Selbstverständlichkeiten …

… oder: Unter welchen Bedingungen sollten AnhängerInnen der PIRATEN die PIRATEN wählen?

 
Cat portrait I ("the pirate")

Es scheint ja nun so, dass die PIRATEN zur Bun­des­tags­wahl im Herbst antre­ten wer­den. Ich will mich hier jetzt gar nicht mit feh­len­der Pro­gram­ma­tik, frau­en­lo­sen Lis­ten oder dem den Klip­pen der mas­sen­me­dia­len Demo­kra­tie noch nicht gewach­se­nen Per­so­nal aus­ein­an­der­set­zen, son­dern einen eher wahl­tak­ti­schen Blick auf die Fra­ge wer­fen, unter wel­chen Bedin­gun­gen Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN die­se wäh­len sollten.

Dabei sind – auf­grund der Fünf-Pro­zent-Hür­de – zwei Fäl­le zu betrachten.

  1. Es herrscht bei den Anhän­ge­rIn­nen bzw. in der all­ge­mei­nen Öffent­lich­keit die Ver­mu­tung vor, dass die PIRATEN irgend­wo zwi­schen ein und drei Pro­zent abschnei­den wer­den, also deut­lich unter der Fünf-Pro­zent-Hür­de blei­ben werden.

    Eine Zweit­stim­me für die PIRATEN bleibt in die­ser Kon­stel­la­ti­on erst ein­mal ohne steu­ern­den Ein­fluss auf die Zusam­men­set­zung des Bun­des­ta­ges. Ein gutes Ergeb­nis für die PIRATEN (also z.B. drei Pro­zent) wür­de aber in ande­ren Par­tei­en wahr­ge­nom­men und könn­te so indi­rekt deren Poli­tik beein­flus­sen; ein hoher Wert an Stim­men für Sons­ti­ge inkl. PIRATEN wür­de zudem als gene­rel­le Kri­tik am Wahl­sys­tem bzw. an den antre­ten­den grö­ße­ren Par­tei­en auf­ge­fasst wer­den. Zudem wür­den – je nach Ergeb­nis – eini­ge Gel­der aus der Wahl­kampf­kos­ten­er­stat­tung an die PIRATEN flie­ßen, so dass die­se Gele­gen­heit bekä­men, ihren Par­tei­auf­bau zu for­cie­ren (auch das Euro­pa­wahl­er­geb­nis führt schon jetzt zu sol­chen Effekten).

    Zu beach­ten sind aller­dings auch die nega­ti­ven Effek­te: so geht jede Stim­me für die PIRATEN – so sie nicht aus dem Lager der Nicht­wäh­le­rIn­nen kommt – einer ande­ren Par­tei ab, deren Gewicht damit geschwächt wird. Gera­de bei einem knap­pen Wahl­aus­gang könn­ten die so feh­len­den Stim­men über Mehr­hei­ten für Regie­rungs­bil­dun­gen ent­schei­den (wenn also z.B. schwarz-gelb knapp eine Mehr­heit erhält).

    Zudem bedeu­tet eine Stim­me für eine Par­tei ohne Chan­ce auf Ein­zug in den Bun­des­tag, dass die Hür­de, um eine Mehr­heit der Sit­ze zu erhal­ten, sinkt. Wenn zehn Pro­zent der Stim­men auf Sons­ti­ge ent­fal­len, rei­chen (je nach Sitz­ver­tei­lungs­ver­fah­ren) schon z.B. 46 Pro­zent der abge­ge­be­nen gül­ti­gen Stim­men aus, um eine abso­lu­te Mehr­heit an Sit­zen zu errei­chen. Das ist unter demo­kra­tie­theo­re­ti­schen Gesichts­punk­ten – Reprä­sen­ta­ti­on des Wäh­ler­wil­lens – schwie­rig (und natür­lich prin­zi­pi­ell kein Effekt des Antre­tens von Kleinst­par­tei­en, son­dern ein Effekt der Sperrklausel).

