NRW: die Extremparteien und die Koalition

Es scheint sich evtl. doch noch ein klei­nes biß­chen was zu bewe­gen in NRW. Wir erin­nern uns: nach all­ge­mei­ner Opti­ons­re­duk­ti­on und einer Wahl, die kei­ne Mehr­heit für schwarz-gelb, schwarz-grün oder rot-grün mit sich brach­te, sah es am Mor­gen nach der Land­tags­wahl so aus, als wären nur die Optio­nen „gro­ße Koali­ti­on“ und „rot-grün-rot“ mög­lich (sie­he auch Anmer­kun­gen zur Wahl in NRW). Rech­ne­risch wei­te­re Mög­lich­kei­ten (wie etwa schwarz-links-gelb) erschie­nen als hoch­gra­dig unwahrscheinlich.

Am Wahl­abend klang die FDP noch so, als wür­de sie an ihrem gene­rel­len Aus­schluss einer Ampel-Koali­ti­on fest­hal­ten:

„Wir haben vor der Wahl gesagt, dass wir nicht bereit sind mit Par­tei­en zu koalie­ren, die sich eine Opti­on auf die Lin­ken offen­hal­ten“, sag­te Lan­des­chef Andre­as Pink­wart. Ein Aus­schluss – so zumin­dest die all­ge­mei­ne Interpretation. 

Neben­bei bemerkt: eine ganz schön haar­sträu­ben­de Begrün­dung dafür, sich nicht auf Son­die­run­gen einzulassen.

Inzwi­schen wird deut­lich, dass die FDP unter Umstän­den doch noch bereit wäre, zumin­dest mal zu ver­han­deln. Dar­über berich­ten die Ruhr­ba­ro­ne. Aller­dings bleibt es beim Haaresträuben: 

Die FDP will mit der SPD spre­chen. Und stellt dafür Bedin­gun­gen. Die gel­ben gro­ßen Wahl­ver­lie­rer im Land sind bereit zu Son­die­rungs­ge­sprä­chen mit Grü­nen und Sozen – aber nur, wenn mit ihnen zuerst gespro­chen wird. 

Eh, ja. Am bes­ten viel­leicht noch die Bedin­gung, dass Grü­ne und SPD nie einem Mit­glie­der der LINKEN im Land­tag die Hand schüt­teln dür­fen, wenn die FDP mit ihnen ver­han­deln soll? Oder SPD-nah aus­ge­drückt:

„Die 6,7%-Partei will also der 34,5%-Partei und der 12,1%-Partei sagen wo es lang geht. #wahn­sinn #fb“

Ich bin gespannt, wie es mit dem lang­sa­men Rea­li­sie­ren der Macht­op­ti­on Ampel wei­ter­geht. Gepo­kert wird hier auf jeden Fall hoch – von allen Seiten.

Wer aber sind nun die kleinen Extremparteien?

„NRW: die Extrem­par­tei­en und die Koali­ti­on“ weiterlesen

Kurz: der EU-Profiler

eu-profilerEs gibt ja eini­ge Zwei-Ach­sen-Poli­tik­sor­tie­rer. Die Euro­pa­wah­len sind schon fast ein Jahr vor­bei, trotz­dem ist mir der EU-Pro­fi­ler erst heu­te über den Weg gelau­fen. Der unter ande­rem von der Frei­en Uni­ver­si­tät Ams­ter­dam ent­wi­ckel­te Pro­fi­ler adap­tiert das Sys­tem, über eini­ge Fra­gen zum poli­ti­schen Stand­punkt eine poli­ti­sche Ein­ord­nung auf zwei Dimen­sio­nen hin­zu­krie­gen, für die EU. Die Ach­sen sind dem­entspre­chend „sozio­öko­no­misch links/rechts“ und „für/gegen die euro­päi­sche Inte­gra­ti­on“. Mein links­grü­nes Ergeb­nis ist links zu sehen (ankli­cken zum Ver­grö­ßern) – noch span­nen­der als mei­ne eige­ne Posi­ti­on fin­de ich aber die vie­len Kon­fet­ti-Punk­te. Die ste­hen näm­lich für die Posi­tio­nie­rung ein­zel­ner Par­tei­en – z.B. für die ver­schie­de­nen grü­nen Par­tei­en in Euro­pa. Und da gibt’s zwar ein kla­res Clus­ter (eher links, stark pro-euro­pä­isch) – aber auch ziem­lich star­ke Abwei­chun­gen. Und bei den ande­ren Par­tei­en sieht’s nicht bes­ser aus.

Kurz: Wahlkampf 2.0 der Parteien

Wie der Wahl­kampf 2.0 der Par­tei­en wirk­lich aussieht:

CDU/CSU: Hmm, kei­ne Ahnung. Machen Wahl­kampf wie immer und wün­schen sich die „hei­le“ Welt mit der „hei­len“ Fami­lie zurück. Ist eh nicht die Ziel­grup­pe. Oder so. (Na gut: unbe­zahl­te Prak­ti­kan­tIn­nen pfle­gen die Pro­fi­le).

SPD: Fällt dadurch auf, dass die Behör­den­bü­ro­kra­tie im Wil­ly-Brandt-Haus mit allen inno­va­ti­ven Ansät­zen kol­li­diert.

FDP: Ver­steht dar­un­ter drei Mil­lio­nen SPAM-Emails (wirk­lich wahr!).

LINKE: Sie­he CDU/CSU.

PIRATEN: Spie­len Wahl­kampf als Aug­men­ted Rea­li­ty Game.

GRÜNE: Kom­mu­ni­zie­ren drei Tage lan­ge im Wahl­kampf­end­spurt, was das Zeug hält.

Objektive Ästhetik im Freiburger Wahlkampf

Ein zen­tra­les Wahl­kampf­werk­zeug ist das Pla­kat. Im Kom­mu­nal­wahl­kampf ent­fal­tet sich hier die freie Krea­ti­vi­tät, weit­ge­hend ohne Bin­dung an zen­tra­le Vor­ga­ben. Umso wich­ti­ger ist es, einen neu­tra­len Über­blick dar­über zu bekom­men. Des­we­gen hat eine unab­hän­gi­ge Jury – d.h. ich – alle im Frei­bur­ger Stadt­bild hän­gen­den Wahl­kampf­pla­ka­te gesich­tet und anhand der objek­ti­ven Kri­te­ri­en Ästhe­tik, Ori­gi­na­li­tät, Gene­rie­rung von Auf­merk­sam­keit, kom­men Inhal­te rüber, kom­men Per­so­nen rüber, und wie oft hängt das über­haupt bewer­tet. Das Ergeb­nis erstaunt – Lin­ke Lis­te und gleich danach die CDU füh­ren an. Eine Par­tei oder Lis­te, die mir – nur anhand der Pla­ka­te beur­teilt, ver­steht sich – wirk­lich gut gefällt, habe ich aller­dings nicht gefunden.

Alle Ergeb­nis­se nach dem Klick: „Objek­ti­ve Ästhe­tik im Frei­bur­ger Wahl­kampf“ weiterlesen

Kurz: Hessischer Landtag schafft Studiengebühren wieder ab (Update 6: Gesetz unterzeichnet)

Lecture on body(less) sociology
Bei­spiel­fo­to „hes­si­sche Hoch­schu­le“, hier: Kassel

Nicht nur das Akti­ons­bünd­nis gegen Stu­di­en­ge­büh­ren freut sich: der hes­si­sche Land­tag hat heu­te mit den Stim­men von SPD, Links­par­tei und Grü­nen – also der fak­tisch vor­han­de­nen lin­ken Mehr­heit, die aber lei­der nicht kon­sti­tu­tiert wer­den darf – die Stu­di­en­ge­büh­ren abge­schafft (und zwar sowohl die Lang­zeit­stu­di­en­ge­büh­ren, die es bis vor einem Jahr gab, als auch die direk­ten Stu­di­en­ge­büh­ren). Und anders als der Ham­bur­ger Kom­pro­miss zwi­schen CDU und Grü­nen ist es auch kei­ne Ver­la­ge­rung der Gebüh­ren nach das Stu­di­um, son­dern ein ech­tes Ende der Gebüh­ren. Gleich­zei­tig soll sicher­ge­stellt sein, dass die Hoch­schu­len trotz­dem nicht mit weni­ger Geld rech­nen müs­sen (das macht eini­ge skeptisch).

Inter­es­sant dürf­te nun sein, ob das Geset­ze­ma­chen mit wech­seln­den Mehr­hei­ten in Hes­sen funk­tio­niert – das Gesetz umset­zen muss ja nach wie vor die CDU-Regie­rung. Wenn ja, wäre es nicht nur ein gutes Signal für eine soli­da­ri­sche­re Hoch­schul­po­li­tik, son­dern auch ein inter­es­san­ter Schritt auf dem Weg hin zu einem prag­ma­ti­sche­ren Umgang mit Par­tei­gren­zen und Koalitionen.

Update: (5.6.2008) Gra­de schrei­be ich noch von der inter­es­san­ten Fra­ge, wie die geschäfts­füh­ren­de CDU-Regie­rung das Gesetz den wohl umset­zen will, da erreicht mich die Nach­richt vom „Eklat im hes­si­schen Land­tag“ – der geschäfts­füh­ren­de Minis­ter­prä­si­dent Koch meu­tert und beruft sich auf Form­feh­ler. Anders gesagt: Poli­ti­ken der wech­seln­den Mehr­hei­ten schei­nen mit Minis­ter­prä­si­den­ten nicht so recht zu funktionieren.

Update 2: (6.6.2008) Der Grund, war­um Koch das Gesetz nicht unter­schrei­ben will, ist aller­dings auch inter­es­sant und wirft kein gutes Licht auf die hand­werk­li­chen Fähig­kei­ten der AutorIn­nen des Geset­zes – die zen­tra­le Aus­sa­ge zu ver­ges­sen bzw. miss­ver­ständ­lich zu for­mu­lie­ren, muss nicht sein. Hof­fen wir also, dass das Gesetz nach­ge­bes­sert wird und Koch dann kei­nen wei­te­ren Grund hat, es nicht zu unterschreiben.

Update 3: (11.6.2008) Par­al­lel zum poli­ti­schen Pro­zess gab’s auch den Ver­such, die Stu­di­en­ge­büh­ren mit Ver­weis auf die in der hes­si­schen Lan­des­ver­fas­sung ver­an­ker­te Schul­geld­frei­heit juris­tisch zu bekämp­fen – das ist, mit einem augen­schein­lich poli­tisch moti­vier­ten 6:5‑Urteil des Lan­des­ver­fas­sungs­ge­richts – gera­de geschei­tert. Bleibt der poli­ti­sche Weg, der im zwei­ten Anlauf dann viel­leicht auch mal klappt.

Update 4: (17.6.2008) Mit der erneu­ten Abstim­mung schei­nen die Stu­di­en­ge­büh­ren jetzt end­gül­tig abge­schafft (wann Koch unter­schreibt, weiss ich aller­dings auch nicht). Spie­gel Online berich­tet vom Ende der „Part­ner­schaft zwi­schen Par­la­ment und Regie­rung“ – jetzt wird’s wohl um Neu­wah­len oder eine knap­pe rot-grün-rote Mehr­heit gehen.

Update 5: Die Tages­schau ver­knüpft die Hes­sen­fra­ge nicht mit der hes­si­schen Macht­po­li­tik, son­dern mit dem Hin­weis dar­auf, dass CDU und Grü­ne im Senat in Ham­burg wohl inzwi­schen die Grund­zü­ge der dor­ti­gen nach­ge­la­ger­ten 375-Euro-Gebüh­ren beschlos­sen haben. Als eines der aus grü­ner Sicht wich­tigs­ten Geset­zes­vor­ha­ben aus dem Koali­ti­ons­ver­trag bleibt abzu­war­ten, wie gut das unter schwar­zer Feder­füh­rung tat­säch­lich gelingt.

Update 6: (3.7.2008) Hes­sen: Gesetz unter­zeich­net, Haus­halts­sper­re ver­hängt.