Zwanzig Jahre Bloggen: der Gesamtüberblick

Nach­dem ich mir vor ein paar Tagen die ers­ten zehn Jah­re des Blogs ange­schaut habe, gibt es jetzt den Gesamtüberblick. 

Fest­stel­lung eins: Frü­her war alles bes­ser … die Zahl der Bei­trä­ge hat fast kon­ti­nu­ier­lich abge­nom­men, und liegt aktu­ell noch­mal deut­lich nied­ri­ger, als ich das ver­mu­te­tet hat­te. Bis Ende 2021 sind ins­ge­samt 2480 Blog­bei­trä­ge zusam­men­ge­kom­men. Über die gesam­te Zeit betrach­tet ent­fällt ein Drit­tel aller Bei­trä­ge auf das „Foto der Woche“ als Grund­kon­stan­te mei­nes Blogs – inter­es­sant dabei auch zu sehen, wie sich zum einen über zwan­zig Jah­re die Moti­ve (und Tex­te dazu) wie­der­ho­len, und wie sich auch die Nut­zung die­ses For­mats ändert – mal geht es nur um das Bild, mal wird es mit kür­ze­ren oder län­ge­ren poli­ti­schen State­ments oder Tage­buch-Ein­trä­gen ver­bun­den. Inso­fern täuscht der gro­ße Block „Foto der Woche“ etwas, denn zum Teil ver­ber­gen sich dar­un­ter auch ande­re For­ma­te und Themen.

Fest­stel­lung zwei: Es ist inter­es­sant, wel­che Strei­che einem das eige­ne Erin­ne­rungs­ver­mö­gen spielt. Bei­spiels­wei­se gab es Bei­trä­ge aus dem Jahr 2014, bei denen ich mir ziem­lich sicher war, dass sie maxi­mal zwei Jah­re alt sind. Und dann bin ich auch alles ande­re als kon­sis­tent, For­ma­te und Text­for­men ver­än­dern sich und vari­ie­ren beträchtlich.

Fest­stel­lung drei: Wah­len aller Art (OB-Wahl, Kom­mu­nal­wahl, Land­tags­wahl, Bun­des­tags­wahl) und die dazu­ge­hö­ri­gen Vor­be­rich­te, Wahl­pro­gram­me, Kan­di­da­tu­ren, Ana­ly­sen usw. füh­ren zu einem recht regel­mä­ßi­gen Mus­ter der Bericht­erstat­tung. Jen­seits der Wah­len (und dem Grund­the­ma „Grü­ne“) schwankt der the­ma­ti­sche Fokus mei­nes Blogs beträcht­lich – Netz­po­li­tik (diver­se Groß­the­men, die Pira­ten!), Wissenschaft(spolitik) (im Blick ins­be­son­de­re, solan­ge ich selbst in der Wis­sen­schaft tätig bin, also bis etwa 2011), Öko­lo­gie – 2019 mit Fri­days for Future und der wie­der im Fokus der Auf­merk­sam­keit ste­hen­den Kli­ma­kri­se gibt es einen gan­zen Schwung Tex­te dazu – und gesell­schafts­po­li­ti­sche Fra­gen (2012–2015) gera­ten mal in den Blick und dann auch wie­der aus dem Blick.

Fest­stel­lung vier: Blog und Leben sind kor­re­spon­die­ren­de Röh­ren. Nicht nur mehr oder weni­ger star­ker pri­va­ter Stress hat einen Ein­fluss dar­auf, was und wie viel ich blog­ge (regel­mä­ßig gibt es dazu kurz vor Weih­nach­ten Nör­ge­lein­trä­ge), son­dern auch mei­ne Arbeit. Was ja irgend­wie logisch ist. Solan­ge ich an der Uni war, spielt die Lokal­po­li­tik rund um die Uni eine grö­ße­re Rol­le, eben­so wis­sen­schafts­po­li­ti­sche Fra­gen und Wis­sen­schaft selbst. Im Land­tag habe ich als Par­la­men­ta­ri­scher Bera­ter für die grü­ne Frak­ti­on zwar die The­men Hoch­schu­le, Kul­tur, Medi­en bear­bei­tet, dazu aber teil­wei­se genau des­we­gen weni­ger geschrie­ben. Und seit ich als Grund­satz­re­fe­rent über­ge­ord­net zustän­dig bin, nimmt die Zahl mei­ner öffent­li­chen Mei­nungs­äu­ße­run­gen zur Lage der Par­tei eher ab. 

Fest­stel­lung fünf: Coro­na hat in den letz­ten zwei Jah­ren dazu geführt, dass vie­le Events aus­ge­fal­len sind, über die ich sonst geschrie­ben habe – und dass ein beträcht­li­cher Teil mei­ner Blog­ar­ti­kel auf mei­ne tage­buch­ar­ti­ge Samm­lung „Zeit des Virus“ und auf Din­ge wie Brot­re­zep­te und Spa­zier­gän­ge ent­fal­len sind. Zusam­men mit den Wech­sel­wir­kun­gen beruf­li­cher Art führt auch das zu einem Rück­gang der dezi­diert auf Poli­tik bli­cken­den Bei­trä­ge – wobei natür­lich auch dar­über gestrit­ten wer­den kann, wie weit so etwas wie mein Coro­na­ta­ge­buch poli­tisch ist. 

Fest­stel­lung sechs: Einen Teil der Funk­tio­nen, ins­be­son­de­re kur­zer Kom­men­tie­run­gen zur Lage der Din­ge, die vor­her das Blog hat­te, lan­den zuneh­mend bei Twit­ter, erst recht, seit es dort Mode gewor­den ist, län­ge­re Tweet-Ket­ten zu schreiben. 

Das mal als Bestands­auf­nah­me, die auch ein Stück weit erklärt, war­um die Zahl der Zugrif­fe auf das Blog eher im Sink­flug begrif­fen ist. Ich könn­te jetzt die gro­ße Fra­ge „Was wür­det ihr ger­ne lesen?“ in die Run­de wer­fen, aber ich glau­be, dass das die fal­sche Hal­tung ist. Viel­leicht macht es mehr Sinn, mich dar­an zu ori­en­tie­ren, was ich inter­es­sant und fest­hal­tens­wert genug fin­de, um es der Welt mit­zu­tei­len. Wenn das auf Leser*innen stößt, gerne. 

Zwanzig Jahre Bloggen: die ersten zehn Jahre

Mein Blog gibt es – inklu­si­ve meh­re­rer Platt­form­wech­sel – seit dem 5. April 2002, es ist also vor kur­zem zwan­zig Jah­re alt gewor­den. Aus die­sem Anlass habe ich mir mal ange­schaut, wie sich mein Blog­gen eigent­lich ver­än­dert hat. Was auch des­we­gen span­nend war, weil so ein Blog dann irgend­wie doch auch eine per­sön­li­che Zeit­rei­se ist. Gleich­zei­tig gibt es vie­les, was sich gar nicht so leicht erfas­sen lässt.

Im Fol­gen­den schaue ich mir die ers­ten zehn Jah­re mei­nes Blogs mal näher an, das heißt den Zeit­raum bis Ende 2011. In die­sem Zeit­raum sind 1315 Blog­ein­trä­ge ent­stan­den, die sich aller­dings nicht gleich­mä­ßig über die Jah­re verteilen. 

In den ers­ten drei Jah­ren (auf Xan­ga, spä­ter auf Live­jour­nal) war mein Blog­gen eher mal ein Aus­pro­bie­ren, was ich über­haupt mit einer sol­chen Platt­form machen kann. Dabei sind dann zwei bis drei Bei­trä­ge pro Monat ent­stan­den, wobei die nicht so viel mit dem zu tun haben, was heu­te in die­sem Blog pas­siert. Dazu gleich mehr.

Von 2005 bis 2008 nahm die Zahl der Bei­trä­ge dann zunächst ein­mal stän­dig zu, mit einer kla­ren Spit­ze in 2008. Ab 2009 ging die Zahl der Bei­trä­ge pro Jahr wie­der etwas zurück und pen­del­te sich bei 160 bis 180 Bei­trä­gen pro Jahr ein. Für die letz­ten Jah­re habe ich das noch nicht gezählt, ich ver­mu­te aber, dass es noch ein­mal etwas weni­ger Bei­trä­ge gewor­den sind (um die 120 viel­leicht – bei etwa 50 Fotos pro Woche). 

Für sich genom­men sagen die­se Zah­len aller­dings wenig. Des­we­gen habe ich die Bei­trä­ge der ers­ten zehn Jah­re mal grob nach Kate­go­rien auf­ge­schlüs­selt: „Zwan­zig Jah­re Blog­gen: die ers­ten zehn Jah­re“ weiterlesen

In eigener Sache: Blog umdekoriert etc.

Wie regel­mä­ßi­gen Nutzer*innen mei­nes Blogs auf­ge­fal­len sein wird, sieht es jetzt anders aus. Das liegt dar­an, dass ich aus rei­ner Neu­gier­de nach der letz­ten Aktua­li­sie­rung mal das Word­Press-Twen­ty-Twen­tyt­wo-The­me ange­klickt habe, ohne dar­auf zu ach­ten, dass die­ses – anders als in den Jah­ren davor – kei­ne Live­vor­schau bie­tet. Und weg war die bis­he­ri­ge Anmu­tung.

Der Schritt hin zu Twen­ty Twen­tyt­wo war mir dann doch zu radi­kal, ich habe dann den Nach­mit­tag damit ver­bracht, ver­schie­de­ne The­mes, also Stil­vor­la­gen, aus­zu­pro­bie­ren. Word­Press lie­fert jähr­lich eine neue, die aus 2017 (Twen­ty Seven­teen) hat mir ganz gut gefal­len, also bin ich bei der geblie­ben. Aller­dings ist es mit einem Klick auf ein The­me nicht getan – auch die Ein­trä­ge der Sei­ten­leis­te (Wid­gets) und die eine oder ande­re Design­an­pas­sung (CSS) waren ver­schwun­den. Außer­dem hat Word­Press seit eini­gen Gene­ra­tio­nen einen „Cus­to­mi­zer“ genann­ten Live-Edi­tor, um The­mes und Wid­gets anzu­pas­sen. Für mich die ers­te, na gut: zwei­te, Berüh­rung mit dem neu­en Block-Kon­zept von Word­Press. Zwei­te des­we­gen, weil die Web­site des Orts­ver­bands eben­falls auf einem neu­en Word­Press mit Blö­cken läuft … ich war lie­ber bei HTML, und wer­de das für die Text­ein­ga­be auch wei­ter­hin nutzen. 

Umge­stellt habe ich dann noch die glo­ba­le Schrift­art auf eine Seri­fen­schrift, und ein paar Abstän­de habe ich auch ange­passt und verändert:

.site {
font-family: Georgia, serif;
}

.foto {
width:auto;
text-align:center;
}

.foto img {
border: 0.75em solid rgb(216,204,199);
padding:1px 1px 1px 1px;
background:#202020;
margin-bottom: 0px;
}

.foto a:hover {
text-decoration: none !important;
}

a:hover {
background-color: orange;
text-decoration:none !important;
}

.site-content {
background:grey;
padding-top:0.75em;
padding-bottom:0.75em;
}

.site-content-contain .wrap {
background:white;
border: 1.25em solid white;
}

.site-footer {
border:0px solid red;
margin-top: 0px;
background:grey;
}
.site-footer .wrap {
background:lightgrey;
border:0px solid black;
padding-left:1.5em;
}

.site-branding {
text-align:right;
}

.site-title {
text-transform: lowercase !important;
}

.navigation-top {
padding:0 0 0 0;
border:4px solid white;
}

.page-header {
padding-bottom: 15px;
}

.custom-header-media:before {
background: rgba(77,21,0,0.22)
}

.entry-content blockquote {
padding-left:20px;
padding-right:20px;
padding-top:20px;
padding-bottom:0px;
margin-bottom:25px;
margin-top:15px;
border-top:1px solid lightgrey;
border-bottom:1px solid lightgrey;
font-size: 95%;
}

.entry-content li {
margin-left:20px;
margin-right:10px;
margin-bottom:10px;
list-style-type: square;
font-size: 95%;
}

.wrap {
padding-left:0.25em;
padding-right:0.25em;
}

.page-numbers {
display: inline;
}

Die­ser Code lässt sich im „Cus­to­mi­zer“ als zusätz­li­ches CSS ein­fü­gen. Und weil ich damit nur alle paar Mona­te mal was zu tun habe, hat’s etwas gedau­ert, bis alles so aus­sah, wie ich das wollte.

Ein gro­ßer Vor­teil der neue­ren The­mes liegt dar­in, dass sie auch auf Mobil­ge­rä­ten (halb­wegs) gut aus­se­hen und nicht ein­fach nur eine ver­klei­ner­te Desk­top-Ansicht zei­gen. War­um links oder rechts aus­ge­rich­te­te Bil­der auf dem Desk­top umflos­sen wer­den, mobil jedoch nicht, ist mir nicht klar. Aber gut.

Bei der Gele­gen­heit ist mir dann auch auf­ge­fal­len, dass mein Blog dem­nächst (April 2022) glat­te zwan­zig Jah­re alt wird. Auf die spon­ta­ne Fra­ge, was zu einer sol­chen Gele­gen­heit zu tun ist, wur­de mir zuge­ru­fen, a. eine Par­ty zu schmei­ßen (Let’s par­ty „till we“ get tired) und b. das Blog doch ein­fach mal aus­zu­dru­cken. Ers­te­res über­le­ge ich noch, letz­te­res habe ich dann direkt aus­pro­biert. Also nicht auf Papier, son­dern in PDF, als Papier-Simulation.

 

Nach einer eher erfolg­lo­sen Suche nach einem Plug­in, dass das kann, bin ich dann auf blogbooker.com gesto­ßen. Um wirk­lich das gan­ze Blog in ein PDF zu packen, kos­tet das ein biss­chen. Das war’s mir dann wert. Das Ergeb­nis ist ok, wenn auch nicht per­fekt for­ma­tiert. Immer­hin sind sämt­li­che Bil­der und Kom­men­ta­re mit ein­ge­bun­den. In A4 ist das Blog dann rund 2600 Sei­ten lang, in B5 sind’s sogar – grö­ße­re Bil­der, mehr Sei­ten­um­brü­che – 6000 Sei­ten. Das PDF umfasst etwa 350 MB, das Blog wohl rund 2500 Einträge. 

Auf­fäl­lig: am Anfang nut­ze ich das Blog (das ursprüng­lich mal bei Xan­ga und dann bei Live­jour­nal lag, bevor ich es auf eige­nen Web­space gepackt habe) ähn­lich wie heu­te Twit­ter: kur­ze Bemer­kun­gen, Links auf dies und das, was mir über den Weg gelau­fen ist, dazwi­schen Fotos. Regel­mä­ßi­ge län­ge­re, in sich geschlos­se­ne Tex­te tau­chen erst spä­ter auf. Aber mehr dazu bei ande­rer Gelegenheit.

P.S.: Und beim Blick ins Blog ist mir dann auf­ge­fal­len, dass ich das mit dem PDF-Export vor zwölf Jah­ren schon mal aus­pro­biert habe. Erstaun­lich, dass das wei­ter­hin funk­tio­niert. Bzw., dass das inzwi­schen samt XML-Export und Ein­sam­meln der Bild­da­tei­en rei­bungs­los klappt. Das war vor zwölf Jah­ren nicht der Fall, lese ich.

P.P.S.: Wer sich die 350 MB Blog her­un­ter­la­den will, kann das hier tun.

In eigener Sache: Einblick in die Zugriffsstatistik

Mich wür­de ja inter­es­sie­ren, ob das in ande­ren C‑Le­vel-Blogs (wäre jeden­falls mei­ne Selbst­ein­schät­zung) auch so aussieht. 

