Ein Versuch über Wikipedia


Die trei­ben­de Kraft hin­ter der Wiki­pe­dia: „someone is wrong on the inter­net“ (xkcd, Lizenz)

Be bold! Mach’s ein­fach, wenn du etwas ändern willst. Was mich von Anbe­ginn an an der Wiki­pe­dia fas­zi­niert hat, war die­ser grund­sätz­li­che Impe­ra­tiv. Den meis­ten ist wahr­schein­lich der „Neu­tral Point of View“ wich­ti­ger, oder das kol­la­bo­ra­ti­ve Prin­zip, oder die enzy­klo­pä­di­sche Qua­li­tät. Aber was mich lan­ge Jah­re dazu gebracht hat, vie­le Aben­de und Stun­den in das Schrei­ben von Ein­trä­gen, in Edit­wars, aber mehr noch in lan­ge Debat­ten um die sprich­wört­li­che Kom­ma­set­zung zu inves­tie­ren, war wohl die­ser Imperativ. 

Der hat natür­lich zunächst etwas sehr ame­ri­ka­ni­sches: Wenn du was ändern willst an der Welt, dann tue es ein­fach, nimm’s selbst in die Hand! Oder auch was von Pip­pi Lang­strumpf: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Fas­zi­na­ti­on strahl­te das „Be bold!“ aber vor allem des­we­gen auf mich aus, weil sich ein rie­si­ges Pro­jekt mit vie­len tau­send Mit­strei­te­rIn­nen schein­bar allein an die­sem – darf ich das Adjek­tiv ver­wen­den – anar­chis­ti­schen Grund­satz kris­tal­li­sie­ren konn­te. Natür­lich ist das ver­kürzt, natür­lich gab es auch von Anfang an ande­re Regeln (den wis­sens­phi­lo­so­phisch frag­wür­di­gen neu­tra­len Stand­punkt, bei­spiels­wei­se), und natür­lich gab es das Gott­kö­nig­tum von Jim­bo Wales als Letzt­in­stanz. Trotz­dem: der Geist, den ich mit der Wiki­pe­dia ver­bin­de – seit 2002 war ich an der eng­lisch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia betei­ligt – lässt sich am ehes­ten in die­sem „Be bold!“ zusam­men­fas­sen – immer zusam­men­ge­dacht mit einer von mir als angel­säch­sisch emp­fun­de­nen, stark deli­be­ra­tiv-dis­kur­si­ven Atmo­sphä­re des Pro­blem­lö­sens durch Kom­mu­ni­ka­ti­on auf Augen­hö­he. Im schlimms­ten Fall dann ein „agree to disagree“.
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Jamaika im Politbarometer, und so

Einer der neus­ten Tweets von Rein­hard Büti­ko­fer aka „bue­ti“:

Inter­es­sant! Laut ZDF-Polit­ba­ro­me­ter 64% Gruen­waeh­le­rIn­nen fuer Jamai­ka auf Lan­des­ebe­ne, 15% dagg. Mal sehen, was Par­tei­lin­ke dar­aus macht. 

Johan­nes Wald­schütz vermutet:

@bueti da wer­den dann die Umfra­ge in Zwei­fel gezo­gen, über Aus­trit­te berich­tet und sin­ken­de Wahl­er­geb­nis­se pro­phe­zeit werden. 

Sven Kind­ler, neu­er grü­ner MdB, reagiert prompt mit:

@bueti @lefthandcph @danielmack Wür­de da eher der aus­führ­lichs­ten Grü­nen­wäh­ler­stu­die (intern) vor der #BTW09 ver­trau­en. 80% gg. Jamaika. 

Wor­um geht’s? Und wer hat recht? Aus­gangs­punkt der Debat­te ist die­se Befra­gung des ZDF-Polit­ba­ro­me­ters. Dem­nach gilt für Grünen-AnhängerInnen:

64 Pro­zent fin­den dies als Koali­ti­ons­op­ti­on auch für ande­re Bun­des­län­der gut, hieß es im ZDF-„Politbarometer“ am Frei­tag. 15 Pro­zent der Grü­nen-Anhän­ger hal­ten nichts von einer Jamai­ka-Koali­ti­on, die ihren Namen aus der Anspie­lung auf die Flag­ge des Insel­staa­tes in der Kari­bik (schwarz-gelb-grün) bekom­men hat­te. 20 Pro­zent ste­hen sol­chen Koali­tio­nen gleich­gül­tig gegenüber. 

