Zeit des Virus, Update III

Flowers everywhere! - IX

All­mäh­lich wird aus der hek­ti­schen Betrieb­sam­keit der ers­ten Wochen etwas, das sich lang zieht, etwas, das nach Aus­dau­er und War­ten ruft. Etwas, das noch kein Ende kennt, ein Drit­tes neben Kri­se und Normalbetrieb.

In den letz­ten drei Wochen, seit ich zuletzt über die „Zeit des Virus“ geschrie­ben habe, ist es gefühlt deut­lich schwie­ri­ger und anstren­gen­der gewor­den. Ostern hat ganz gut geklappt, Kern­fa­mi­li­en­fei­er, per Sky­pe zuge­schal­te­te Groß­el­tern und Geschwis­ter, gemein­sam ver­brach­te Zeit. Aber die Oster­fe­ri­en, die in Baden-Würt­tem­berg erst mor­gen enden, sind kei­ne Feri­en, weil die Kin­der bei­de noch Schul­stoff erle­di­gen müs­sen, und weil auch die Frak­ti­ons­ar­beit weit­ge­hend „nor­mal“ weiterläuft.

Auch bei mir gibt es zuneh­mend das Gefühl, dass es doch mal auf­hö­ren müss­te mit die­sem Lock­down, mit den gan­zen Beschrän­kun­gen. Ich kann mir noch nicht so ganz vor­stel­len, wie die Kin­der damit klar kom­men sol­len, wei­te­re Wochen im „Home-Schoo­ling“ zu ver­brin­gen. Für Mon­tag sind die nächs­ten Auf­ga­ben und Tele­fo­na­te mit den Lehrer*innen ange­kün­digt. „Macht doch mal was“ bleibt trotz­dem an den Eltern hän­gen, und klar: es gibt so etwas wie einen Rhyth­mus, aber es sind doch Tage, an denen deut­lich weni­ger pas­siert als es in der Schu­le der Fall wäre. Und zumin­dest R. ist zuneh­mend frus­triert davon, wenn drau­ßen auf dem Hof Kin­der spie­len und ich nur sage, dass wir es nicht möch­ten, dass er dazu geht.

Gefühlt also Eile, trotz aller Intro­ver­tier­heit der Wunsch, dass die Zeit des Virus mal vor­bei gehen möge. Und gleich­zei­tig im Kopf das Wis­sen dar­um, dass wir noch längst nicht über den Berg sind, der Ärger dar­über, dass allein die Debat­te um „Locke­run­gen“ bei eini­gen wohl dazu geführt hat, das alles nicht mehr ernst zu neh­men … ich möch­te nicht wis­sen, was das für die Anste­ckungs­zah­len in ein paar Tagen bedeutet.

Und wenn ich ver­su­che, mir die ver­schie­de­nen Stra­te­gien, mit dem Virus umzu­ge­hen, vor Augen hal­te, dann wird klar: Her­den­im­mu­ni­tät, der Auf­bau eines natür­li­chen Schut­zes bei einem gro­ßen Teil der Bevöl­ke­rung: das funk­tio­niert nicht, jeden­falls nicht ohne eine Viel­zahl an Toten in Kauf zu neh­men. Was jetzt pas­siert, ist das Sen­ken der Wei­ter­ver­brei­tung auf ein Maß, mit dem das Gesund­heits­sys­tem klar kommt. Das sieht aktu­ell gut aus, die Neu­in­fek­tio­nen sind zurück­ge­gan­gen und seit Tagen sta­bil, auch die Zahl der täg­li­chen Todes­fäl­le ist halb­wegs sta­bil (zynisch, dass das eine gute Nach­richt ist). Aber so wei­ter zu machen, heißt eben auch, einen Kern aus Kon­takt­ver­mei­dung und har­ten Beschrän­kun­gen noch min­des­tens bis in den Herbst, viel­leicht auch ins Früh­jahr auf­recht zu erhal­ten. Und dann ste­hen sowohl Selb­stän­di­ge, die nichts ver­die­nen, weil der­zeit zum Bei­spiel nie­mand Auf­trit­te von Künstler*innen bucht, vor einem Pro­blem – genau­so wie alle Eltern, die das Gewurs­tel der letz­ten Wochen bis weit in die Zukunft hin­ein wei­ter­füh­ren sol­len. (Und nein, bei wei­tem nicht jeder Haus­halt besteht aus Vater Allein­ver­die­ner, der päd­ago­gisch ver­sier­ten Mut­ter Hob­by­leh­re­rin und den bra­ven Kin­dern 1 und 2, die ger­ne mit dem Hund im Gar­ten tol­len). (Apro­pos: sehr gut dazu Anna­le­na Baer­bock in der taz).

Nahe lie­gen­de Lösun­gen für die­ses Pro­blem gibt es nicht, am bes­ten wäre wohl eine Kom­bi­na­ti­on aus ech­tem Tele­un­ter­richt für die Kin­der (aber das muss tech­nisch erst ein­mal klap­pen), einem rol­lie­ren­den oder sonst irgend­wie redu­zier­tem Sys­tem von Kita- und Schul­öff­nun­gen und Lohn­er­satz­leis­tun­gen für alle, die so nicht arbei­ten kön­nen. Und irgend­wann dann die Imp­fung. Aber so oder so heißt dass, das es noch eine gan­ze Wei­le wei­ter­geht mit dem Sta­tus quo.

