Nach und nach beginnt im Garten jetzt die Zeit der Ernte. Die letzten Wochen: überall Walderdbeeren und ein bisschen Rhabarber. Inzwischen sind die Johannisbeeren reif, die Stachelbeeren und absehbar auch die Kirschen machen sich bereit, und bei den Himbeeren lässt sich zumindest schon ahnen, dass da bald was kommt. Das neue Hochbeet zahlt sich aus: Erbsen und Mangold wachsen hervorragend, und nachdem im letzten Jahr die Schnecken alles aufgefressen haben, hoffe ich dieses Jahr auch wieder auf Zucchini.
Science Fiction und Fantasy im Mai 2025
For All Mankind (Apple TV) funktioniert für mich einfach. Ich habe gerade das Finale der Staffel 4 gesehen (das in einer alternativen Realität in einer Marskolonie im Jahr 2012 endet), und bin begeistert davon, weil die Serie es schafft, Politik, halbwegs plausible Wissenschaft bzw. halbwegs plausibles Ingenieurwesen und ganz unterschiedliche (zwischen-)menschliche Perspektiven zu vereinen. Das Netz sagt, dass aktuell eine fünfte Staffel gedreht wird – und ja: die will ich sehen, und bin schon ein bisschen ungeduldig.
Ebenfalls gut gefallen haben mir die ersten paar Folgen der Murderbot-Verfilmung (ebenfalls auf Apple TV). Nachteil: die einzelnen Folgen sind nur 20 Minuten lang, das ist … kurz. Die Murderbot-Diaries von Martha Wells, die der Serie zugrunde liegen, hätte ich jetzt eher in die Kategorie „schwer verfilmbar“ gepackt – viele innere Monologe des titelgebenden Androiden, eine teilweise nur skizzierte Zukunftswelt – das wurde aber durchaus ansehbar umgesetzt, mit Voice-Over und Einblendungen der augmentierten Sicht von Murderbot. Und Sanctuary Moon, die star-trek-artige (na ja, noch soapigere) Serie in den Büchern, kommt auch genau so rüber, wie eine solche Serie aussehen muss.
Apropos Star Trek – aus der aktuellen Black Mirror-Staffel (Netflix) habe ich mir bisher nur den zweiten Teil zur USS Callister angeschaut. Was passiert, wenn ein sich selbst für harmlos haltender Nerd gottgleiche Fähigkeiten in einem virtuellen Spiele-Universum („Infinity“) erhält, und dann auch nicht davor zurückschreckt, Klone echter Menschen dort einzusetzen – davon erzählte der erste Teil. Der zweite Teil beginnt dort, wo der erste endete: unsere Hauptpersonen sind als Klone die Besatzung der U.S.S. Callister, und statt Abenteuer zu erleben, und Welten zu sehen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat, haben sie sich darauf verlegt, Gamer*innen auszurauben, um so an die nötigen Credits für Treibstoff und ähnliches zu kommen. Das fällt auch in der echten Welt auf – womit eine zwischen beiden Welten wechselnde Verfolgungsjagd bis ins Innerste von Infinity beginnt.
Weniger anfangen konnte ich mit Love, Death, Robots (Netflix) – die meisten der aktuellen Geschichten drifteten für mich zu sehr ins Horror-Genre (oder waren alternativ platte Weltbeherrschungsversuche nicht explodierender Katzen); und auch der Ausflug ins Schismatrix-Universum von Bruce Sterling mit „Spider Rose“ rettete die aktuelle Staffel nicht.
