In dieser Legislaturperiode wurde das Wahlrecht in Baden-Württemberg geändert – vom bisherigen Einstimmenwahlrecht mit Zweitauszählung zu einem Zweistimmenwahlrecht. Dabei wurde – anders als im aktuellen Bundestagswahlrecht – auf eine Kappung der Ausgleichsmandate oder eine Nichtbesetzung von Direktmandaten verzichtet. Konkret sieht das Wahlrecht in Baden-Württemberg nun so aus:
- Es gibt 70 Wahlkreise, in denen jeweils ein Direktmandat vergeben wird.
- Der Landtag hat eine Sollgröße von 120 Mandaten.
- Die Anzahl der Mandate je Landesliste/Partei wird nach dem Höchstzahlverfahren Sainte-Laguë/Schepers ermittelt, d.h. die erreichten Stimmenzahlen werden für jede Liste der Reihe nach durch 1, 3, 5, … geteilt und das Mandat jeweils der aktuellen Höchstzahl zugewiesen, bis alle Mandate vergeben sind.
- Wenn eine Partei mehr Direktmandate erringt, als ihr demnach zustehen, wird die Landtagsgröße so lange vergrößert, bis alle Mandate ausgeglichen sind.
- Parteien, die weniger als 5 % erreichen, werden bei der landesweiten Mandatsvergabe nicht berücksichtigt; evtl. errungene Direktmandate werden von der Soll-Zahl abgezogen.
- Wenn bei der Verteilung von Ausgleichsmandaten die Höchstzahlen mehrerer Listen beim letzten Sitz gleich sind, erhalten alle einen Sitz.
Dieses Verfahren lässt sich natürlich auch in einen Algorithmus packen. Was ich getan habe – weil die FDP seit Verabschiedung des Wahlrechts durch die Gegend zieht und behauptet, dass der nächste Landtag alle Dimensionen sprengen wird und 200, ja 220 Mandate erhalten wird (Sollzahl wie geschrieben: 120).
Was stimmt: je nachdem, wie viele Listen einziehen und wie sich Direktmandate auf Listen verteilen (genauer: je größer die Diskrepanz zwischen Zweitstimmen und Direktmandaten ist), kann ein sehr großer Landtag herauskommen. Sprich: wenn beispielsweise Grüne 30 Prozent, aber kein einziges Direktmandat erzielen, und entsprechend viele Ausgleichsmandate verteilt werden müssen.
Ist das wahrscheinlich?
Um das zu testen, habe ich einen Rechner gebastelt (der lokal in Javascript läuft, und gerne genutzt werden kann, um selbst verschiedene Szenarien auszuprobieren …).
Wenn das Wahlergebnis 2021 und die damalige Direktmandatsverteilung zugrunde gelegt wird, kommt eine Landtagsgröße von 156 heraus – aktuell hat der Landtag nach altem Wahlrecht 154 Mandate, also ein fast identisches Ergebnis.
Wie sieht es nächstes Jahr im März aus? Was passiert, wenn die AfD viel stärker wird, die Linke einzieht, die FDP (fast) aus dem Landtag fliegt, Grüne Prozente verlieren usw.?
Auch das lässt sich modellieren. Und je nachdem, welche Annahmen über die Verteilung der Direktmandate (Grüne/CDU/AfD) getroffen werden, kann dabei ein Landtag herauskommen, der XXS ist. Beispiel: wenn die SWR-Trend-Werte aus dem Oktober genommen werden, und angenommen wird, dass 35 Direktmandate an die CDU gehen, 20 an Grüne und 15 an die AfD – dann wäre die Landtagsgröße sogar genau bei den 120 Sitzen, die das Wahlsystem vorsieht.
Die selben Prozentwerte, aber jetzt die Annahme, dass 50 Direktmandate auf Grüne entfallen (bei den im BW-Trend Oktober prognostizierten nur 20 Prozent der Stimmen – also ein höchst unwahrscheinliches Ergebnis!), und die restlichen 20 auf die CDU (bei 29 Prozent der Stimmen): und schon ist der Landtag doppelt so groß, und müsste nun 231 Sitze umfassen.
(Oder, um es vollends ins Absurde zu steigern: die BW-Trend-Ergebnisse, FDP landesweit bei 5 Prozent, aber Gewinnerin sämtlicher 70 Direktmandate. Dann hätte der Landtag theoretisch 1279 Sitze. Praktisch haben die Parteien Listen, die bei 70 oder 80 Mandaten enden …)
Jetzt hoffe ich, dass das Wahlergebnis im März aus grüner Sicht besser ausfällt als in dieser Umfrage aus dem Oktober. Auch da gilt: solange Direktmandate und Zweitstimmenergebnisse nicht zu weit auseinander gehen, sind Landtagsgrößen zwischen 130 und 160 Mandaten wahrscheinlich. Das wäre in etwa der Status Quo, ein Landtag in normaler Größe, nicht zu groß und nicht zu klein.
