Bundestag XXS

Wenn dann tat­säch­lich am 23. Febru­ar 2025 gewählt wird, wird dies die ers­te Bun­des­tags­wahl nach dem von der Ampel refor­mier­ten Bun­des­tags­wahl­recht sein. Eck­punk­te die­ses refor­mier­ten Wahl­rechts sind: die Sitz­zahl wird auf 630 fest­ge­legt. Es gibt eine 5%-Hürde (nur Par­tei­en, die bun­des­weit min­des­tens fünf Pro­zent der Zweit­stim­men errei­chen, wer­den berück­sich­tigt) und nach Inter­ven­ti­on des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts eine Grund­man­dats­klau­sel (die 5%-Hürde gilt nur dann, wenn eine Par­tei weni­ger als drei Direkt­man­da­te errun­gen hat). Es gibt 299 Direkt­wahl­krei­se. Die Ober­ver­tei­lung fin­det nach dem bun­des­wei­ten Zweit­stim­men­wahl­er­geb­nis nach Sain­te-Lague statt. Inner­halb einer Par­tei erfolgt eine Unter­ver­tei­lung wie­der­um nach Sain­te-Lague auf die Lan­des­lis­ten je nach Zahl der auf die­se ent­fal­len­den Zweitstimmen.

Neu ist nun das Ver­hält­nis von Direkt­man­da­ten und Zweit­stim­men­sit­zen. Galt bis­her, dass jedes über die Erst­stim­me errun­ge­ne Direkt­man­dat in den Bun­des­tag führt – was auf­grund des (par­ti­el­len) Aus­gleichs der so ent­ste­hen­den Über­hang­man­da­te zur deut­li­chen Ver­grö­ße­rung des Bun­des­tags in den letz­ten Legis­la­tur­pe­ri­oden geführt hat – gilt dies nun nur bis zu der laut Ober- und Unter­ver­tei­lung gege­be­nen Sitz­zahl der Par­tei im jewei­li­gen Bun­des­land. Dies erfolgt nach dem Anteil der Erst­stim­me im Wahl­kreis (die stärks­ten Wahl­krei­se einer Par­tei zie­hen also zuerst ein). Rest­li­che Sit­ze wer­den dann gemäß der Rei­hung auf der Lan­des­lis­te verteilt.

Zudem gibt es Son­der­re­geln: zie­hen Einzelbewerber*innen ein, ver­rin­gert sich die Zahl der nach die­sem Sys­tem zu ver­ge­ben­den Sit­ze ent­spre­chend. Und erringt eine Par­tei die abso­lu­te Mehr­heit der Zweit­stim­men, aber nicht die abso­lu­te Mehr­heit der Sit­ze, erhält die­se zusätz­li­che Sit­ze, bis die Mehr­heit auch der Sit­ze her­ge­stellt ist.

Hat eine Par­tei weni­ger Direktmandate/Listenplätze auf­ge­stellt als ihr nach dem Ergeb­nis zuste­hen, ver­klei­nert sich der Bun­des­tag. Mehr als 630 Sit­ze sind nur mög­lich, wenn der gera­de beschrie­be­ne Fall ein­tritt, dass eine Par­tei die abso­lu­te Mehr­heit der Stim­men erreicht. Damit soll­te die­ses Sys­tem also zu einer effek­ti­ven Kap­pung füh­ren. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat die aus­ge­setz­te Grund­man­dats­klau­sel wie­der ein­ge­setzt (als Zwi­schen­lö­sung bis zu einer Ände­rung der 5%-Hürde), abge­se­hen davon die Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit bestätigt. 