Also ers­tens, dass es an „nor­ma­len“ Tagen laut Word­Press-Zäh­lung so um die hun­dert Arti­kel­zu­grif­fe („Views“) gibt, und zwei­tens, dass der Febru­ar 2012 alles ande­re als nor­mal ver­lau­fen ist. Mit über 6000 Views ist er nach dem März 2011 (Wahl in Baden-Würt­tem­berg, Fuku­shi­ma) der Monat mit den meis­ten Zugrif­fen in mei­nem Blog bisher. 

Einen ers­ten klei­nen Peak gab es mit mei­nem Arti­kel zu den ACTA-Demos am 11. Febru­ar. So rich­tig hoch­ge­zo­gen sind die Zugriffs­zah­len aber erst mit Wulff-Rück­tritt und der Debat­te um die Gauck-Nomi­nie­rung. Ich habe dazu vier Blog­tex­te ver­fasst: Plä­doy­er für eine Prä­si­den­tin, Der Kan­di­dat der natio­na­len Ein­heit, Reden wir noch, oder schrei­ben Sie schon? und last but not least die inner­halb weni­ger Tage zum zweit­meist­ge­le­se­nen Text mei­nes Blogs arri­vier­te Ana­ly­se Gauck auf der Gold­waa­ge (bei dem ich dann iro­ni­scher­wei­se erst­mal ver­ges­sen habe, ein VG-Wort-Zähl­pi­xel ein­zu­bau­en – wer will, darf mei­nen mit dem Schrei­ben der Ana­ly­se ver­brach­ten feh­len­den Schlaf ger­ne bei Flattr ent­schä­di­gen).

Inter­es­sant sind dabei auch die Quel­len die­ser Zugrif­fe: Neben Face­book und Twit­ter waren es vor allem Erwäh­nun­gen im Kom­men­tar­be­reich von „Leit­blogs“ in der Gauck-Debat­te (in einem der FAZ-Blog-Tex­te von Julia See­li­ger, bei publi­ka­ti­ve mit dem im Gold­waa­ge-Text ana­ly­sier­ten Zitat sowie bei Ana­tol Ste­fa­no­witsch).

Was mich noch mehr als die nach einer lan­gen Durst­stre­cke end­lich mal wie­der greif­ba­ren Zugriffs­zah­len gefreut hat, ist die Tat­sa­che, dass die Tex­te dann in der Tat auch (für mei­ne Blog-Ver­hält­nis­se) rege dis­ku­tiert wur­den, und dass damit viel­leicht auch ein Bei­trag zum Niveau des Dis­kur­ses ins­ge­samt gelie­fert wur­de. Und das, also die direk­te Debat­te, ist ja – neben der indi­vi­du­el­len Soap-Box – dann doch eine ziem­lich wich­ti­ge Funk­ti­on eines Blogs, fin­de ich. 

War­um blog­ge ich das? Vor allem aus Neu­gier­de dar­über, wie es anders­wo aus­schaut. Und um davon abzu­len­ken, dass das alles auch dar­an gele­gen haben könn­te, dass ich mir im Febru­ar dank Faschings­fe­ri­en end­lich mal wie­der Zeit neh­men konn­te, die Ereig­nis­se des Monats im Blog zu begleiten.

Wie Frauen und Männer das Internet nutzen

Ich war eigent­lich auf der Suche nach was ganz ande­rem (näm­lich sozio­de­mo­gra­phisch auf­ge­schlüs­sel­ten Daten zur Ver­füg­bar­keit von Mobil­te­le­fo­nen in pri­va­ten Haus­hal­ten) beim Sta­tis­ti­schen Bun­des­amt, bin dabei aber auf die Publi­ka­ti­on Pri­va­te Haus­hal­te in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft gesto­ßen (Fach­se­rie 15, Rei­he 4, 2009). Das ist eine im April und Mai 2009 durch­ge­führ­te euro­pa­wei­te Erhe­bung zur Nut­zung und Ver­füg­bar­keit von Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie. Die­se fin­det alle drei Jah­re statt. 

