Selbstverständlichkeiten …

… oder: Unter welchen Bedingungen sollten AnhängerInnen der PIRATEN die PIRATEN wählen?

 
Cat portrait I ("the pirate")

Es scheint ja nun so, dass die PIRATEN zur Bun­des­tags­wahl im Herbst antre­ten wer­den. Ich will mich hier jetzt gar nicht mit feh­len­der Pro­gram­ma­tik, frau­en­lo­sen Lis­ten oder dem den Klip­pen der mas­sen­me­dia­len Demo­kra­tie noch nicht gewach­se­nen Per­so­nal aus­ein­an­der­set­zen, son­dern einen eher wahl­tak­ti­schen Blick auf die Fra­ge wer­fen, unter wel­chen Bedin­gun­gen Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN die­se wäh­len sollten.

Dabei sind – auf­grund der Fünf-Pro­zent-Hür­de – zwei Fäl­le zu betrachten.

  1. Es herrscht bei den Anhän­ge­rIn­nen bzw. in der all­ge­mei­nen Öffent­lich­keit die Ver­mu­tung vor, dass die PIRATEN irgend­wo zwi­schen ein und drei Pro­zent abschnei­den wer­den, also deut­lich unter der Fünf-Pro­zent-Hür­de blei­ben werden.

    Eine Zweit­stim­me für die PIRATEN bleibt in die­ser Kon­stel­la­ti­on erst ein­mal ohne steu­ern­den Ein­fluss auf die Zusam­men­set­zung des Bun­des­ta­ges. Ein gutes Ergeb­nis für die PIRATEN (also z.B. drei Pro­zent) wür­de aber in ande­ren Par­tei­en wahr­ge­nom­men und könn­te so indi­rekt deren Poli­tik beein­flus­sen; ein hoher Wert an Stim­men für Sons­ti­ge inkl. PIRATEN wür­de zudem als gene­rel­le Kri­tik am Wahl­sys­tem bzw. an den antre­ten­den grö­ße­ren Par­tei­en auf­ge­fasst wer­den. Zudem wür­den – je nach Ergeb­nis – eini­ge Gel­der aus der Wahl­kampf­kos­ten­er­stat­tung an die PIRATEN flie­ßen, so dass die­se Gele­gen­heit bekä­men, ihren Par­tei­auf­bau zu for­cie­ren (auch das Euro­pa­wahl­er­geb­nis führt schon jetzt zu sol­chen Effekten).

    Zu beach­ten sind aller­dings auch die nega­ti­ven Effek­te: so geht jede Stim­me für die PIRATEN – so sie nicht aus dem Lager der Nicht­wäh­le­rIn­nen kommt – einer ande­ren Par­tei ab, deren Gewicht damit geschwächt wird. Gera­de bei einem knap­pen Wahl­aus­gang könn­ten die so feh­len­den Stim­men über Mehr­hei­ten für Regie­rungs­bil­dun­gen ent­schei­den (wenn also z.B. schwarz-gelb knapp eine Mehr­heit erhält).

    Zudem bedeu­tet eine Stim­me für eine Par­tei ohne Chan­ce auf Ein­zug in den Bun­des­tag, dass die Hür­de, um eine Mehr­heit der Sit­ze zu erhal­ten, sinkt. Wenn zehn Pro­zent der Stim­men auf Sons­ti­ge ent­fal­len, rei­chen (je nach Sitz­ver­tei­lungs­ver­fah­ren) schon z.B. 46 Pro­zent der abge­ge­be­nen gül­ti­gen Stim­men aus, um eine abso­lu­te Mehr­heit an Sit­zen zu errei­chen. Das ist unter demo­kra­tie­theo­re­ti­schen Gesichts­punk­ten – Reprä­sen­ta­ti­on des Wäh­ler­wil­lens – schwie­rig (und natür­lich prin­zi­pi­ell kein Effekt des Antre­tens von Kleinst­par­tei­en, son­dern ein Effekt der Sperrklausel).

    Bis­her ging es nur um Zweit­stim­men. Die­se sind für die Zusam­men­set­zung des Bun­des­tags rele­van­ter; zwei­tens wird es, wenn ich das bis­her rich­tig sehe, nur weni­ge Wahl­krei­se geben, in denen PIRATEN mit Direkt­kan­di­da­ten (und Kan­di­da­tin­nen?) antre­ten wer­den. Je nach Stär­ke der ande­ren Par­tei­en in die­sen Wahl­krei­sen sind die Effek­te von Erst­stim­men unterschiedlich.

    Fazit zu die­sem Fall: wenn zu erwar­ten ist, dass die PIRATEN die Fünf-Pro­zent-Hür­de nicht über­schrei­ten wer­den, bedeu­tet eine Zweit­stim­me für die PIRATEN, ein media­les Signal zu set­zen, zugleich aber zu einem Bun­des­tag bei­zu­tra­gen, in dem bestimm­te Inter­es­sen nicht ver­tre­ten sind und mög­li­cher­wei­se gera­de wegen der Pro­test­stim­men ande­re Mehr­hei­ten zustan­de kom­men, als „in Zweit­prä­fe­renz“ von Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN gewünscht – ins­be­son­de­re erhöht jede Stim­me für die PIRATEN, wenn die Annah­me stimmt, dass ein gro­ßer Teil der PIRA­TEN-Wäh­le­rIn­nen „ansons­ten“ SPD, LINKE oder Grü­ne gewählt hät­te, die Chan­cen auf eine schwarz-gel­be Mehrheit. 