Was sind nun die kon­kre­ten Fol­gen des neu­en Wahl­rechts? Dazu las­sen sich ver­schie­de­ne Modell­rech­nun­gen durch­füh­ren. Zunächst ein­mal neh­me ich dazu das Ergeb­nis der Bun­des­tags­wahl 2021 (ohne Berück­sich­ti­gung der Ände­run­gen durch die Wie­der­ho­lungs­wahl in Ber­lin). „Bun­des­tag XXS“ weiterlesen

Die letzte Woche

Election 2021Ich fin­de Wah­len wich­tig, und ich ver­fol­ge nicht nur die baden-würt­tem­ber­gi­schen und die bun­des­wei­ten Wah­len, son­dern schaue gespannt auch auf die Wah­len in ande­ren Län­dern. Mal mit­fie­bernd und begeis­tert, mal eher ent­täuscht und ent­geis­tert ob der Ent­schei­dung der Wäh­len­den. Wahl­kampf ist dage­gen eher ein not­wen­di­ges Übel – klar, es ist wich­tig, die unter­schied­li­chen Per­so­nen und Posi­tio­nen bekannt zu machen, einen öffent­li­chen Dis­kurs dar­über zu ent­zün­den, zu mobi­li­sie­ren (oder, in Mer­kels Fall: auch mal zu demo­bi­li­sie­ren). Aber Begeis­te­rung lösen Wahl­kämp­fe bei mir nicht aus. 

Die­ser Wahl­kampf geht jetzt in sei­ne letz­te Woche. Am Sonn­tag hat­ten FDP und GRÜNE noch ein­mal Par­tei­ta­ge. Stär­ker als zu ande­ren Zei­ten sind die­se Par­tei­ta­ge Insze­nie­rung. Hier geht es nicht um inner­par­tei­li­che Mei­nungs­bil­dung und auch nicht um inter­ne Ver­net­zung – son­dern schlicht dar­um, noch ein­mal Auf­merk­sam­keit zu bekom­men, um auf den letz­ten Metern Bot­schaf­ten in die Welt sen­den zu kön­nen. In die Welt drau­ßen, um die letz­ten noch unent­schlos­se­nen Wähler*innen zu errei­chen, und in die Welt drin­nen, um Geschlos­sen­heit her­zu­stel­len, den eige­nen Leu­ten zu dan­ken und die­se für den Schluss­sprint zu motivieren. 

Neben­bei: was ich an mei­ner Par­tei mag, ist die Tat­sa­che, dass wir auch im Gegen­wind und im Regen soli­da­risch blei­ben. Die Umfra­ge­wer­te sahen schon mal bes­ser aus, und die Angrif­fe auf die Per­son der Kanz­ler­kan­di­da­tin zu Beginn des Wahl­kampfs haben die Wahr­neh­mung von Anna­le­na Baer­bock in der Öffent­lich­keit nach­hal­tig beein­träch­tigt. Klar gab es eige­ne Feh­ler. Aber es fällt doch auf, mit was für unter­schied­li­chen Maß­stä­ben da teil­wei­se gemes­sen wird. Und wie immer wie­der die sel­ben Geschich­ten erzählt wur­den. Gegen die­se vor­her gefass­ten Urtei­le kom­men ihre extrem star­ken, kom­pe­ten­ten und empa­thi­schen Auf­trit­te in den Tri­el­len und auf den Markt­plät­zen nur schwer an. Das ist ein Wahl­kampf mit Gegen­wind und Regen­schau­ern. Und genau da fin­de ich es wich­tig, dass wir als Par­tei Hal­tung bewah­ren, dass wir wei­ter kämp­fen und alles dafür geben, zu über­zeu­gen. Nicht als Par­tei­sol­da­ten­tum, bei dem schön gere­det wird, aber eben auch nicht – da bli­cke ich auf die Uni­on – als Weg­rü­cken vom eige­nen Kan­di­da­ten. Und ich jeden­falls erle­be uns als eine Par­tei, in der Soli­da­ri­tät und Geschlos­sen­heit gelebt werden.