    Bis­her ging es nur um Zweit­stim­men. Die­se sind für die Zusam­men­set­zung des Bun­des­tags rele­van­ter; zwei­tens wird es, wenn ich das bis­her rich­tig sehe, nur weni­ge Wahl­krei­se geben, in denen PIRATEN mit Direkt­kan­di­da­ten (und Kan­di­da­tin­nen?) antre­ten wer­den. Je nach Stär­ke der ande­ren Par­tei­en in die­sen Wahl­krei­sen sind die Effek­te von Erst­stim­men unterschiedlich.

    Fazit zu die­sem Fall: wenn zu erwar­ten ist, dass die PIRATEN die Fünf-Pro­zent-Hür­de nicht über­schrei­ten wer­den, bedeu­tet eine Zweit­stim­me für die PIRATEN, ein media­les Signal zu set­zen, zugleich aber zu einem Bun­des­tag bei­zu­tra­gen, in dem bestimm­te Inter­es­sen nicht ver­tre­ten sind und mög­li­cher­wei­se gera­de wegen der Pro­test­stim­men ande­re Mehr­hei­ten zustan­de kom­men, als „in Zweit­prä­fe­renz“ von Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN gewünscht – ins­be­son­de­re erhöht jede Stim­me für die PIRATEN, wenn die Annah­me stimmt, dass ein gro­ßer Teil der PIRA­TEN-Wäh­le­rIn­nen „ansons­ten“ SPD, LINKE oder Grü­ne gewählt hät­te, die Chan­cen auf eine schwarz-gel­be Mehrheit. 

  2. Anders sieht die Situa­ti­on aus, wenn zu erwar­ten ist, dass die PIRATEN sich nahe an der Fünf-Pro­zent-Hür­de bewe­gen. Jetzt könn­te es sein, dass eine Stim­me für die PIRATEN tat­säch­lich einen inten­dier­ten Ein­fluss auf die Zusam­men­set­zung des Deut­schen Bun­des­tags hat. Ich hal­te die­se Situa­ti­on für unwahr­schein­lich (bis­her ist der öffent­li­che Auf­schrei wegen „#Zen­sur­su­la“ außer­halb des Net­zes wenig ver­nehm­bar; auch Tauss wird’s nicht ret­ten – und zum Über­sprin­gen der Fünf-Pro­zent-Hür­de wären etwa 1,5 Mio. Stim­men not­wen­dig – mehr als fünf Mal so vie­le wie die PIRATEN bei der Euro­pa­wahl erreicht haben). Wie dem auch sei: eine PIRA­TEN-Frak­ti­on im Bun­des­tag könn­te das Züng­lein an der Waa­ge bei Koali­ti­ons­bil­dun­gen sein – zugleich sind die oben beschrie­be­nen Ein­flüs­se auf die Reprä­sen­ta­ti­on des Wäh­ler­wil­lens – aber auch das media­le Signal – bei einem knap­pen Schei­tern umso größer.

Rea­lis­tisch betrach­tet soll­ten Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN also nur dann für die PIRATEN stim­men, wenn ihnen 1. ein media­les Signal an ande­re Par­tei­en sehr wich­tig ist, ihnen 2. die Zusam­men­set­zung des Bun­des­tags egal ist (bzw. viel­leicht sogar Prä­fe­ren­zen für schwarz-gelb da sind), oder wenn 3. bis zur Bun­des­tags­wahl die gesamt­ge­sell­schaft­li­chen dis­kur­si­ven Erwar­tun­gen, dass ein Über­sprin­gen der Fünf-Pro­zent-Hür­de durch die PIRATEN mög­lich ist – und damit die Chan­ce, dass es dazu kommt – deut­lich zuneh­men. Die Fünf-Pro­zent-Hür­de erweist sich hier also als chao­ti­scher Attraktor.

Anders gesagt heißt das: ver­nünf­ti­ge Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN machen jetzt einen star­ken PIRA­TEN-Wahl­kampf, set­zen damit ande­re Par­tei­en (ins­be­son­de­re FDP und GRÜNE) unter Druck, sich netz­po­li­tisch rich­tig zu posi­tio­nie­ren – und wäh­len dann am 27.9. nicht die PIRATEN, son­dern die­je­ni­ge der grö­ße­ren Par­tei­en, die bis dahin am ehes­ten und glaub­wür­digs­ten für zen­tra­le For­de­run­gen aus dem PIRA­TEN-Pro­gramm steht. 

