Kurz: Atempause

Erst gewinnt in Groß­bri­tan­ni­en Labour in einem Erd­rutsch­sieg, dann liegt in Frank­reich die „Neue Volks­front“ aus Lin­ken und Grü­nen an ers­ter Stel­le bei den vor­ge­zo­ge­nen Neu­wah­len. Der Vor­marsch der Rech­ten scheint gestoppt, Grund zur Freu­de und Hoffnung.

Bei nähe­rem Hin­se­hen ist bei­des lei­der nicht viel mehr als eine Atem­pau­se. Das bri­ti­sche Wahl­er­geb­nis hat nicht nur mit gro­ßem Unmut über eine zu Pos­sen, Clow­ne­rie und Nicht­funk­tio­nie­ren nei­gen­de Tory-Par­tei zu tun, son­dern ist in Tei­len auch ein Arte­fakt des bri­ti­schen Mehr­heits­wahl­rechts, bei dem die rela­ti­ve Mehr­heit im Wahl­kreis zählt. So lag Labour nur bei 34 Pro­zent, die Tories bei 24 Pro­zent, und dann kommt schon die rechts­extre­me Reform-Par­tei mit 14 Pro­zent (Lib­Dem: 13 Pro­zent, Grü­ne 7 Pro­zent). Auch wenn sich das nicht 1:1 auf das Ergeb­nis in einem pro­por­tio­na­len Wahl­sys­tem umrech­nen lässt, weil dann sicher­lich die eine oder ande­re Wahl­ent­schei­dung anders aus­ge­fal­len wäre: Eine kla­re gesell­schaft­li­che Mehr­heit sieht anders aus, ent­spre­chend insta­bil dürf­te die Stim­mung sein, die jetzt noch Labour trägt. 

Das Mehr­heits­wahl­sys­tem in Frank­reich ist mit sei­nen zwei­ten Wahl­gän­gen etwas anders gela­gert; die­ser zwei­te Wahl­gang und die Brand­mau­er a la fran­cai­se, also die „repu­bli­ka­ni­sche Front“, mit dem Rück­zug dritt­plat­zier­ter Bewerber*innen, hat den Durch­marsch der Le-Pen-Bewe­gung ver­hin­dert. Trotz­dem kom­men RN und Ver­bün­de­te auf 125 Man­da­te (plus 17 der aus der Brand­mau­er aus­bre­chen­den Kon­ser­va­ti­ven), und auf den stärks­ten Stimm­an­teil (32 + 5 Pro­zent im 2. Wahl­gang). Die Nou­veau Front popu­lai­re (die in unse­rem Spek­trum von BSW über Lin­ke und SPD bis zu Grü­nen rei­chen wür­de), kommt zwar mit 178 Man­da­ten auf eine rela­ti­ve Sitz­mehr­heit, hat aber deut­lich weni­ger Stim­men als RN erhal­ten. Auch hier also teil­wei­se Wahl­rechts­ef­fek­te, und ein Ver­hin­dern eines noch stär­ke­ren RN-Ergeb­nis­ses durch das tak­ti­sche Bünd­nis fast aller übri­gen Par­tei­en. Mich erin­nert das an die letz­ten Wah­len in Sach­sen und Sachsen-Anhalt. 

Die Wahl­er­geb­nis­se sind ein Grund zur Freu­de, eine Atem­pau­se. Aber sie dür­fen nicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass das Spek­trum von popu­lis­ti­scher bis faschis­ti­scher Rech­ter in Euro­pa wei­ter viel zu stark ist, dass – je nach Land – 20, 30, 40 Pro­zent die­se Par­tei­en wäh­len, und offen­sicht­lich nichts gelernt haben. Kurz­fris­tig hel­fen repu­bli­ka­ni­sche Fron­ten und demo­kra­ti­sche Brand­mau­ern. Auf Dau­er? (Und über Trump und die ihn eher stär­ken­den Eigen­hei­ten des US-Wahl­sys­tems ist damit noch gar nichts gesagt.)

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