Ich mag Wahl­kämp­fe nicht, vor allem da nicht, wo sie – not­wen­di­ges Übel – in Rich­tung Show und Wer­bung abdrif­ten. In mei­ner nai­ven Ide­al­vor­stel­lung ent­schei­den Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler danach, wel­che poli­ti­schen Vor­ha­ben und wel­che Per­so­nen sie über­zeu­gen. Wahl­kampf erscheint mir all zu oft als ein Ver­such, das zu ver­ne­beln. Nicht umsonst erin­nern die Pla­kat­wän­de an die fal­schen Haus­fas­sa­den einer Wild­west­stadt, die nach Ende des Film­drehs zusam­men­ge­klappt und weg­ge­räumt wer­den. Natür­lich ver­mit­teln Pla­ka­te und Auf­trit­te ein Image. Natür­lich geht es dar­um, eine Geschich­te zu erzäh­len und zu hof­fen, dass ande­re mit­ma­chen und die­se Geschich­te eben­falls erzäh­len. Und die Instru­men­te, die ver­su­chen, Par­tei­pro­gram­me run­ter­zu­bre­chen, wie etwa der Wahl-o-mat, sind dann schnell unter­kom­plex. Ganz so ein­fach ist es mit dem Fokus auf die Inhal­te also auch nicht. Trotz­dem bin ich über­zeugt davon, dass ein kür­ze­rer und fokus­sier­te­rer Wahl­kampf die­ser Repu­blik gut tun würde.

Die Legis­la­tur­pe­ri­ode des Bun­des­tags dau­ert vier Jah­re, das sind 48 Mona­te. Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen und die Bil­dung einer Regie­rung neh­men inzwi­schen ger­ne ein hal­bes Jahr ein, blei­ben 42 Mona­te. Die Zeit, in der Poli­tik in Wahl­kampf kippt, ist je nach Par­tei unter­schied­lich. Das Par­tei­pro­gramm wur­de im Juni beschlos­sen – vier Mona­te vor der Wahl. Die Ent­schei­dung über die Kanz­ler­kan­di­da­tin fiel im April und der Pro­gramm­ent­wurf wur­de bereits im März vor­ge­stellt, damit sind wir schon sie­ben Mona­te vor der Wahl. Schon davor wur­de in den Par­tei­gre­mi­en dar­an gear­bei­tet, und mit den ers­ten Über­le­gun­gen für Lis­ten­kan­di­da­tu­ren sowie dann den ers­ten Lis­ten­wah­len in den Län­dern sind wir im Herbst und Win­ter 2020/2021. Net­to blei­ben viel­leicht 34, 35, 36 Mona­te, alle übri­gen Wah­len und Wahl­kämp­fe mal außen vor gelas­sen. So rich­tig viel Zeit ist das nicht.

Aber viel­leicht ist die­se Tren­nung ja auch eine künst­li­che. Viel­leicht wür­de ein kür­zer „ech­ter“ Wahl­kampf nur dazu füh­ren, dass die eigent­li­che par­la­men­ta­ri­sche Arbeit stär­ker als jetzt schon zu einem Wahl­kampf in Per­ma­nenz wird, immer dar­auf bedacht, viel zu versprechen.

Die­se Wahl ist eine ande­re als frü­he­re Wah­len. Es ist die ers­te Bun­des­tags­wahl, die auf­grund der Coro­na-Bedin­gun­gen und der Erfah­run­gen bei der Euro­pa­wahl und bei den Land­tags­wah­len eine hohe Zahl an Briefwähler*innen mit sich brin­gen wird. Und es ist, dar­über wur­de viel geschrie­ben, eine Wahl, in der die Kanz­le­rin nicht antritt. Und es ist die ers­te Wahl, in der die Kli­ma­kri­se rich­tig spür­bar ist. 