Der klei­ne Hoff­nungs­fun­ke: die Zahl der Neu­in­fek­tio­nen und die Zahl der Infek­tio­nen pro Per­son nimmt so stark ab, dass wie­der zu „Con­tain­ment“ als Stra­te­gie gegrif­fen wer­den kann. Das hat aber zwei nicht ganz ein­fa­che Vor­aus­set­zun­gen. Zum einen braucht es schnel­le Tests, auch auf Immu­ni­tät, und Wis­sen dar­über, wie die Dun­kel­zif­fern aus­se­hen. Also Tests und Strich­pro­ben. Und zum ande­ren braucht es eine Ein­hal­tung sowohl der jetzt gel­ten­den Kon­takt­be­schrän­kun­gen wie auch der dann wei­ter not­wen­di­gen Hygie­ne­re­geln durch einen gro­ßen Teil der Bevöl­ke­rung, also Ein­sicht. Bei den Tests und Stich­pro­ben bin ich halb­wegs zuver­sicht­lich, bei der Ein­sicht habe ich der­zeit so mei­ne Zwei­fel. Der Heins­berg-Coup von Laschet ist dies­be­züg­lich, um es deut­lich zu sagen, hoch­gra­dig kontraproduktiv.

In der Pres­se und in der Frak­ti­on – genau­so wie in den sozia­len Medi­en – gibt es der­zeit eigent­lich nur ein The­ma. Auch das trägt dazu bei, dass die­se Tage sich stre­cken. Es geht immer um Coro­na. In der Arbeit. In der Frei­zeit. Am Wochen­en­de. In den „Feri­en“. Usw. Klar gibt es Flucht­mo­men­te – Com­pu­ter­spie­le, Fil­me, Bücher – aber eigent­lich ist das Virus dau­er­prä­sent. Und das seit Wochen. Auch das macht die­se Zeit schwie­rig. Viel­leicht brau­chen wir hier ande­re Räume.

Gleich­zei­tig emp­fin­de ich es als schwie­rig, die Pan­de­mie aus­zu­blen­den. Bei­spiel Wahl­pro­gramm – im Früh­jahr 2021 sind Land­tags­wah­len in Baden-Würt­tem­berg. Da jetzt ein Pro­gramm zu schrei­ben, das aus­sieht wie jedes ande­re, das wird nicht gehen. Nicht nur, weil die Wirt­schafts­la­ge und die Finanz­la­ge des Lan­des eine ande­re sein wer­den, son­dern auch des­we­gen, weil die Pan­de­mie eine gan­ze Rei­he von poli­ti­schen Prio­ri­tä­ten umge­wor­fen hat. Das ist jeden­falls mein Ein­druck. Jetzt auf Ant­wor­ten aus dem Jahr 2019 zu set­zen, hät­te ähn­li­che Effek­te wie die gran­di­os dane­ben gegan­ge­ne „Alle reden von Deutsch­land – wir nicht“-Kampagne, die die West-Grü­nen nach der Wen­de aus dem Bun­des­tag kick­te. Es braucht also Sen­si­bi­li­tät dafür, wie die Stim­mung im Land im Früh­jahr 2021 aus­se­hen wird. Nur weiß das jetzt noch nie­mand. Poli­tik wie üblich funk­tio­niert auch des­we­gen gera­de nicht.

Arne Jung­jo­hann hat­te auf Twit­ter mit Bezug auf Caro­lin Emckes Coro­na-Tage­buch nach gene­ra­tio­nen­de­fi­nie­ren­den his­to­ri­schen Ereig­nis­sen gefragt. Bis­her hät­te ich da mit Tscher­no­byl geant­wor­tet, viel­leicht mit der Wen­de, mit der ers­ten rot-grü­nen Bun­des­re­gie­rung, mit 9/11 oder auch mit Fuku­shi­ma und allen Fol­gen, auch in der baden-würt­tem­ber­gi­schen Lan­des­po­li­tik. Gut mög­lich, dass das Jahr 2020 in vie­len Bio­gra­fien die­se Ereig­nis­se über­strah­len wird und in der Geschich­te der Zukunft der Punkt sein wird, an dem das alte 20. Jahr­hun­dert dann wirk­lich geen­det hat.

P.S.: April­ta­ge mit fast 30° Cel­si­us, viel zu wenig Regen, Dür­re­war­nung – die ande­re gro­ße Kri­se ist wei­ter­hin da.

Zeit des Virus, Update II

All­mäh­lich ent­wi­ckeln sich neue Rou­ti­nen. Drau­ßen blü­hen die Obst­bäu­me und die For­sy­thi­en, die Wie­sen sind von Gän­se­blüm­chen über­sät. Drin­nen wech­seln sich Tage, an denen eine Video­kon­fe­renz auf die ande­re folgt, mit Tagen ab, an denen mei­ne Kin­der bei mir sind, und an denen die Frak­ti­ons­ar­beit in den Hin­ter­grund rückt.

Ich beob­ach­te, dass auch Tele­fo­na­te mit Kolleg*innen inzwi­schen häu­fi­ger als frü­her als Video­te­le­fo­nat statt­fin­den. Das mag eine Unacht­sam­keit sein, weil unser Tele­fon­sys­tem hier sei­ne Eigen­hei­ten hat, mag aber auch dem Wunsch ent­spre­chen, die Kol­le­gin bzw. den Kol­le­gen zumin­dest mal zu sehen. Und manch­mal ertap­pe ich mich dabei, die Tasche für das Pen­deln packen zu wol­len und früh ins Bett gehen zu wollen.

Aber das ist jetzt anders. Wir blei­ben län­ger wach und ste­hen spä­ter auf.

Die Kin­der dazu zu moti­vie­ren, die Auf­ga­ben­zet­tel abzu­ar­bei­ten, fällt wei­ter­hin schwer. Wenn schon Schu­le, dann doch lie­ber Dokus zu kom­plett ande­ren The­men anschau­en oder die Mathe­app durch­ar­bei­ten. Ich bin froh, dass der Schul­lei­ter der Schu­le mei­ner Kin­der in einem Rund­schrei­ben dar­auf hin­weist, dass die­ses Schul­jahr kein nor­ma­les Schul­jahr sein wird, und dass alle ihre Erwar­tun­gen ändern müssen.

