Aneignung, Macht und kultureller Wandel

Rieselfeld culture

Win­ter­son­nen­wen­de – ein Fest, das in ziem­lich vie­len Religionen/Kulturen gefei­ert wird. Aus­gangs­punkt ist eine beob­acht­ba­re Tat­sa­che: die Tage wer­den wie­der län­ger, es wird hel­ler; gleich­zei­tig setzt oft der „rich­ti­ge“ Win­ter ein. Was dar­aus gemacht wird, wie gefei­ert wird, all das ist Kul­tur. Und die ist bekannt­lich extrem wandlungsfähig. 

Ich mag das Kon­zept der kul­tu­rel­len Aneig­nung. Men­schen sind in der Lage dazu, sich Stü­cke aus unter­schied­li­chen Tra­di­tio­nen her­aus­zu­bre­chen und in ihre eige­nen Tra­di­tio­nen zu über­neh­men. Bei die­ser Über­nah­me ver­än­dern sich Ideen und Ritua­le, es ent­steht etwas Neu­es. Inso­fern ist kul­tu­rel­le Aneig­nung ein Motor für kul­tu­rel­len Wan­del, für Inno­va­ti­on, ganz pathe­tisch gesagt auch für Fortschritt.

Was genau von wem wann erfun­den wur­de, inter­es­siert viel­leicht His­to­ri­ke­rIn­nen, spielt aber eigent­lich kei­ne Rol­le. Fin­de ich jeden­falls. Oder ist das zu ein­fach? Wie weit müs­sen Tra­di­ti­ons­li­ni­en und his­to­ri­sche Asso­zia­tio­nen mit­ge­dacht wer­den, wenn ein Ritu­al, ein Fest, eine kul­tu­rel­le Ange­wohn­heit, kurz, eine Prak­tik, ange­eig­net, ver­än­dert und über­nom­men wird? 

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Kurz: Geschlechtergerechte Sprache bei Grüns

Wäh­rend mei­ne Sup­pe abkühlt, noch ein paar Sät­ze zur geschlech­ter­ge­rech­ten Spra­che, wie sie bei Bünd­nis 90/Die Grü­nen ver­wen­det wird – und wie nicht. War­um? Weil ich in letz­ter Zeit immer wie­der auf selt­sa­me For­mu­lie­run­gen sto­ße. Ob die­se aus Unwis­sen­heit oder Trol­lerei ver­wen­det wer­den, sei ein­mal dahingestellt.

Falsch sind jeden­falls sowohl „Mit­glie­de­rIn­nen“ als auch „Grü­nIn­nen“. „Das Mit­glied“ hat kein Geschlecht und wird dem­entspre­chend auch nicht mit einem gro­ßen I ver­se­hen. Und wir Grü­nen – der Grü­ne, die Grü­ne – wer­den durch ein ange­häng­tes, fal­sches ‑Innen auch nicht schöner.

Rich­tig ist dage­ge­gen, dass alle Per­so­nen­be­zeich­nun­gen, die nicht geschlechts­neu­tral sind, „gegen­dert“ wer­den sol­len. Den Hin­ter­grund dafür erklärt Ana­tol Ste­fa­no­witsch viel bes­ser, als ich es hier könn­te. Das „gen­dern“ kann auf viel­fäl­ti­ge Art und Wei­se geschehen:

  • durch Paar­for­men („Freun­din­nen und Freun­de“), in der gespro­che­nen Spra­che üblich,
  • durch die Ver­wen­dung neu­tra­ler For­men (die haben ihre eige­nen Tücken), z.B. „Stu­die­ren­de“, „Wäh­len­de“, „Abge­ord­ne­te“, „Dele­gier­te“
  • durch das tra­di­tio­nell bekann­te „Binnen‑I“, also ähn­lich wie bei „iPho­ne“ ein Groß­buch­sta­be mit­ten im Wort, der signa­li­siert, dass das zwei Wör­ter in einem ste­cken, etwa in „Tier­quä­le­rIn­nen“ – so ele­gant nur im Plu­ral verwendbar,
  • durch neue­re Sym­bo­le, etwa den „Gen­der Gap“ („Professor_innen“), oder durch das Gen­der-Stern­chen („Köch*innen“). Bei bei­den Sym­bo­len ist die Idee, dass nicht nur zwei Geschlech­ter sym­bo­li­siert wer­den sol­len, son­dern auch jen­seits davon ste­hen­de Geschlechterrollen.
  • Und wer das alles blöd fin­det, und trotz­dem nicht aus­schrei­ben möch­te, kann auch den Schräg­strich ein­set­zen, der aber mit „Frau als Anhäng­sel der männ­li­chen Form“ kon­no­tiert ist („Manager/in“).

So, und jetzt ist die Sup­pe kalt, und ich möch­te nie wie­der „Grü­nIn­nen“ irgend­wo lesen, nur weil irgend­wem nicht passt, dass wir eine femi­nis­ti­sche Par­tei sind.

Kurz: Was der Rasmus so sagt

Der Ras­mus bla­b­bert eigent­lich seit sei­ner Geburt. Das macht er auch jetzt noch ger­ne. Aber seit eini­ger Zeit wird klar, dass er nicht nur schon ziem­lich viel ver­steht, son­dern dass er auch selbst reden kann. Mama – alle Per­so­nen, die ihm wich­tig sind, aber auch sein Schnul­ler. Hu(nd), Kat­ze, (K)uh und Baum. Und Auto! Obwohl wir keins haben, schei­nen Autos ihn doch sehr zu beein­dru­cken – wie das wohl vor der Erfin­dung die­ses Fahr­zeugs war? Wich­ti­ge Wör­ter wie „nein“ und „doch“. Und natür­lich Käse und Apfe(lsaft) – und wenn die weg sind, „alle“. Das ers­te Wort über­haupt aber war natür­lich „da“.

Es ist erstaun­lich: aber mit die­sem guten Dut­zend Wör­tern kann sich so ein Ein­ein­halb­jäh­ri­ger schon ganz gut verständigen.

P.S.: Ganz ver­ges­sen, aber auf jeden Fall auch zu erwäh­nen: „Hal­lo“ (ger­ne aus unse­rem bis zum Boden rei­chen­den Küchen­fens­ter an alle Welt ver­kün­det) und „Tschüs“ (mit Winken!).