  2. Anders sieht die Situa­ti­on aus, wenn zu erwar­ten ist, dass die PIRATEN sich nahe an der Fünf-Pro­zent-Hür­de bewe­gen. Jetzt könn­te es sein, dass eine Stim­me für die PIRATEN tat­säch­lich einen inten­dier­ten Ein­fluss auf die Zusam­men­set­zung des Deut­schen Bun­des­tags hat. Ich hal­te die­se Situa­ti­on für unwahr­schein­lich (bis­her ist der öffent­li­che Auf­schrei wegen „#Zen­sur­su­la“ außer­halb des Net­zes wenig ver­nehm­bar; auch Tauss wird’s nicht ret­ten – und zum Über­sprin­gen der Fünf-Pro­zent-Hür­de wären etwa 1,5 Mio. Stim­men not­wen­dig – mehr als fünf Mal so vie­le wie die PIRATEN bei der Euro­pa­wahl erreicht haben). Wie dem auch sei: eine PIRA­TEN-Frak­ti­on im Bun­des­tag könn­te das Züng­lein an der Waa­ge bei Koali­ti­ons­bil­dun­gen sein – zugleich sind die oben beschrie­be­nen Ein­flüs­se auf die Reprä­sen­ta­ti­on des Wäh­ler­wil­lens – aber auch das media­le Signal – bei einem knap­pen Schei­tern umso größer.

Rea­lis­tisch betrach­tet soll­ten Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN also nur dann für die PIRATEN stim­men, wenn ihnen 1. ein media­les Signal an ande­re Par­tei­en sehr wich­tig ist, ihnen 2. die Zusam­men­set­zung des Bun­des­tags egal ist (bzw. viel­leicht sogar Prä­fe­ren­zen für schwarz-gelb da sind), oder wenn 3. bis zur Bun­des­tags­wahl die gesamt­ge­sell­schaft­li­chen dis­kur­si­ven Erwar­tun­gen, dass ein Über­sprin­gen der Fünf-Pro­zent-Hür­de durch die PIRATEN mög­lich ist – und damit die Chan­ce, dass es dazu kommt – deut­lich zuneh­men. Die Fünf-Pro­zent-Hür­de erweist sich hier also als chao­ti­scher Attraktor.

Anders gesagt heißt das: ver­nünf­ti­ge Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN machen jetzt einen star­ken PIRA­TEN-Wahl­kampf, set­zen damit ande­re Par­tei­en (ins­be­son­de­re FDP und GRÜNE) unter Druck, sich netz­po­li­tisch rich­tig zu posi­tio­nie­ren – und wäh­len dann am 27.9. nicht die PIRATEN, son­dern die­je­ni­ge der grö­ße­ren Par­tei­en, die bis dahin am ehes­ten und glaub­wür­digs­ten für zen­tra­le For­de­run­gen aus dem PIRA­TEN-Pro­gramm steht. 

Sie­he gene­rell auch Tipps und Tricks zur Bun­des­tags­wahl 2009.

War­um blog­ge ich das? Vor allem als Ver­schrift­li­chung mei­ner eige­nen Über­le­gun­gen dazu, ob es sich lohnt, im grü­nen Wahl­kampf offen­siv auf die PIRATEN einzugehen.

Unterschriftensammlung zur grünen Netzsperren-Position

Ich hab’s zwar kurz schon hier ange­spro­chen, aber zur Sicher­heit dann doch lie­ber noch­mal in einem eige­nen Ein­trag: es gibt inzwi­schen eine von Julia See­li­ger initi­ier­te Unter­schrif­ten­samm­lung zur Posi­ti­on der Grü­nen in Sache Netz­sper­ren und Zensur. 

Bei der Abstim­mung um das Gesetz zur Sper­rung von Inter­net­sei­ten haben sich 15 Mit­glie­der der Bun­des­tags­frak­ti­on von Bünd­nis 90/Die Grü­nen ent­hal­ten. Die­se gro­ße Zahl an Ent­hal­tun­gen hat uns erschreckt. Wir kön­nen uns die­ses Abstim­mungs­ver­hal­ten unse­rer Abge­ord­ne­ten nicht erklä­ren und kri­ti­sie­ren, dass sie dies nicht vor­her ange­kün­digt haben. Eben­so ist die Frak­ti­ons­spit­ze in der Ver­ant­wor­tung. Den von eini­gen weni­gen ange­rich­te­ten Scha­den haben wir alle mitzutragen.

[…]

Die Abge­ord­ne­ten, die sich ent­hal­ten haben, sowie die Frak­ti­ons­spit­ze for­dern wir auf, den Vor­fall vom ver­gan­ge­nen Don­ners­tag sowie das The­ma Netz­sper­ren inhalt­lich und stra­te­gisch mit uns zu diskutieren. 