Nach­mit­tags spielt R. nicht mit dem Nach­bars­jun­gen auf dem Hof, son­dern mit sei­nem Cou­sin aus Bonn auf einem Mine­craft-Ser­ver. Für Z. ist Whats­app der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nal der Wahl, um mit ihren Freund*innen in Kon­takt zu bleiben.

Ich ver­su­che wei­ter­hin, die Woh­nung mög­lichst sel­ten zu ver­las­sen. Das hat zu einem auf­ge­räum­ten Bal­kon geführt und zu aus­ge­mis­te­ten Zei­tungs­sta­peln. Gut, dass es Twit­ter und Net­flix gibt, dass eBooks wei­ter lie­fer­bar sind, und gut, dass es Com­pu­ter­spie­le gibt, die ich mag (der­zeit neben Star­dew Val­ley v.a. Mini­me­tro). Ehr­lich gesagt: ganz so groß sind die Unter­schie­de in mei­ner Frei­zeit­ge­stal­tung nicht – manch­mal hat Intro­ver­tiert­heit auch Vorteile.

Raus­ge­gan­gen bin ich in den letz­ten Tagen ein­mal zum Ein­kau­fen und zwei­mal, um beim Rad­fah­ren bzw. Spa­zie­ren­ge­hen etwas fri­sche Luft und Bewe­gung zu bekom­men. Ich bin froh, in einem Bun­des­land zu leben, dass die nöti­gen Maß­nah­men zur Kon­takt­ver­mei­dung nicht unnö­tig streng aus­legt – anders als in Ber­lin sind Pick­nick­de­cken und Park­bän­ke nicht per se ver­bo­ten, anders als in Sach­sen wird die Ent­fer­nung zur Woh­nung nicht kon­trol­liert. Aller­dings kann es drau­ßen ganz schön voll sein – ges­tern, bei schö­nem Früh­lings­wet­ter, bot es sich dann an, von den Haupt­rou­ten abzu­zwei­gen, um nicht alle paar Meter jemand aus­wei­chen zu müssen.

Hefe gibt es wei­ter­hin nicht. Der net­te Bio­la­den ver­wan­delt sich nach und nach in eine Indus­trie­hal­le: Ple­xi­glas­schei­ben an der Kas­se, gelb-schwarz abge­kleb­te Sperr­zo­nen und Abstands­mar­kie­run­gen. Es ist recht leer. Beim Ein­kau­fen füh­le ich mich wei­ter­hin unsi­cher: Ist es ris­kant, das nicht abge­pack­te Gemü­se zu kau­fen? Wie vie­le Packun­gen Milch, wie viel Mehl ist ange­mes­sen? Ist es ein Pro­blem, den Stift für die bar­geld­lo­se Unter­schrift anzufassen?

War­um Hefe? Offen­bar bin ich nicht der ein­zi­ge, der jetzt ver­su­chen möch­te, selbst Brot zu backen, statt zum Bäcker zu gehen. Viel­leicht geht es dabei um das Gefühl, sich not­falls selbst ver­sor­gen zu kön­nen – „Angst­ba­cken“ nann­te das jemand auf Twitter.

Wie geht es wei­ter? Das Land befin­det sich im War­te­zu­stand. Die Zahl der neu­en Fäl­le steigt lang­sa­mer an als vor ein paar Tagen, aber es ist unklar, ob das ein Abfla­chen der Kur­ve ist oder nur ein Arte­fakt begrenz­ter Test­ka­pa­zi­tä­ten und eines ver­än­der­ten Test­re­gimes. Wäh­rend­des­sen stei­gen die Todes­fäl­le wei­ter expo­nen­ti­ell an. Der Blick nach Frank­reich, nach Ita­li­en, in die USA beun­ru­higt. Wir war­ten weiter.

Zeit des Virus, Update I

Vor einer Woche schrieb ich über die Not­wen­dig­keit von Maß­nah­men, um die Aus­brei­tung des Coro­na-Virus ein­zu­däm­men. Im Lauf die­ser Woche ist eini­ges pas­siert – inzwi­schen gibt es in Frei­burg de fac­to Aus­gangs­sper­ren, das Betre­ten öffent­li­cher Stra­ßen und Plät­ze ist nur noch in begrün­de­ten Fäl­len bzw. durch Grup­pen von maxi­mal drei Per­so­nen oder Fami­li­en erlaubt, der ÖPNV darf nur für drin­gend not­wen­di­ge Fahr­ten genutzt wer­den. In Baden-Würt­tem­berg sind nach drei Rechts­ver­ord­nun­gen und Anspra­chen des Minis­ter­prä­si­den­ten und der Kanz­le­rin Schu­len und Kitas sind zu, die Spiel­plät­ze abgesperrt. 

Bis auf den Ein­zel­han­del für Lebens­mit­tel und Apo­the­ken (und ein paar wei­te­re Aus­nah­men) muss­ten alle Geschäf­te schlie­ßen, Restau­rants dür­fen nur noch Essen „to go“ ver­kau­fen. Zudem ist es heu­te, anders als es die Woche über war, kalt und reg­ne­risch. All das trägt dazu bei, dass sich jetzt wirk­lich nur noch sehr weni­ge Men­schen drau­ßen bewe­gen. Die Fall­zah­len stei­gen zunächst noch expo­nen­ti­ell an. Der­weil tobt der wis­sen­schaft­li­che Streit dar­über, ob #flat­ten­the­cur­ve die rich­ti­ge Stra­te­gie ist, und wenn ja, wie lan­ge die strik­ten Beschrän­kun­gen des öffent­li­chen Lebens dau­ern müs­sen – abseh­bar ist, dass es auch über das Ende der Oster­fe­ri­en hin­aus Ein­schrän­kun­gen geben muss. Schul­prak­ti­ka und die Eng­land­fahrt der Toch­ter wur­den jeden­falls schon abgesagt.