Dazu kom­men die kon­train­tui­ti­ven Ele­men­te des Wahl­rechts. Mög­li­cher­wei­se wird die­ser Bun­des­tag so groß wie nie zuvor, und mög­li­cher­wei­se führt das Zusam­men­spiel von Direkt­man­da­ten und Aus­gleich- und Über­hangs­man­da­ten gera­de bei einem schwä­che­ren grü­nen Ergeb­nis zu einer (in abso­lu­ten Zah­len) extrem gro­ßen grü­nen Frak­ti­on. Das dürf­te die Kandidat*innen auf den hin­te­ren Lis­ten­plät­zen freu­en – zur Arbeits­fä­hig­keit des Bun­des­tags trägt es nicht bei, und für eine star­ke grü­ne Regie­rungs­be­tei­li­gung ist eben­falls die rela­ti­ve Stär­ke wichtiger. 

Ob unter die­sen Bedin­gun­gen die alten Weis­hei­ten noch gel­ten – dass Wäh­len­de sich erst kurz vor dem Wahl­tag ent­schei­den; all das, was die Poli­tik­wis­sen­schaft über die Dyna­mik von Umfra­gen und Wahl­er­geb­nis­sen weiß – ist unklar. Ich jeden­falls bin extrem gespannt, was der nächs­te Sonn­tag für ein Ergeb­nis brin­gen wird, und was die Par­tei­en dann dar­aus machen wer­den. Allem Hadern mit „fal­schen“ Wahl­ent­schei­dun­gen und allen Unzu­läng­lich­kei­ten des Wahl­sys­tems zum Trotz bin ich froh, in einem Land zu leben, in dem es eine ech­te Aus­wahl gibt, in dem Wah­len frei, gleich und geheim sind. Kämp­fen wir jetzt mit Über­zeu­gung und schau­en dem Sonn­tag mit Gelas­sen­heit entgegen.

Fünf Wahrheiten zur Bundestagswahl

1. Wenn die letz­ten Wah­len eines gezeigt haben, dann das: jede Stim­me kann einen Unter­schied machen. Wer nicht zur Wahl geht, senkt nicht nur die Fünf-Pro­zent-Hür­de, son­dern darf sich dann hin­ter­her auch nicht ärgern, wenn’s irgend­wo knapp war und „falsch“ aus­ging. Und es macht einen Unter­schied, wie die Mehr­heits­ver­hält­nis­se im Par­la­ment aus­se­hen. Das gilt umso mehr für den Bun­des­tag, der bei­spiels­wei­se Rede­zeit im Ver­hält­nis zur Frak­ti­ons­grö­ße ver­gibt. Außer­dem: Aus Lan­des­po­li­tik­sicht sehe ich immer wie­der, wo wir an Gren­zen sto­ßen, weil die Geset­zes­la­ge auf Bun­des­ebe­ne pro­ble­ma­tisch ist. Die kann nur der Bun­des­tag ändern. Also: am 24.9. zur Wahl gehen!

2. Es stimmt, dass es sehr wahr­schein­lich ist, dass Ange­la Mer­kel Kanz­le­rin bleibt. Die letz­ten Jah­re haben aller­dings auch die Gren­zen der Demo­sko­pie gezeigt – wie es wirk­lich um die Mehr­hei­ten steht, seht ihr erst, wenn das Licht im ARD-Wahl­stu­dio angeht. Die demo­sko­pi­schen Über­ra­schun­gen der letz­ten Jah­ren gin­gen alle nach rechts – inso­fern bin ich per­sön­lich sehr skep­tisch, dass es einen rot-rot-grü­nen Über­ra­schungs­sieg gibt oder dass die SPD stärks­te Par­tei wird. Trotz­dem: auch hier zählt jede Stim­me. Selbst wenn Mer­kel Kanz­le­rin bleibt, ist es umso wich­ti­ger, mit wem sie regiert. Denn auch das macht einen spür­ba­ren Unterschied.