Sie­he gene­rell auch Tipps und Tricks zur Bun­des­tags­wahl 2009.

War­um blog­ge ich das? Vor allem als Ver­schrift­li­chung mei­ner eige­nen Über­le­gun­gen dazu, ob es sich lohnt, im grü­nen Wahl­kampf offen­siv auf die PIRATEN einzugehen.

20 Antworten auf „Selbstverständlichkeiten …“

  1. Ich schät­ze mal, über­zeug­ten Pira­ten sind Wahl­kampf­kos­ten­er­stat­tung und der Auf­bau für die nächs­te BTW wichtiger.
    Wer über­zeugt ist, dass sei­ne Inter­es­sen lang­fris­tig von den eta­blier­ten Par­tei­en ver­tre­ten wer­den (kön­nen), ist schon heu­te bei den Pira­ten falsch.

  2. »Gera­de bei einem knap­pen Wahl­aus­gang könn­ten die so feh­len­den Stim­men über Mehr­hei­ten für Regie­rungs­bil­dun­gen ent­schei­den (wenn also z.B. schwarz-gelb knapp eine Mehr­heit erhält).<>und wäh­len dann am 27.9. nicht die PIRATEN, son­dern die­je­ni­ge der grö­ße­ren Par­tei­en, die bis dahin am ehes­ten und glaub­wür­digs­ten für zen­tra­le For­de­run­gen aus dem PIRA­TEN-Pro­gramm steht.«

    Natür­lich kann man ver­su­chen den mitt­le­ren Par­tei­en (Grü­ne, FDP, Lin­ke) netz­po­li­ti­sche The­men bei­zu­brin­gen, das wird und wur­de ja auch gemacht. Nur lie­gen deren Kern­zie­le ganz woan­ders, was die Netz­po­li­tik zur Ver­hand­lungs­mas­se macht (vgl. Andrea Nah­les beim Hacker­pa­ra­gra­phen, Pro­blem ver­stan­den und ein­ge­se­hen, aber trotz­dem dafür gestimmt wegen Frak­ti­ons­zwang). Das Pro­blem gibt es auch bei den Grü­nen, mit denen ich mich noch am ehes­ten anfreun­den kann (die FDP ist eine eta­blier­te Spaß­par­tei [gewor­den] und was die Lin­ke jetzt wirk­lich will weiß auch kei­ner so genau), wor­über wet­ter­frosch (http://einmachglas.wordpress.com) z.B. erst gera­de bei den Grü­nen aus­ge­stie­gen ist.

    So trau­rig es klingt, aber ich den­ke die nächs­te Wahl ist gelau­fen. Wel­che The­men den 17. Bun­des­tag bestim­men wer­den kann aber dadurch ver­än­dert wer­den, wie­vie­le Stim­men die ande­ren Par­tei­en an die Pira­ten ver­lie­ren. Denn man kennt das ja, ist mit IPv6 ja auch nicht anders, solan­ge es läuft ist alles in Ord­nung. Die Moti­va­ti­on etwas zu ändern kommt erst wenn es schmerzt, und nicht davon, dass jemand sagt es wäre aber besser.

  3. Ich weiß gar nicht, ob ich für die Pira­ten­par­tei sein soll, aber stra­te­gisch gese­hen hat Mar­kus Nag­ler Recht. Müss­test Du eigent­lich noch wis­sen, Till, dass z.B. die Grü­nen sich nie hät­ten eta­blie­ren kön­nen, wenn die Leu­te damals so kurz­fris­tig gedacht hätten.

  4. @filtor: ich sehe da diver­se Unter­schie­de – ins­be­son­de­re hin­sicht­lich des Rück­halts in der Bevölkerung/Bewegung. Und ver­wei­se dar­auf, dass die Grü­nen deut­lich stär­ker gestar­tet sind – also eher Fall 2 als Fall 1 in der Über­le­gung oben.