Was neh­me ich nun aus die­ser beweg­ten Woche mit? 

Bis­her war Home-Office der Aus­nah­me­fall, jetzt wird es zur Regel. Nur noch ein ganz rudi­men­tä­rer Stab ist in der Frak­ti­on, alle ande­ren Kolleg*innen arbei­ten von zu Hau­se aus. Ent­spre­chend fan­den in die­ser Woche dut­zen­de Tele­fon- und Video­kon­fe­ren­zen statt (hier zahlt sich halb­wegs gute Tech­nik und Stumm­schalt­dis­zi­plin aus). Die Berater*innen-Runde mit rund 20 Leu­ten funk­tio­niert gut als Video­kon­fe­renz, bei der Frak­ti­ons­sit­zung mit alles in allem 80 oder 90 Per­so­nen wird’s schon etwas schwie­ri­ger, aber auch das geht. Gelernt habe ich aber auch: nicht jede Kom­mu­ni­ka­ti­on braucht gleich eine Video­kon­fe­renz, manch­mal reicht die gute alte E‑Mail.

Was weni­ger gut funk­tio­niert, ist die Kom­bi­na­ti­on aus Home-Office und Kin­der­zu­stän­dig­keit. Ich habe den Luxus, dass das bei mir nur die hal­be Woche der Fall ist. Die Kin­der haben von der Schu­le Auf­ga­ben­pa­ke­te und Arbeits­blät­ter mit­ge­bracht, die sie erle­di­gen sol­len. In der Theo­rie kön­nen sie das auch, schon in der Grund­schu­le haben sie Frei­ar­beit gelernt, jetzt, in der wei­ter­füh­ren­den Schu­le, geht viel über Arbeits­plä­ne und indi­vi­du­el­les Ler­nen. In der Pra­xis ist ihre Moti­va­ti­on dafür aber gering, so in hal­ber selt­sa­mer Feri­en­stim­mung – alle Akti­vi­tä­ten fal­len aus – und ohne Mög­lich­keit, raus zu gehen, um Freun­de zu tref­fen, sind Han­dy und Tablet extrem ver­lo­ckend. Kin­der moti­vie­ren oder kon­zen­triert arbei­ten – das geht nicht bei­des auf ein­mal. Mal sehen, wie sich das wei­ter ein­spielt. (Und ja: nicht nur ich, son­dern auch die Kin­der wol­len Früh­stück und Mit­tag­essen und Abend­essen und und und … auch das muss erle­digt wer­den). Also: alles nicht so ein­fach. Und ein Mehr an Zeit für „end­lich mal …“ fin­de ich zumin­dest nicht.

Raus gehen, um ein­zu­kau­fen fühlt sich selt­sam an. Über­haupt, raus gehen – oder lie­ber selbst dafür nicht? Selt­sam fühlt sich’s an, weil der Laden vol­ler Hin­wei­se hängt, doch bit­te Abstand zu hal­ten, und weil bei­spiels­wei­se der Kaf­fee­aus­schank abge­stellt wur­de, und auch, weil selbst im Bio­la­den eini­ge Rega­le leer sind. Neben dem sprich­wört­li­chen Klo­pa­pier geht’s da um basa­le Din­ge – Mehl, Nudeln, Zwie­beln, Hefe, Brot … Beglei­tet wird der Ein­kauf von Unsi­cher­heit: Lie­ber abge­pack­te Pro­duk­te kau­fen? Wie viel ein­zu­kau­fen ist sozi­al ange­mes­sen? Wo lau­ert das Virus?

Nicht zuletzt: bedrü­cken­de Nach­rich­ten aus dem Elsass und aus Ita­li­en. Und der sor­gen­vol­le Blick auf die Ver­laufs­kur­ve der Fälle. 

Zeit des Virus

White and blue V

Wun­der­ba­res Früh­lings­wet­ter. Aber alles ist anders als normalerweise. 

Noch sind nur die gro­ßen Ver­an­stal­tun­gen behörd­lich ver­bo­ten. Aber es scheint mir nur eine Fra­ge von Tagen zu sein, bis auch in Deutsch­land dras­ti­sche Maß­nah­men ergrif­fen wer­den, um die Aus­brei­tung des Coro­na­vi­rus zu ver­lang­sa­men. Schul­schlie­ßun­gen, Besuchs­ver­bo­te in Kran­ken­häu­sern und Alten­hei­men, Schlie­ßun­gen von Cafes und Knei­pen. Grenz­schlie­ßun­gen und Ein­schrän­kun­gen der Rei­se- und Bewegungsfreiheit.

Das klingt dras­tisch, und das ist dras­tisch – aber es ist das, was Stand der Wis­sen­schaft ist, um tau­sen­de Tote zu ver­mei­den. Hören wir auf die Wissenschaft!

Das Coro­na­vi­rus ist zwar nur für einen klei­nen Teil der Ange­steck­ten töd­lich – aber es brei­tet sich aus. Und weil jede ange­steck­te Per­son im Schnitt zwei bis vier wei­te­re Per­so­nen ansteckt, brei­tet es sich nach einer expo­nen­ti­el­len Logik aus: inner­halb weni­ger Tage ver­dop­peln sich die Fall­zah­len. Das war in Wuhan so, das ist in Ita­li­en so, und das ist nach allem, was die Zah­len her­ge­ben, auch in Deutsch­land so. Expo­nen­ti­al­kur­ven pas­sen nicht zu unse­rem All­tags­ver­ständ­nis. Sie sind nicht intui­tiv – aber das ändert nichts an ihrer Gefähr­lich­keit. (Wer es nach­le­sen will: die Süd­deut­sche hat das her­vor­ra­gend aufbereitet). 

