Bis vor kurzem hat sich die Polizei in Freiburger dadurch ausgezeichnet, dass sie mit studentischen Demonstrationen, linksalternativen Protesten usw. meistens gut klargekommen ist. Statt Gewaltbereitschaft und Härte zu demonstrieren, wurde deeskaliert und versucht, sich z.B. auch bei unangemeldeten Demos mit den Demonstrierenden zu einigen. Das hat sicherlich mit dazu beigetragen, dass auch große und wütende Demos etc. letztlich friedlich und ohne Randale über die Bühne gegangen sind. Inzwischen scheint das anders zu sein – die aktuellen Vorfälle rund um das DIY-Festival der KTS sind wohl nur die Spitze des Eisbergs. Mir ist vollkommen unklar, warum eine gute funktionierende Strategie zu Gunsten eines in letzter Zeit häufig eher unverhältnismässig zu nennenden Vorgehen aufgegeben wird und wer dafür verantwortlich ist (ich hoffe, einige grüne GemeinderätInnen nehmen sich der Sache mal an). Freiburg würde es jedenfalls gut zu Gesicht stehen, sich hier auf seine gerne gerühmten liberalen und toleranten Traditionen zu besinnen. Dazu gehört auch, unbequeme Meinungsäußerungen zu dulden – statt mit Kesseln und Kabelbindern dagegen vorzugehen.
Disclaimer: ich war weder bei der Demo noch sonstwie beim DIY-Festival, sondern kenne nur Berichte darüber. Das dabei zu Tage tretende Bild scheint mir aber ziemlich eindeutig zu sein – und passt zu ähnlichen Vorfällen in letzter Zeit.
> Artikel und Debatte bei „fudder“
> Pressemitteilungen und Infos der KTS
> Artikel in der taz von heute
Update: OB Dieter Salomon stellt sich hinter den Polizeieinsatz „und hat die Schnauze voll“ – auch eine Art der Vergangenheitsbewältigung.
Update 2: Ich sehe grade in der „fudder“-Diskussion einen (auf der BZ-Seite leider nur AbonnentInnen zugänglichen) Kommentar (BZ von heute), der durchaus lesenswert ist.
Freiburgs neue Linie? Polizeieinsätze am Wochenende
Die grüne Fraktionschefin im Gemeinderat, Maria Viethen, hat Recht. Seit geraumer Zeit fährt die Polizei eine härtere und nicht mehr die Freiburger Linie. Man muss kein Sympathisant jener Mittelklasse-Anarchisten sein, die aus ganz Europa eintrudelten, weil es hier ein bisschen Politik und viel Party geben sollte, um an der Verhältnismäßigkeit der jüngsten Polizeineinsätze zu zweifeln: Großaufgebote, um am Freitag ein illegales Camp zu räumen und am Samstag eine angekündigte, aber nicht angemeldete Demonstration aufzulösen. Vor allem in der Innenstadt zur besten Einkaufszeit gingen die Polizisten recht ruppig zur Sache. Wer dabei war, konnte keine Gefahr erkennen, die von den Spontis ausgegangen wäre. Die Aktion selbst beschwor die Gefahr der Eskalation herauf. Und genau da liegt der Unterschied: In Freiburg betrieb die Polizei seit Jahren erfolgreich Deeskalation. Die neue Marschrichtung lässt Raum für Spekulationen: Ist das die Handschrift von Heiner Amann, der seit gut zwei Jahren Chef der Polizeidirektion ist? Will Stuttgart dem grünen Freiburg die liberalen Flausen austreiben? Welche Rolle spielt der Chef der städtischen Polizeibehörde Walter Rubsamen und welche sein Dezernent Otto Neideck (CDU)? Und wo steht der Oberbürgermeister? Die Polizei mag am Wochenende für Ordnung gesorgt haben, nicht aber für Ruhe: Nicht nur grüne Stadträte verlangen eine Erklärung.
Uwe Mauch
Update 3: Noch ein paar Links:
> Fotos und Kommentare zu den Vorfällen aus dem DIY-Camp (Indymedia)
> Infos (1, 2, 3) von stattweb
> Website des DIY-Festivals
> Photos von dem Polizeikessel
Eine Antwort auf „Paradigmenwechsel bei der Freiburger Polizei?“