Wer die­sen offe­nen Brief unter­schrei­ben möch­te, kann es hier tun. 

Wich­tig ist es mei­ner Mei­nung nach auch, die Sache wei­ter­zu­tra­gen. Wer möch­te, kann dazu ger­ne fol­gen­de Gra­fik ver­wen­den (viel­leicht ist ja auch noch jemand krea­ti­ver als ich, aber so als ers­tes Element …):

Grüne gegen Netzsperren

Oder als Schnippsel:
<a href="http://www.remix-generation.de/gPetition/?p=1"><img src="http://blog.till-westermayer.de/wp-content/uploads/2009/06/gruene-gegen-sperren-500.png" alt="Grüne gegen Netzsperren" title="Grüne gegen Netzsperren" width="500" height="153" /></a>

Hier auch noch­mal als klei­ne­res Bild, pas­send für But­tons und Sei­ten­leis­ten (225 x 130):

Grüne gegen Netzsperren

<a href="http://www.remix-generation.de/gPetition/?p=1"><img src="http://blog.till-westermayer.de/wp-content/uploads/2009/06/gruene-gegen-sperren-225-130.png" alt="Grüne gegen Netzsperren" title="Grüne gegen Netzsperren" width="225" height="130" /></a>

War­um blog­ge ich das? Bin gespannt, was draus wird.

Wie grün ist Netzpolitik? (Update 10)

Grüne gegen NetzsperrenHeu­te – na, eigent­lich schon ges­tern – fand im Bun­des­tag die „Zensursula“-Abstimmung statt, also die Abstim­mung dar­über, ob das Gesetz zur Bekämp­fung der Kin­der­por­no­gra­phie in Kom­mu­ni­ka­ti­ons­net­zen ange­nom­men wird. Die Abstim­mung fiel mit einer fast ein­heit­li­chen Zustim­mung der Koali­ti­ons­frak­tio­nen erwar­tungs­ge­mäß aus; auf Antrag der Grü­nen wur­de nament­lich abge­stimmt, so dass im Detail doku­men­tiert ist, wer wie abge­stimmt hat.

Dabei sind eine Rei­he von Über­ra­schun­gen zu ver­zeich­nen. Posi­tiv: eine Gegen­stim­me in der CDU, sie gehört Jochen Bor­chert, dem Vater der WAZ-Online-Che­fin, Katha­ri­na Bor­chert. Posi­tiv: drei Nein-Stim­men und drei Ent­hal­tun­gen in der SPD, drei­mal so vie­le wie ursprüng­lich erwar­tet. Na gut – bei sons­ti­ger har­ter Frak­ti­ons­ein­heit­lich­keit ist es viel­leicht über­trie­ben, das posi­tiv zu nennen.

Wie dem auch sei. Es gab auch nega­ti­ve Über­ra­schun­gen. Und die lei­der nicht bei FDP oder LINKE, die bei­de ein­heit­lich – in Frak­ti­ons­dis­zi­plin – gegen das Gesetz gestimmt haben, son­dern bei Bünd­nis 90/Die Grünen. 

Arbeitsplätze!

Kei­ne Ja-Stim­me, ganz so schlimm ist es nicht, aber doch 15 Ent­hal­tun­gen, also ein knap­pes Drit­tel der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on. Das hat in den Stun­den nach der Abstim­mung in der Netz­com­mu­ni­ty ziem­lich für Auf­re­gung gesorgt – und aus mei­ner Sicht etwas zu unrecht die eigent­li­chen The­men bei­sei­te gescho­ben (dazu: Tho­mas Knü­wer kom­men­tiert im Han­dels­blatt poin­tiert, wie hier „das Netz“ media­le Macht­ver­hält­nis­se zuun­guns­ten der „Exper­ten“ der Volks­par­tei­en ver­scho­ben hat; und beim METRONAUT wird klar gemacht, dass trotz ver­lo­re­ner Abstim­mung der Kampf um die Bür­ger­rech­te im Netz jetzt erst rich­tig losgeht).

Trotz­dem auch hier noch ein paar Wor­te zum grü­nen Abstim­mungs­er­geb­nis. War es uner­war­tet? Ja, inso­fern in den letz­ten Tagen Grü­ne in der Öffent­lich­keit, eben gera­de auch im Kon­trast zur SPD, immer als netz­po­li­tisch zugäng­li­che und ver­nünf­tig­te Par­tei prä­sen­tiert wor­den sind. Das ist auf gruene.de der Fall, es war auf Twit­ter etc. der Fall, und es war auch in den eta­blier­ten Mas­sen­me­di­en so. Nicht zuletzt im Zusam­men­hang mit dem Antre­ten der PIRATENPARTEI bei den Euro­pa­wah­len war eines der Argu­men­te für poten­zi­el­le Pira­ten-Wäh­le­rIn­nen, dass GRÜNE für eine ver­läss­li­che und ver­nünf­ti­ge Netz­po­li­tik ste­hen, und auch sonst kei­nen Unsinn betrei­ben (und ja, ich gebe zu: ich habe durch­aus auch in die­se Rich­tung argumentiert). 