Wei­ter unten wird das dann inso­fern rela­ti­viert, als die Wer­te für die Bun­des­ebe­ne deut­lich schlech­ter aus­fal­len. In der Ori­gi­nal-Pres­se­mit­tei­lung Okt. II heißt es dazu (Herv. von mir):

Eine Jamai­ka-Koali­ti­on auf Bun­des­ebe­ne wird mehr­heit­lich in der Bevöl­ke­rung abge­lehnt, bei den Anhän­gern der Grü­nen trifft sie aber auf 50 Pro­zent Zustim­mung, 32 Pro­zent fän­den sie schlecht (14 Pro­zent: egal). 

Klingt erst­mal beacht­lich. Dass unge­fähr 40 bis 50 Pro­zent der Wäh­le­rIn­nen von Bünd­nis 90/Die Grü­nen einem Jamai­ka-Bünd­nis auf­ge­schlos­sen gegen­über­ste­hen, habe ich auch anders­wo schon gehört. Aber 64%? Wie es Johan­nes oben vor­ge­schla­gen hat, möch­te ich die­se Umfra­ge­er­geb­nis­se ger­ne ein biß­chen in Fra­ge stel­len. Und zwar in drei Punkten:

  1. Als Grü­nen-Anhän­ge­rIn­nen wer­den hier – wenn ich das rich­tig ver­ste­he – Men­schen defi­niert, die ange­ben, bei der nächs­ten Bun­des­tags­wahl grün wäh­len zu wol­len. Par­al­lel dazu wäre es span­nend, zu sehen, wie es bei den­je­ni­gen ist, die bei der letz­ten Wahl tat­säch­lich grün gewählt haben. Inso­fern die Jamai­ka-Ent­schei­dung schon eine Aus­wir­kung auf die geäu­ßer­te Wahl­ab­sicht für den kom­men­den Bun­des­tag mit sich bringt, kann es daher auch sein, dass eini­ge, die am 27.9. noch grün gewählt haben, jetzt schon nicht mehr dabei sind (und ande­re dazu­ge­kom­men sind).
  2. Gemäß der Metho­dik des ZDF-Polit­ba­ro­me­ters wer­den dafür ca. 1250 zufäl­lig aus­ge­wähl­te Men­schen befragt. Sowohl in der poli­ti­schen Stim­mung als auch bei der Pro­jek­ti­on der For­schungs­grup­pe Wah­len liegt der Anteil für Bünd­nis 90/Die Grü­nen der­zeit bei 11 Pro­zent. D.h., die abso­lu­te Basis der Aus­sa­ge oben liegt bei ca. 140 Per­so­nen. Von die­sen sind ca. 89 „Jamai­ka“ auf Lan­des­ebe­ne nicht prin­zi­pi­ell abge­neigt. Offen bleibt, ob die Reprä­sen­ta­ti­vi­tät der Zusam­men­set­zung der Stich­pro­be ins­ge­samt auch für die Teil­men­ge „Anhän­ge­rIn­nen von Bünd­nis 90/Die Grü­nen“ gilt, ob die­se also reprä­sen­ta­tiv für die 4.643.272 Wäh­le­rIn­nen der Grü­nen sind. 
  3. Neben die­sen bei­den letzt­lich für jede Aus­sa­ge zu Anhän­ge­rIn­nen der Grü­nen gel­ten­den Kri­tik­punk­ten kann auch die ver­wen­de­te Fra­ge selbst kri­tisch betrach­tet wer­den. Soweit sich das ohne wei­te­re Recher­chen rekon­stru­ie­ren lässt, muss sie in etwa so gelau­tet haben: „Im Saar­land wol­len nun CDU, FDP und Grü­ne koalie­ren, die soge­nann­te Jamai­ka-Koali­ti­on. Fin­den Sie Koali­tio­nen zwi­schen CDU, FDP und Grü­nen auf Lan­des­ebe­ne gut, schlecht oder sind sie ihnen egal?“. Es wur­den hier also nicht ver­schie­de­ne Koali­ti­ons­op­tio­nen gegen­ein­an­der gestellt, son­dern spe­zi­ell die Jamai­ka-Koali­ti­on genannt. Unter den 64% (Lan­des­ebe­ne) bzw. 50% (Bund), die unter Grü­nen-Anhän­ge­rIn­nen nach die­ser Umfra­ge eine sol­che Koali­ti­on gut fin­den, kön­nen also durch­aus eni­ge sein, die rot-grün deut­lich bes­ser, schwarz-grün eben­falls um Wel­ten bes­ser fän­den, aber prin­zi­pi­ell z.B. jede grü­ne Regie­rungs­be­tei­li­gung gut finden. 