Gelesen habe das beeindruckende neue Werk von Nils Westerboer, Lyneham (2025). Das Buch lässt in einen im wörtlichen wie übertragenen Sinne in Abgründe schauen. Das Szenario wirkt erst einmal bekannt: eine Katastrophe macht die Erde lebensfeindlich („der Weltraum kommt“ – erst im Lauf des Buchs wird klar, was damit gemeint ist), mit Hilfe von Stasis-Schlaf schaffen es einige Überlebende auf einen fernen Planeten (hier: den Mond „Perm“ des Gasplaneten „Windleite“, der einen blauen Stern umkreist). Perm sollte längst geterraformt sein, ist es aber nicht. Die Oberfläche ist brüchig. In der Tiefe leben „die Seismischen“, riesenhafte Wesen, die mit tektonischen Prozessen interagieren. Auf der Oberfläche hat die Evolution nicht nur Elektrofresser geschaffen, sondern auch sechsbeinige – und gut getarnte – Amphibien- und Säugetieranaloge. In dieser feindlichen Umwelt spielt sich das Leben weitgehend in dem geschlossenen und kontrollierten Habitat „Lyneham A/Lyneham B“ ab – ein Konzept, das die auf Perm lebenden Menschen von der Erde mitgebracht haben. Interessant wird Lyneham nicht zuletzt durch die Erzählweise Westerboers. Die eine Perspektive ist die von Henry, der mit seinen Geschwistern und seinem Vater auf Perm crashgelandet ist. Noch kein Teenager, eine fast noch kindliche Sichtweise. Henry wartet auf seine Mutter. Die sollte nachkommen – bzw. war schon da, vor 10.000 Jahren (Weltraumflüge über sehr lange Distanzen im Stasis-Schlaf …). Ihre Perspektive, die einer extrem begabten Wissenschaftlerin und zugleich distanzierten Einzelgängerin mit sehr genauer Beobachtungsgabe, macht die andere Hälfte des Buchs aus. Und da schauen wir dann ein zweites Mal in Abgründe, in ihre eigenen genauso wie in die Langzeitpläne des Unternehmers Rayser, für den Perm nur ein Spielball ist. Nach und nach setzt sich das Puzzle zusammen. Und nebenbei diskutiert Westerboer damit einige große Fragen. Kindliche Perspektive, gut geschrieben, aber alles andere als ein Kinderbuch. Große Empfehlung!
Gut unterhalten hat mich die Stormwrack-Serie von A.M. Dellamonica (die unter dem Namen L.X. Beckett mit Gamechanger und Dealbreaker auch sehr empfehlenswerte Solarpunk-Bücher geschrieben hat). Die drei Bände von Stormwrack („The Hidden Sea Tales“) sind Child of a Hidden Sea (2014), A Daughter of No Nation (2015) und The Nature of a Pirate (2016). Stormwrack ist der Name einer parallelen (oder möglicherweise auch zeitlich versetzten …) Erde, die fast vollständig von Wasser bedeckt ist. Es gibt Segelschiffe, es gibt Piraten, es gibt über 250 Inselnationen – und es gibt Magie. Was es nicht gibt, ist Neugier und eine systematische Wissenschaft. Sophie Hansa, unsere Heldin, landet eines Tages – beim Versuch, ihre biologische Mutter zu finden – in einem Handgemenge, und kurz darauf auf Stormwrack. Sie, die eigentlich Tauchexpeditionen als Fotografin begleitet und ein großes Interesse an Wissenschaft hat, wird in die politischen Auseinandersetzungen Stormwracks hineingezogen: der über hundert Jahre zurückliegende Waffenstillstand zwischen sklavenhaltenden und freien Nationen ist in Gefahr, und ihr Auftauchen katalysiert die damit verbundenen Probleme noch. Gleichzeitig ist jeder der Stormwrack-Bände auch ein bisschen Detektivgeschichte (CSI und Wissenschaft helfen), und love interests (homo- wie heterosexuelle) tauchen natürlich auch auf. Gut gefallen hat mir an dieser Reihe die Tatsache, dass Sophie unsere Gegenwart mit sich rumträgt – Textnachrichten und digitale Kameras, nerdige Bezüge auf Science-Fiction-Serien, aber auch Wertvorstellungen. All das bildet einen hervorragenden Kontrast zu der Segelschiff-Erde.
Unterhalten hat mich auch The Blue, Beautiful World (2023) von Karen Lord. Hier habe ich allerdings erst nach dem Lesen gemerkt, dass das der dritte Band einer längeren Serie ist. Ließ sich auch so verstehen, und den Rest als Prequel lesen wollte ich dann doch nicht. Harry Potter/Model UN meets telepathisch begabte Aliens bereiten die Erde auf den Erstkontakt mit der galaktischen Zivilisation vor. Durchaus spannend, die Charaktere – insbesondere der junge Kanoa – wachsen einem an Herz, aber so richtig warm geworden bin ich nicht. Vielleicht, wenn ich nicht bei Band drei angefangen hätte.
