jungunionist*innen ver­brei­te­ten schnell die Erzäh­lung, Grü­ne und SPD hät­ten die Mehr­heit ja ver­hin­dern kön­nen, wenn sie denn bloß voll­zäh­lig da gewe­sen wären. Und über­haupt: das alles sei ja bloß so eine Art Not­wehr gewe­sen, weil SPD und Grü­ne bis­her kei­ne CDU-Poli­tik machen wollten.

Hand­lun­gen haben Fol­gen. In die­sem Fall: eine schar­fe Rüge durch die Alt­bun­des­kanz­le­rin Mer­kel – mit­ten im Wahl­kampf. Ers­te Aus­trit­te aus der CDU, Fried­mann als bekann­tes­ter Name. Ankün­di­gun­gen CDU-mit­re­gier­ter Bun­des­län­der, im Bun­des­rat gegen das scheuß­lich benann­te „Zustrom­be­gren­zungs­ge­setz“ zu stim­men, das Herr Merz als nächs­tes in den Bun­des­tag ein­brin­gen will. Und, am wich­tigs­ten: rund hun­dert­tau­send Men­schen, die über­all in der Repu­blik, teil­wei­se vor CDU-Zen­tra­le, teil­wei­se ein­fach so, auf die Stra­ße gegan­gen sind. Um die Brand­mau­er zu verteidigen.

„Der Fall der Brand­mau­er“ weiterlesen

Kurz: Habeck hat Kanzlerformat, Merz gibt den Trump

Robert Habeck reist zur Zeit durch die Repu­blik; in Frei­burg waren 3000 Leu­te in der Sick-Are­na, wei­te­re stan­den in der Schlan­ge, kamen aber nicht mehr rein. Die Rede war ein­drucks­voll, hat­te Niveau, kanz­ler­an­ge­mes­sen. Es ging um Trump, um Chi­na, um auto­kra­ti­sche Ver­lo­ckun­gen und dar­um, dass Euro­pa gemein­sam gegen den Popu­lis­mus ste­hen muss, wenn heu­ti­ge und künf­ti­ge Frei­heit – Kli­ma! – eine Chan­ce bekom­men soll.

Rich­tung Merz mach­te Habeck sehr deut­lich, dass wir weder Öster­reich noch Ungarn sind. Er erin­ner­te an die euro­päi­sche Tra­di­ti­on der Kon­ser­va­ti­ven und frag­te, ob Merz die­se wirk­lich in einer unan­ge­mes­se­nen Kurz­schluss­re­ak­ti­on des Ver­schär­fens und des Flir­tens mit der AfD über den Hau­fen wer­fen will – so kurz vor dem Wort­bruch (hier die ent­spre­chen­de Ges­te dazudenken). 

Zur Tra­gik die­ser ers­ten gro­ßen Wahl nach Trump gehört aller­dings die Fest­stel­lung, dass es sein kann, dass am Schluss eine Koali­ti­on mit der Uni­on (Schwarz-Rot, Schwarz-Grün, Kenia) der ein­zi­ge Weg ist, Merz dar­an zu hin­dern, lei­der-lei­der mit der AfD zusam­men­ar­bei­ten zu müssen. 

Wün­schen wür­de ich mir das nicht. Und genau des­we­gen fin­de ich es wich­tig, dass jede*r sich fragt, ob seine/ihre Stim­me eine Kanz­ler­schaft Mer­zens wahr­schein­li­cher macht oder nicht. Mit Robert Habeck gibt es einen Kan­di­da­ten mit For­mat. Wer ihn will, muss grün wäh­len. So ein­fach und so kom­pli­ziert ist das.

Photo of the week: Frost vegetation – IX

Frost vegetation - IX

 
Ich hän­ge – mit den Fotos – immer noch am Ende des letz­ten Jah­res fest. Aber die kris­tal­li­nen Ver­zie­run­gen, die der Frost an einem der weni­gen Frost­ta­ge in die­sem Win­ter an die­ses Brom­beer­blatt gezau­bert hat, muss­te ich euch doch noch zei­gen. (Und im Kon­trast: drau­ßen hat es jetzt schon wie­der früh­lings­haf­te Tem­ope­ra­tu­ren und einen blau­en Himmel …)