  5. Weil über­zeug­te Wäh­ler von Klein­par­tei­en die­se auch wäh­len wer­den, die­se Stim­men wegen der 5%-Hürde aber unter den Tisch fal­len und somit die Mehr­heits­bil­dung ver­zer­ren, läge es auch im Inter­es­se der eta­blier­ten Par­tei­en, etwas an der 5%-Hürde zu ändern. Zum Bei­spiel durch die Ein­füh­rung einer Ersatz­stim­me -> http://de.wikipedia.org/wiki/Ersatzstimme

  6. Kann man kaum ver­glei­chen, Grüns war ja zu Beginn ein brei­tes Bünd­nis aus ver­schie­de­nen Rich­tun­gen, das ja nicht nur ein The­ma hat­te und – gera­de was die K‑Gruppen, BIs und kon­ser­va­ti­ve Umwelt­be­we­gung (AUD usw.) schon orga­ni­sa­ti­ons­mäs­sig eini­ges an Vor­struk­tu­rie­rung mit­brach­te. Zumal Kern­an­lie­gen der Pira­ten ja auch schon in ande­ren Par­tei­en mehr­heit­lich ver­an­kert sind. Den 15 Ent­hal­tun­gen (wohl­ge­merkt: Ent­hal­tun­gen und kei­ne Ja-Stim­men) ste­hen nun mal 31 Nein-Stim­men gegenüber.

    1. @eisfisch: so gese­hen ist mir das zu selek­tiv. Ich emp­feh­le die Chro­nik der Grü­nen – da ist dann zu sehen, dass gleich­zei­tig mit den genann­ten Resul­ta­ten der Ein­zug in meh­re­re Lan­des­par­la­men­te (1979: Bre­men 5,1%, 1980: Baden-Würt­tem­berg 5,3%, 1982: Ham­burg 7,2%) gelang. Davor gab es bereits Sit­ze in meh­re­ren Kreis­ta­gen etc. Wie Tim bereits sagt, ist so ein Ver­gleich aller­dings eh schwie­rig, sug­ge­riert er doch, dass bei geeig­ne­ten Zuta­ten (neu­es The­ma, Bewe­gung, Gene­ra­tio­nen­wech­sel, pol. Unzu­frie­den­heit) der Rest der Geschich­te in fes­ten Bah­nen verläuft. 

      Viel­leicht noch mal anders­her­um: was für ein Ergeb­nis für die Pira­ten bei der dies­jäh­ri­gen Bun­des­tags­wahl ist rea­lis­tisch? Klas Rog­gen­kamp schreibt in sei­ner WELT-Kolum­ne, dass er mit 3 % rech­net. Ich selbst glau­be, gera­de im Blick auf die Euro­pa­wahl, dass es eher bei 1–2% lie­gen wird. Wie sehen’s die Piraten?

  7. Die Aus­sa­ge hat etwas, aber um es ganz deut­lich zu sagen hier spie­len die Fak­to­ren Nerd, Alter, Pro­test und Ent­täu­schung eine gro­ße Rol­le. Und in die­sem Zusam­men­hang fal­len logi­sche Schluß­fol­ge­run­gen, wel­che zu einem Plus an polit. Nach­hal­tig­keit füh­ren könn­ten, voll­ends unter den Tisch.

  8. Ich hal­te nichts von tak­ti­schem Wäh­len. Wenn das jeder macht, kann nur was raus­kom­men, was kei­ner will. Mög­li­che Regie­rungs­kon­stel­la­tio­nen zu erzwin­gen oder zu ver­hin­dern, kann nicht funktionieren.

