Nur der Vollmond Anfang Juni, in diesem Sommer groß und gelblich leuchtend, und auch wenn das zu einem guten Teil optische Täuschung ist, doch immer einen Blick wert.
Science Fiction und Fantasy im Juni (und z.T. Juli) 2025
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mir noch weitere Texte für den Hugo anzugucken und einen etwas differenzierteren Stimmzettel abzugeben. Heruntergeladen habe ich das Hugo-Voting-Paket schon mal, und bis zur finalen Abstimmung am 23. Juli ist eigentlich auch noch etwas Zeit. We will see. Bei der Gelegenheit: ich sehe gerade, dass Lyneham von Nils Westerboer (ich hatte im Mai darüber geschrieben) den Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar bekommt – das scheint mir eine sehr verdiente Wahl zu sein.
Jetzt aber zu meinem SF/F‑Konsum in den letzten Wochen. Wir haben Murderbot (Apple TV) weitergeschaut, das ist auch weiterhin empfehlenswert. Die wöchentliche Veröffentlichung verhindert allerdings Binge-Watching. Das hat Vor- und Nachteile.
Dann habe ich mit der dritten Staffel von Wheel of Time (Prime, mit ärgerlichen Werbeunterbrechungen) begonnen. Die ist weiterhin sehr gut anschaubar, auch wenn das Geflecht der Handlungsfäden allmählich etwas unübersichtlich wird. Und ich mich nicht erinnern kann, wie jetzt eigentlich genau die Vor-Vor-Geschichte lautete.
Schließlich haben wir noch den bei Netflix laufenden Film Thunder Force angeguckt. Das ganze firmiert unter der Rubrik „Actioncomedy“: zwei ehemalige Schulfreundinnen, die eine eher „White Trash“, die andere PoC und superintelligent – mit ebenso superintelligenter Tochter – suchen nach einem Weg, mutierte Superbösewichte zu stoppen. Dazu müssen sie selbst Superheldinnen werden. Es gibt flache Witze, Krabbenfinger und den einen oder anderen ungeschönten Blick in den mittelalten Alltag. Kann man angucken, aber großes Kino ist’s eher nicht.
Bei den Büchern starte ich mal mit The Psychology of Time Travel (2018) von Kate Mascarenhas, das ich sehr gelungen fand. Vier Frauen arbeiten im Großbritannien den 1960ern daran, eine Zeitmaschine zu entwickeln. Das gelingt, und drei davon bauen die Conclave auf, die auch in der Gegenwart und der Zukunft das Monopol auf Zeitreisen hat, und zu euiner mächtigen extratemporale Organisation wird. Zeitreisende haben ihren ganz eigenen Jargon entwickelt, und tun das auch. Und das mit der Psychologie im Titel ist ebenfalls ernst gemeint – bis hin zu standardisierten Tests im Anhang. Um in der Conclave erfolgreich zu sein, braucht es ein ganz eigenes Mindset – ohne Angst vor dem (eigenen) Tod, mit Distanz zu allen Gegenwartsbezügen, und einem abgeklärten Zynismus. Auch in der Jetztzeit des Romans, 2017 sind die drei Gründerinnen der Conclave weiter in mächtigen Positionen. Ganz anders die vierte, Barbara, die nach einem öffentlichen Nervenzusammenbruch in den 1960er Jahren ausgeschlossen und versteckt wird. Ihre Enkelin Ruby versucht nun in der Gegenwart, einen Mordfall zu lösen, der etwas mit Barbara zu tun hat. Dabei kreuzt sich ihr Weg sowohl mit Grace, einer der Gründerinnen der Conclave, als auch mit Odette, die die Leiche einer Frau in dem Museum findet, in dem sie als Freiwillige aushilft. Die Geschichte entwickelt ihre eigene Kausalität durch unterschiedliche, miteiander verwobene Zeitebenen hindurch – und steuert auf ein ab einer gewissen Stelle erahnbares letztes Puzzlestück zu. Ein kleines bisschen Doctor Who, der eine oder andere nerdige SF-Selbstbezug und insgesamt endlich mal ein überzeugender Zeitreiseroman.