Abseits der metho­di­schen Krit­te­lei­en und dem gene­rel­len Rat, der­ar­ti­gen Aus­sa­gen gegen­über nicht all­zu gläu­big zu sein, ver­bin­det sich mit die­sen 64 Pro­zent aber auch eine prin­zi­pi­el­le Fra­ge, näm­lich die nach der inner­par­tei­li­chen Demo­kra­tie, bzw. der demo­kra­ti­schen Ein­fluss­nah­me auf die par­tei­li­che Mei­nungs­bil­dung. Auf dem Par­tei­tag in Ros­tock wer­den die unge­fähr 800 Dele­gier­te auch über Anträ­ge abstim­men, bei denen es dar­um geht, ob Grü­ne Jamai­ka auf Bun­des­ebe­ne wei­ter aus­schlie­ßen sol­len oder nicht. Die Dele­gier­ten ver­tre­ten die ca. 45.000 Par­tei­mit­glie­der. Gewählt wur­den sie auf Mit­glie­der­ver­samm­lun­gen der Par­tei, zu denen viel­leicht 10 % der jewei­li­gen Mit­glie­der kom­men. Dar­über, ob Grü­ne Jamai­ka aus­schlie­ßen oder nicht, ent­schei­den letzt­lich – neben öffent­li­chen Dis­kur­sen etc.* – for­mal ca. 800 Leu­te, die von ca. 4.500 Leu­ten bestimmt wur­den. Bleibt die Fra­ge, ob es sinn­voll oder sogar not­wen­dig ist, den 4.643.272 – 4.500 = 4.638.772 wei­te­ren Grün-Wäh­le­rIn­nen (Bun­des­tags­wahl 2009) auch eine Stim­me zu geben, in wel­cher Form auch immer. 

War­um blog­ge ich das? Weil ich mir die 64% mal näher anschau­en wollte.

* Die här­tes­te Kri­tik an Jamai­ka kommt von Ex-Grü­nen, die jetzt bei der Links­par­tei sind, und die stärks­ten Fans sind Mit­glie­der der CDU, der FDP und mehr oder weni­ger kon­ser­va­ti­ve JournalistInnen.

Kurz: Gut so, liebe Fachgesellschaft!

Ich muss das kurz los­wer­den: Die Grün­dung der Deut­schen Gesell­schaft für Sozio­lo­gie (DGS) liegt jetzt 100 Jah­re zurück. Und was macht der Fach­ver­band der Sozio­lo­gIn­nen in Deutsch­land, ich bin da auch Mit­glied? Gar nicht ange­staubt twit­tert die DGS nicht nur, son­dern hat seit kur­zem auch die Anre­gung von Tina Günther/sozlog umge­setzt und stellt RSS-Feeds für zehn wich­ti­ge The­men­be­rei­che (Mel­dun­gen, Kongressankündigungen/Call for papers, neue Bücher, Stel­len …) zur Ver­fü­gung. Fin­de ich klas­se – erst recht für eine der gro­ßen wis­sen­schaft­li­chen Fachgesellschaften. 

Grüne Positionen zur Raumfahrt

Ach­tung: Die­ser Blog­post ist aus dem Jahr 2009!

Das Blog Astro­dic­ti­um sim­plex hat­te Mit­te August nach den Posi­tio­nen der Par­tei­en zur Raum­fahrt gefragt – und von den Grü­nen schein­bar kei­ne Ant­wort erhal­ten. Mich hat das irri­tiert, wes­we­gen ich als Spre­cher der BAG Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le, Tech­no­lo­gie­po­li­tik noch ein­mal nach­ge­hakt habe. Dabei hat sich her­aus­ge­stellt, dass die Fra­gen zur Raum­fahrt­po­li­tik durch Peter Hett­lich MdB beant­wor­tet wur­den (am 3.9.2009) – nur hat die­se Ant­wort­mail wohl Flo­ri­an Frei­stet­ter von Astro­dic­ti­um sim­plex nicht erreicht. Wie dem auch sei – hier sind nun (ohne Kom­men­tie­rung mei­ner­seits und ohne sie mir in jedem Punkt zu eigen zu machen) die grü­nen Ant­wor­ten auf Flo­ri­ans Fra­gen zur Raumfahrtpolitik:

Wie ist die offi­zi­el­le Posi­ti­on Ihrer Par­tei zur Raum­fahrt? Sind die Anstren­gun­gen Deutsch­lands aus­rei­chend oder zuwenig/zuviel?
Bünd­nis 90/Die Grü­nen ste­hen der Raum­fahrt grund­sätz­lich posi­tiv gegen­über, sehen aber auf lan­ge Sicht kei­ne Mög­lich­keit, den finan­zi­el­len Rah­men – wenn dies mit „Anstren­gun­gen“ gemeint ist – aus­zu­wei­ten. Wir bewer­ten dage­gen die bemann­te Raum­fahrt über­aus kri­tisch, denn ihr Nut­zen ist im Ver­gleich zu den sehr hohen Kos­ten viel zu gering und sie ver­schlingt die Mit­tel für wich­ti­ge­re Pro­jek­te der Raum­fahrt. Ein Nega­tiv­be­leg hier­für ist die inter­na­tio­na­le Raum­sta­ti­on ISS, die sowohl beim Zeit‑, Budget‑, Aus­bau- als auch beim Wis­sen­schafts­plan vie­le der gesteck­ten Zie­le ver­fehlt hat. Daher leh­nen wir auch eine deut­sche Betei­li­gung an einer geplan­ten US-ame­ri­ka­ni­schen bemann­ten Mond­mis­si­on ab.

Soll Deutsch­land ver­stärkt inter­na­tio­nal Koope­ra­tio­nen (z.B. mit NASA oder ESA) suchen oder auch allei­ne Pro­jek­te in Angriff nehmen?
Bereits heu­te ist Deutsch­land gern gese­he­ner Koope­ra­ti­ons­part­ner (z.B. bei den Mars-Rovern Spi­rit und Oppor­tu­ni­ty) oder gar wesent­li­cher Mis­si­ons­part­ner (z.B. bei Mars-EXPRESS) bei vie­len inter­na­tio­na­len Wis­sen­schafts­mis­sio­nen. Ange­sichts der hohen Kos­ten plä­die­ren wir aber ver­stärkt für inter­na­tio­na­le Koope­ra­tio­nen, dann aber nicht nur mit der NASA und der ESA son­dern auch mit Roskos­mos (Russ­land), ISRO (Indi­en), CNSA (Chi­na), JAXA (Japan) oder ande­ren Nationen.

Glau­ben Sie, dass eine Inves­ti­ti­on in die Raum­fahrt einen posi­ti­ven Effekt auf die Wirt­schaft in Deutsch­land haben kann?
Inves­ti­tio­nen in die Raum­fahrt haben bereits bewie­sen, dass sie einen posi­ti­ven Effekt auf die Wirt­schaft haben kön­nen. Bes­te Bei­spie­le sind Wetter‑, Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on- und Fern­seh­sa­tel­li­ten, ohne die ein Leben im 21. Jahr­hun­dert schwer vor­stell­bar wäre. Vie­le die­ser Satel­li­ten wer­den schon heu­te kom­mer­zi­ell betrie­ben, offen­sicht­lich schei­nen sich der­ar­ti­ge Inves­ti­tio­nen zu loh­nen. Nega­tiv­bei­spie­le sind das öko­no­misch geschei­ter­te Satel­li­ten­te­le­fon­sys­tem IRIDIUM oder aktu­ell das Desas­ter um das euro­päi­sche Satel­li­ten­na­vi­ga­ti­ons­sys­tem Gali­leo, bei der die euro­päi­schen Luft- und Raum­fahrt­un­ter­neh­men bewie­sen haben, dass es um ihre Kom­pe­tenz beson­ders bezüg­lich der Ein­hal­tung von Kos­ten- und Zeit­plä­nen nicht zum Bes­ten bestellt ist. Denn die Zeche darf hier wie­der ein­mal der euro­päi­sche Steu­er­zah­ler begleichen.

Sind Inves­ti­tio­nen in Raum­fahrt Luxus oder notwendig?
Nicht­kom­mer­zi­el­le Raum­fahrt wie z.B. Erd­er­kun­dungs­mis­sio­nen sind kein Luxus son­dern bereits heu­te für die Mensch­heit wich­tig, da sie wich­ti­ge Erkennt­nis­se über das Öko­sys­tem Erde gewin­nen und uns dras­tisch vor Augen füh­ren, wie sehr wir bereits an unse­rem Pla­ne­ten Raub­bau betrie­ben haben. Die­se Erkennt­nis­se sind uner­setz­lich um z.B. dem Kli­ma­wan­del und der Umwelt­zer­stö­rung begeg­nen zu kön­nen. Wis­sen­schafts­mis­sio­nen wie z.B. zu Son­ne, Mond, Klein­pla­ne­ten, Kome­ten, Pla­ne­ten oder zur Erkun­dung des Welt­alls (wie z.B. die aktu­el­len Mis­sio­nen Her­schel und Planck) sind für die Grund­la­gen­wis­sen­schaf­ten uner­läss­lich, sie gehö­ren zu einem unver­zicht­ba­ren Bestand­teil heu­ti­ger Forschung.

