Wie der Wahl-O-Mat das Parteienspektrum abbildet

tw2013-08-wahlomat

Die Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung hat auch die­ses Jahr wie­der einen Wahl-O-Maten am Start. Dane­ben gibt es eine Rei­he wei­te­rer Ange­bo­te, die alle gemein­sam haben, dass sie ver­su­chen, über Fra­gen und ein Matching mit den Ant­wor­ten von Par­tei­en und/oder Kan­di­da­tIn­nen dar­zu­stel­len, wel­che Par­tei und wel­che poli­ti­sche Kan­di­da­tIn zu den eige­nen Vor­stel­lun­gen passen. 

Als Ange­bot poli­ti­scher Bil­dung und als Ermun­te­rung, zur Wahl zu gehen, fin­de ich den Wahl-O-Mat und ver­wand­te Ange­bo­te durch­aus sinn­voll. Es wäre blöd, blind nach dem Ergeb­nis zu wäh­len. Schließ­lich gibt es immer auch The­men (und tak­ti­sche Erwä­gun­gen), die im jewei­li­gen Algo­rith­mus nicht abge­bil­det sind. Und ein Wahl­pro­gramm mit – in unse­rem Fall über 300 Sei­ten – auf 38 Fra­gen her­ab­zu­bre­chen, ist auch ein gewag­te Unterfangen.

Jeden­falls lie­fert der Wahl-O-Mat auch die­ses Jahr wie­der reich­lich Gesprächs­an­lass, und das ist auch gut so. Und er bie­tet – etwas ver­steckt (pdf) – auch einen tabel­la­ri­schen Über­blick über die Ant­wor­ten der Par­tei­en. Mit die­sem tabel­la­ri­schen Über­blick lässt sich noch etwas mehr machen, als nur die eine mit der ande­ren Par­tei zu ver­glei­chen. Und dann kommt das Bar­ba­pa­pa-Dia­gramm oben heraus.

Der Rei­he nach: Ich habe die jewei­li­ge Bewer­tung der Par­tei­en – hier CDU/CSU, SPD, FDP, LINKE, GRÜNE, Pira­ten und AfD – der ein­zel­nen The­sen in eine Excel-Tabel­le gepackt und dann jeweils ver­gli­chen, wo zwei Par­tei­en ent­we­der bei­de ableh­nen oder bei­de zustim­men. „Neu­tra­le“ Posi­tio­nie­run­gen habe ich weg­ge­las­sen. Das ergibt dann fol­gen­de Tabel­le der Anzahl der „star­ken Über­ein­stim­mun­gen“ (die Ver­glei­che der Par­tei­en mit sich selbst erge­ben immer weni­ger als die theo­re­tisch mög­li­chen 38, da auch hier neu­tra­le Ant­wor­ten nicht mitzählen):

Uni­on SPD FDP Lin­ke Grü­ne Pir. AfD
Uni­on 33
SPD 15 32
FDP 21 17 32
Lin­ke 6 23 13 35
Grü­ne 9 22 14 29 32
Pir. 8 19 14 27 26 31
AfD 25 14 22 9 12 11 35

Lese­bei­spiel: GRÜNE und CDU/CSU stim­men in 9 der 38 Bewer­tun­gen ent­we­der bei­de posi­tiv oder bei­de nega­tiv über­ein. CDU/CSU und AfD stim­men in 25 der 38 Bewer­tun­gen der Wahl-O-Mat-The­sen über­ein. Und so weiter.

Dar­aus lässt sich eine Distanz zwi­schen den Par­tei­en berech­nen (die sich hier nur auf die im Wahl-o-Mat abge­frag­ten The­sen, inso­fern sich Par­tei­en dazu ent­we­der klar ableh­nend oder klar befür­wor­tend posi­tio­niert haben, bezieht). Aus die­sen Distan­zen lässt sich wie­der­um ein Graph dar­stel­len, der ver­sucht, die Abstän­de mög­lichst alle genau dar­zu­stel­len. Dafür gibt es Tools – ich habe ein­fach per Hand so lan­ge her­um­ge­scho­ben, bis es eini­ger­ma­ßen gepasst hat. Auch die Dicke der Lini­en in der Skiz­ze oben gibt die­se Distanz bzw. Nähe wie­der – je dicker, des­to mehr über­ein­stim­men­de Bewer­tun­gen der Wahl-O-Mat-Thesen.