3. Zu den demo­sko­pi­sche Wahr­schein­lich­kei­ten gehört auch der Ein­zug der AfD – in den Umfra­gen der­zeit mit rund zehn Pro­zent, mög­li­cher­wei­se mit Dun­kel­zif­fer und am Wahl­abend dann noch höher. Die AfD ent­puppt sich immer mehr als Nazi­par­tei. Und es lässt sich – abhän­gig von den Umfra­ge­er­geb­nis­sen – rela­tiv gut vor­her­sa­gen, wel­che Per­so­nen im nächs­ten Bun­des­tag sit­zen wer­den. Wer sich hier die wahr­schein­li­chen AfD-MdBs mal näher anschaut, fin­det bei zehn Pro­zent 28 Rechts­ra­di­ka­le, die dann dem­nächst im Bun­des­tag reden dür­fen und Oppo­si­ti­ons­po­li­tik bestim­men. Jede Stim­me für eine ande­re Par­tei senkt den Stim­men­an­teil der AfD – auch des­we­gen: wäh­len gehen!

4. Die­ses Jahr tre­ten dut­zen­de Kleinst­par­tei­en zur Wahl an. Eini­ge davon sind noch sicht­ba­rer rechts­ra­di­kal als die AfD, ande­re wir­ken ganz sym­pa­thisch. Wer sich dafür ent­schei­det, eine der Kleinst­par­tei­en zu wäh­len, muss aller­dings wis­sen, dass er oder sie damit sei­nen Ein­fluss auf die tat­säch­li­che Zusam­men­set­zung des Bun­des­tags abgibt. Das liegt an der Fünf-Pro­zent-Hür­de, die nun ein­mal da ist. „Sons­ti­ge“ wer­den nicht berück­sich­tigt, wenn es um Sit­ze im Bun­des­tag geht. Inso­fern ist eine Stim­me für eine Kleinst­par­tei bes­ser als Nicht­wäh­len, aber doch eine ver­schenk­te Stim­me. Das Grund­ein­kom­men wird eher dis­ku­tiert wer­den, wenn Grü­ne und Lin­ke stark wer­den, die ent­spre­chen­de Pas­sa­gen in ihren Pro­gram­men haben. Tier­schutz ist im Bun­des­tag seit Jah­ren ein zen­tra­les grü­nes Anlie­gen und steht auch dies­mal weit vor­ne im Pro­gramm. Und Sati­re funk­tio­niert bes­ser, wenn Come­di­ans nicht im Bun­des­tag sit­zen, son­dern mit Distanz von außen drauf schau­en. Mei­ne ich jedenfalls.

5. Wer mit­ent­schei­den möch­te, wie der Bun­des­tag zusam­men­ge­setzt ist, soll­te also eine der „grö­ße­ren“ Par­tei­en wäh­len. Dass ich dabei für Grün plä­die­re, dürf­te nie­mand über­ra­schen. Wer noch nicht über­zeugt ist, dem emp­feh­le ich das grü­ne Wahl­pro­gramm. Und wir mei­nen das ernst. Wir stel­len Umwelt und Kli­ma­schutz, gesun­de Natur und Tier­schutz ganz vor­ne hin. (Ich bin immer wie­der ver­wun­dert, dass For­de­run­gen wie die nach dem Abschal­ten der zwan­zig dre­ckigs­ten Koh­le­kraft­wer­ke oder nach einem Ver­kaufs­ver­bot für Ver­bren­nungs­mo­to­ren ab 2030 schein­bar nicht ernst genom­men wer­den, und abge­wun­ken wird. Wir sind da fest ent­schlos­sen!) Wir haben „Umwelt im Kopf“ und gleich­zei­tig die „Welt im Blick“ – auch als ein­zi­ge Par­tei, die sich offen­siv zu Euro­pa bekennt, und die Flucht­ur­sa­chen und nicht Flücht­lin­ge bekämp­fen will. Die drit­te gro­ße Über­schrift im Pro­gramm heißt „Frei­heit im Her­zen“, und auch, wenn wir das in die­sem Wahl­kampf nicht offen­siv nach vor­ne stel­len, sind und blei­ben Bünd­nis 90/Die Grü­nen Bür­ger­rechts­par­tei mit allem, was dazu gehört. „Gerech­tig­keit im Sinn“: auch das glau­ben man­che nicht – aber es lohnt sich, auf grü­ne Kon­zep­te und Ideen zu schau­en, um Kin­der­ar­mut zu bekämp­fen, Bil­dung und Hoch­schu­len aus­zu­bau­en und bes­ser zu machen, und um end­lich den Ein­stieg in die Bür­ger­ver­si­che­rung zu wagen. Das ist ein Paket, dass es so bei kei­ner ande­ren Par­tei gibt. Wer Deutsch­land öko­lo­gisch und sozi­al vor­an brin­gen möch­te, eine pro­gres­si­ve und offe­ne Gesell­schaft möch­te – ist bei Grü­nen rich­tig. Und soll­te dar­um grün wäh­len am 24. September!