    Man soll die Par­tei wäh­len, von der man sich am bes­ten ver­tre­ten fühlt. Wer sich von den Pira­ten trotz des etwas dün­nen Pro­gramms (und wer sagt eigent­lich, daß eine Par­tei zu allen mög­li­chen The­men eine Mei­nung haben muß?) gut ver­tre­ten fühlt, der soll sie wäh­len. Erst­mal sind 0,5 Pro­zent das Ziel (staat­li­chen Par­tei­en­fi­nan­zie­rung) und 5 Pro­zent sicher­lich auch auf vie­le Jah­re selbst für jeden Opti­mis­ten als uto­pisch anzu­se­hen. Die Netz­ge­mein­schaft ist ein­fach zu klein, die Pira­ten kön­nen kurz­fris­tig nur durch Pro­test­wäh­ler pro­fi­tie­ren und lang­fris­tig durch gute Arbeit und ein brei­te­res Programm.

    Ich kann sagen, daß ich mich bei mei­ner Stimm­ab­ga­be für die Pira­ten zur Euro­pa­wahl so gut wie nie zuvor bei einer Wahl gefühlt habe, auch wenn es die Pira­ten­par­tei nicht über die 5% geschafft hat. Weil ich end­lich eine Par­tei wäh­len konn­te, die exakt mei­ne Ein­stel­lung wie­der­gibt und nicht in ihrer Poli­tik auf fau­le Kom­pro­mis­se ein­geht bzw. ein­ge­hen muß. Und für nicht­pi­ra­ti­ge The­men gibt es ja FDP und Grü­ne, die da auch einen guten Job machen. Klar, bei der Bun­des­tags­wahl geht es um mehr als bei der Euro­pa­wahl, aber auch da sage ich mir: Es wird genug Leu­te geben, die FDP und Grü­ne wäh­len (und lei­der viel zu vie­le, die CDU/CSU wäh­len), ob die nun mei­ne eine Stim­me bei ihren vie­len Mil­lio­nen mit dabei haben, wird kaum etwas aus­ma­chen, wäh­rend mei­ne eine Stim­me bei den Pira­ten durch­aus wich­tig ist, um an die Par­tei­en­fi­nan­zie­rung zu kommen.

    Am wich­tigs­ten ist aber wohl, daß CDU/CSU (und auch die SPD) so weni­ge Stim­men wie mög­lich erhal­ten. Und daß mög­lichst vie­le Nicht­wäh­ler wäh­len gehen und nicht CDU/CSU wählen.

    Was an der FDP so schlecht sein soll, erschließt sich mir nicht. Aber das ist bei vie­len Grü­nen wohl so, daß sie all­er­gisch auf die FDP sind, obwohl bei­de Par­tei­en recht vie­le Gemein­sam­kei­ten haben (wahr­schein­lich kommt gera­de daher der Beiß­re­flex) und man mit gemein­sa­men, abge­stimm­ten Aktio­nen viel bewir­ken könnte.

  9. Du schreibst:

    Rea­lis­tisch betrach­tet soll­ten Anhän­ge­rIn­nen der PIRATEN also nur dann für die PIRATEN stim­men, wenn ihnen 1. ein media­les Signal an ande­re Par­tei­en sehr wich­tig ist, ihnen 2. die Zusam­men­set­zung des Bun­des­tags egal ist

    Das dürf­te vor allem dann der Fall sein, wenn sich bei Pira­ten­an­hän­gern die Mei­nung durch­set­zen soll­te, dass „die ande­ren Par­tei­en“, ein­schließ­lich der Grü­nen und der FDP sowie­so (unge­fähr) die glei­chen Ein­stel­lun­gen gegen­über dem Inter­net und Urhe­ber­rech­ten hät­ten. Gera­de des­halb fän­de ich es für einen (grü­nen) Wahl­kampf wich­ti­ger, die grü­nen Posi­ti­on, die in die­sem bereich ein­deu­tig auf der BDK beschlos­sen wur­den, her­aus­zu­stel­len, anstatt sich in wil­den Koali­ti­ons­spe­ku­la­tio­nen Uni­on und SPD anzudienen.