Sind Sie der Mei­nung, dass das Geld für die Raum­fahrt für ande­re Pro­jek­te ver­wen­det wer­den soll­te? Wenn ja, welche?
Gel­der für Raum­fahrt­mis­sio­nen soll­ten aus­schließ­lich in unbe­mann­te Mis­sio­nen inves­tiert wer­den. – Begrün­dung sie­he oben.

Hal­ten Sie die Ent­schei­dung, die deut­sche Mond­mis­si­on LEO zu strei­chen, für richtig?
Ja, in die­sem Fal­le stim­men wir der Ent­schei­dung der Bun­des­re­gie­rung vom Juli 2008 aus­drück­lich zu. Aller­dings scheint die­se Posi­ti­on nach den jüngs­ten Ver­laut­ba­run­gen des zustän­di­gen Staats­se­kre­tärs Peter Hint­ze mög­li­cher­wei­se revi­diert zu wer­den. Wir hal­ten aller­dings einen natio­na­len Allein­gang und gar einen zwei­ten „Wett­lauf“ zum Mond für über­flüs­sig und eher für eine Idee aus der Mot­ten­kis­te des Kal­ten Krie­ges. Mit der Mond­son­de SMART‑1 gab es bereits bis 2006 ein sehr erfolg­rei­ches Pro­jekt der ESA, das lei­der von der Öffent­lich­keit wenig bis gar nicht ver­folgt wur­de. Wir kön­nen daher nicht ver­ste­hen, war­um die dabei gesam­mel­ten Erfah­run­gen bis­lang nicht zu einer neu­en euro­päi­schen Mond­mis­si­on geführt haben.

Hal­ten Sie die Plä­ne für eine neue deut­sche Mond­mis­si­on für sinnvoll?
Wir hal­ten sie aus den oben beschrie­be­nen Grün­den für über­flüs­sig. Im übri­gen sei dar­auf ver­wie­sen, dass die­se Plä­ne ins­be­son­de­re vom deut­schen Qua­si-Mono­po­lis­ten EADS-Astri­um geför­dert und gefor­dert wer­den. Wir ver­wei­sen noch­mals dar­auf, daß sich auch EADS als Kon­sor­ti­al­teil­neh­mer beim Gali­leo-Desas­ter nicht mit Ruhm bekle­ckert hat, als es dar­um ging, die­ses Sys­tem pri­vat­wirt­schaft­lich als ÖPP zu rea­li­sie­ren. Es kann aber nicht sein, dass die Steu­er­zah­ler immer dann zur Kas­se gebe­ten wer­den, wenn die Raum­fahrt­in­dus­trie nicht mehr wei­ter weiß bzw. mit ihren Kos­ten­struk­tu­ren – wie z.B.
bei der Aria­ne 5 – nicht mehr klar kommt.

Wel­che Zie­le sol­len in der Raum­fahrt künf­tig ver­folgt werden?
Anstatt Gel­der sinn­los in Pres­ti­ge­pro­jek­te wie bemann­te Mis­sio­nen zur ISS oder zum Mond zu ste­cken, soll­ten wei­ter­hin unbe­mann­te Mis­sio­nen z.B. zu den inne­ren und äuße­ren Pla­ne­ten, zur Son­ne und vor allem zu Mond und zur Erkun­dung des Welt­alls ver­folgt wer­den. Wir brau­chen auf­grund der lan­gen Pla­nungs- und Aus­füh­rungs­vor­läu­fe von z.T. 10 Jah­ren und mehr, eine grö­ße­re Ver­läss­lich­keit bei poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen, damit For­schung und Wis­sen­schaft dar­auf auf­bau­en kön­nen. Nega­tiv­bei­spiel ist wie­der­um die NASA, die nach der Vor­ent­schei­dung der Bush-Admi­nis­tra­ti­on für eine bemann­te Mond­mis­si­on vie­le lang geplan­te Wis­sen­schafts­mis­sio­nen strei­chen mußte.