Photo of the week: Wildtal walk – VIII (goat)
Aufgrund der ganzen Italienfotos hinke ich etwas hinterher. Und bin erstaunt, wie grün – und zugleich wenig grün – die Landschaft Mitte April erst/schon aussah. Davon ist auf dieser bei einem Spaziergang durchs Wildtal entstandenen Aufnahme wenig zu sehen, dafür eine Ziege im Gegenlicht – auch schön. (Außerdem hatten wir Rotmilane, Pferde, Hühner, Hummeln und orangene Schmetterlinge gesehen).
Das neue Landtagswahlrecht materialisiert sich
Wer als Baden-Württemberger*in bundesweit parteipolitisch unterwegs ist, kennt diesen Moment, in dem irgendwer nach der Landesliste fragt, und dann erst einmal erklärt werden muss, dass Wahlen im Ländle anders funktionieren: nur Direktkandidat*innen in 70 Wahlkreisen, eine Zweitauszählung, um den Proporz herzustellen und die restlichen nominell 50 Plätze zu füllen, gewisse Verzerrungen durch Ausgleich im Regierungspräsidium. Dieses Wahlrecht hat einige Jahrzehnte lang gute Dienste geleistet. Es hatte Vorteile: die Abgeordneten hatten alle eine starke lokale Bindung. Das Wahlrecht hatte aber auch Nachteile: ohne Liste keine quotierte Liste, und keine Chance für z.B. grüne Kandidat*innen in „schwachen“ Wahlkreise, überhaupt jemals in den Landtag zu kommen.
Ob Freude über das Ende überwiegt oder dem Wahlrecht doch hinterhergeweint wird: es ist seit einiger Zeit, mit der Novelle der entsprechenden Gesetze, Geschichte. Jetzt hat Baden-Württemberg das für Deutschland typische Zweistimmenwahlrecht, mit einer Zweitstimme, die die Sitzverteilung bestimmt, und einer Erststimme, die über Direktmandate entscheidet. (Apropos: das eigentlich sehr gute wahlrecht.de hat noch das alte Wahlrecht und die Änderungen noch nicht nachvollzogen).
Die Kappungen auf Bundesebene wurden nicht mitgemacht, so dass manche jetzt über das Risiko eines Riesenlandtags unken (Modellrechnungen widerlegen das, nur dann, wenn Erst- und Zweitstimmenergebnisse massiv auseinander gehen würden, wäre ein sehr großer Landtag möglich). Dafür gibt es andere Besonderheiten: weiterhin Ersatzkandidat*innen in den Wahlkreisen, die zum Zug kommen, wenn eine direkt gewählte Person aus dem Landtag ausscheidet. Und theoretisch – mal schauen, ob eine Partei das praktisch umsetzt – auch die Möglichkeit, Ersatzkandidat*innen auf einer Reserveliste zu verankern.
Während die Novelle des Wahlgesetzes schon einige Zeit her ist, wird das Wahlrecht jetzt erst so richtig konkret: die Aufstellungen in den Wahlkreisen sind – hier mit grüner Brille – durchgeführt, und seit dem Wochenende steht auch die erste grüne Landesliste mit 70 Plätzen, gewählt auf der Landeswahlversammlung in Heidenheim. Nebenbei wurde dort auch Cem Özdemir ins Amt des Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten gehoben; ich hoffe sehr, dass er an den Erfolg Winfried Kretschmanns anschließen kann. Seine Rede war überzeugend – und die fast einstimmige Unterstützung der Partei hat er auch. Auf der Landesliste ist Cem – Frauenstatut – „nur“ auf Platz 2. Auffällig ist zudem eine gewisse Ballung der Region Stuttgart bei den ersten Plätzen der Liste. Hier kommt die große Frage ins Spiel, die auf dem Parteitagwochenende viele gestellt haben, aber die naturgemäß niemand beantworten konnte: Wie weit wird die Liste ziehen?