Ebenfalls sehr anregend fand ich The Unraveling (2021) von Benjamin Rosenbaum. (Achtung: unter dem Titel gibt es dutzende Bücher!) Rosenbaum entwirft eine mehrere zehntausend Jahre in der Zukunft liegende Welt. Die Menschheit hat sich nach und nach über die Sterne ausgebreitet. Der Ort, an dem die Geschichte spielt, befindet sich im Inneren eines Planeten, dessen Oberfläche ein einziger wilder Wald ist. Milliarden Menschen leben hier. Die Kolonisierung ist längst ferne Vorgeschichte, ebenso gibt es „far tech“ (die alten technischen Hinterlassenschaften, von denen niemand so genau weiß, wie sie funktionieren) und „near tech“. Rosenbaum ist ein Meister der Neologismen, viele davon unerklärt, andere extrem treffend – das hilft, ein Gefühl für die Andersartigkeit dieser Welt zu bekommen, in der Menschen und Technik sich längst weiterentwickelt haben. Biologisch, aber auch kulturell. Es gibt hier zwei Geschlechter – staid und vail; staid sind harmonisch, eher introvertiert, leben für Gelehrsamkeit und Ruhe – weiß gekleidet; vail sind extrovertiert, kämpfen ritualisiert und tragen bunte Hautfarben, Haare und Moden. Menschen haben mehrere Körper, die durch ein allgegenwärtiges Netz verbunden sind. Sie werden mehrere hundert Jahre alt – die ersten hundert Jahre gelten als Kindheit. Familien bestehen aus zehn bis achtzig Personen und müssen sich bewerben, ein Kind bekommen zu können. Darüber entscheiden die Hebammen – entsprechend mächtig ist diese Klasse, und die allgegenwärtiger Transparenz über den Feed jeder Person trägt ihr übriges zu einem hohen Maß an sozialer Kontrolle bei. In dieser faszinierenden und originellen Welt schreibt Rosenbaum eine Coming-of-Age-Geschichte von Fift, staid, drei Körper – und zire unangemessene Beziehung zu Shria, vail (ve ist angehende*r Genitaldesigner*in). Coming of Age – oder doch die Revolution, die diese stabile Welt auseinanderfallen lassen wird?
Von Melissa Scott habe ich deren Roman Finders (2018) und die Prequel Fallen (2023) gelesen. Gut gemachte Space Opera in einer fernen Zukunft nach dem Kampf gegen die Super-AIs, die in den Raum zwischen den Universen verbannt wurden (der allerdings durchquert werden muss, um mit Überlichtgeschwindigkeit von einem zum nächsten System zu kommen). Finders erinnerte mich ein bisschen an Firefly; dass die Held*innen ein Polycule bilden, trägt möglicherweise auch dazu bei.
Das Buch A Master of Djinn von P. Djèlí Clark (2021) habe ich schon seit geraumer Zeit auf meinem virtuellen Lesestapel liegen, konnte mir aber keine rechte Vorstellung davon machen, ob ich es lesen will. Nachdem ich mich dazu aufgerafft habe, kann ich es weiterempfehlen: Clarks Roman (zu dem es wohl eine Kurzgeschichte und eine Novelle als Vorgeschichte gibt, deren Ereignisse im Buch referenziert werden) ist auf einer Ebene eine Kriminalgeschichte: eine Agentin und die ihr gegen ihren Willen zugewissene Partnerin versuchen, einen Ritualmord aufzuklären. Das Buch darauf zu verkürzen, wäre aber irreführend. Wir sind in Kairo, Anfang des 20. Jahrhunderts, und Ägypten ist dank der Rückkehr der Magie zu einer Weltmacht aufgestiegen. Elektrizität und magische Werke lassen das Bild einer Steampunk-Welt entstehen; ebenso stehen neue und alte Religionen nebeneinander. Fatma, die Agentin, ist Muslimin aus dem Sudan und trägt mit Vorliebe Anzug und Melone in bunten Farben. Ihre Geliebte verehrt die Löwengöttin Sekhmet. Ihre Agenten-Partnerin Hadida ist traditionelle Muslimin. Die Behörde, für die beide arbeiten, kümmert sich um magische Wesenheiten und Ereignisse. Djinn leben und arbeiten in Kairo – eine von vielen eingewanderten Populationen. Was beginnt wie englische Abenteuerliteratur der Jahrhundertwende, wird schnell zu einem rasanten postkolonialen Feuerwerk. Und aus dem Krimi wird die Geschichte einer magischen Katastrophe, die es zu verhindern gilt. Das Buch ist zu recht mit einigen Preisen ausgezeichnet worden.
Those Beyond the Wall (2024) von Micaiah Johnson ist die Fortsetzung von The Space Between Worlds. Die dortigen Nebenfiguren aus dem Kampf zwischen Ashtown und der von einer gläsernen Wand umgebenen Wiley City sind hier die Hauptpersonen, insbesondere „Mr. Scales“, die (illegitime) Schwester des Ashtown-Warlords und eine der Runner, der Raider, die Ashtown schützen. Die Zukunft, die Johnson entwirft, ist eine brutale – nach einer eskalierten Klimakatastrophe. Die Wüste, die Ashtown und Wiley City umgibt, ist lebensfeindlich. Wiley City wurde von den Menschen gebaut, die jetzt in Ashtown leben müssen. Versprechen wurden gebrochen. Und die Wand zwischen den Multiversen ist dünn – schaffen Ashtown und Wiley City es, sich zusammenzutun, um eine Invasion aus einer parallelen Welt zu verhindern? Johnson erzählt lebhaft von einer rohen, gewalttätigen und verletztlichen Welt, in der es doch so etwas wie Solidarität gibt; und Wut über Ungerechtigkeiten. Ob wir Mr. Scales Glauben schenken können, ist eine andere Frage. Lesenswert ist dieses wütende Buch allemal.