Im ver­link­ten Ergeb­nis­band fin­den sich nun zwar lei­der kaum Aus­sa­gen zur IuK-Tech­no­lo­gie Mobil­te­le­fon (nur zur mobi­len Inter­net­nut­zung), aber dafür anders inter­es­san­tes – näm­lich nach Geschlecht* und nach Alter auf­ge­schlüs­sel­te Daten zur Nut­zung des Inter­net. Die wich­tigs­ten davon habe ich mal in zwei Tabel­len gepackt. Im eigent­li­chen Bericht sind noch eini­ge Daten mehr ent­hal­ten, aber die­se hier erschie­nen mir beson­ders interessant:


Tabel­len zur Netz­nut­zung, Daten­quel­le: Stat. Bun­des­amt, Fach­se­rie 15, Rei­he 4, 2009. Ankli­cken zum Vergrößern

In den Tabel­len sind jeweils Pro­zent­an­ga­ben nach Geschlecht (m/w/gesamt) und Alters­grup­pe ange­ge­ben; alle Anga­ben in der obe­ren Tabel­le bezie­hen sich auf Per­so­nen des ange­ge­be­nen Geschlechts und Alters, die im ers­ten Quar­tal 2009 das Netz genutzt haben. In der unte­ren Tabel­le sind die­se umge­rech­net auf die Gesamt­be­völ­ke­rung (also inkl. Nicht-Nut­ze­rIn­nen) in der jewei­li­gen Kom­bi­na­ti­on aus Geschlecht und Alters­grup­pe. Die Anga­be „u“ ist der „/“ aus der amt­li­chen Tabel­le und bedeu­tet, dass die Zahl der Fäl­le im Feld zu klein für eine siche­re Anga­be ist (d.h. weni­ger als 50 Fäl­le). Befragt wur­den in die­ser amt­li­chen Erhe­bung ins­ge­samt 23556 Personen.

Inter­es­sant ist nun der Blick auf die lachs­far­ben und baby­blau­en Fel­der. Baby­blau steht dafür, dass hier der jewei­li­ge Anteil bei den Män­nern um mehr als 3 Pro­zent­punk­te über dem der Frau­en liegt; lachs­far­ben mar­kiert die umge­kehr­te Dif­fe­renz. Auch wenn das nicht die sinn­volls­te Metho­de ist, um über die Signi­fi­kanz von Unter­schie­den zwi­schen zwei Grup­pen zu spre­chen, ergibt sich zumin­dest schnell ein Bild.

In der letz­ten Spal­te – Gesamt­be­völ­ke­rung unab­hän­gig vom Alter – sind es nur drei bzw. (bezo­gen auch auf die Nicht-Nut­ze­rIn­nen, die nach Geschlecht dif­fe­rie­ren) nur ein Item, bei dem die Nut­zung durch Män­ner nicht um min­des­tens drei Pro­zent­punk­te über der Nut­zung durch Frau­en liegt. Mehr Män­ner als Frau­en sind mobil im Inter­net, mehr Män­ner als Frau­en schau­en Fern­se­hen oder hören Radio im Inter­net, mehr Män­ner machen Online-Ban­king und laden Com­pu­ter­spie­le her­un­ter. Die Spann­wei­te der Unter­schie­de ist dabei beacht­lich und reicht von 5 Pro­zent­punk­ten beim E‑Government (Behör­den­kon­takt per Netz) bis zu 26 Pro­zent­punk­ten Dif­fe­renz beim Down­load von Software.

Kei­ne (nen­nens­wer­te) Dif­fe­renz ergibt sich in die­ser Betrach­tungs­wei­se für die drei „akti­ven“ Items: nicht nach Geschlecht unter­schied­lich fällt dem­nach die Netz­nut­zung für eMail und für ande­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men (Chat­ten und Foren­kom­men­ta­re hat das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt hier zusam­men­ge­wor­fen) aus – und auch bei der Erstel­lung eige­ner Inhal­te gibt es kaum Differenzen. 

Soweit bestä­tigt sich zunächst das eta­blier­te Bild netz­af­fi­ner Män­ner und weni­ger netz­af­fi­ner Frauen.