Um die Aus­brei­tung des Virus zu ver­lang­sa­men, um die Kur­ven so abzu­fla­chen, dass das Gesund­heits­sys­tem mit der Zahl schwe­rer Fäl­le zurecht kommt, ist es des­we­gen jetzt rich­tig, sozia­le Kon­tak­te zu mini­mie­ren. Egal, was das für jede und jeden von uns an Ein­schnit­ten bedeu­tet. #flat­ten­the­cur­ve

Des­we­gen habe ich über­haupt kein Ver­ständ­nis für die­je­ni­gen, die damit argu­men­tie­ren, dass das ja auch nur eine Art Grip­pe sei, oder die spitz­fin­dig Regeln unter­lau­fen und bei­spiels­wei­se bei einem Ver­an­stal­tungs­ver­bot ab 1000 Per­so­nen halt nur 999 rein­las­sen. Ich kann mir da nur an den Kopf fas­sen – Moment, auch das lie­ber nicht – weil 1000 natür­lich kei­ne magi­sche Gren­ze ist, unter­halb der das Virus sei­ne Anste­ckungs­ge­fahr ver­liert, son­dern eine tech­ni­sche Zahl. Ja, es geht auch um Ein­nah­me­aus­fäl­le und wirt­schaft­li­che Schä­den – bis hin zur Exis­tenz­be­dro­hung für bei­spiels­wei­se Künstler*innen und Messebauer*innen – und dafür braucht es Lösun­gen. Das Unter­lau­fen von Regeln kann aber kei­ne sol­che Lösung sein. Wer ver­nünf­tig ist, sagt ab, und macht zu.

Frei­burg ist eine ver­netz­te Stadt – das Elsass und die Schweiz sind eng mit uns ver­floch­ten. Jetzt ist das Elsass Risi­ko­ge­biet – aus­ge­hend von einem Tref­fen einer Frei­kir­che brei­tet sich das Virus mas­siv aus. Pendler*innen aus dem Elsass sol­len nicht mehr nach Süd­ba­den kom­men, Kin­der nicht mehr hier zur Schu­le gehen. Das sind har­te Ein­schnit­te in unse­re geleb­te euro­päi­sche Nor­ma­li­tät. (Und selbst im Klei­nen bemerk­bar – bei­spiels­wei­se kommt ein Teil des Gemü­ses im loka­len Bio­la­den von elsäs­si­schen Bau­ern­hö­fen – und ist aktu­ell nicht lieferbar.)

Ich arbei­te ganz regu­lär schon jetzt etwa die Hälf­te der Woche im Home-Office. Das hat eine gan­ze Men­ge Nach­tei­le, und ich freue mich über den direk­ten Aus­tausch mit Kolleg*innen, an den Tagen, an denen ich in Stutt­gart bin. Eigent­lich war mein März-Kalen­der voll – neben den Arbeits­ter­mi­nen in Stutt­gart gab es auch noch eine gan­ze Rei­he Par­tei­ter­mi­ne. Als Frak­ti­on woll­ten wir am Mon­tag unser vier­zig­jäh­ri­ges Jubi­lä­um fei­ern. Das haben wir schon vor zwei Wochen in den Juni ver­scho­ben. Damals haben noch eini­ge gelä­chelt oder gemeint, das sei doch eine Über­re­ak­ti­on. Jetzt mache ich mir Sor­gen, ob der Juni-Ter­min nicht noch zu früh ist. Par­tei-Arbeits­grup­pen zum Wahl­pro­gramm wer­den jetzt als Tele­fon­kon­fe­ren­zen statt­fin­den – über­haupt: Tele­fon- und teil­wei­se Video­kon­fe­ren­zen sind plötz­lich das Mit­tel der Wahl. Per­fekt läuft das noch nicht, aber als Pro­vi­so­ri­um kann eine Vor­stands- oder Arbeits­kreis­sit­zung auch in sol­chen For­ma­ten statt­fin­den. Und zum Glück sind wir über­wie­gend mit mobi­len Gerä­ten aus­ge­stat­tet, zum Glück gibt es die not­wen­di­ge Tech­nik im Landtagssystem. 

Im Umkehr­schluss kommt mir jetzt schon jede Fahrt nach Stutt­gart der­zeit wie ein ris­kan­tes Aben­teu­er vor – ohne Auto und ohne Füh­rer­schein bin ich auf den öffent­li­chen Ver­kehr ange­wie­sen. Inso­fern: ger­ne Home-Office, ger­ne Tele­fon- und Videokonferenzen.

Mal sehen, wie das wird, wenn dazu Schul­schlie­ßun­gen kom­men – ich befürch­te, das mir und mei­nen Kin­dern mei­ne klei­ne Woh­nung da bald sehr eng vor­kom­men wird. 

Als Frak­ti­on durf­ten wir jetzt bereits zwei­mal den Ernst­fall pro­ben – schon vor eini­gen Tagen gab es den ers­ten Ver­dachts­fall, der letzt­lich nega­tiv getes­tet wur­de. Trotz­dem lös­te das erst ein­mal eine Wel­le an Maß­nah­men aus, vor­sorg­li­cher­wei­se auch über die Emp­feh­lun­gen des Gesund­heits­am­tes hin­aus­ge­hend – Home-Office für alle. Was ist mit Part­nern und Part­ne­rin­nen, Kin­dern – sol­len die zur Schu­le gehen? -, ande­ren Men­schen, die ich getrof­fen habe? Wür­den die Vor­rä­te rei­chen, wenn aus der vor­sorg­li­chen Selbst­iso­la­ti­on eine ech­te Qua­ran­tä­ne wird? Ges­tern gab es dann erneut einen – zum Glück wie­der­um letzt­lich nega­ti­ven – Ver­dachts­fall. Ein Abge­ord­ne­ter hat­te Kon­takt zu einer posi­tiv getes­te­ten Per­son und zeig­te Erkäl­tungs­sym­pto­me – und war bei der gro­ßen Frak­ti­ons­sit­zung dabei. Das hat­te Fol­gen – unter ande­rem nahm der Minis­ter­prä­si­dent nicht an der gest­ri­gen Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz teil, die gesam­te Frak­ti­on blieb vor­sorg­lich der Land­tags­sit­zung fern, nach­dem ein Ver­such, die­se zu ver­ta­gen, an der Oppo­si­ti­on geschei­tert war. Und eben für alle Abge­ord­ne­ten und Mitarbeiter*innen wie­der die Fra­ge, wie sie das indi­vi­du­el­le Risi­ko ein­schät­zen, wie vor­sorg­lich sie wei­te­re Kon­takt­per­so­nen infor­mie­ren oder nicht. 