    Im übri­gen soll­te man gegen­über den Pira­ten auch deut­lich machen, dass im Ent­schei­dungs­fin­dungs­pro­zess der bei­den Volks­par­tei­en eine Infas- oder Allens­bach-Stu­die, dass die gro­ße Mehr­heit der Bevöl­ke­rung Maß­nah­men wie Inter­net­sper­ren befür­wor­ten wür­den, wesent­lich grö­ße­re Auf­merk­sam­keit schen­ken und Bedeu­tung zumes­sen wür­den, als ein über­ra­schend hohes Pira­ten-Umfra­ge­er­geb­nis. Oder anders gesagt: Selbst wenn die Pira­ten letz­te Woche schon im Bun­des­tag geses­sen hät­ten – das Zen­sur­su­la-Gesetz wäre von der gro­ßen Koali­ti­on trotz­dem beschlos­sen wor­den. Auch sach­lich hät­ten die Pira­ten (fast) nichts mehr bei­tra­gen kön­nen; die Argu­men­te gegen Zen­sur­su­la sind von Grü­nen und FDP (Stad­ler) eigent­lich voll­stän­dig vor­ge­bracht worden.

    Für den Wahl­kampf – in der Auß­ein­an­der­set­zung mit den Pira­ten – muss es daher den Grü­nen dar­um gehen, sich als die „bes­se­ren Pira­ten“ auf­zu­stel­len, ohne „Lei­che im Kel­ler“, aber mit ver­ant­wort­li­chem Wahl­pro­gramm. Denn sich bei allen nicht pira­ten­af­fi­nen The­men ein­fach aus der poli­ti­schen Dis­kus­si­on raus­zu­hal­ten, wie es die Ur-Pira­ten in Schwe­den ange­kün­digt haben, kann ja wohl nicht die Lösung sein.

  10. @Weirdo:

    Am wich­tigs­ten ist aber wohl, daß CDU/CSU (und auch die SPD) so weni­ge Stim­men wie mög­lich erhal­ten. Und daß mög­lichst vie­le Nicht­wäh­ler wäh­len gehen und nicht CDU/CSU wählen. 

    Wenn dir das wirk­lich am wich­tigs­ten ist, und wenn du die Annah­me teilst, dass Wäh­le­rIn­nen der PIRATEN v.a. Ex-Wäh­le­rIn­nen von Grü­nen, FDP und LINKEN sind, müss­test du eigent­lich zu dem sel­ben Schluss wie ich kommen. 

    Der übri­gens nicht heißt „tak­tisch wäh­len“, son­dern – wie das die Leu­te von wahlrecht.de aus­drü­cken – das eige­ne Stimm­ge­wicht maxi­mie­ren bzw. voll aus­schöp­fen. „Dank“ Fünf-Pro­zent-Hür­de ist eine Stim­me für die PIRATEN fak­tisch – in ihren Kon­se­quen­zen – weni­ger wert als eine Stim­me für eine der grö­ße­ren Par­tei­en. Wem das für Wahl­kampf­kos­ten und media­les Signal egal ist: okay. Dann aber bit­te nicht bekla­gen, wenn nach­her ein Zehn­tel­pro­zent oder so (~50.000 Leu­te) mehr oder weni­ger über schwarz-gelb oder Ampel entscheidet!

  11. ich sehe die pira­ten auch bei unter 2%, aber wer weiß. bin halt gegen die 5%-hürde und fin­de es beson­ders falsch, wenn klein-par­tei­en sie sich zunut­ze machen wol­len, nach­dem sie jah­re­lang selbst dar­un­ter gelit­ten haben.

    dan­ke für den hin­weis auf die chro­nik. wird man dar­an erin­nert, dass es bei den grü­nen bis unge­fähr 1990 noch lin­ke gab (ditt­furth, tram­pert, eber­mann usw.). die lei­der die wei­te­re ent­wick­lung der par­tei ziem­lich gut vor­her­ge­se­hen haben…

  12. @filtor: Naja, naja. Ers­tens fin­de ich die Fünf-Pro­zent-Hür­de auch nicht sehr sinn­voll (eben weil sie letzt­lich irra­tio­na­les Wäh­ler­ver­hal­ten ratio­nal macht), aber sie ist nun mal da. Mir zu unter­stel­len, dass „klein-par­tei­en sie sich zunut­ze machen wol­len“ fin­de ich blöd.