P.S.: Dass es dabei auf die Zweit­stim­me ankommt, muss ich nicht extra dazu sagen, oder? Auch ein star­kes Erst­stim­men­er­geb­nis ist groß­ar­tig, und in eini­gen Wahl­krei­sen könn­te es klap­pen mit grü­nen Direkt­man­da­ten – aber die Mehr­heits­ver­hält­nis­se im Bun­des­tag sind inzwi­schen weit­ge­hend unab­hän­gig von den Direkt­man­da­ten. Des­we­gen kommt es auf die Zweit­stim­me an.

Die Folgen von Abstimmungen

The red door

Ein Land im Schluss­ver­kauf – und eine Ent­schei­dung, die schwer zu ver­ste­hen ist. Wenn ich mich etwas beei­le, schaf­fe ich es in den nächs­ten zwei Jah­ren doch noch, Urlaub in Groß­bri­tan­ni­en zu machen, solan­ge das Ver­ei­nig­te König­reich noch Mit­glied der EU ist, und Frei­zü­gig­keit etc. gel­ten. Es sei denn, die Per­so­nen­frei­zü­gig­keit schafft die EU vor­her ab. Grenz­kon­trol­len sind ja auch inner­halb der Uni­on wie­der groß im Kommen.

Das Ver­ei­nig­te König­reich trat 1973 der EU bei – zwei Jah­re vor mei­ner Geburt. Für mich gehör­te es zu den All­täg­lich­kei­ten der Welt, mit denen ich auf­ge­wach­sen bin, dass die gro­ße Insel im Atlan­tik ein Teil der Euro­päi­schen Uni­on ist. Und auch, wenn ich bis­her erst zwei­mal dort war (ein­mal Schü­ler­aus­tausch, ein­mal eine wis­sen­schaft­li­che Kon­fe­renz), erscheint Groß­bri­tan­ni­en mir – mit all sei­nen Beson­der­hei­ten, sei­nem selt­sa­men Wahl­recht und dem Königs­haus – ver­traut. Egal, ob Sci­ence Fic­tion oder Pop Kul­tur, poli­ti­sche Theo­rie oder schwar­zer Humor, geleb­te Mul­ti­kul­tur oder Land­schafts­ar­che­ty­pen – mein Kom­pass zeig­te und zeigt zu den Briten.

Ent­spre­chend fin­de ich die Brexit-Ent­schei­dung doch recht trau­rig und unüber­legt. Ins­be­son­de­re kann ich nicht so recht nach­voll­zie­hen, was die 52 Pro­zent der Brit*innen, die für den Aus­stieg aus der EU gestimmt haben, dabei für Moti­ve hat­ten. Das ist den abge­ge­be­nen Stim­men ja hin­ter­her nicht mehr anzu­se­hen. Von dem, was bei mir ankam, war „Lea­ve“ vor allem auch eine rechts­po­pu­lis­ti­sche, natio­na­lis­ti­sche Kam­pa­gne, die vor der Ver­brei­tung von Unwahr­hei­ten nicht zurück­ge­schreckt ist, egal ob es um die Finanz­strö­me oder um Migra­ti­on ging. 52 Pro­zent für ein UKIP-Pro­jekt? Das lässt noch Düs­te­rers ahnen. 

„Die Fol­gen von Abstim­mun­gen“ weiterlesen

Der Fünf-Prozent-Hebel

Mit der Fünf-Pro­zent-Hür­de ist das so eine Sache. Der­zeit gibt es eine gan­ze Rei­he von Land­tags­wahl­um­fra­gen in den ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern, in denen zwei oder sogar drei Par­tei­en bei fünf Pro­zent lie­gen. Am Bei­spiel der jüngs­ten Baden-Würt­tem­berg-Umfra­ge lässt sich die Hebel­wir­kung der Fünf-Pro­zent-Hür­de gut darstellen. 

Vor­ne­weg: Ich bin auch nach den neus­ten Zah­len ziem­lich zuver­sicht­lich, dass wir im März 2016 eine Fort­set­zung von Grün-Rot hin­krie­gen. Lan­des­re­gie­rung und Minis­ter­prä­si­dent haben hohe Zustim­mungs­wer­te, der CDU-Kan­di­dat zieht nicht – und wenn wir es schaf­fen, bis zum Wahl­tag zu ver­mit­teln, dass es not­wen­dig ist, die loka­len Kan­di­da­tIn­nen von Grü­nen (oder zur Not der SPD) zu wäh­len, um Baden-Würt­tem­berg wei­ter zu moder­ni­sie­ren, dann klappt es auch.

Aber jetzt zu den aktu­el­len Zahlen:

CDU – 39 Prozent
GRÜNE – 26 Prozent
SPD – 17 Prozent
FDP – 5 Prozent
AFD – 5 Prozent
LINKE – 4 Prozent

CDU und FDP kämen dem­nach auf 44 Pro­zent, GRÜNE und SPD auf 43 Pro­zent. Koali­tio­nen mit der AFD sind hof­fent­lich aus­ge­schlos­sen. Rea­lis­tisch wäre also eine der bei­den lager­über­grei­fen­den Koalitionen.

Wenn die AFD nicht bei 5,0 Pro­zent, son­dern bei 4,95 Pro­zent liegt, sieht es ganz anders aus – dann hät­te Schwarz-Gelb ver­mut­lich eine knap­pe Mehr­heit (je nach­dem, wie sich Pro­zen­te in Sit­ze umrech­nen, aber das ist eine ande­re Frage).

Anders­her­um: AFD bei 5,0 Pro­zent, FDP bei 4,95 Pro­zent. Grün-Rot läge zwar vor der CDU, hät­te aber kei­ne Mehr­heit – sie­he oben.

AFD und FDP bei­de bei 4,95 Pro­zent – und eine Ver­än­de­rung von nur 0,1 Pro­zent­punk­ten führt plötz­lich zu einer kla­ren grün-roten Mehr­heit im Landtag.

Die­ses Rechen­spiel lie­ße sich unter Ein­be­zie­hung der LINKEN belie­big fortsetzen.

Was ich sagen will: solan­ge es eine Fünf-Pro­zent-Hür­de gibt, rei­chen ganz weni­ge Pro­zent­punk­te aus, um die Mehr­heits­bil­dung fun­da­men­tal zu ver­än­dern. Je nied­ri­ger die­se Hür­de wäre, des­to gerin­ger wür­de die­se Hebel­wir­kung ausfallen.

Mit Blick auf den wei­te­ren Moder­ni­sie­rungs­be­darf in Baden-Würt­tem­berg kann die Fünf-Pro­zent-Hür­de sich als hilf­rei­ches Instru­ment ent­pup­pen. Bes­ser und ehr­li­cher wäre eine grün-rote Mehr­heit, die nicht von der­ar­ti­gen Unwäg­bar­kei­ten abhängt. Und dafür müs­sen wir GRÜNE, aber auch die SPD, bis zum Wahl­tag noch ein biss­chen zule­gen. Ich bin zuver­sicht­lich, dass wir das hinkriegen.

War­um blog­ge ich das? Weil es am 13. März 2016 auf jede Stim­me ankom­men wird.