Das waren Pro­be­läu­fe. Poli­tik ist heu­te zu gro­ßen Tei­len ein Prä­senz­ge­schäft. Sit­zun­gen sind prä­senz­pflich­tig, und der All­tag von Politiker*innen besteht oft genug dar­aus, Hän­de zu schüt­teln und von Ver­an­stal­tung zu Ver­an­stal­tung zu gehen. Wie funk­tio­niert das, wenn social distancing ange­sagt ist (und Tests auf das Virus noch immer ein paar Stun­den brau­chen)? Ist es ver­ant­wort­lich, Hand­lungs­fä­hig­keit bewei­sen zu wol­len und Land­tags- und Aus­schuss­sit­zun­gen statt­fin­den zu las­sen, oder müs­sen auch die­se abge­sagt oder durch ande­re For­ma­te ersetzt wer­den? Ist das ein Fall für die Ein­be­ru­fung des Not­par­la­ments, oder braucht es so etwas wie Online-Abstim­mun­gen für die Parlamente?

Wir sind mit­ten in einer kri­sen­haf­ten Situa­ti­on. Es geht jetzt dar­um, die Aus­brei­tung des Virus zu ver­lang­sa­men und ein­zu­däm­men. Das wird schwierig.

Irgend­wann wird eine Zeit nach dem Virus da sein. Wenn die Ein­däm­mung gelun­gen ist. Wenn es einen Impf­stoff gibt. Es ist jetzt zu früh, Aus­sa­gen über die­se Zeit zu tref­fen. Mein Gefühl ist aber, dass es vie­les gibt, was wir jetzt ler­nen kön­nen. Dar­über, was wirk­lich wich­tig und was nice to have ist, aber auch dar­über, wo wir – im Gesund­heits­sys­tem, bei der digi­ta­len Infra­struk­tur, mög­li­cher­wei­se auch im Hin­blick auf die Ein­he­gung der Fol­gen glo­ba­ler Ver­net­zung – bes­ser auf­ge­stellt sein könn­ten. Mög­li­cher­wei­se wird die Zeit des Virus zu einem Kata­ly­sa­tor für Online-Lear­ning und Digi­ta­li­sie­rung, aber auch für ein robus­te­res, wider­stands­fä­hi­ge­res und soli­da­ri­sches Gemein­we­sen. Und letz­te­res ist etwas, das auch im Hin­blick auf die ande­re gro­ße Kri­se, die gera­de etwas in den Hin­ter­grund rückt, näm­lich den Kli­ma­kri­se, drin­gend not­wen­dig ist.

Das eine Ding (um bei der Gestaltung des digitalen Wandels auf Landesebene voranzukommen) – Teil I

Manch­mal kann Twit­ter noch über­ra­schen – sogar posi­tiv. Am spä­ten Mitt­woch­abend hat­te ich spon­tan gefragt, 

„Mal expe­ri­men­tell in die Run­de gefragt: was wäre aus eurer Sicht das eine Ding, bei dem eine Lan­des­re­gie­rung (!) in Bezug auf die Gestal­tung des digi­ta­len Wan­dels das meis­te bewe­gen könn­te?“ [_tillwe_],

und es hagel­te Ant­wor­ten – die aller­meis­ten davon kon­struk­tiv, nur gan­ze weni­ge bestan­den dar­aus, dass mit Buz­zwords um sich gewor­fen wur­de. Erfreu­lich: nie­mand hat KI gesagt! 

Und auch mei­ne manch­mal viel­leicht etwas zu boh­ren­den Nach­fra­gen und Bit­ten um Kon­kre­ti­sie­rung wur­den ganz über­wie­gend kon­struk­tiv auf­ge­nom­men und beant­wor­tet. Schön auch, dass das aller­meis­te, was da kam, tat­säch­lich durch ein Land gere­gelt wer­den könnte.

Weil dabei doch eine gan­ze Men­ge guter Ideen auf­ge­schrie­ben wur­den – und sich her­aus­stellt, dass Twit­ter nicht wirk­lich ein gutes Medi­um ist, um den Über­blick zu bewah­ren -, möch­te ich das ohne Anspruch auf Voll­stän­dig­keit zusam­men­fas­sen, ord­nen und damit doku­men­tie­ren. Wenn ich etwas über­se­hen habe, ger­ne in den Kom­men­ta­ren ergänzen. 

