Photo of the week: St. Wendel Skulpturenstraße – IV

St. Wendel Skulpturenstraße - IV

 
Oster­mon­tag habe ich mei­ne Schwes­ter im Saar­land besucht. Unter ande­rem haben wir uns einen Teil der Stra­ße der Skulp­tu­ren ange­schaut, die auf Initia­ti­ve des Bild­hau­ers Leo Korn­brust ent­stan­den ist (und dazu führt, dass mit­ten auf den Fel­dern in der saar­län­disch-pfäl­ze­ri­schen Pro­vinz zwi­schen St. Wen­del und Bal­ters­wei­ler gro­ße Wer­ke ste­hen). Hier zu sehen ist – wie auch in der App „Skulp­tu­ren­stra­ße“ nach­les­bar – die Erin­ne­rung an die Nike von Samo­thra­ke von Gabi Beju (1972), im Hin­ter­grund die Zehen des Gro­ßen Fußes von Yoshi­mi Hash­i­mo­to (1977).

Science Fiction und Fantasy im Vorfrühling 2023 (Teil II)

Glitchy easter decoration

Irgend­wie kam Ostern dazwi­schen (s.o.) – jeden­falls folgt hier nun Teil II zu mei­ner Vor­früh­lings­le­se­lis­te. Teil I mit den Fan­ta­sy-Roma­nen, die ich gele­sen habe, ist am 6. April erschienen.

In medi­as res: Rich­tig gut gefal­len hat mir Ken MacLeods Bey­ond the Reach of Earth (2023), der zwei­te Teil sei­ner Lightspeed-Tri­lo­gie. Kurz zum Hin­ter­grund: die bei­den gro­ßen Blö­cke, die kapi­ta­lis­ti­sche Alli­ance rund um die USA und die Coor­di­na­ted Sta­tes (Russ­land, Chi­na) haben schon vor eini­gen Jahr­zehn­ten eine Metho­de ent­deckt, um U‑Boote in der Raum­zeit zu bewe­gen und damit fer­ne Ster­ne zu erkun­den. Auf dem erd­ähn­li­chen Stern Apis gibt es gehei­me Basen bei­der Blö­cke. Im ers­ten Teil geht es vor allem dar­um, dass nun auch Wissenschaftler*innen der mehr oder weni­ger kom­mu­nis­ti­schen euro­päi­schen Uni­on (inkl. Schott­land) – MacLeod macht aus sei­nen poli­ti­schen Sym­pa­thien kein Geheim­nis – die­se Tech­no­lo­gie ent­de­cken. Am Schluss stürzt die euro­päi­sche Venus-Kolo­nie ab – und v.a. wer­den intel­li­gen­te Außer­ir­di­sche ent­deckt. Was es mit die­sen auf sich hat, war­um das mit der über­licht­schnel­len Raum­fahrt nicht ganz so ein­fach ist, wie es am Anfang aus­sah, und was euro­päi­sche Siedler*innen so auf Apis erle­ben, davon han­delt Teil II. Beson­ders aktu­ell die Rol­le ver­schie­de­ner Robo­ter und all­ge­gen­wär­ti­ger AI-Sys­tem-Assis­ten­zen. Erfri­schend anders als der Space-Ope­ra-Main­stream, sehr plau­si­bel beschrie­ben und trotz­dem kom­plett abge­dreht – und gera­de des­we­gen lesenswert.

Zum Teil tref­fen die­se Beschrei­bun­gen auch auf Anna­lee Newitz lang erwar­te­tes Buch The Ter­ra­for­mers (2023) zu. In meh­re­ren Zeit­ebe­nen (10.000 Jah­re und ähn­lich gro­ße Zeit­span­nen vom heu­te ent­fernt) erle­ben wir die Besied­lung eines im Auf­trag eines gro­ßen, gala­xien­weit agie­ren­den Kon­zerns ter­ra­form­ten Pla­ne­ten, Wirt­schafts­spio­na­ge, Intri­gen, Auf­stän­de der mehr oder weni­ger Skla­ven-Klo­ne, sehr viel Gen- und Bio­tech­nik und irgend­wie auch eine Uto­pie des ver­netz­ten Zusam­men­le­bens ganz unter­schied­li­cher Lebens­for­men. Das ist alles wun­der­bar aus­ge­dacht – trotz­dem hat mich eini­ges immer wie­der aus dem Lese­fluss gewor­fen; etwa die schon ange­spro­che­nen rie­si­gen Zeit­räu­me, qua­si-unsterb­li­che Per­so­nen, aber auch das das Buch durch­zie­hen­de tie­fen­öko­lo­gi­sche Kon­zept, das alle Lebe­we­sen am gro­ßen Gan­zen teil­ha­ben (und durch eine Art Uplif­ting Intel­li­genz bekom­men). Bei Kühen ist das noch irgend­wie glaub­wür­dig, bei Insek­ten­ko­lo­nien … nicht so? Auf jeden Fall inter­es­sant und beein­dru­ckend, aber kein Buch zum Verlieben. 