Ich zumin­dest hat­te nicht mit einer geschlos­se­nen Ableh­nung gerech­net. Das hat etwas damit zu tun, dass Mei­nungs­frei­heit auch in Hin­sicht auf die ein­zel­nen Abge­ord­ne­ten bei Grü­nen etwas grö­ßer geschrie­ben wird als in ande­ren Frak­tio­nen, es hat aber auch etwas damit zu tun, dass es ja durch­aus im Vor­feld von ein­zel­nen Abge­ord­ne­ten eher schwie­ri­ge Wort­mel­dun­gen gab. Ekin Deli­göz – als kin­der­po­li­ti­sche Spre­che­rin natür­lich aus einer spe­zi­fi­schen Per­spek­ti­ve argu­men­tie­ren – muss jetzt als Bei­spiel dafür die­nen. Oder auch der Pro­gramm­par­tei­tag: dort wur­de die Kri­tik an Inter­net­sper­ren und dem untaug­li­chen Umgang mit Kin­der­por­no­gra­phie ins Wahl­pro­gramm geschrie­ben. Die Debat­te war aber durch­aus unein­heit­lich, auch Applaus gab es für bei­de Sei­ten. Mit 15 Ent­hal­tun­gen hat­te ich nicht gerech­net, mit unge­fähr fünf aber schon. 

Lei­der lie­gen die per­sön­li­chen Erklä­run­gen der Abge­ord­ne­ten noch nicht vor – da wür­de mich schon inter­es­sie­ren, wie das begrün­det wird.

Was bedeu­tet das jetzt? Ins­ge­samt haben Grü­ne als Frak­ti­on sich rich­tig ver­hal­ten. Dass das Bild weni­ger ein­heit­lich ist, als in ande­ren Frak­tio­nen, muss erst ein­mal hin­ge­nom­men wer­den. In der Sache waren die Abstim­mungs­al­ter­na­ti­ven Nein/Enthaltung unwich­tig – es war klar, dass die Mehr­heit der Koali­ti­on stand. Ärger­lich ist die gro­ße Zahl an Ent­hal­tun­gen trotzdem. 

Mei­ne Schluss­fol­ge­rung: Grü­ne sind sehr offen, was die Nut­zung neu­er Medi­en angeht – auch eini­ge der Ent­hal­tungs­stim­men sind z.B. aktiv bei Face­book unter­wegs, per­sön­lich und nicht nur im Sin­ne eines Pres­se­mit­tei­lungs­ver­tei­lers. Dazu zählt auch die Nut­zung neu­er Medi­en als Wahl­kampf­in­stru­ment. Und prin­zi­pi­ell und ins­ge­samt wür­de ich auch wei­ter­hin sagen, dass es eine gro­ße Offen­heit für netz­po­li­ti­sche For­de­run­gen gibt. Die Zahl derer, die sich damit aktiv aus­ein­an­der­setzt, ist in der Par­tei aller­dings rela­tiv klein. Es sind abso­lut wie pro­zen­tu­al viel­leicht mehr Köp­fe als in der SPD, wo der Weg­gang – mal schau­en, ob’s noch zum Par­tei­wech­sel kommt – von Tauss schwar­ze Löcher reißt. Aber die gro­ße Mehr­heit der Par­tei mag ger­ne im Netz kom­mu­ni­zie­ren, ist pri­ni­zi­pi­ell auch dafür, den jun­gen bzw. jung­ge­blie­be­nen Leu­ten hier ihre poli­ti­sche Spiel­wie­se zu las­sen, hat aber den Ernst der Lage noch nicht erkannt. Und nimmt sich im Zwei­fel die Frei­heit, sich nicht in sein Abstim­mungs­ver­hal­ten rein­re­den zu lassen.

Es geht also dar­um, aus der netz­af­fi­nen Par­tei auch eine netz­po­li­tisch kom­pe­ten­te Par­tei zu machen. Aller­dings wäre es völ­lig falsch, dar­un­ter nur „Kom­mu­ni­ka­ti­ons“- oder Ver­mitt­lungs­pro­ble­me inner­halb der Par­tei zu ver­ste­hen. Viel­mehr brau­chen wir eine ech­te inner­par­tei­li­che Dis­kus­si­on dar­über, wie weit der grü­ne Ein­satz für eine zukünf­ti­ge Gesell­schaft geht, in der infor­ma­tio­nel­le Infra­struk­tu­ren mehr Ein­fluss auf Wert­schöp­fung und Pro­duk­ti­vi­tät haben als Auto­bah­nen, um’s mal pathe­tisch zu for­mu­lie­ren. Es geht nicht (nur) um Auf­klä­rung, son­dern um Über­zeu­gung – und mög­li­cher­wei­se bei dem einen oder ande­ren Punkt auch dar­um, inner­par­tei­li­che Eini­gun­gen zu fin­den, die nicht 100%ig dem „Netz­kon­sens“ entsprechen.

Par­tei­en machen sowas nicht im Wahl­kampf. Das Bun­des­tags­wahl­pro­gramm steht, und es steht für netz­po­li­tisch sinn­vol­le Zie­le.