Am ganz großen Rad drehen

Eini­ge weni­ge Ant­wor­ten gin­gen in Rich­tung „Grund­ein­kom­men“. Zum Bei­spiel wur­de ein Pilot­pro­jekt zum bedin­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­men vor­ge­schla­gen, um „in Zei­ten zuneh­men­der Auto­ma­ti­sie­rung & dau­er­haft hohem Stress-Pegel“ die „Köp­fe frei zu machen für gute Netz­po­li­tik“ – und als Teil eines Ansat­zes, bei jeder Tech­no­lo­gie auch sozia­le Inno­va­tio­nen mit zu beden­ken. [BGE­weil­Au­to­ma­ti, xoryps]

Eine Num­mer klei­ner: Kul­tur­wan­del, Men­ta­li­täts­fra­gen – „Der tech­no­lo­gi­sche Wan­del kommt so oder so – doch die damit in Kon­text ste­hen­de KULTURELLE Trans­for­ma­ti­on ist eine ganz eige­ne Dimen­si­on, die ger­ne über­se­hen wird.“ [D_Herrmann]

„ich habe jetzt ne gute Stun­de auf dei­nen Tweet geschaut.
Am Ende ist es kei­ne Tech­nik, kei­ne Platt­form, kei­ne Gesetzesänderung.
Imho ist es prä­gen eines Mind­sets in und außer­halb der Ver­wal­tung durch Reich­wei­te und eige­nes Vor­le­ben.“ [reg_nerd]

Und das ist natür­lich auch eine Fra­ge, wie Behör­den bzw. deren Mitarbeiter*innen den­ken [han­no]. Die eige­nen Mitarbeiter*innen „so zu begeis­tern und zu befä­hi­gen, dass sie das nach außen tra­gen kön­nen.“ [zynic1]

Infrastruktur als Grundlage

Eine Rah­men­be­din­gung, die Län­der (mehr oder weni­ger gut) beein­flus­sen kön­nen, ist die Infra­struk­tur. Dabei geht es vor allem um den Breit­band­aus­bau. Bei­spiels­wei­se könn­te der zen­tral geplant wer­den [flue­ke]. Gefor­dert wur­de „flä­chen­de­ckend Glas­fa­ser“ [Reski­Lab], und zwar so, dass bei­spiels­wei­se eine Stra­ße nicht mehr­fach auf­ge­ris­sen wer­den muss, son­dern bei (lan­des­ge­för­der­ten) Stra­ßen­er­neue­run­gen auch gleich (lan­des­ge­för­der­tes) Breit­band ver­legt wird. 

Dabei geht es nicht nur um Geld, son­dern auch um Kom­pe­tenz und Wis­sen beim Glas­fa­ser­aus­bau [patrick­hanft]. Emp­foh­len wird die Grün­dung eige­ner Stadtwerke/kommunaler Unter­neh­men als Betrei­ber von Net­zen. Vor­bild ist hier ger­ne der Nor­den (Schles­wig-Hol­stein, Nie­der­sach­sen). [patrick­hanft]

Aber auch das Land selbst könn­te (mal von Bei­hil­fe­fra­gen etc. abge­se­hen …) eine „eige­ne, selbst­ver­wal­te­te Infra­struk­tur (Hard­ware) auf­bau­en“ [levam­py­re], von der Glas­fa­ser bis zur Anten­ne. Ein lan­des­ei­ge­nes Back­bone-Netz (mir fällt da Bel­wue ein) könn­te mit Frei­funk auf lan­des­ei­ge­nen Dächern ver­bun­den wer­den. [ali­os]

Open Source als Grundprinzip – Wirtschaftsförderung durch das Land

Ein gro­ßes The­ma in den Ant­wor­ten auf mei­ne Fra­ge war Open Source – oder gene­rel­ler die Fra­ge, wie ein Land Auf­trä­ge im Soft­ware­be­reich ver­gibt, und was es tut, um hier ent­we­der inno­va­ti­ve, klei­ne Fir­men zu för­dern oder gleich dafür zu sor­gen, dass Pro­gramm­code mehr­fach nutz­bar ist:

„Offe­ne Stan­dards, Open Source und Open Data als Grund­vor­aus­set­zung bei jeder Aus­schrei­bung und För­de­rung“ [the_infinity]

Das „klingt erst­mal nerdig, ist aber v.a. ein Schritt zu mehr Qua­li­täts­kon­trol­le, weni­ger Pro­ble­men bei (Betriebssystem-)Updates und weni­ger Lock-In-Effek­ten, weil man man die Daten aus sei­nen eige­nen Pro­gram­men nicht mehr her­aus­be­kommt.“ [the_infinity], ins­be­son­de­re in Bezug auf Fach­an­wen­dun­gen. (Oder auch, um die Abhän­gig­keit von Micro­soft zu redu­zie­ren – nicht zuletzt aus Sicher­heits­grün­den [1_punch_mickey]).

Oder zuge­spitzt: Jeder aus öffent­li­chen Mit­teln finan­zier­te Pro­gramm­code soll freie Soft­ware wer­den – auch an Uni­ver­si­tä­ten. [mark­we­ge]. Oder anders­her­um: Lizenz­ge­büh­ren ein­spa­ren und dar­aus die Ent­wick­lung freie Soft­ware finan­zie­ren. [BGE­weil­Au­to­ma­ti]

Kon­kre­ter wird vor­ge­schla­gen, UX – also das Design der Benut­zer­schnitt­stel­le – bei frei­er Soft­ware durch das Land zu för­dern. [flue­ke] Oder einen Fokus auf Sicher­heit bei eigen­ent­wi­ckel­ter „FOSS“ (frei­er und offe­ner Soft­ware) zu set­zen. [JoernPL]

Hilf­reich könn­te hier­bei auch „eine Platt­form“ für Land­krei­se und Kom­mu­nen sein, um Ver­wal­tungs­ver­fah­ren mit offe­nen Stan­dards zu ent­wi­ckeln. Bestehen­de kom­mu­na­le IT-Dienst­leis­ter könn­ten dabei eine Rol­le spie­len. [patrick­hanft]