An dem Bild lässt sich schön sehen, dass Grü­ne, Lin­ke und Pira­ten rela­tiv nahe bei­ein­n­an­der lie­gen. Auch die SPD ist noch recht nah an die­sem Clus­ter, sie liegt aller­dings näher an der CDU, als sich im 2D-Bild dar­stel­len lässt. Auf der ande­ren Sei­te ste­hen sich CDU/CSU, FDP und auch die AfD sehr nahe, was die Wahl-O-Mat-The­sen betrifft. 

Etwas zuge­spitzt: Wenn es nur nach dem Wahl-O-Mat gehen wür­de, wür­den eine links­li­be­ra­le Par­tei, eine sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Volks­par­tei und eine rechts­kon­ser­va­tiv-libe­ra­le Par­tei aus­rei­chen, um das Par­tei­en­spek­trum ohne gro­ße Ver­lus­te abzu­bil­den. Inter­es­sant, sich vor­zu­stel­len, wie dann Koali­ti­ons­de­bat­ten aus­se­hen würden.

War­um blog­ge ich das? Letzt­lich des­we­gen, weil bei mir Lin­ke, Grü­ne und Pira­ten um +/- 1 Pro­zent Über­ein­stim­mung – alle nahe 90% – vari­ier­ten, als ich den Wahl-O-Mat heu­te aus­pro­bier­te. Die SPD lag bei etwa 66%, der Rest weit abge­schla­gen. Mit den Daten hier wun­dert das nicht.

P.S.: Chris­toph Schwerdt­fe­ger hat was ähn­li­ches für alle 28 Par­tei­en gemacht (d.h. er hat mit­tels Haupt­kom­po­nen­ten­ana­ly­se den 38-dimen­sio­na­len Raum auf zwei Dimen­sio­ne­nen redu­ziert; in etwa eine Links-Rechts-Ach­se und eine staat­li­che Ein­grif­fe ja/n­ein-Ach­se, wür­de ich sagen) und kommt zu einer inter­es­san­ten Gra­fik – die bezüg­lich der Lage von CDU/CSU, FDP, AfD einer­seits, SPD und dann Grü­ne, Lin­ke, Pira­ten ande­rer­seits – recht ähn­lich aus­fällt, wenn mei­ne Gra­fik oben gedreht und gekippt würde. 

8 Antworten auf „Wie der Wahl-O-Mat das Parteienspektrum abbildet“

  1. Ich den­ke, die Argu­men­ta­ti­on hat einen gewis­sen Reiz, hat aber Pro­ble­me in den Details:
    Nimmt man an, dass die Gemein­sam­keit beim Wahl-O-Mat ein gutes Maß dafür dar­stellt, ob zwei Par­tei­en sich ohne gro­ße Ver­lus­te für das Par­tei­en­spek­trum ver­ei­nen könn­ten, dann scheint zunächstein­mal die Gemein­sam­keit zwi­schen die­sen als sinn­vol­les Maß.

    Die Par­tei­grup­pie­run­gen nen­ne ich im fol­gen­den KL (kons.-lib), S (soz.-dem), L (links-lib), K (KL ohne FDP)

    1) Betrach­tet man zunächst die Mini­ma der vor­ge­schla­ge­nen Par­tei­grup­pie­run­gen, so ergibt sich: KL (21), S (32), L (26). Dem­entspre­chend müss­te der ent­schei­den­de Grenz­wert bei 21 lie­gen, was aber im Wider­spruch dazu steht, dass die SPD eine Gemein­sam­keit von 22 bzw. 23 mit Grü­nen bzw. Lin­ken hat. Es hakt hier also ein bisschen.

    2) Viel wich­ti­ger als das Mini­mum der Gemein­sam­kei­ten zwi­schen je zwei der betei­lig­ten Part­ner in einer Drei­er-Grup­pie­rung, ist die Gemein­sam­keit all die­ser drei Par­tei­en. Hier ergibt sich KL (17), S (32), L (24), S+L (16), K (25). Geht man nun von der Gren­ze 24 aus, so braucht man aber genau vier Par­tei­en (S, K, FDP, L). Wür­de man die Gren­ze tie­fer set­zen, wäre die Situa­ti­on nicht mehr ein­deu­tig und es wäre auch die Grup­pie­rung SPD-Lin­ke mög­lich. Ab 24 sind aber ein­deu­ti­ge Ver­bin­dun­gen möglich.

    Bemer­kens­wert: Jede die­ser vier Grup­pie­run­gen erfüllt fol­gen­de Bedin­gung: Von den N betei­lig­ten Par­tei­en sind N‑1 nach der Wen­de ent­stan­den. Es zeigt sich, dass unter den gemach­ten Annah­men (!) alle Par­tei­neu­grün­dun­gen seit 1990 nicht not­wen­dig waren, die Grün­dung der Grü­nen aber sehr wohl.

  2. Ich habe noch­mal schnell betrach­tet, wel­che Ände­rung sich ergibt, wenn man auch Neu­tral als gemein­sa­me Ant­wort mit­zählt. Dann ergibt sich KL (17), S (32), L (24), S+L (16), K (26). Also nur K (+1). An den Fol­ge­run­gen oben ändert sich also nichts.

  3. Ich hab ja selbst schon an ALLEN Ent­schei­dungs­hil­fen kri­ti­siert, dass sie ent­schei­den­de Mas­ter­fra­gen ein­fach weg­las­sen, bei mir „ernst­haf­ter Regie­rungs­wil­le“, „Kom­pro­miss­be­reit­schaft“ und „Finan­zier­bar­keit der For­de­run­gen“. Das wür­de den Abstand Grüne/SPD stark ver­kür­zen und den Clus­ter Grüne/Linke/Piraten sprengen.
    Ich könn­te es noch deut­li­cher for­mu­lie­ren: Die Macher_innen der Wahloma­ten gehen davon aus, dass eine seriö­se Haus­halts­po­li­tik völ­lig unbe­deu­tend sind. Irgend­wie dis­qua­li­fi­ziert sie das in mei­nen Augen. Es wäre natür­lich erfor­der­lich, die Pro­gram­me alle mal durch­zu­rech­nen, aber man hät­te es ger­ne pla­ka­tiv. Mein aktu­el­ler Ein­druck ist auch, dass sich vie­le ver­nünf­ti­ge Men­schen so durch die­sen Wahl­kampf quä­len, weil sie die­se Form kurz­fris­ti­gen Den­kens (also im Grun­de Dumm­heit) nicht mehr ertra­gen wollen.

    1. Und wie soll­ten die Dimensionen

      * „ernst­haf­ter Regierungswille“,
      * „Kom­pro­miss­be­reit­schaft“ und
      * „Finan­zier­bar­keit der Forderungen“

      sinn­voll erfasst wer­den? Die Ent­schei­dungs­hil­fen basie­ren i.d.R. auf Aus­sa­gen der Par­tei­en. Die meis­ten Par­tei­en (die über­haupt eine gewis­se Chan­ce haben, ins Par­la­ment zu kom­men) wären natür­lich nach eige­ner Aus­sa­ge bereit (mit) zu regie­ren, wür­den aus­sa­gen, im rich­ti­gen Maße kom­pro­miss­be­reit zu sein und sind selbst­ver­ständ­lich davon über­zeugt, dass ihre Zie­le finan­zier­bar sind.

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