Wer möch­te, dass Bünd­nis 90/Die Grü­nen beim nächs­ten Ernst­fall bes­ser abschnei­den, muss den­noch jetzt die Wei­chen dafür stel­len, dass in der im Sep­tem­ber neu­ge­wähl­ten Frak­ti­on eben­so wie in der Par­tei – viel­leicht auch: mal wie­der – ernst­haft inhalt­lich über das Netz gestrit­ten wird. Und muss das so orga­ni­sie­ren, das dort nicht nur die übli­chen Ver­däch­ti­gen aus Netz- und Bür­ger­rechts­po­li­tik auf­tau­chen, und viel­leicht noch die, die jetzt ger­ne schö­ne bun­te Wahl­kampf­sei­ten haben wol­len – son­dern auch die „Mit­te der Par­tei“, die sich „eigent­lich“ nur für ganz ande­re Din­ge inter­es­siert: für Umwelt­po­li­tik, für Gleich­be­rech­ti­gung, für Bil­dung, für Kin­der­po­li­tik. Die müs­sen wir mit­neh­men. Anders gesagt: orga­ni­sa­tio­nel­les Ler­nen orga­ni­sie­ren, statt sich von Pira­ten entern zu lassen!

War­um blo­cke ich das? Eigent­lich woll­te ich war­ten, bis klar war, war­um die 15 so abge­stimmt haben, wie sie abge­stimmt haben; aber nach­dem ich in den letz­ten Tagen doch ziem­lich auf die SPD ein­ge­hau­en habe, fand ich’s ein Gebot poli­ti­scher Ehr­lich­keit, jetzt auch hier zu sagen, was Sache ist. Aber nota bene: für Netz­z­ensur hat kein ein­zi­ger Grü­ner, kei­ne ein­zi­ge Grü­ne gestimmt, das waren ande­re! Und für sowas – kurz nach der Abstim­mung kam die ers­te CDU-Ankün­di­gung, über eine Aus­wei­tung nach­zu­den­ken – erst recht nicht.

Update: (19.6.2009, mit­tags) Das vor­läu­fi­ge Ple­nar­pro­to­koll (pdf) der gest­ri­gen Sit­zung (BT-Druck­sa­che 16/16227) liegt inzwi­schen vor. Die Debat­te um das Netz­sper­ren-Gesetz ist dort ab S. 127 wie­der­ge­ge­ben – falls jemand noch­mal wört­li­che Zita­te etc. sucht. Die per­sön­li­chen Erklä­run­gen sind als Anla­gen erwähnt, die aber dem vor­läu­fi­gen Pro­to­koll noch nicht beiliegen.

Update 2: Hier die per­sön­li­che Erklä­rung von Ekin Deli­göz zu ihrem Abstimmungsverhalten.

Update 3: Syl­via Kot­ting-Uhl hat die per­sön­li­che Erklä­rung jetzt auch auf ihre Home­page gestellt; wenn ich das rich­tig sehe, ist die­se wort­gleich mit der von Ekin.

Wenn ich mir die 15 Abweich­le­rIn­nen noch­mal anschaue, dann bleibt der Ein­druck einer Mischung – die 15 wür­den sonst nicht unbe­dingt gemein­sam unter einem Antrag o.ä. stehen. 

Inter­es­sant sind die The­men­fel­der: Ekin Delin­göz ist kin­der- und fami­li­en­po­li­ti­sche Spre­che­rin, Irmin­gard Sche­we-Gerigk ist frau­en­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Bun­des­tags­frak­ti­on. Cor­ne­lia Behm, Syl­via Kot­ting-Uhl, Hans-Josef Fell und Ulri­ke Höf­gen sind Exper­tIn­nen der Frak­ti­on in ver­schie­de­nen umwelt­po­li­ti­schen Fel­dern. Thi­lo Hop­pe ist Ent­wick­lungs­exper­te und Vor­sit­zen­der die­ses Aus­schus­ses. Thea Dückert ist eine der par­la­men­ta­ri­schen Geschäfts­füh­re­rIn­nen und sitzt im Aus­s­schuss für Wirt­schaft und Tech­no­lo­gie, der den Gesetz­ent­wurf feder­füh­rend betreut hat. Im klas­si­schen Sor­tier­me­cha­nis­mus „Flü­gel“ reicht das Spek­trum von ganz links (z.B. Kot­ting-Uhl, Sche­we-Gerigk, Hop­pe) bis ganz rea­lois­tisch (z.B. Chris­ti­ne Scheel, Kat­rin Göring-Eckardt). Was ich damit sagen will: hier wird mehr oder weni­ger das gan­ze Spek­trum der Par­tei abgebildet. 

Nicht bei den „Ent­hal­te­rIn­nen“ dabei sind (glück­li­cher­wei­se) die Fach­leu­te für Innen­po­li­tik und Bür­ger­rech­te (z.B. Vol­ker Beck, Wolf­gang Wie­land, Jer­zey Mon­tag, Hans-Chris­ti­an Strö­be­le, Moni­ka Lazar). Scha­de, dass deren Exper­ti­se hier nicht mehr Gewicht erhal­ten hat.