Mal­ka Olders The Mimi­cking of Known Suc­ces­ses (2023) hat eben­falls ein inter­es­san­tes Set­ting, kommt aber nicht an ihre Info­mo­cra­cy-Rei­he her­an. Die Erde ist ver­wüs­tet, die Über­le­ben­den haben rund um Jupi­ter ein Eisen­bahn- und Platt­form-Ring­sys­tem auf­ge­baut, auf dem die­ses Buch – zunächst ein Kri­mi­nal­ro­man – spielt. Die Haupt­fi­gu­ren waren mal zusam­men, es gibt poli­ti­sche Bewe­gun­gen, die sich zwi­schen nost­al­gi­scher Bewah­rung der ver­lo­re­nen Erde und Blick nach vor­ne bewe­gen, und ins­ge­samt mag „cozy“ durch­aus eine zutref­fen­de Beschrei­bung sein. Ein recht kur­zes, freund­li­ches Buch (trotz meh­re­rer Todes­fäl­le), eine inno­va­ti­ve Sze­na­rie, aber irgend­wie fehl­te mir etwas.

Anders­her­um ging’s mir mit Greg Egans Sca­le (2022). Hier war ich zwar auf das Set­ting neu­gie­rig – neben­ein­an­der her leben­de und z.T. mit­ein­an­der inter­agie­ren­de Gesell­schaf­ten von Men­schen ganz unter­schied­li­cher Grö­ße, unter The Sci­ence of Sca­le gibt es auf Egans Web­site auch eine Her­lei­tung davon, wie das wis­sen­schaft­lich plau­si­bel gemacht wird; letzt­lich geht es um unter­schied­li­che inner-ato­ma­re Zusam­men­set­zung – neben Elek­tro­nen und Muo­nen gibt es hier gleich acht unter­schied­li­che Lep­to­nen, die jeweils bestimm­te Eigen­schaf­ten haben und v.a. Maßen, die von 1 bis 128 rei­chen. Die Men­schen unter­schied­li­cher Grö­ße bestehen jeweils aus Ato­men, die eine Art von Lep­to­nen bevor­zu­gen, und kom­men ent­spre­chend z.B. auch nur mit Was­ser oder Nah­rungs­mit­teln aus die­ser Zusam­men­set­zung klar. Ent­spre­chend ver­hal­ten sich die Grö­ßen (mir ist nicht ganz klar­ge­wor­den, ob die Kleins­ten zu den Größ­ten hier 1:8, 1:64 oder 1:128 aus­ma­chen, es sind aber beacht­li­che Unter­schie­de). Zugleich ist die Dich­te sehr unter­schied­lich – kleins­te und größ­te Men­schen bestehen aus der glei­chen Zahl von Ato­men, wie­gen also auch „das sel­be“. Zeit läuft für klei­ne­re Men­schen viel schnel­ler ab als für grö­ße­re Men­schen usw. Jeden­falls: das klingt alles erst ein­mal furcht­bar kom­pli­ziert und her­bei­ge­dacht, aber Egan gelingt es, vor die­sem Hin­ter­grund nicht nur einen Kri­mi, son­dern letzt­lich einen Thril­ler und einen Revo­lu­ti­ons­ro­man zu schrei­ben. Das hat mich sehr posi­tiv über­rascht. Wer selbst rein­le­sen möch­te, fin­det den – harm­lo­sen – Anfang auf der oben ver­link­ten Website.