Nach dem alten Wahlrecht wurden 58 grüne Abgeordnete gewählt, alle mit Direktmandat. Landesweit waren das 32,6 Prozent. Inzwischen sind es aufgrund eines Übertritts noch 57 Abgeordnete. In den Umfragen liegen wir Grüne aktuell allerdings mit nur 20 Prozent deutlich hinter der CDU. Gleichzeitig ist Cem Özdemir beliebt, ihm wird zugetraut, das Amt des Ministerpräsidenten auszufüllen. Und in den Monaten bis zur Wahl kann noch einiges passieren, auch weil die baden-württembergische CDU ganz nah an Merz und der Bundesregierung steht. Dann ist unklar, ob FDP und – was ein Novum für Baden-Württemberg wäre – LINKE es in den Landtag schaffen. Je nachdem, was hier angenommen wird, schwankt auch die Zahl der Sitze, die auf uns Grüne insgesamt entfallen, massiv.
Der zweite Faktor, den niemand wirklich gut einschätzen kann, ist die Frage der Direktmandate. Im alten Wahlrecht waren Direktmandate und Parteienstärke organisch aneinander gekoppelt. Wer Kretschmann wollte, musste grün wählen. Mit der Möglichkeit des Stimmensplittings könnte es auch ganz anders aussehen. In vielen Wahlkreisen treten grüne Direktmandatsinhaber*innen wieder an – holen diese, sofern die landesweiten Werte noch etwas besser werden, erneut das Direktmandat? Oder greift der von Bürgermeister, Kommunal- und Bundestagswahlen bekannte Reflex, direkt dann doch lieber den CDU-Mann oder die CDU-Frau zu wählen – und mit der Zweitstimme dann Grün? Oder andersherum? Alle Umfragen sind mit Unsicherheit behaftet, und die fehlende Erfahrung mit Splitting bei einer Landtagswahl multipliziert diese Unsicherheiten noch einmal. Das geht bis hin zu der Frage, ob ein „schlechter“ Listenplatz lokal vielleicht sogar ein Argument sein kann, diese Person direkt zu wählen, um so sicherzustellen, dass der Wahlkreis grün vertreten sein wird.
Am Schluss kann es also sein, dass die Liste überhaupt nicht zum Zuge kommt, etwas durcheinander gewürfelt wird (etwa dadurch, dass Florian Kollmann in Heidelberg und Nadyne Saint-Cast in Freiburg II nicht auf der Liste abgesichert sind, sondern alleine auf das Direktmandat setzen – ähnlich in Mannheim und Aalen) oder im Extremfall sogar nur einzieht, wer auf der Liste vorne steht.
In der Kombination aus Listenplatz und plausibeln Annahmen über grüne Wahlkreisergebnisse lässt sich so maximal eine erste Abschätzung treffen, welche Wahlkreise und Personen bei einem halbwegs guten Ergebnis im Landtag vertreten sein werden, wer so gut wie keine Chancen hat (hinterer Listenplatz und grüne Diaspora), und wo es auf den Wahlausgang im Detail ankommen wird. Es bleibt spannend.
Photo of the week: Livorno, port area – XI
Ein letztes Foto von der Florenz-Reise, aber eben nicht aus Florenz, sondern aus Livorno. Die Hafenstadt liegt etwas siebzig Kilometer westlich von Florenz. Nachdem ich auf einer Karte gesehen hatte, dass das Mittelmeer gar nicht so weit entfernt ist, habe ich kurzentschlossen einen nachmittäglichen Ausflug dahin gemacht – etwa eine Stunde Bahnfahrt mit dem Regionalzug. Der Bahnhof in Livorno liegt eher außerhalb, und während ich den Weg vom Meer zurück zum Bahnhof mit dem Bus zurückgelegt habe, bin ich in die andere Richtung zu Fuß gegangen. Die Stadt wirkte ziemlich zerfallen – nicht in Form antiker Ruinen, sondern voll mit Baustellen, abblätterndem Putz und wenig ansehlichen Vierteln. Dazwischen Denkmäler. Am Hafen gibt es die ehemalige Seefestung, die allerdings an diesem Tag nicht besucht werden konnte, ein hypermodernes Einkaufszentrum und dazwischen je nach Blickwinkel Müllberge oder pittoreske Fassaden. Am Schluss dann tatsächlich ein Blick auf das Mittelmeer, das silbrig grau in der tiefstehenden Sonne lag. Insgesamt musste ich an Dotas Containerhafen-Lied denken.