Update 4: Der Web­site von Pris­ka Hinz ist zu ent­neh­men, dass die bis­her bekann­te per­sön­li­che Erklä­rung von ihr, von Ekin Deli­göz, Chris­ti­ne Scheel, Kat­rin Göring-Eckardt, Kers­tin Mül­ler, Syl­via Kot­ting-Uhl, Thea Dückert, Cor­ne­lia Behm, Harald Ter­pe und Hans-Josef Fell unter­stützt wird. 

Blei­ben also noch fünf (Marie­lui­se Beck, Rain­der Steen­block, Thi­lo Hop­pe, Ulri­ke Höf­ken und Irmin­gard Sche­we-Gerigk) die sich – soweit mir bis­her bekannt – nicht zu den Grün­den für ihr Abstim­mungs­er­geb­nis geäu­ßert haben.

Update 5: Muss­te ja so kom­men ;-) – inzwi­schen gibt’s die Face­book-Grup­pe Grü­ne Pirat_innen. Mit hof­fent­lich deut­lich mehr Rücken­wind als bei den Pira­ten in der SPD (das gleich­na­mi­ge Blog wur­de übri­gens inzwi­schen gelöscht). Und zumin­dest schon mal mit ’nem Gender_Gap im Namen.

Update 6: (20.6.2009) Per Twit­ter wird ver­mel­det, dass das heu­te statt­ge­fun­de­ne „Camp Netz­be­grü­nung“ mehr netz­po­li­ti­sche Kom­pe­tenz – auch in der grü­ne Bun­des­tags­frak­ti­on ein­for­dert. Was auch immer das kon­kret bedeutet. 

Und noch­mal zum Abstim­mungs­ver­hal­ten der grü­nen Frak­ti­on – es war wohl erst kurz vor der Abstim­mung klar, dass es eine gro­ße Zahl von Ent­hal­tun­gen geben wür­de. Wie zu hören war, gab es kei­ne Pro­be­ab­stim­mung, und auch die nament­li­che Abstim­mung war in der Frak­ti­on nicht abge­spro­chen. Einer­seits scha­de, weil ein geschlos­se­ne­res und kla­re­res Bild viel­leicht bes­ser gelun­gen wäre, wenn die Frak­ti­ons­füh­rung frü­her die Bri­sanz der Sache wahr­ge­nom­men hät­te, bzw. wenn die „Ent­hal­te­rIn­nen“ frü­her Wort gege­ben hät­ten. Ander­seits liegt damit ein sonst in der Pro­gramm­po­si­ti­on ver­deck­ter Kon­flikt in der Par­tei in der Öffent­lich­keit – das ist im Wahl­kampf nicht toll, ist aber Vor­aus­set­zung dafür, dass der Kon­flikt jetzt ange­gan­gen wird.

In other news: die heu­ti­gen Mahn­wa­chen waren wohl über­wie­gend gut besucht, auch von Grü­nen (dass es in Frei­burg eine geben soll­te, habe ich lei­der zu spät erfah­ren). Jörg Tauss hat, wie ges­tern bereits als Gerücht zu hören, heu­te sei­nen Über­tritt zur Pira­ten­par­tei ver­kün­det – da passt er hin, den­ke ich. 

Update 7 (21.06.2009): Die poli­ti­sche Bun­des­ge­schäfts­füh­re­rin Stef­fi Lem­ke der Grü­nen stellt in ihrem Blog noch­mal klar da, was die offi­zi­el­le Par­tei­li­nie ist – und sagt auch deut­lich, dass sie die 15 Abwei­chun­gen davon falsch fin­det. Im HR-Blog wird die per­sön­li­che Erklä­rung von Pris­ka Hinz et al. ver­ris­sen. Und „Was war, was wird“ bei hei­se online zitiert die­sen Blog­ein­trag, wenn auch nicht ganz vor­teil­haft ;-) – „Mit 15 Ent­hal­tun­gen zeig­ten die Grü­nen ihre bekann­te Geschmei­dig­keit der kohl­krafti­gen Inter­pre­ta­ti­on, die schon immer die FDP für Bes­ser­es­ser auszeichnete.“

Update 8 (22.06.2009): „Clau­dia Roth ist mit dem grü­nen bun­des­vor­stand ein­stim­mig gegen inter­net­sper­rung.“ schreibt sie auf ihrer Face­book-Sei­te. Und auch die Grü­ne Jugend hat auf ihrem gest­ri­gen Bun­des­aus­schuss einen ent­spre­chen­den Beschluss gefasst (noch nicht online). Schließ­lich noch der Hin­weis auf die inner­grü­ne Unter­schrif­ten­samm­lung mit Bit­te an die Frak­ti­on, das The­ma ernst zu nehmen.

Update 9: Wer sowas mag, kann sich den grü­nen Bun­des­vor­sit­zen­den Cem Özd­emir zum The­ma Ableh­nung der Netz­sper­ren auch im Bewegt­bild anschauen.

(2.7.2009) Hab’s auch als Kom­men­tar dran­ge­hängt, der Voll­stän­dig­keit hal­ber auch hier: Es gab wohl heu­te ein Gespräch zwi­schen der Bun­des­tags­frak­ti­on der Grü­nen, diver­sen (grü­nen) Netz­po­li­ti­ke­rIn­nen und Kin­der­schüt­ze­rIn­nen. Habe bis­her nur die Tweets von Julia See­li­ger, Jan Phil­ipp Albrecht und Josef Wink­ler dazu gese­hen, die alle­samt posi­tiv klan­gen. Bin gespannt, ob des Gespräch kon­kre­te Ergeb­nis­se zeitigt.

Kommunikationsprobleme

Yellow communication

Heu­te gab es eine Pro­be­ab­stim­mung zur Netz­z­ensur in der SPD-Frak­ti­on. Jörg Tauss schrieb dar­über bei Twit­ter:

ent­aeuscht: In der SPD-Frak­ti­on nur zwei Gegen­stim­men zu #zen­sur­su­la. Scha­de. War es dann wohl. Peten­ten haben alles falsch verstanden :-( 

Ich bin über das „Peten­ten haben alles falsch ver­stan­den“ gestol­pert. Dach­te erst, er meint das selbst so. Habe dann noch­mal nach­ge­fragt. Die rich­ti­ge Inter­pre­ta­ti­on: die über­gro­ße Mehr­heit der SPD-Frak­ti­on glaubt, dass die 131919 Unter­stüt­ze­rIn­nen der Peti­ti­on gegen Inter­net­sper­ren gar nicht wirk­lich böse auf die SPD und ihre Poli­tik sind, son­dern den Gesetz­ent­wurf nur falsch ver­stan­den haben. Alles also ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem (die Nach­wahl­va­ri­an­te davon: ein Mobi­li­sie­rungs­pro­blem). Gemeint ist damit: wir wis­sen, was gut ist, wir haben es nur nicht geschafft, das den Leu­ten auch nahezubringen.

Die­se Argu­men­ta­ti­on mag ich gar nicht. Lei­der kommt sie in der Poli­tik oft vor. Wenn eine poli­ti­sche Maß­nah­me auf Wider­stand stößt, wenn eine Par­tei nicht gewählt wird: Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem. Ein­fach und blöd. Und zwar aus drei Gründen.

  1. Wer von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­men redet, um poli­ti­sche Dif­fe­ren­zen zu erklä­ren, kann nur davon aus­ge­hen, selbst und ein­zig und allein im Besitz der Wahr­heit zu sein. Wenn der ande­re es bloss ver­stan­den hät­te, hät­te er’s schon rich­tig ver­stan­den. Die Argu­men­ta­ti­ons­fi­gur Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem impli­ziert also Über­heb­lich­keit und negiert – mög­li­cher­wei­se ja berech­tig­te! – unter­schied­li­che Wahr­neh­mun­gen. Sie igno­riert, dass ande­re als die Mit­glie­der und Abge­ord­ne­ten der eige­nen Par­tei viel­leicht mehr wis­sen könnten. 
  2. Wer von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­men redet, hat ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem, weil die Par­tei dann näm­lich nicht kom­mu­ni­ziert. Son­dern meint damit ja, dass die Mar­ke­ting-Bot­schaft nicht ange­kom­men ist. Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem impli­ziert also auch: Ein­weg statt Dia­log. Fol­ge­rich­tig also, dass diver­se Inter­net-Akti­vis­tIn­nen-Grup­pen heu­te wei­te­re Gesprä­che mit der SPD abge­lehnt haben. 
  3. Schließ­lich: Wer von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­men redet, ver­steht sein eigent­li­ches Geschäft nicht. Selbst Ein­weg-Mar­ke­ting-Par­tei­en soll­ten in der Lage sein, ihre Poli­tik auch zu „ver­kau­fen“. Wer sich am Ende, wenn das fal­sche beschlos­sen wird, auf Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­me zurück­zieht, hat auch vor­her nicht ver­sucht, zu über­zeu­gen, die poli­ti­sche Posi­ti­on der Par­tei zu ver­brei­ten. Hat das viel­leicht gar nicht für not­wen­dig ange­se­hen, weil im Inne­ren der Raum­schiff-Bla­se alles so schön selbst­evi­dent aussah. 

Also, lie­be Par­tei­en (auch: lie­be eige­ne Par­tei!) – bit­te kei­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­me. Wer Wäh­le­rIn­nen und Bür­ge­rIn­nen nicht für dumm hält, son­dern für mün­dig, muss ers­tens ver­su­chen, mit die­sen in einen zwei­sei­ti­gen Dia­log zu tre­ten, statt auf Beschal­lung zu set­zen, muss zwei­tens Argu­men­te dann auch ernst­neh­men – und, wenn gro­ße Pro­test­wel­len gera­de jen­seits der regis­trier­ten Lob­by-Gesprä­che auf­tau­chen, mal über­le­gen, wo die her­kom­men, und muss drit­tens ein­se­hen, dass man­che poli­ti­sche Ideen gesell­schaft­lich nicht akzep­tiert wer­den. Nicht, weil die fal­schen Wer­be­spots geschal­tet wur­den, son­dern weil eine Mehr­heit sie falsch findet. 

Es kann ja sogar Fäl­le geben, in denen es sinn­voll ist, irgend­ei­ne poli­ti­sche Maß­nah­me trotz gerin­ger Akzep­tanz durch­zu­set­zen – dann bit­te ich aber dar­um, auch dazu zu ste­hen, und sich nicht hin­ter Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­men zu ver­ste­cken. Es mag tat­säch­lich Miss­ver­ständ­nis­se geben. Aber wenn ein gro­ßer Teil aller Exper­tIn­nen in einem The­ma einer Mei­nung sind – dann liegt ver­mut­lich kein Miss­ver­ständ­nis vor. Und ja, Poli­tik kann sehr kom­plex sein, und Poli­tik ist schwie­rig zu kom­mu­ni­zie­ren: aber es macht doch mehr Sinn, es zu ver­su­chen – und dank elek­tro­ni­scher Medi­en ist genau das immer ein­fa­cher gewor­den, als selbst dar­an zu glau­ben, dass nur aller­ein­fachs­te Bot­schaf­ten ver­stan­den werden.

Denn wer sei­ne Wäh­le­rIn­nen wie unmün­di­ge Kin­der behan­delt (und selbst die soll­ten nicht so behan­delt wer­den), muss sich – letz­ter Satz – nicht wun­dern, wenn denen die Lust an der Poli­tik ver­geht. Oder an bestimm­ten Par­tei­en.

War­um ich das blog­ge? Weil mein laten­ter Ärger über die­ses Schein­ar­gu­ment hier mal einen kon­kre­ten Anlass gefun­den hat.

SPD tagt mal eben

Schon wie­der das The­ma SPD. Dies­mal geht’s aber schon eher um die Bun­des­tags­wahl als noch um die Europawahl.

SPD-Par­tei­ta­ge sind ent­we­der extrem effi­zi­ent oder deut­lich weni­ger demo­kra­tisch als z.B. Par­tei­ta­ge der Grü­nen. Inklu­si­ve Lied am Schluss und Kanz­ler­kan­di­da­ten­re­densand­wich vor­her und nach­her dau­ert der Wahl­pro­gramm­par­tei­tag der SPD näm­lich sage und schrei­be sechs Stun­den. Das „Antrags­buch“ ist eher unüber­sicht­lich; wenn ich es rich­tig ver­ste­he, wird zu den meis­ten Ände­rungs­an­trä­gen schlicht ableh­nen emp­foh­len (und dann wohl auch so gemacht). Da wird einem erst so rich­tig deut­lich, wie ver­gleichs­wei­se weit­ge­hend basis­de­mo­kra­tisch Bünd­nis 90/Die Grü­nen tat­säch­lich sind.

Wie dem auch sei, inter­es­sant ist die­ser SPD-Par­tei­tag aus zwei Grün­den. Zum einen könn­te sich dort theo­re­tisch ent­schei­den, dass die SPD von ihrem Beschluss, kei­ne Koali­ti­on mit der LINKEN ein­zu­ge­hen, abkehrt. (U.a. gibt es heu­te in der taz einen Auf­ruf unse­res MdBs Thi­lo Hop­pe an die SPD, doch mal ein klein wenig rea­lis­ti­scher an rot-grün-rote Gestal­tungs­op­tio­nen heranzugehen). 

Zum ande­ren wird es aus netz­po­li­ti­scher Sicht span­nend. Björn Böh­ning, der SPD-Gegen­kan­di­dat zu Strö­be­le, hat – flü­gel­über­grei­fend – einen Initia­tiv­an­trag gestellt, der eine etwas sinn­vol­le­re Hal­tung der SPD beim The­ma „Inter­net­zen­sur“ ein­for­dert. Vie­le netz­af­fi­ne Men­schen machen u.a. vom Erfolg die­ses Antrags abhän­gig, wie sie in Zukunft zur SPD ste­hen wer­den. Die Zei­chen sehen aller­dings schlecht aus. Inzwi­schen liegt ein Beschluss des SPD-Par­tei­vor­stan­des vor,der im Prin­zip nichts wei­ter noch ein­mal auf­schreibt als die Hal­tung der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on: rhe­to­ri­sche Zuge­ständ­nis­se, aber kei­ne Abkehr vom Prin­zip Auf­bau einer Zen­sur­in­fra­struk­tur für das Internet. 

Ich weiss nicht, wie das bei der SPD abläuft, neh­me aber an, dass der Böh­ning-Antrag damit aus dem Ren­nen ist. Mor­gen abend wis­sen wir mehr. Schon jetzt ist aber klar: wer eine eta­blier­te Par­tei wäh­len oder unter­stüt­zen möch­te, für die eine sinn­vol­le Inter­net­po­li­tik inzwi­schen klar zum Selbst­ver­ständ­nis gehört, ist bei den Grü­nen deut­lich bes­ser auf­ge­ho­ben als bei der SPD.

War­um blog­ge ich das? Vor allem, weil mich inter­es­siert, wie inner­par­tei­li­che Mei­nungs­bil­dung in der SPD funk­tio­niert. Und ob Jörg Tauss MdB SPD jetzt doch zur Pira­ten­par­tei wech­selt – bis­her demen­tiert er.