Weni­ger über­zeugt haben mich zwei „klas­si­sche“ SF-Roma­ne. Arkas’d World von James L. Cam­bi­as (2019) spielt auf einem Pla­ne­ten, der ein Geheim­nis birgt, auf dem Wesen aus sehr unter­schied­li­chen – aber doch irgend­wie ste­reo­ty­pen – Ali­en-Kul­tu­ren zusam­men­le­ben; die Mensch­heit ist von einer die­ser Kul­tu­ren unter­wor­fen wor­den, der titel­ge­ben­de Arkad als auf dem Pla­ne­ten gebo­re­ner Mensch auf der Flucht auf die­sem Pla­ne­ten hat etwas von toll­pat­schi­gem Aus­er­wähl­ten. Bis er stirbt und das Gan­ze einen meta­phy­si­schen Drall bekommt. 

Und auch Count to a Tril­li­on von John C. Wright (2011) war dann nicht so ganz meins. Ich glau­be, ich habe irgend­wo Wal­ter Jon Wil­liams und John C. Wright zusam­men­ge­wor­fen und zu einer Per­son gemacht – der­je­ni­ge mit den wirk­lich schlimm reak­tio­nä­ren Ideen ist John C. Wright (sor­ry, W.J. Wil­liams!). Jeden­falls gelingt es ihm, eine weit in der Zukunft lie­gen­de Erde vor­zu­stel­len, in der fast nur Män­ner wich­ti­ge Rol­len spie­len, in der kul­tu­rel­le und eth­ni­sche Unter­schei­dun­gen hoch­ge­hal­ten wer­den, und in der his­to­ri­sche Moden von der Anti­ke über die Kreuz­fah­rer bis zum Cow­boy-Wes­tern wie­der­auf­le­ben, wäh­rend gleich­zei­tig hoch­in­tel­li­gen­te Com­pu­ter­sys­te­me, inter­stel­la­re Raum­schif­fe und die Ver­ar­bei­tung von Anti­ma­te­rie (sowie extrem über­le­ge­ne Außer­ir­di­sche) vor­kom­men. Das mag mal amü­sant sein, aber warm gewor­den bin ich damit nicht, und die Agen­da dahin­ter, ein Zurück zur guten alten Zeit, als Män­ner noch Män­ner und Unter­ta­nen noch Unter­ta­nen waren, gefällt mir über­haupt nicht. 

Kurz: Technomagie

Viel­leicht müs­sen wir in Zukunft ein­fach zwi­schen „Tech­no­lo­gie“ (und Ablei­tun­gen wie „tech­no­lo­gie­of­fen“) einer­seits und „Tech­no­ma­gie“ (ent­spre­chend dann: „tech­no­ma­gie­of­fen“) ande­rer­seits unter­schei­den. In letz­te­re Kate­go­rie fal­len alle Wun­der­tech­no­lo­gien, die ganz kurz vor Voll­endung ste­hen, aber bis­her kei­ne Wir­kung ent­fal­ten kön­nen – Kern­fu­si­on, E‑Fuels, flie­gen­de Autos, die was­ser­stoff­be­trie­be­ne Hei­zung oder auch die wirk­lich den­ken­de KI. Also, kei­ne Wir­kung bis auf die, das Lösen von Pro­ble­men auf über­mor­gen zu ver­schie­ben und im Hier und Jetzt nichts tun zu müssen. 

Bei­spiel­sät­ze:

„Auf ihrem Par­tei­tag beschloss die FDP, sich wei­ter­hin für Tech­no­ma­gie­of­fen­heit einzusetzen.“

„Wind­rä­der, Solar­zel­len und Wär­me­pum­pen sind Zukunfts­tech­no­lo­gien, wäh­rend E‑Fuels noch im Bereich der Tech­no­ma­gie liegen.“

Und mög­li­cher­wei­se – das schmerzt mich als SF-Fan – ist eine Erklä­rung dafür, war­um eine Par­tei so unver­hoh­len auf magi­sches Den­ken setzt, dar­in zu fin­den, dass zwi­schen Sci­ence Fic­tion und Sci­en­ti­fic Liter­acy zu wenig unter­schie­den wird. Nicht alles, was in Roma­nen und Fil­men plau­si­bel und hübsch erscheint, wird irgend­wann Wirk­lich­keit wer­den. Auch, wenn „SF“ auf der Gen­re-Schub­la­de steht. Und nur, weil Clar­ke irgend­wann mal schrieb, „any suf­fi­ci­ent­ly advan­ced tech­no­lo­gy is indis­tin­gu­is­ha­ble from magic“, gilt der Umkehr­schluss halt trotz­dem nicht. Nur, weil etwas magisch funk­tio­nie­ren soll, gibt es noch längst nicht die pas­sen­de fort­ge­schrit­te­ne Tech­no­lo­gie dafür.