Weniger gut gefallen hat mir The Only Song Worth Singing von Randee Dawn (2025). Eine irische Band wird in den USA Ziel von Übergriffen aus dem Feenreich. Urban Fantasy, viele keltische Einsprengsel, viel Musik, viel Band-Leben, ein bisschen Armut in Irland, aber dann plötzlich auch Mönche, gute und böse Feenwesen und weltenüberschreitende Liebesgeschichte. Ein bisschen viel. Aber eigentlich bin ich schon stutzig geworden, als die Slum-Hütte im ländlichen Dublin von Termiten zernagt wurde – da passt irgendwas nicht, selbst in den 1970ern, in denen diese Szene spielt.
Photo of the week: Rain train
Der Juni war überwiegend viel zu heiß. Aber wenn’s dann mal geschüttet hat, dann richtig. Da sah der Blick aus dem Zugfenster (am 15. Juni) dann so aus. Man sieht: man sieht nichts mehr vor lauter Regen. Gab es auch. In Erinnerung bleiben aber die 36 °C plus … dreh den Beat nie wieder leiser …
Photo of the week: ASG with clouds
Vor der Haustür keine Wildnis mehr, dafür bietet sich der weite Blick über mehrere Varianten Schulzentrum (und am Tag dieses Fotos zudem wunderschöne Wolkenformationen). Das ASG („Albert-Schweitzer-Gymnasium“) wird saniert, deswegen sind die Klassen in Container ausgelagert, der ganz im Hintergrund zu erkennende Gymnasialturm im Orange der späten 1970er Jahre wird umgebaut. Im Mittelgrund die alte und die neue Sporthalle, auf der oben Klassenzimmer sind. Und in grün der irgendwann in den 2000er Jahren gebaute Mensa-Neubau. Wildnis fand ich schöner, aber eine gewisse Ästhetik ist auch diesem Ausblick nicht abzusprechen.
Johannisbeerzeit
Dieses Jahr gab’s sehr reichlich Johannisbeeren im Garten – heute, also fast pünktlich zur Sommersonnenwende habe ich die letzten geerntet. Wir haben vor allem rote Johannisbeeren an Büschen, die vermutlich ähnlich alt wie das Haus sind, also aus den 1970ern stammen. Aus dem einen Busch schwarze Johannisbeeren sind in den letzten Jahren drei geworden (Johannisbeeren lassen sich einfach durch Stecklinge vermehren … mit mehr Platz im Garten …). Die weißen Johannisbeeren gibt es erst seit ein paar Jahren, dieses Jahr haben sie glaube ich das erste mal eine halbwegs ergiebige Menge Beeren getragen.
Nachteil an Johannisbeeren: roh schmecken sie (mir) nicht besonders. Insofern habe ich einige Zeit damit verbracht, aus den Beeren etwas zu machen – Gelee und Marmelade (Merkposten: vielleicht vor der nächsten Saison doch mal gucken, ob ich einen Entsafter brauchen könnte; von Hand durch ein Sieb geht auch, ist aber … aufwendig), einmal Kuchen, Sorbet (da das Rezept dank KI dieses Jahr im Netz kaum zu finden war: 500 g Beeren ergeben so etwa 300 ml Saft, diesen mit Läuterzucker (130 g Zucker, 100 ml Wasser, etwas Zitrone) mischen, kaltstellen, dann in die Eismaschine – lustig: weißes Johannisbeersorbet) und heute – leider für Sirup dann doch eher dünnflüssig – Johannisbeersirup, also jedenfalls etwas, das sich mit Sprudel zu einem erfrischenden Getränk mischen lässt. Und eingefroren haben wir auch noch ein gutes Kilo der Beeren.
Damit wäre dieser Teil des Jahres dann auch erledigt. Ich warte noch drauf, dass der Kirschbaum mal so groß ist wie der, den es in meiner Jugend in unserem Garten gab – bisher sind’s eher ein paar Handvoll Kirschen, und Vögel und diverse Insekten wollen auch was davon. Stachelbeeren gibt es dafür dieses Jahr auch reichlich, ganz reif sind sie jedoch noch nicht. Dafür: Heidelbeeren gar nicht. Und ich habe gewisse Hoffnungen, dass die Kombi aus Hochbeet und dem aktuellen Wetter hilft, dass die beiden Zucchinipflanzen gegen die Schnecken gewinnen und es ein Zucchini-Jahr wird.