Aber es geht im Bereich der För­de­rung nicht nur um Open Source als För­der­maß­nah­me für die loka­le Wirt­schaft [deb_vortex]. Vor­ge­schla­gen wur­de auch, IT-Unter­neh­men güns­ti­ge Kre­di­te zu geben (oder gar die Steu­ern zu sen­ken), damit die­se fach­frem­de Arbeitnehmer*innen ein­stel­len und umschu­len kön­nen [pattern4]. Oder ganz generell:

„wäre schön wenn aus­schrei­bun­gen mal an jun­ge inno­va­ti­ve fir­men ver­ge­ben wür­den und nicht an die, die schon schon immer die soft­ware für die ver­wal­tung schrei­ben – big impact.“ [Neologist85]

Offene Daten, Transparenz – allgemein und fachspezifisch

Nicht nur der offe­ne Quell­code wur­de wie­der­holt ein­ge­for­dert, in einer gan­zen Rei­he von Bei­trä­gen ging es um offe­ne Daten. Auch hier soll das Prin­zip gel­ten, dass das, was das Land aus öffent­li­chen Mit­teln finan­ziert hat, der Öffent­lich­keit zur Ver­fü­gung gestellt wird [JoernPL]).

Dabei wur­de aller­dings auch kon­tro­vers dis­ku­tiert, ob wirk­lich pro­ak­tiv alle Daten, die ein Land so hat, maschi­nen­les­bar zur Ver­fü­gung gestellt wer­den müs­sen [nor­ber­then­se], etwa im Sin­ne eines Trans­pa­renz­ge­set­zes – oder ob es aus­reicht, ein gutes Infor­ma­ti­ons­re­gis­ter im Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz ein­zu­bau­en und dann nach Bedarf Daten zur Ver­fü­gung zu stel­len [in die­se Rich­tung: salomon_alex]. Eben­so kon­tro­vers dis­ku­tiert – ent­ste­hen aus offe­nen Daten nach­hal­ti­ge und lang­fris­ti­ge Lösun­gen, die sich selbst tra­gen (Bei­spiel „Baum­ka­tas­ter für Allergiker*innen“) – oder gibt der Staat hier Auf­ga­ben ab, die er eigent­lich selbst über­neh­men sollte. 

„Ich bin kein Anhän­ger davon, dass man Infor­ma­tio­nen in die Hän­de von „Wis­sen­den“ legt (und dann abhän­gig davon ist, ob die­se ihre Erkennt­nis­se auch tei­len). Es ist Auf­ga­be des Staa­tes für alle Bürger*innen Infor­ma­tio­nen bereit­zu­stel­len, da man ansons­ten uU. Macht kon­zen­triert.“ [salomon_alex]

Gefor­dert wur­de wei­ter­hin ganz all­ge­mein, dass behörd­li­che Infor­ma­tio­nen lang­fris­tig ver­füg­bar sein sol­len, und Behör­den­in­fos auf mög­lichst ein­heit­li­chen digi­ta­len Wegen zur Ver­fü­gung gestellt wer­den sol­len. [bran­leb]

Kon­kre­ter wur­den die­se For­de­run­gen im Bereich Bil­dung (sie­he dort) und mit Blick auf den öffent­li­chen Nah­ver­kehr. Die Ideen rei­chen hier von „Open Live Data für den ÖPNV“ und einer „API-Pflicht für Mobi­li­täts­an­bie­ter“ [sba­muel­ler] bis zu der Fest­stel­lung, dass die Län­der „als Bestel­ler des Nah­ver­kehrs ein gro­ßer Play­er bei der Digi­ta­li­sie­rung des Schie­nen­ver­kehrs“ sind [patrick­hanft]. Als posi­ti­ves Bei­spiel wur­de hier der Pro­zess rund um @digitalmobilBW genannt [_stk], um die Zivil­ge­sell­schaft ein­zu­bin­den und offe­ne Daten/APIs vom „Nut­zer­nut­zen“ [seba­so] her zu den­ken. Nicht nur die Ver­kehrs­ver­bün­de könn­te über eine gemein­sa­me Open-Source-App und einen gemein­sa­men Daten­pool Geld spa­ren, auch das inte­grier­te, ver­bund­über­grei­fen­de und inter­mo­da­le Ange­bot für die Nutzer*innen wäre bes­ser. Zudem könn­ten Drit­te neue Ange­bo­te ent­wi­ckeln, wie das andern­orts – genannt wur­de Hel­sin­ki – bereits der Fall ist. [sba­muel­ler, lewo­to, kaff­ebei­mir]

Ein wei­te­res Anwen­dungs­feld für offe­ne Daten bzw. für die Zur­ver­fü­gung­stel­lung von (gro­ßen) öffent­li­chen Daten­men­gen für gemein­nüt­zi­ge Zwe­cke wur­de die For­schung genannt:

Als (health) data sci­en­tist haet­te ich den Wunsch, dass Daten jeder Art ein­fa­cher fuer gemein­nuet­zi­ge Zwe­cke zur Ver­fue­gung gestellt wer­den. Fin­land hat gra­de Fin­da­ta gegruen­det, um die Nut­zung von Gesund­heits­da­ten zu ver­ein­heit­li­chen und zu ver­ein­fa­chen. Das waer mein Wunsch! [TSmies­zek]

Und auch, wenn es sich dabei um getrenn­te Fra­gen han­delt, und Open Source nicht auto­ma­tisch Open Data bedeu­tet, sind offe­ne Schnitt­stel­len und offe­ne Daten für vie­le Teil einer gemein­sa­men Kul­tur der Offen­heit, die ins­be­son­de­re von Ver­wal­tun­gen vor­ge­lebt und geprägt wer­den könnte. 

Um die Orga­ni­sa­ti­on der Lan­des­ver­wal­tun­gen und um das Rie­sen­the­ma Bil­dung geht es – eben­so wie um die Fra­ge öko­lo­gi­scher Nach­hal­tig­keit – dann in Teil II.