Wird nun das gan­ze nach Alter dis­agr­eg­giert, zei­gen sich erstaun­li­che Dif­fe­ren­zen zwi­schen den­je­ni­gen ab 25 Jah­ren und den bei­den Alters­grup­pen dar­un­ter. Hier gibt es jetzt näm­lich plötz­lich Berei­che der Netz­nut­zung, die häu­fi­ger von Frau­en als von Män­nern betrie­ben wer­den. Nament­lich geht es dabei wie­der um die The­men EMail-Schrei­ben, sons­ti­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on im Netz und das Erstel­len eige­ner Inhal­te. Dazu kommt ein leich­ter Vor­sprung beim E‑Government. Die Dif­fe­renz beim Online-Ban­king ebnet sich ein. 

Sowohl beim Down­load von Soft­ware, beim Down­load von Com­pu­ter­spie­len wie auch bei der Nut­zungs­häu­fig­keit und bei der mobi­len Nut­zung bleibt die Geschlech­ter­dif­fe­renz > 3 % dage­gen erhalten.

Wie sind die­se Daten nun zu inter­pre­tie­ren? Gehen weib­li­che digi­tal nati­ves ganz anders an das Netz ran als Frau­en über 24 Jah­ren? Oder sind hier Geschlech­ter­ver­hält­nis­se im Sin­ne bei­spiels­wei­se der zuneh­men­den Ver­ant­wor­tung für Fami­li­en­ar­beit, die dann weni­ger Zeit für einen – eh männ­lich kon­no­tier­ten (Schön­ber­ger 1999, 2008) – expe­ri­men­tel­len Umgang mit neu­en Tech­no­lo­gien lässt? 

Und natür­lich über­tra­gen sich die all­tags­welt­li­chen Pro­zes­se und Prak­ti­ken des doing gen­ders auch ins Netz – femi­nis­ti­sche Blogger(i/I)nnen kön­nen davon ein Lied sin­gen, das betrifft aber auch Zuwei­sun­gen von Tätig­keits­be­rei­chen, als nor­mal ange­se­he­ne Akti­vi­tä­ten und erwar­te­tes Ver­hal­ten. In die­sem Zusam­men­hang ist es auf­fäl­lig, dass es gera­de die „kom­mu­ni­ka­ti­ven“ Berei­che sind, in denen Frau­en stär­ker oder ähn­lich stark in der Netz­nut­zung ver­tre­ten sind wie Män­ner. Das könn­te jetzt natu­ra­lis­tisch inter­pre­tiert wer­den, im Sin­ne eines „Frau­en sind halt kom­mu­ni­ka­ti­ver, Män­ner repa­rie­ren halt lie­ber das Auto spie­len halt lie­ber Computerspiele“. 

Ich hal­te eine sol­che Inter­pre­ta­ti­on aber nicht nur für unwahr­schein­lich, son­dern auch für gefähr­lich – und wür­de eher davon aus­ge­hen, dass hier zwei Din­ge zu beob­ach­ten sind: Ers­tens die Nor­ma­li­sie­rung der Netz­nut­zung, also eine Ver­schie­bung vom expe­ri­men­tell-tech­ni­schen ins all­täg­lich-untech­ni­sche, so dass das Netz schon lan­ge nicht mehr als „Män­ner­do­mä­ne“ zu betrach­ten ist. Die­se Ver­all­täg­li­chung ist aber nicht auf alle Tätig­keits­fel­der und Gerä­te glei­cher­ma­ßen aus­ge­rich­tet und gleich­mä­ßig ver­teilt. Das Instal­lie­ren von Soft­ware oder der „neue“ mobi­le Netz­zu­gang ragen hier heraus.

Zwei­tens ist gera­de in die­sem ver­all­täg­lich­ten Netz ein Durch­schla­gen der ganz „nor­ma­len“ Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten zu beob­ach­ten, und zwar sowohl auf der Ebe­ne „erlaub­ter“ und als rol­len­kon­form wahr­ge­nom­me­ner Akti­ons­fel­der als auch auf der Ebe­ne struk­tu­rel­ler Ein­schrän­kun­gen – also Kin­der­er­zie­hung als Bruch­li­nie zwi­schen den Alters­grup­pen. Das spie­gelt sich dann ver­mut­lich auch in den ein­zel­nen Berei­chen wie­der, also bei­spiels­wei­se trotz der fast iden­ti­schen Antei­le beim Erstel­len eige­ner Inhal­te, im Phä­no­men der männ­li­chen Alpha-Blogger.

So inter­es­sant die­se sta­tis­ti­schen Daten sind – eigent­li­ches Wis­sen dar­über, wie die­se Dif­fe­ren­zen zu Stan­de kom­men, war­um sie sich in bestimm­ten Berei­chen über die Alters­grup­pen hin­weg fort­set­zen und in ande­ren auf­bre­chen, braucht ande­re Metho­den – also den Blick auf die Prak­ti­ken der Netz­nut­zung, die Ana­ly­se des dis­kur­si­ven Doing Gen­ders und die Unter­su­chung der struk­tu­rel­len Mög­lich­kei­ten. Dane­ben wäre es m.E. auch sinn­voll, die Dif­fe­ren­zie­rung noch wei­ter zu trei­ben – die Sek­tio­nie­rung nach Alter und Geschlecht zeigt Abhän­gig­kei­ten vom Lebens­ver­lauf. Das sta­tis­ti­sche Bun­des­amt hat sei­ne Daten auch nach Bil­dungs­stand dis­agg­re­giert – aber eben nicht gekop­pelt mit den ande­ren Fak­to­ren. Natür­lich gerät auch da die Reprä­sen­ta­tiv­sta­tis­tik an ihre Gren­zen (schon jetzt sind eini­ge Fel­der nicht aus­wert­bar, weil die Fall­zah­len zu klein wer­den). Prin­zi­pi­ell jedoch wäre, wenn schon das quan­ti­ta­ti­ve Para­dig­ma bemüht wer­den soll, genau hier der nächs­te Schritt, also beim Blick dar­auf, wie sozia­le Her­kunft – viel­leicht auch die Fami­li­en­struk­tur – mit Alter und Geschlecht interagieren.

P.S.: Ich bin mir sicher, dass es Blogs und wei­te­re For­schungs­ar­bei­ten zu die­sem The­men­feld gibt. Nach­dem ich eigent­lich auf der Suche nach etwas ganz ande­rem war, habe ich da jetzt nicht wei­ter recher­chiert, son­dern nur das, was ich eh gera­de in der Hand hat­te, her­bei­ge­zo­gen. Über Hin­wei­se in den Kom­men­ta­ren wür­de ver­mut­lich nicht nur ich mich freuen.


* Selbst­ver­ständ­lich geht das sta­tis­ti­sche Bun­des­amt dabei von Zwei­ge­schlecht­lich­keit aus.

Lite­ra­tur
Schön­ber­ger, Klaus (1999): »Inter­net zwi­schen Spiel­wie­se und Fami­li­en­post. Doing Gen­der in der Netz­nut­zung«, in Eike Hebecker/Frank Kleemann/Harald Neymanns/Markus Stauff (Hrsg.): Neue Medi­en­wel­ten. Zwi­schen Regu­lie­rungs­pro­zes­sen und all­täg­li­cher Aneig­nung. Frank­furt: Cam­pus, S. 249–270.

Schön­ber­ger, Klaus (2008): »Doing Gen­der, kul­tu­rel­les Kapi­tal und Prak­ti­ken des Blog­gens«, in Hen­gart­ner, Thomas/Simon Micha­el: Bil­der-Bücher-Bytes. Ber­lin. www.

Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt (2009): Pri­va­te Haus­hal­te in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft – Nut­zung von Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie. Wirt­schafts­rech­nun­gen. Fach­se­rie 15 Rei­he 4. Wies­ba­den: Sta­tis­ti­sches Bundesamt.

War­um blog­ge ich das? Weil ich nicht den Ein­druck habe, dass Daten
wie die­se all­ge­mein bekannt sind.

Nach­trag: Das gan­ze als Dia­gram­me visua­li­siert gibt es hier:

diagramme-netznutzung
Abbil­dung. Netz­nut­zung nach Alter und Geschlecht.
Quel­le: Stat. Bun­des­amt, eige­ne Dar­stel­lung. Ankli­cken zum Vergrößen.