Braucht Euro­pa einen eige­nen bemann­ten Zugang zum All – zum Bei­spiel in Form einer für bemann­ten Flü­ge aus­ge­bau­ten Aria­ne-Rake­te und eines erwei­ter­ten ATV?
Wir brau­chen kei­nen eige­nen bemann­ten Zugang zum All. Im 21. Jahr­hun­dert ist Koope­ra­ti­on mit den bei­den Natio­nen ange­sagt, die die­se Tech­no­lo­gie mehr oder weni­ger gut beherr­schen. Ruß­land ver­fügt zwar über das mit Abstand zuver­läs­sigs­te und preis­wer­tes­te Sys­tem, aber es ist wenig kom­for­ta­bel und hat eine rela­tiv gerin­ge Reich­wei­te. Die USA müs­sen sich dem­nächst vom Space Shut­tle ver­ab­schie­den und wis­sen trotz ihrer hohen Kom­pe­tenz noch nicht, wann und zu wel­chen Kos­ten ihr Nach­fol­ge­sys­tem start­klar sein wird. Wie­so soll­te sich Euro­pa mit sei­nen deut­lich gerin­ge­ren Kennt­nis­sen in einen absur­den Wett­lauf um einen eige­nen bemann­ten Zugang zum All begeben?

Hal­ten Sie bemann­te Raum­fahrt für sinn­voll oder soll­te sich Deutsch­land nur an Bau, Ent­wick­lung und Betrieb von Raum­son­den und Satel­li­ten beteiligen?
Deutsch­land hat hohe Kom­pe­ten­zen beim Bau, bei der Ent­wick­lung und beim Betrieb von Raum­son­den und Satel­li­ten, die von inter­na­tio­na­len Part­nern ger­ne in Anspruch genom­men wer­den. Und gera­de bei die­sen Satel­li­ten­mis­sio­nen haben auch die (nur noch weni­gen) deut­schen mit­tel­stän­di­schen Raum­fahrt­un­ter­neh­men wie z.B. OHB eine Chan­ce, als Haupt­un­ter­neh­men beauf­tragt zu wer­den. Solan­ge die bemann­te Raum­fahrt ein kost­spie­li­ges, rela­tiv nutz­lo­ses und zudem hoch­ris­kan­tes Unter­fan­gen ist und solan­ge es von welt­wei­ten Qua­si-Mono­pol­struk­tu­ren sei­tens der Indus­trie domi­niert wird, darf sich Deutsch­land dar­an nicht mit Steu­er­gel­dern beteiligen.

Öko-Praktiken in Ratgebern – Manuskript

Im Novem­ber 2005 nahm ich am Kon­gress kul­tur­wis­sen­schaft­li­che Tech­nik­for­schung des gleich­na­mi­gen Kol­legs der Uni Ham­burg teil. Ich habe dort damals auch vor­ge­tra­gen, näm­lich etwas zum nach­hal­ti­gen Umgang mit Din­gen anhand der pra­xis­theo­re­ti­schen Ana­ly­se von Öko-Ratgebern. 

Vor ein paar Wochen ist mir nun zufäl­lig beim Auf­räu­men mei­ner Fest­plat­te das Manu­skript für mei­nen Bei­trag für den Kon­gress­band wie­der in die Hän­de gefal­len. Der Kon­gress­band ist seit gerau­mer Zeit „im Druck“. „Im Druck“ ist so unge­fähr das sel­be wie die wis­sen­schaft­li­che Ver­si­on der katho­li­schen Vor­höl­le. Auch eine Nach­fra­ge bei der kul­tur­wis­sen­schaft­li­chen Tech­nik­for­schung konn­te lei­der nicht auf­klä­ren, obwann mit einem Wech­sel des Sta­tus von „im Druck“ zu „erschie­nen“ zu rech­nen ist. 

Ich habe mich des­we­gen ent­schie­den, dass dort ein­ge­reich­te Manu­skript zu mei­nem Vor­trag hier publik zu machen – ich glau­be, dass es für alle, die sich für eine umwelt­so­zio­lo­gi­sche Anwen­dung von Pra­xis­theo­rie und Akteur-Netz­werks-Theo­rie inter­es­sie­ren, durch­aus inter­es­sant sein könn­te. Das Manu­skript ist (bis auf die ein­gangs ein­ge­füg­te Notiz zur Zitier­wei­se) auf dem Stand von 2005/2006 – aber bes­ser so als nie: