Kann Konsum nachhaltig sein?

Hype drink mix

Ich war ges­tern und vor­ges­tern auf einer klei­nen, aber fei­nen Fach­ta­gung in Mün­chen, orga­ni­siert von Claus Tul­ly vom Deut­schen Jugend­in­sti­tut e.V. und von Mat­thi­as Groß als Spre­cher der Sek­ti­on Umwelt­so­zio­lo­gie der Deut­schen Gesell­schaft für Sozio­lo­gie. In den Vor­trä­gen ging’s um das The­ma „Kon­sum und Nach­hal­tig­keit“ – in etwa der Hälf­te der Vor­trä­ge mit einem Bezug zu Schul­pro­jek­ten. Ich selbst habe was pra­xis­theo­re­ti­sches zu den Mög­lich­kei­ten und Gren­zen „grü­ne­ren Tele­fo­nie­rens“ vorgetragen.

Nicht zuletzt aus Zeit­grün­den will ich aber gar kei­nen Tagungs­be­richt schrei­ben, son­dern nur auf vier inter­es­san­te Ideen hinweisen:

1. Prak­ti­ken ändern, indem vor­ge­la­ger­te Ket­ten und Kon­text­be­din­gun­gen ver­än­dert wer­den. Pra­xis­theo­rie scheint ja zunächst ein­mal einen Fokus auf indi­vi­du­el­les Han­deln zu legen. Bei genaue­rer Betrach­tung rücken in einer pra­xis­theo­re­ti­schen Per­spek­ti­ve aber schnell die „sys­tems of pro­vi­si­on“ (Sho­ve) ins Blick­feld. Ich habe – vor allem auch nach einer schö­nen Zusam­men­fas­sung der pra­xis­theo­re­ti­schen Per­spek­ti­ve in der Umwelt­so­zio­lo­gie durch Karl-Wer­ner Brand – den Ein­druck, dass Inter­ven­tio­nen in Rich­tung „nach­hal­ti­ger Kon­sum“ erfolg­rei­cher sind, wenn sie gar nicht an den (Konsum-)Praktiken anset­zen, son­dern vor­her, also an den Ket­ten und Kon­tex­ten. Auch dazu müs­sen „win­dows of oppor­tu­ni­ty“ da sein und genutzt wer­den. Ein Bei­spiel ist die BSE-Kri­se: die hat zwar auch dazu geführt, dass ein paar Mona­te lang weni­ger Rind­fleisch ver­zehrt wur­de – sie hat aber vor allem dazu geführt, dass das „sys­tem of pro­vi­si­on“ der Land­wirt­schaft so umge­baut wur­de, dass eine über die vor­he­ri­ge klei­ne Nische hin­aus­ge­hen­de Bio­pro­duk­ti­on mög­lich wur­de (also die Kün­ast-Agrar­wen­de-Poli­tik). Kon­sum­prak­ti­ken haben sich dann an die­se neue Situa­ti­on ange­passt (weil wir das mit unse­ren Prak­ti­ken immer machen) – und das in einer sta­bi­le­ren Form.

2. Lie­ber Kon­sum als Nach­hal­tig­keit? Kai-Uwe Hell­mann war ein­ge­la­den, um eine pro­vo­kan­te Key­note zu hal­ten, und hat das im Sinn der „Ver­un­si­che­rungs­wis­sen­schaft“ auch gut hin­ge­kriegt. Sei­ne Argu­men­ta­ti­on war so etwa: „Nach­hal­ti­ger Kon­sum“ schaut ers­tens immer nur auf die dunk­le Sei­te des Kon­sums und geht zwei­tens von einem Ver­brau­cher aus, der von Infor­ma­tio­nen etc. völ­lig über­for­dert wird. Statt des­sen sei es not­wen­dig, unvor­ein­ge­nom­me­ne Kon­sum­so­zio­lo­gie zu betrei­ben und Kon­sum als akti­ve, mit Sinn­stif­tung etc. ver­bun­de­ne Leis­tung anzu­er­ken­nen – egal, ob jetzt nach­hal­tig oder nicht. Und „nach­hal­ti­ger Kon­sum“ sei letzt­lich auch nur als über Mar­ken (wie das Bio­sie­gel) kom­ple­xi­täts­re­du­zier­te Lebens­stil-Ent­schei­dung denk­bar. Da ist eini­ges wah­res dran, trotz­dem habe ich mich dar­über auch ein biss­chen geärgt – mein Ein­druck ist der, dass die deut­sche Umwelt­so­zio­lo­gie deut­lich wei­ter ist (also längst nicht mehr das Pro­gramm hat, alle Welt zu mora­li­schen Ver­brau­che­rIn­nen umzu­er­zie­hen). Trotz­dem ein anre­gen­der Außen­blick auf den Stand einer Dis­zi­plin. – Eben­falls einen Außen­blick auf „Nach­hal­ti­gen Kon­sum“ lie­fer­te Jens Häl­ter­lein von der Uni Jena, der den Weg vom Wirt­schafts­wun­der über mora­li­sche Ver­zichts­ap­pel­le (und eine anti­ka­pi­ta­lis­tisch-risi­ko­mi­ni­mie­rungs­ori­en­tier­te Umwelt­be­we­gung) bis zum Öko­ka­pi­ta­lis­mus und den LOHAS nach­zeich­ne­te. „Nach­hal­ti­ger Kon­sum“ ist dabei ein Ver­such, einen Kom­pro­miss zu fin­den zwi­schen der Markt­lo­gik und der Nach­hal­tig­keits­lo­gik. Schön dar­an der exter­ne Blick auf den Dis­kurs um Nach­hal­tig­keit, der – das kam auch bei Brand vor – noch ein­mal deut­lich macht, dass die Fra­ge, was „Nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung“ ist und was „Nach­hal­ti­ger Kon­sum“ ist, immer wie­der neu aus­ge­han­delt wird und in einem hef­tig umstrit­te­nen Dis­kurs­feld posi­tio­niert ist.

3. Die Öko­bi­lanz der Groß­kü­che: Die Wis­sen­schafts­jour­na­lis­tin Johan­na Bay­er stell­te eine gan­ze Rei­he von The­sen und wiss. Ergeb­nis­sen zum The­ma Ess­ver­hal­ten und Ernäh­rung vor. Letzt­lich ging es ihr vor allem dar­um, zu zei­gen, dass die Ernäh­rungs­emp­feh­lun­gen etwa der Deut­schen Gesell­schaft für Ernäh­rungs­wis­sen­schaft oft über­holt und unsin­nig sind. Zudem woll­te sie dar­auf hin­wei­sen, dass „gesun­de Ernäh­rung“ und „Nach­hal­tig­keit“ viel­fach gegen­läu­fig sind – so soll bei­spiels­wei­se viel Fisch geges­sen wer­den, gleich­zei­tig lei­den die Mee­re jetzt schon an Über­fi­schung. Über ein biss­chen mehr (Ernährungs-)Soziologie hät­te ich mich gefreut. Nichts­des­to­trotz span­nend fand ich einen Gedan­ken, den sie wohl von Ines Wel­ler über­nom­men hat:* Dass nach­hal­ti­ge Ernäh­rung eigent­lich idea­ler­wei­se (weil die meis­ten Berufs­tä­ti­gen aus­wärts essen, weil die Öko­bi­lanz von Sel­ber-Kochen gar nicht so ein­deu­tig ist, und vor allem, weil es sowas wie öko­lo­gi­sche Ska­len­ef­fek­te gibt) zu einem gro­ßen Teil in „Nach­hal­ti­gen Kan­ti­nen“ (oder … Volks­kü­chen?) statt­fin­den müss­te. Eine Marktlücke?

4. Alles nur eine Fra­ge des Gel­des? Roland Bogun schließ­lich hat ver­sucht, Daten dazu zu krie­gen, wie ein­kom­mens- und ver­mö­gens­ab­hän­gig die tat­säch­li­che Pro-Kopf-Umwelt­be­las­tung ist. Dazu gibt es wenig belast­ba­res Mate­ri­al, sein Ein­druck ist aber grob gesagt der, dass Ein­kom­men und auch Ver­mö­gen sehr viel mehr Ein­fluss auf den Pro-Kopf-Umwelt­ver­brauch haben als alle ande­ren Fak­to­ren – wer reich ist, ver­braucht durch grö­ße­re ohn­flä­che, mehr Kon­sum, mehr Flü­ge und auch durch Geld­an­la­gen deut­lich mehr Umwelt als jemand, der arm ist. Bogun sprach von einer Spann­brei­te von 10 bis 100 Ton­nen CO2-Äq./Jahr/Kopf. Beson­ders inter­es­sant ist dabei der Punkt Geld­an­la­gen – die letzt­lich (etwa bei Akti­en) ja mas­siv mit dem CO2-Aus­stoss der indus­tri­el­len Pro­duk­ti­on zu tun haben. Nicht völ­lig klar ist, ob es auch Invest­ment­for­men mit nega­ti­vem Umwelt­ver­brauch gibt.

War­um blog­ge ich das? Dem­nächst wird’s wohl auch noch eine Sei­te mit den Vor­trä­gen geben – aber die­se Gedan­ken woll­te ich doch auch so schon mal brei­ter zugäng­lich machen als nur der klei­nen Grup­pe, die in den letz­ten bei­den Tagen in Mün­chen war.

* Ich habe jetzt noch­mal nach­ge­fragt: Sie bezog sich dabei auf drei Quel­len: Dag­mar Vinz (2005), „Nach­hal­ti­ger Kon­sum und Ernäh­rung“. PROKLA 138; auf Ines Wel­ler (2002): Zusam­men­fas­sung BMBF-Son­die­rungs­stu­die „Geschlech­ter­ver­hält­nis­se, nach­hal­ti­ge Kon­sum­mus­ter und Umwelt­be­las­tun­gen“ (dürf­te die­se Unter­su­chung sein) sowie auf einen Vor­trag von Karl-Micha­el Brun­ner im Novem­ber 2010 an der PH Wien.

Photo of the week: Anti-Atom-Demo am 21.3. – XII

Anti-Atom-Demo am 21.3. - XII

 
Wow – bei den bun­des­wei­ten Anti-Atom-Demos am gest­ri­gen Sams­tag waren 250.000 Men­schen auf der Stra­ße. Ich konn­te nicht dabei sein (Mün­chen wäre dann doch etwas weit weg gewe­sen), war aber die letz­ten bei­den Mon­ta­ge auf den Demos hier in Frei­burg – da ist auch das Bild oben ent­stan­den. Das Revi­val der Anti-Atom-Bewe­gung hat sich ja schon im letz­ten Herbst ange­deu­tet, als es rund um die Lauf­zeit­ver­län­ge­rung viel­fäl­ti­ge und gut besuch­te Aktio­nen gab. Nach Fuku­shi­ma ist die Anti-Atom-Bewe­gung end­gül­tig wie­der da. Ich bin extrem gespannt, was das für die Wahl mor­gen bedeu­tet. Die Chan­ce auf einen Poli­tik­wech­sel und dar­auf, der Ener­gie­wen­de ein gro­ßes Stück näher zu kom­men, ist jeden­falls greif­bar da.

Kurz: Merkelrat

Nach dem Mora­to­ri­um, das kein Mora­to­ri­um ist, folg­te heu­te der zwei­te Streich: zwei Arbeits­krei­se sol­len Mer­kel in der Ener­gie­po­li­tik bera­ten. Eigent­lich eine gute Idee, Rat wäre ja durch­aus drin­gend nötig. Aber ob eine mit AKW-Leu­ten bestück­te Sicher­heits­kom­mis­si­on da hilft? Etwas bes­ser sieht es aus mei­ner Sicht beim „Rat der Wei­sen“, also der „Ethik­kom­mis­si­on“ aus. Der sol­len wohl fol­gen­de Per­so­nen ange­hö­ren (ich habe noch ein paar Par­tei­zu­ge­hö­rig­kei­ten nach Wiki­pe­dia ergänzt …):

VORSITZENDE:
Klaus Töp­fer (Ex-Bun­des­mi­nis­ter und frü­he­rer Chef des UN-Umwelt­pro­gramms, CDU)
Mat­thi­as Klei­ner (Prä­si­dent der Deut­schen Forschungsgemeinschaft/DFG)

WEITERE MITGLIEDER:
Ulrich Beck (Risi­ko­for­scher)
Klaus von Dohn­anyi (SPD)
Ulrich Fischer (Lan­des­bi­schof der Badi­schen Landeskirche)
Alo­is Glück (Vor­sit­zen­der des Zen­tral­ko­mi­tees der deut­schen Katho­li­ken, CSU)
Jür­gen Ham­brecht (BASF-Chef)
Wal­ter Hir­che (Prä­si­dent der deut­schen UNESCO-Kom­mis­si­on, FDP)
Rein­hard Hüttl (Aca­tech-Prä­si­dent)
Wey­ma Lüb­be (Lehr­stuhl für prak­ti­sche Phi­lo­so­phie Uni Regensburg)
Rein­hard Marx (Erz­bi­schof von Mün­chen und Freising)
Lucia Reisch (Mit­glied im Rat für nach­hal­ti­ge Entwicklung)
Miran­da Schr­eurs (Lei­te­rin For­schungs­zen­trum für Umwelt­po­li­tik FU Berlin)
Micha­el Vas­si­lia­dis (Vor­sit­zen­der der Indus­trie­ge­werk­schaft BCE, SPD)

Eine ers­te Bewer­tung (mal abge­se­hen davon, was die­se Kom­mis­si­on eigent­lich tat­säch­lich machen soll, und wel­chen Ein­fluss – jen­seits der Ablen­kung vor der Wahl am 27.3. – sie haben wird): Töp­fer, Beck, Reisch und Schr­eurs klin­gen nach Men­schen, die was zu gesell­schaft­li­chen Dimen­sio­nen der Ener­gie­po­li­tik sagen kön­nen. Ins­ge­samt ist mir aber zu viel Poli­tik, zu viel Indus­trie, zu viel Kir­che in die­ser Kom­mis­si­on. Von den Gewerk­schaf­ten wur­de die ein­zi­ge genom­men, die dann doch immer mal wie­der AKWs will. Und ziem­lich männ­lich geprägt ist das auch.

Auf der ande­ren Sei­te feh­len Men­schen aus der Anti-AKW-Bewe­gung. Mer­kel hat ja ange­kün­digt, dass noch bis zu drei Sach­ver­stän­di­ge ergänzt wer­den könn­ten. Ich will jetzt nicht schon wie­der eine „Ich glau­be Mer­kel erst …“-Über­schrift schrei­ben, aber mir wür­den da ein paar Men­schen ein­fal­len, die seit Jahr­zehn­ten gegen AKWs kämp­fen, sich exzel­lent mit den damit ver­bun­de­nen Befürch­tun­gen und (gesell­schaft­li­chen) Pro­ble­men aus­ken­nen. So jeman­den dazu zu brin­gen, in die­ser Kom­mis­si­on mit­zu­wir­ken, wür­de deren Ernst­haf­tig­keit deut­lich steigern.

P.S.: Beck ist in der sozio­lo­gi­schen Com­mu­ni­ty übri­gens umstrit­ten, weil er sei­ne Ergeb­nis­se gut ver­kau­fen und popu­la­ri­sie­ren kann, aber dahin­ter nicht immer welt­be­we­gen­des steht. Auch „Risi­ko­for­scher“ und „Umwelt­so­zio­lo­gin­nen“ gäbe es noch eini­ge mehr, die eigent­lich gut in so einer Kom­mis­si­on auf­ge­ho­ben wären.

Kurz: Grüner Länderrat in Mainz diskutiert Anti-Atompolitik

Netbook, mit Ökostrom gefüttertMor­gen wer­de ich in Mainz sein, um am grü­nen Län­der­rat teil­zu­neh­men. Nähe­re Infos und Links zu Anträ­gen und Tages­ord­nung ste­hen im Netz. Bis­her bin ich davon aus­ge­gan­gen, dass das vor allem eine im Kon­text der vier Wah­len am 20. und 27.3. zu sehen­de Ver­an­stal­tung ist. Mit den aktu­el­len Ereig­nis­sen gewinnt der Län­der­rat inso­fern Bri­sanz, als jetzt – neu hin­zu­ge­kom­men – auch die wei­te­re Aus­rich­tung der grü­nen Anti-Atom­po­li­tik nach Fuku­shi­ma auf der Tages­ord­nung steht. 

Klar: für den Aus­stieg aus der Atom­ener­gie kämp­fen wir Grü­ne seit Par­tei­grün­dung – aber mit dem „Mer­kel-Mora­to­ri­um“ und den wei­te­ren Pirou­et­ten der Uni­on hat sich die Situa­ti­on ver­än­dert. Jetzt geht’s auch um die Details: Wie kann ein Aus­stieg (auch ganz real­po­li­tisch umsetz­bar) in schnellst­mög­li­cher Zeit aus­se­hen? Was kommt dann? Wie geht’s mit den radio­ak­ti­ven Alt­las­ten wei­ter? Hier der Antrag des Bun­des­vor­stands dazu.

Nicht nur für mich gewinnt der Län­der­rat damit neue Rele­vanz. Ich jeden­falls bin gespannt auf die Debat­te morgen.

Operation Druckabbau

Landtag II

Ges­tern mor­gen titel­te ich noch „Erst wenn die CDU das ers­te AKW vom Netz nimmt, glau­be ich Mer­kel und Map­pus“.

Dann kam erst das Mer­kel-Mora­to­ri­um (das nicht nur aus der Sicht von Lob­by-Con­trol kei­nes ist) mit der Abschal­tung der Alt-AKWs für den Wahl­kampf – und gera­de eben schließ­lich die Ankün­di­gung von Map­pus im Stutt­gar­ter Land­tag, dass EnBW das AKW Neckarwestheim‑I dau­er­haft vom Netz neh­men wird. Im Live­ti­cker von SpOn heißt es dazu:

[15.11 Uhr] Das AKW Neckar­west­heim I wird für immer abge­schal­tet. Minis­ter­prä­si­dent Map­pus sag­te im Land­tag: „Neckar­west­heim I wird abge­schal­tet, dau­er­haft, und still­ge­legt“. Zuvor hat­te der Betrei­ber EnBW mit­ge­teilt, dass ein wirt­schaft­li­cher Wei­ter­be­trieb des Reak­tors vor­aus­sicht­lich nicht dar­stell­bar sei. 

So schnell kann’s gehen. Wo es eine Stun­de davor noch die Rede davon war, dass die EnBW Neckarwestheim‑I nur „frei­wil­lig und vor­rü­ber­ge­hend“ vom Netz neh­men wol­le, und der SWR heu­te mor­gen noch berich­te­te, dass die EnBW nicht dar­über infor­miert sei, dass Neckar­west­heim I abge­schal­tet wer­den soll, und von der Kanz­le­rin per­sön­lich gefragt wer­den wol­le, ist es jetzt kein Pro­blem, das über Jahr­zehn­te immer wie­der im Mit­tel­punkt poli­ti­scher Pro­tes­te ste­hen­de AKW abzuschalten. 

Poli­tisch bewer­te ich das gan­ze wei­ter­hin als Ver­such, Druck im Wahl­kampf durch ein Not­ven­til abzulassen. 

Inhalt­lich ist es rich­tig, dass Neckar­west­heim I abge­schal­tet wird. Das wäre nach dem Atom­kom­pro­miss ohne Lauf­zeit­ver­län­ge­rung ja auch bereits gesche­hen. Aber es gibt ja noch mehr Atom­kraft­wer­ke in Baden-Würt­tem­berg. Was ist mit denen? Steht die CDU wei­ter­hin zur Aus­sa­ge „Viel­mehr brau­chen wir die Kern­ener­gie als ver­läss­li­che, kos­ten­güns­ti­ge und kli­ma­freund­li­che Brü­cken­tech­no­lo­gie.“ (S. 54, Wahl­pro­gramm)? Und was hat Neckar­west­heim, was die ande­ren Lan­des-AKW nicht haben?

Nach­for­schens­wert wäre nicht zuletzt hier die Fra­ge, was hin­ter dem „finan­zi­ell nicht dar­stell­bar“ der EnBW steckt. Heißt das letzt­lich: Neckar­west­heim run­ter­zu­fah­ren, über­prü­fen zu las­sen, evtl. auf­zu­rüs­ten und wie­der anzu­fah­ren wäre teu­rer gewor­den als die Rest­ren­di­te, die durch den dort noch pro­du­zier­ten Strom zu gewin­nen gewe­sen wäre? Oder geht’s da auch um Gesichts­wah­rung? Und was macht der Garan­tie­ak­ti­en­kurs jetzt? Dar­über hin­aus steckt da auch die Fra­ge dahin­ter, wie eigent­lich die Ent­schä­di­gung der Atom­kon­zer­ne dafür aus­sieht, dass sie beim „Mer­kel-Mora­to­ri­um“ mitmachen. 

Psy­cho­lo­gisch inter­es­sant wäre es schließ­lich, einen Ein­blick in das Den­ken von Mer­kel und Map­pus zu erhal­ten. Steckt hin­ter dem Wahl­kampf­ma­nö­ver viel­leicht doch so etwas wie die plötz­li­che Erkennt­nis, dass an den Hor­ror­sze­na­rie­ren der Anti-AKW-Bewe­gung trotz aller gegen­tei­li­gen Exper­ten-Beschwö­run­gen etwas Wah­res dran sein könn­te? Eine Ver­un­si­che­rung? Und las­sen sich ande­re star­re und fak­ten­re­sis­ten­te Welt­bil­der der Poli­ti­ke­rIn­nen von Uni­on und FDP auf eine harm­lo­se­re Wei­se erschüt­tern als durch eine kata­stro­pha­le Tra­gö­die in Japan? Viel­leicht mit einer Denk­pau­se in der Opposition?

War­um blog­ge ich das? Weil sich auch hier die Ereig­nis­se über­schla­gen – glück­li­cher­wei­se in weit­aus weni­ger gefähr­li­chen Art und Wei­se als in Fuku­shi­ma gerade.