    Zwei­tens: ich selbst sehe mich durch­aus als Teil des lin­ken Flü­gels der Grü­nen. Wenn ich mir aber anschaue, wie Dit­furth, Tram­pert und Eber­mann der­zeit agie­ren, bin ich eigent­lich ganz froh, dass die nicht mehr in der Par­tei sind – damit mei­ne ich nicht, dass jeder von außen (bzw. von Ex-Mit­glie­dern, sind ja oft die schlimms­ten Kri­ti­ker) her­an­ge­tra­ge­ne Kri­tik­punkt falsch ist; aber wenn jemand nur davon bzw. dafür lebt, als Ex-Grü­ne auf­zu­tre­ten – und zumin­dest bei Dit­furth habe ich schon den Ein­druck – dann läuft da doch was falsch.

  13. Es gibt gute Grün­de, Pira­ten nicht zu wäh­len. Aber damit ent­stellt man das Wahl­sys­tem, egal ob das tak­tie­ren oder Stimm­ge­wicht maxi­mie­ren nennt. Ich gebe aller­dings eines zu bedenken:
    Wie vie­le Ham­bur­ger Grün-Wäh­ler waren ent­täuscht, als die Grü­nen die Stu­di­en­ge­büh­ren durch­wink­ten? Ergo: Man kann sein Stimm­ge­wicht dann maxi­mal maxi­miert haben und es kommt doch nicht das rich­ti­ge Ergeb­nis, weil die Poli­ti­ker sich weni­ger ihrer Basis oder ihrem Gewis­sen als der Macht­ma­xi­mie­rung ver­pflich­tet sehen. Ich als Pirat kann nicht sagen ob wir schon 2009 in den Bun­des­tag ein­rü­cken, es wäre wün­schens­wert, auch wenn es uns – zuge­ge­be­ner­ma­ßen – ver­mut­lich über­for­dert. Neben­bei ange­merkt in Schles­wig-Hol­stein kan­di­diert eine Pira­tin auf Platz1 im Land­tags­wahl­kampf. Die The­men­be­schrän­kung der Pira­ten, die zuletzt auf dem BPT09 noch­mals bestä­tigt wur­de, sorgt eben dafür, dass Äuße­run­gen zu The­men­ge­bie­ten für die wir kei­ne Exper­ti­se haben wirk­lich die Ein­zel­mei­nung der sie täti­gen­den bleibt. Bei den Grü­nen kann man sehen, dass wei­te Tei­le von ihnen von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­net­zen a) kei­ne Ahnung haben, sich aber troz­dem äußern oder sich b) schon mal für schwarz grün warmkuscheln.

  14. Jede Stim­me für eine der eta­blier­ten Par­tei­en wird von den eta­blier­ten Par­tei­en als Legi­ti­ma­ti­on gese­hen, im Bun­des­tag durch­zu­prü­geln was sie durch­prü­geln wollen. 

    Das der SPD genau­so­we­nig zu ver­trau­en ist wie den Grü­nen hat man spä­tes­tens bei der Zen­sur­su­la-Abstim­mung gese­hen, ganz sicher aber auch schon bei den Ver­schlech­te­run­gen wäh­rend Rot-Grün.

    Schwarz-Gelb wür­de viel­leicht noch­mal einen Dreh schlim­mer, aber dann knallt es 2012 wenigs­tens rich­tig. Und wenn Schwarz-Rot so wei­ter­ma­chen soll­te, wird es immer­noch knallen. 

    Aber wenigs­tens kann ich als Pira­ten­wäh­ler sagen: Ich habe das so nicht gewollt. Ich habe nicht zuge­stimmt das ihr über mei­nen Kopf hin­weg regiert. Mei­ne Stim­me habe ich für Trans­pa­renz und Basis­de­mo­kra­tie abgegeben.

    Nur wer noch irgend­wo kind­li­ches Ver­trau­en fin­det wählt tak­tisch. Wer Ver­än­de­rung will – ob kurz- oder lang­fris­tig – wählt ehrlich.

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